Der Kampf um Tarichää.


Nun setzte Vespasian seinen Marsch weiter fort und lagerte dann zwischen Tiberias und Tarichää. Das Lager ließ er diesmal besonders stark befestigen, weil er sich hier auf einen langwierigen Kampf gefasst machte, indem alle Elemente des Aufruhrs im Vertrauen auf die Festigkeit der Stadt und den Schutz des Sees, der bei den Einheimischen unter dem Namen Gennesar bekannt ist, sich ihr Stelldichein in Tarichää gegeben hatten.

Die Stadt war, wie Tiherias, von einem Berge überragt und hatte von Josephus ringsum, soweit sie nicht vom See bespült war, starke Befestigungen erhalten, die allerdings hinter denen von Tiberias zurückblieben.

Während nämlich Josephus die Befestigung der Ringmauer von Tiberias gleich zu Beginn des Abfalles, wo er noch über reichliche Geldmittel sowohl als Hilfskräfte verfügen konnte, vorgenommen hatte, bekam Tarichää nur das, was ihm von seinem hochherzigen Aufwande noch übrig geblieben war.

Dafür hielten sie eine starke Flotille auf dem See in Bereitschaft, welche die Bestimmung hatte, ihnen sowohl für den Fall, dass sie am Lande unterliegen sollten, einen Zufluchtsort zu bieten, als auch unter Umständen bei einer Seeschlacht Verwendung zu finden.

Als nun die Römer eben mit der Umwallung des Lagers beschäftigt waren, stürmten auch schon die Anhänger des Jesus, ohne sich im geringsten vor der Menge und Schlagfertigkeit der Feinde zu scheuen, gegen das Lager heran, jagten beim ersten Angriff die Wallarbeiter auseinander, ohne indessen dem Bau selbst sonderlichen Abbruch zu tun, und wandten sich dann, wie sie die Schwerbewaffneten sich sammeln sahen, und bevor sie noch einen Verlust erlitten hatten, eilends zu den Ihrigen zurück. Von den nachsetzenden Römern jedoch gegen die Boote abgedrängt, sprangen sie auf die Fahrzeuge und fuhren damit gerade soweit in den See hinein, dass sie mit ihren Geschossen die Römer noch erreichen konnten: dann ließen sie die Anker herab, schlossen ihre Schiffe wie Schlachtreihen aneinander und begannen nun vom See aus den Kampf mit den Feinden am Ufer.

Unterdessen hatte Vespasian in Erfahrung gebracht, dass die Hauptmasse der Juden auf der Ebene vor der Stadt beisammen sei, und sandte deshalb seinen Sohn Titus mit 600 auserlesenen Reitern dorthin ab.


Titus fand jedoch auf Seite des Feindes eine allzugroße Übermacht vor und schickte die Botschaft an den Vater, dass er eine noch größere Streitmacht benötige. Da er nun den größten Teil seiner Reiter vor Ungestüm brennen sah, noch vor Eintreffen der Verstärkung zum Kampfe überzugehen, während er andererseits doch auch auf manchen Gesichtern ein geheimes Grauen vor dieser Masse von Juden lesen konnte, so hielt er von einer Stelle aus, wo er allen gut verständlich war, folgende Ansprache:

„Römer!“ „Passend, fürwahr, muss euch gleich das erste Wort meiner Anrede an eure Abstammung gemahnen, damit ihr euch wohl vor Augen haltet, welches unsere Vergangenheit, und wer der Gegner ist, den wir angreifen wollen.

Unserer Faust ist bis zu diesem Augenblick nichts entkommen, was da auf dem Erdkreis lebt; nur die Juden – zu ihrer Ehre sei es gesagt – sind trotz ihrer beständigen Niederlagen noch immer nicht am Ende! Was für eine Schande für uns, mitten in unserem Siegeslaufe zu ermatten, wenn jene unter solchen Schlägen noch aufrecht stehen!

