Vespasian wird von Nero zum Oberbefehlshaber im jüdischen Kriege ernannt.


Als die Kunde von den in Judäa erfolgten Niederlagen zu Nero drang, überfiel den Kaiser, wie leicht begreiflich, ein heimliches Entsetzen und Bangen, aber nach außen zeigte er nur Übermut und Ingrimm: Er gab zu verstehen, dass das Vorgefallene nicht so sehr durch die Tapferkeit der Feinde, als vielmehr durch die Lässigkeit der römischen Heerführer herbeigeführt worden sei, und glaubte es auf jeden Fall seiner Ehre auf einem so erhabenen Throne schuldig zu sein, dass er nur mit Verachtung auf sein Missgeschick herabsähe und eine von jedem Unglück unerreichbare Seelengröße nach außen zur Schau trage. Immerhin verrieten seine Sorgen den Sturm im Innern.


Wie er nun so darüber nachdachte, in wessen Hände er den aufgewühlten Orient mit Beruhigung legen könnte, um durch ihn an den jüdischen Rebellen Rache zu nehmen und die von ihrem revolutionären Fieber bereits ergriffenen umwohnenden Völkerschaften noch rechtzeitig ihrem Einfluss zu entrücken, fand er nur den Vespasian den Anforderungen der Lage gewachsen und allein befähigt, die Riesenlast eines so ungeheuren Krieges auf seine Schultern zu nehmen: War doch der Mann seit seinen jungen Jahren bis in sein Greisenalter unter den Waffen gestanden und hatte er schon vor langer Zeit den von germanischen Völkern bedrohten Westen wieder zur Ruhe und zur Anerkennung Roms gebracht, wie auch mit seinem Schwerte das bis dahin kaum bekannte Britannien neu dazugewonnen und selbst seinem Vater Claudius Gelegenheit gegeben, von dort aus sonder Müh’ und Schweiß im Triumphe in Rom einzuziehen.


Da Nero schon in dieser seiner Vergangenheit eine günstige Vorbedeutung für die Zukunft erblickte und seine Kriegserfahrung mit einem gesetzten Alter gepaart, seine persönliche Treue aber noch überdies durch seine Söhne verbürgt sah, deren volle Jugendkraft die rechte Hand ihres kriegskundigen Vaters zu werden versprach, und weil vielleicht auch schon Gott selbst mit dem Kaiserthron seine bestimmten Absichten hatte, so sandte der Kaiser den Mann zur Übernahme des Oberbefehles über die in Syrien stehenden Truppenkörper ab, nachdem er ihn noch zuvor, um seine Thätigkeit anzuspornen, mit honigsüßen Komplimenten, wie sie ihm nur die Not eingeben konnte, und mit allerlei Freundlichkeiten überhäuft hatte.

Vespasian schickte zunächst von Achaja aus, woselbst er bei Nero Audienz gehabt, seinen Sohn Titus nach Alexandrien, um die fünfte und die zehnte Legion nach Syrien zu dirigieren; er selbst setzte über den Hellespont und kam auf dem Landwege nach Syrien, wo er nun die römischen Streitkräfte, wie auch zahlreiche Hilfsvölker von den benachbarten Königen zusammenzog.