Ich freue mich allerdings zu sehen, dass eure äußere Haltung an Kampfesmut nichts zu wünschen übrig lässt, aber ich habe doch Bedenken, ob nicht manchem von euch die feindliche Übermacht wenigstens ein stilles Gruseln einjagt.

Möchte doch ein solcher immer und immer wieder erwägen, was für ein Blut in ihm rollt, und wer sein Widerpart im blutigen Streite ist: Leute, die, wenn sie auch mit der größten Verwegenheit und Todesverachtung kämpfen, auf der anderen Seite doch von keiner Taktik und Kriegserfahrung etwas wissen und eher den Namen einer Horde, denn eines Heeres verdienen. Was brauche ich aber erst viele Worte über unsere eigene militärische Schulung und Disziplin zu verlieren? Ist ja doch gerade das der Zweck unserer Waffenübungen, die nur von uns, Römern, auch in Friedenszeit angestellt werden, dass wir im Kriege nicht erst unsere Zahl mit der des Feindes ängstlich abzuwägen brauchen.

Was hätte denn der unausgesetzte Kriegsdienst noch für einen Wert, wenn wir es schließlich immer nur in gleicher Stärke mit ungeübten Feinden aufnehmen wollten?

Ihr müsst außerdem beachten, dass ihr Schwerbewaffnete seid, jene aber, mit denen ihr euch im Kampfe zu messen habt, nur Leichtbewaffnete, dass ihr Pferde habt, jene keine, dass ihr eine militärische Führung habt, jene keine: kurz, solche Vorteile, welche die Bedeutung eurer Zahl um das Vielfache steigern, während beim Feinde die geschilderten Mängel das Gewicht seiner numerischen Übermacht um vieles verringern müssen.

Nicht von der Masse, selbst wenn sie aus lauter wehrfähigen Männern besteht, hängt der günstige Ausgang eines Kampfes ab, sondern von der Tapferkeit der Krieger, mag auch deren Zahl eine geringe sein. Gerade die kleine Truppe ist schnell schlagfertig und flink zur gegenseitigen Unterstützung, während die übergroßen Truppenkörper sich selbst oft mehr schädigen, als dies von den Feinden geschehen könnte.

Die Juden folgen nur dem Impuls ihrer Verwegenheit und Tollkühnheit, also blinden Leidenschaften, welche zwar im Glücke mächtig aufflammen, aber beim kleinsten Unglück wieder auslöschen: bei uns dagegen hat die wahre Tapferkeit, die Subordination und der Hochgemut die Führung, lauter Eigenschaften, welche, wie sie in glücklichen Waffentaten ihre glänzendsten Blüten treiben, so auch im Unglück nie vollständig untergehen können.

Ihr habt auch um Höheres zu ringen, als die Juden! Denn während die Juden für Freiheit und Heimat den Kampf wagen, gibt es dagegen für uns nichts höheres, als Ruhmesglanz und Ehre, die von uns verlangen, dass wir auch nicht den Schein aufkommen lassen, als müssten wir nach Bezwingung einer ganzen Welt die Macht des jüdischen Volkes noch als einen gleichwertigen Gegner betrachten.

Schließlich wäre noch zu berücksichtigen, dass kein Grund vorhanden ist, gleich das Allerschlimmste zu befürchten, da eine beträchtliche Verstärkung und zwar aus nächster Nähe im Anzuge ist, ja, dass wir im Gegenteil für uns allein schon mit kecker Hand den Siegeskranz erringen könnten, und schon aus dem Grunde den vom Vater uns geschickten Hilfstruppen zuvorkommen sollten, damit die Heldentat unser ausschließliches Werk und ihr Ruhm ganz ungeschmälert bleibe.

In dieser Stunde handelt es sich nach meiner Überzeugung um nichts geringeres, als um die Ehre meines Vaters, um die meinige und um eure Ehre: um die Ehre meines Vaters, dass der Glanz seiner früheren Waffentaten nicht getrübt werde; um meine Ehre, dass ich mich eines solchen Vaters würdig zeige, wie ihr eures Führers Titus! Meinem Vater ist ja der Sieg ein gewohntes Bedürfnis, und was mich betrifft, so würde ich es nicht über mich bringen, vom Feinde überwältigt, mich wieder vor ihm blicken zu lassen.

Ihr Soldaten aber, wie müsstet ihr euch schämen, wenn ihr vor dem Feinde zurückweichen würdet, während euer Führer im dichtesten Kampfgewühl sich befindet! Denn wisset, dass ich nur an eurer Spitze der Gefahr ins Auge schauen und der erste beim Sturme auf die Feinde sein werde!

Also nur immer mir nach, in der festen Überzeugung, dass, wo immer ich mir Bahn brechen will, Gott als Mitkämpfer mir zur Seite stehen wird, und wisset zum voraus, dass die Frucht eines Sieges sicher nicht auf den bloßen Kampf vor der Mauer beschränkt bleiben wird.“


Bei diesen Worten des Titus fiel es wie göttliche Begeisterung auf die Seelen der Männer, so dass sie, als wirklich noch vor dem Zusammenstoß Trajan mit 400 Reitern zur Verstärkung eintraf, darüber sogar in Aerger gerieten, da sie durch deren Beteiligung am Kampfe ihren eigenen Siegesruhm verkümmert sahen.

Vespasian hatte außerdem noch den Antonius Silo mit 2.000 Bogenschützen zu Hilfe geschickt und ihnen die Aufgabe zugewiesen, den der Stadt gegenüberliegenden Bergabhang zu besetzen und von da aus die Juden auf der Stadtmauer zurückzujagen.

Während nun die Schützen den erhaltenen Befehlen gemäß die Leute auf der Mauer, welche die ihrigen unterstützen wollten, in der Tat vollständig in Schach hielten, jagte Titus auf seinem Pferde zu vorderst gegen den Feind, hinter ihm unter gewaltigem Brausen seine Schwadronen, die sich dabei nach der ganzen Breite der feindlichen Stellungen auf der Ebene aufrollten und so noch viel zahlreicher zu sein schienen, als sie wirklich waren.

Obwohl ganz betroffen von der Wucht und Exactheit des Reiterangriffes, hielten doch die Juden den Ansturm eine Weile aus, bis sie, teils von den Lanzen der Reiter niedergestochen, teils von den dröhnenden Hufen der Pferde über den Haufen gerannt, förmlich zerstampft wurden.

Unter einem allgemeinen Blutbade wurden die Juden auseinandergesprengt und flohen, so schnell einen jeden die Füße trugen, der Stadt zu.

Viele wurden dabei einzeln von Titus eingeholt und niedergehauen, viele sanken mitten im Schwarm, durch den er sich durchhieb, anderen wieder eilte er voraus und stieß sie dann von vorne nieder; oft stürzte einer über den andern und wurden von dem auf den Knäuel einsprengenden Titus miteinander erschlagen.

Er hätte schließlich noch allen den Weg zur Mauer verlegt und sie wieder auf die Ebene zurückgejagt, wenn sie nicht endlich doch mit der Gewalt ihrer Masse den Durchbruch erzwungen und fliehend die Stadt erreicht hätten.


Drinnen erwartete aber die Flüchtlinge ein verhängnisvoller Widerstand von Seite der eigenen Leute. Die eigentlichen Bewohner der Stadt hatten nämlich, besorgt um ihr Hab und Gut, wie auch um die Existenz der Stadt selbst, schon von Anbeginn keine rechte Lust zum Kriege und jetzt nach der Niederlage natürlicher Weise schon gar nicht mehr.

Da aber die in großer Anzahl daselbst befindlichen Fremdlinge sie noch weiter dazu zwingen wollten, so kam es infolge der gegenseitigen Verbitterung zu lärmenden und wirren Auftritten, und es hatte den Anschein, dass man jetzt und jetzt zur blutigen Austragung des Streites schreiten würde.

Kaum hatte Titus, der gerade in der Nähe der Mauer stand, das wüste Getöse erlauscht, als er auch schon mit erhobener Stimme seinen Soldaten zurief: „Jetzt ist der rechte Augenblick da! Was zaudern wir noch, Waffengefährten, da Gott selbst uns die Juden ausliefert? Auf zum Siege!

Hört ihr nicht das Geschrei? In den Haaren liegen sich gegenseitig, die unseren Händen noch entkommen sind. Unser ist die Stadt, wenn wir rasch zugreifen. Freilich braucht es dazu noch ein Stück Arbeit und einige Bravour: es will ja nichts Großes ohne Gefahr zu Stande kommen.

Es gilt aber jetzt nicht bloß der Einigung unter den Feinden zuvorzukommen, die die Not gewöhnlich schnell wieder einander näher bringt, sondern auch der Hilfsaction der Unserigen, damit wir nach dem Siege über eine so ungeheure Übermacht, den unsere Handvoll jetzt erfochten, uns auch noch rühmen können, die Stadt selbst ganz allein erobert zu haben.


Mit diesen Worten sprang er auf das Pferd und galoppierte an der Spitze gegen den See hinab, den er durchschwamm, um als der erste in die Stadt einzudringen, hintendrein die übrigen.

Entsetzen überfiel beim Anblick dieses verwegenen Stückleins die Verteidiger auf der Mauer, und Niemand aus ihnen wagte es mehr, sich dem Feinde mit den Waffen in der Hand entgegenzuwerfen oder wenigstens an Ort und Stelle sich zur Wehre zu setzen: sie verließen vielmehr ihre Posten und flohen auseinander. Die Parteigänger des Jesus schlugen den Weg nach der Landseite ein, andere rannten gegen den See hinab und fielen gerade den hier heraufrückenden Feinden in die Hände: die einen empfingen in dem Augenblick den Todesstreich, da sie schon den Fuß auf die Schiffe gesetzt hatten, manche beim Versuche, die schon ausgefahrenen Boote noch schwimmend zu erreichen.

In der Stadt selbst wurden die Juden massenhaft zusammengehauen, zum Teil nach heftiger Gegenwehr, darunter namentlich jene Fremden, die nicht mehr Zeit zum Fliehen gehabt, zum Teil ohne jeden Widerstand, wie die Einheimischen, welche in der Hoffnung auf Pardon und im Bewusstsein, den Plänen der Aufständischen ferne gestanden zu sein, nicht zu den Waffen greifen wollten.

Endlich, da bereits die Schuldigen gefallen waren, ließ Titus dem Gemetzel aus Erbarmen mit der eigentlichen Bevölkerung Einhalt tun.

Als nun die auf das Wasser geflohenen Juden die Stadt genommen sahen, fuhren sie so weit, als möglich, aus dem feindlichen Bereiche weg auf die Höhe des Sees hinaus.


Jetzt schickte Titus an seinen Vater einen Reiter ab, um ihm die Siegesbotschaft zu melden.

Dieser war, wie natürlich, über die Tapferkeit und den Waffenerfolg seines Sohnes, der nach seinem Urteil mit einem ganz gewaltigen Stück Arbeit im Kriege wieder aufgeräumt hatte, überaus erfreut und kam sofort persönlich nach Tarichää. Hier ordnete er zunächst die Umschließung und strengste Bewachung der Stadt an, damit Niemand heimlich daraus entweichen könnte, und gab den Wachen den Auftrag, solche Personen ohneweiters niederzustoßen.

Am anderen Tage ging er zum See hinab, um dort Anstalten zum Bau von Kriegsbooten zu treffen, die gegen die Flüchtlinge auf dem See verwendet werden sollten. Da Holz im Überfluss vorhanden war, und eine Menge Zimmerleute daran arbeiteten, ging die Herstellung derselben rasch vonstatten.


Der See Gennesar hat seinen Namen von dem an ihm sich hinziehenden Landstrich und besitzt eine Breite von vierzig Stadien während seine Länge die Breite noch um hundert Stadien übertrifft. Er ist trotz dieser Ausdehnung nur ein Süßwassersee und gibt ein geradezu vorzügliches Trinkwasser; denn sein Nass hat vor dem dicken Sumpfwasser den Vorzug, das es ganz dünnflüssig ist, und da sein Gestade auf allen Seiten in scharfe Uferlinien und Sandflächen ausläuft, so bleibt das Wasser auch rein. Dasselbe hat dann, wie man es schöpft, schon die rechte Temperatur, indem es milder, als Fluss- oder Quellwasser, aber doch immer frischer ist, als man es von einer so ausgedehnten Wasserfläche erwarten möchte.

Ja, wenn man das geschöpfte Wasser im Freien stehen lässt, wie es die Anwohner in Sommernächten zu tun pflegen, so gibt es sogar dem Schneewasser an Kälte nichts nach. Die Fischarten, die sich im See finden, haben im Vergleich mit den anderswo vorkommenden einen eigentümlichen Geschmack und Körperbau.

Der See wird mitten vom Jordan durchschnitten, dessen Quelle scheinbar bei Panium entspringt, während er in Wirklichkeit aus dem sogenannten Phialesee entsteht und von da unter der Erde nach Panium seinen verborgenen Lauf richtet. Den Phialesee selbst trifft man 120 Stadien von Cäsarea entfernt, auf dem Wege zur Trachonitis hinauf, rechter Hand und nicht weit von der Straße.

Was den Namen anlangt, so hat der See von dem kreisförmigen Umfang seine natürliche Bezeichnung Phiale oder Schale bekommen. Der Wasserspiegel deckt sich bei ihm stets mit dem Rande, ohne je darunter hinabzusinken oder ihn zu überschreiten.

Erst von Philippus, dem Tetrarchen der Trachonitis, wurde der bis dahin unbekannte Ursprung des Jordan aus diesem See in der Weise ermittelt, dass er Spreu in den Phialesee werfen ließ, die er dann beim Panium, dem von den Alten festgehaltenen Ursprung des Flusses, wieder an die Oberfläche kommen sah.

Das von Natur aus schon reizend gelegene Panium wurde übrigens auch noch mit königlichen Prachtbauten verschönert, auf die Agrippa seine reichsten Mittel verwendete.

In der daselbst befindlichen Grotte fängt nun das offene Gerinne des Jordan an, der hierauf die Sümpfe und das Marschland des Semechonitischen Sees durchquert und nach Zurücklegung von weiteren 120 Stadien unterhalb der Stadt Julias den See Gennesar mitten durchschneidet, um dann nach Durchmessung einer ausgedehnten wüsten Strecke sich in den Asphaltsee zu ergießen.


An dem See Gennesar zieht sich ein gleichnamiger Landstrich von wunderbarer Triebkraft und Anmut hin. Der Boden ist so fett, dass er sich mit was immer für Gewächsarten bepflanzen lässt, wie denn auch die Bewohner in der Tat hier alles mögliche angebaut haben. Überdies herrscht ein temperiertes Klima, welches für die verschiedenartigsten Producte wie berechnet erscheint.

So grünen hier sogar eine Unzahl von Nussbäumen, die bekanntlich die kältesten Gegenden lieben, daneben blüht die Palme, die nur in sengender Glut gedeiht, in Gesellschaft von Feigen- und ölbäumen, für die wieder eine weniger heiße Temperatur angezeigt ist: kurz, man könnte die Gegend als einen Wettstreit der Natur bezeichnen, welche hier alles aufgeboten hat, um ihre Gegensätze auf einen einzigen Kampfplatz zusammenzuziehen, ein holdes Ringen der verschiedenen Jahreszeiten, von denen jede, sozusagen, das Land für sich gewinnen möchte. Denn nicht bloß, dass hier die Natur überhaupt gegen ihre sonstige Gepflogenheit die grundverschiedensten Baumfrüchte zeitigt, sie setzt damit auch gar nie aus!

So spendet sie gerade das alleredelste Obst, Traube und Feige, den Bewohnern unausgesetzt durch zehn Monate, die übrigen Früchte aber neben ihnen in wechselnder Reife sogar das ganze Jahr hindurch! Die milden Lüfte unterstützt hiebei eine reichliche Quelle, welche die Landschaft bewässert, und die von den Einwohnern Kapharnaum genannt wird.

Manche haben die Meinung ausgesprochen, dass sie gar eine Wasserader des Nils sei, weil sie das Lebenselement eines Fisches bildet, der dem im Alexandrinersee vorkommenden Rabenfisch ganz ähnlich ist.

Die Längenausdehnung dieses Landstriches am Gestade des gleichnamigen Sees beträgt an die dreißig Stadien, seine Breite zwanzig. Das ist das Bild des Sees Gennesar und seiner Umgebung.


Als die Kriegsschaluppen hergestellt waren, besetzte sie Vespasian mit so viel Mannschaft, als nach seinem Ermessen erforderlich war, um den Feinden auf dem See die Spitze bieten zu können, und steuerte dann gegen das offene Wasser hinaus. Bald waren die Juden von allen Seiten zusammengedrängt, ohne die Möglichkeit, sei es auf das Land zu flüchten, wo alles vom Feinde unsicher gemacht war, sei es eine Seeschlacht, auch nur mit einiger Aussicht auf Erfolg, annehmen zu können.

Sie hatten nämlich nur kleine Kähne, die zwar gut genug für Plünderungszüge, aber den Kriegsbooten durchaus nicht gewachsen waren, und auch die wenigen Leute, die jeweilig in den einzelnen Kähnen fahren konnten, getrauten sich nicht recht, die heranrudernden starkbesetzten römischen Fahrzeuge aus der Nähe anzugreifen.

Doch suchten sie wenigstens in einem weiteren Bogen die Schaluppen zu umkreisen und die Römer durch Steinwürfe aus der Ferne zu verwunden, hie und da drangen sie aber auch gegen die Römer vor, so dass ihre Kähne die feindlichen Fahrzeuge streiften, und schlugen aus nächster Nähe auf die Gegner los.

In beiden Fällen war aber der Schaden nur auf ihrer Seite, da sie mit ihren Kieselsteinen keine andere Wirkung, als nur ein fort währendes Klingen der davon getroffenen feindlichen Panzer erzielten, indes sie selbst schutzlos den Geschossen der Römer ausgesetzt waren, falls sie sich aber näher heranwagten, noch bevor sie einen guten Schwertstreich gemacht, schon verloren waren und sammt ihren Nachen versanken.

Wollten sich einzelne Kähne mit Gewalt durchschlagen, so wurde ihre Bemannung zum großen Teil von den Lanzen der herandringenden Römer durchbohrt; manche fielen auch unter dem Schwerte der in die Kähne hineinspringenden Feinde; einige wurden von den sich zusammenschließenden Schaluppen in die Mitte genommen und sammt ihren Nachen einfach aufgehoben.

Wenn Schiffbrüchige wieder auftauchen wollten, so bekamen sie sofort einen Schuss oder sie gerieten unter ein Boot, und machten sie gar in ihrer Verzweiflung Anstrengungen, um in ein feindliches Fahrzeug zu kommen, so hackten ihnen die Römer Kopf oder Hände ab.

Überall ereilte das Verhängnis, hier in dieser, dort in einer anderen Gestalt eine Menge von Juden, während die Übriggebliebenen auf ihrer Flucht von den Römern, die schon von allen Seiten ihre Nachen umschwärmten, aus dem See hinaus gegen den Strand gedrängt wurden.

Hier wurde vielen schon die Landung abgeschnitten, und dieselben noch im See drinnen über den Haufen geschossen, viele, die noch aus den Schiffen springen konnten, wurden von den Römern am Lande niedergestreckt. Weithin erschien der See mit Blut gerötet und mit Leichen angefüllt. Denn gerettet wurde Niemand!

Der Gestank, der sich in den folgenden Tagen in der ganzen Gegend verbreitete, wie auch der Anblick, den sie bot, war geradezu furchtbar! Die Ufer waren über und über mit Schiffstrümmern und hoch aufgedunsenen Leichnamen bedeckt, die unter der Einwirkung der Sonnenglut und der modernden Feuchtigkeit einen wahren Pesthauch in die Lüfte entsandten, so dass diese Metzelei nicht bloß ein höchst trauriges Ereignis für die verunglückten Juden war, sondern auch denen, die sie vollbracht, ein Gegenstand widerwärtigen Ekels wurde.

So endete der Seekampf auf dem Gennesar. Alles in allem hatten, mit Einschluss derer, die schon früher in der Stadt gefallen waren, 6.500 Juden ihr Leben eingebüßt.


Nach der Schlacht saß Vespasian in Tarichää zu Gericht, um das zugelaufene Volk, das offenbar am Kampfe zunächst schuld war, von den Einheimischen zu sondern, und hielt dann mit seinen Generälen Rat, ob man auch diese Fremden begnadigen sollte.

Die Truppenführer sprachen sich sämmtlich dahin aus, dass deren Freilassung nur Schaden bringen könnte, da solche aus ihrem Heimatsort vertriebene Leute, einmal freigegeben, sicher keine Ruhe halten würden, zumal sie auch imstande wären, ihre Unterstandsgeber mit Gewalt in die kriegerische Bewegung hineinzureißen.

Vespasian musste selbst einsehen, dass diese Leute eine Begnadigung nicht verdienten und nach erhaltener Freiheit nur die Güte der Römer missbrauchen würden. Es konnte sich also bei ihm nur mehr um die Erwägung handeln, wie sie sich am besten aus dem Wege räumen ließen.

Durch eine Massenhinrichtung an Ort und Stelle fürchtete er, die Einheimischen zur blutigen Rache aufzureizen, da dieselben der Hinmetzlung so vieler Menschen, die ehedem bei ihnen Schutz gesucht, schwerlich ruhig zugesehen haben würden. Diese Leute aber auf Gnade aus der Stadt zu entlassen und erst nachträglich über sie herzufallen, dazu konnte er sich zunächst nicht entschließen.

Doch drangen schließlich seine Freunde mit ihrer Meinung durch, dass den Juden gegenüber gar nichts unerlaubt sein könne, und dass man den eigenen Vorteil dem Gebote der Anständigkeit vorziehen müsse, wenn man schon zwischen beiden notwendig zu wählen habe.

Vespasian sagte nun den Juden, allerdings in zweideutiger Form, Straflosigkeit zu und gestattete ihnen, sich aus der Stadt zu entfernen, aber nur auf der Straße, die nach Tiberias führt.

Was man wünscht, das glaubt man gern, und so zogen denn die Juden vertrauensselig mit Sack und Pack, wie sie waren, in der angewiesenen Richtung von dannen. Unterdessen aber hatten die Römer die ganze Straße bis Tiberias besetzt, damit Niemand von derselben abbiegen könnte, und trieben auf solche Weise wirklich alle Fremden in die letztere Stadt zusammen.

Als Vespasian nachgekommen war, ließ er alle in die Rennbahn bringen und daraus die Greise, wie auch sonstige Untaugliche in der Zahl von 1.200 hinrichten.

Aus den jungen Leuten suchte er 6.000 der allerkräftigsten heraus und schickte sie dem Kaiser Nero nach dem Isthmus, während er die übrige Masse, bei 30.400, jene abgerechnet, die er davon dem Agrippa schenkte, verkaufen ließ.

Jene Gefangenen, die Untertanen des Agrippa waren, stellte er, wie bemerkt, dem König zur Verfügung, er konnte damit machen, was er wollte. Der König verkaufte übrigens ebenfalls diese Leute.

Bestand ja doch das auswärtige Volk, das teils aus der Trachonitis, teils aus Gaulanitis, wie auch aus Hippus und dem Gebiet von Gadara stammte, zumeist nur aus Rebellen, Geächteten und solchem Gesindel, dem eine schmachvolle Vergangenheit vor dem Kriege endlich das Schwert des Aufruhrs in die Hand gedrückt hatte. Ihre Gefangennahme ereignete sich am achten des Monates Gorpiäus.