Mucian und Antonius Primus ziehen gegen Vitellius. Verrat des Cäcina. Sieg des Antonius bei Cremona. Sabinus, der Bruder Vespasians, fällt in Rom. Einzug des Antonius. Tod des Vitellius. Vespasian in Ägypten. Titus zieht von dort nach Judäa.


Als Vespasian die Audienzen der verschiedenen Gesandtschaften beendet und überall in gerechter Weise und durch würdige Persönlichkeiten die Verwaltungsstellen besetzt hatte, begab er sich nach Antiochien.

Bei näherer Überlegung, wohin er sich nun zunächst wenden sollte, hielt er es doch für ersprießlicher, sein Augenmerk der Lage Roms zu schenken, als eine Reise nach Alexandrien zu unternehmen, weil er letzteres ungefährdet, Rom dagegen unter dem Schrecken des Vitellius wusste.

Er sandte also an der Spitze einer starken Truppenmacht von Reitern und Fußvolk den Mucianus nach Italien, der sich aber, weil es tief im Winter war, nicht getraute, sein Heer auf dem Seeweg hinüberzubringen, sondern den Landweg über Kappadozien und Phrygien mit ihm einschlug.


Unterdessen hatte sich auch Antonius Primus, der damals gerade eine Kommandostelle in Mösien inne hatte, an die Spitze einer der dort stationierten Legionen, der sogenannten dritten Legion, gestellt und rückte in Eilmärschen zu einem entscheidenden Schlage gegen Vitellius heran.

Vitellius schickte ihm den Cäcina Alienus mit beträchtlichen Streitkräften entgegen, weil er in diesen Mann wegen seines Sieges über Otho ein großes Vertrauen setzte. In aller Eile brach Cäcina von Rom auf und traf bei Cremona, einer Stadt in Gallien, die aber schon an der Grenze von Italien liegt, auf Antonius.

Wie er nun hier die feindlichen Massen und ihre Schlagfertigkeit bemerkte, hatte er nicht den Mut, sich in ein Treffen einzulassen. Da er aber andererseits auch das Verhängnisvolle eines Rückzuges wohl erkannte, so spann er Verrat.

Zu diesem Zwecke berief er die Centurionen und Tribunen unter seinem Kommando zu einer Beratung und suchte sie dadurch, dass er die Aussichten des Vitellius recht verkleinerte, die Macht des Vespasian dagegen übertrieb, auf die Seite des Antonius zu bringen.

Vitellius“, sagte er, „besitzt ja nur mehr den glänzenden Titel, bei Vespasian aber ist die Macht. Es ist darum für uns das beste, dass wir bei Zeiten aus der Not eine Tugend machen, und weil uns die bewaffnete Faust vor einer Niederlage nicht mehr retten kann, mit unserer Klugheit der Gefahr die Spitze abbrechen.

Denn, was Vespasian anlangt, so ist er stark genug, auch ohne uns das, was ihm noch abgeht, zu gewinnen, während Vitellius auch mit unserer Unterstützung das nicht mehr halten kann, was ihm noch geblieben ist“.


Ähnlicher Gründe brachte Cäcina eine Menge vor, bis er endlich durchdrang und mit seinem Heere zu Antonius überging.

Doch in derselben Nacht noch wurden die Soldaten von Reue ergriffen und bekamen wieder Furcht vor ihrem Kriegsherrn, falls er am Ende doch Sieger bleiben sollte. Mit gezückten Schwertern stürmten sie auf Cäcina ein, um ihn niederzustoßen, was sie auch ohne Zweifel getan hätten, wenn nicht die Tribunen, sogar kniefällig, sie beschworen haben würden, ihm nichts zu tun.

Zum Morde kam es nun zwar nicht, doch fesselte man den Verräter, mit dem festen Entschlusse, ihn an Vitellius zu liefern. Sobald Primus von diesen Vorgängen gehört, ließ er auf der Stelle seine Leute aufbrechen und führte sie in Schlachtbereitschaft gegen die Meuterer.

Eine kurze Zeit hielten sich diese im Gefechte, dann aber wurden sie auf Cremona zurückgeworfen. An der Spitze seiner Reiter schnitt ihnen Primus überdies auch den Weg in die Stadt ab, umzingelte die Hauptmasse und hieb sie im Angesichte der Stadt zusammen. Mit dem Reste der Fliehenden drang er dann noch in die Stadt selbst ein und gab sie seinen Soldaten zur Plünderung preis.

Bei diesem Anlasse fanden eine Menge von fremden Handelsleuten und viele Einheimische, sowie das gesammte Heer des Vitellius, bei 30.200 Mann, ihren Untergang. Von seinen mösischen Truppen verlor Antonius 4.500 Leute.

Cäcina kam wieder frei und ward zu Vespasian geschickt, um ihm das Geschehene zu melden. Er wurde von Vespasian freundlich aufgenommen und konnte nun mit seinen ganz unverhofft erlangten Auszeichnungen die Blöße seines schwarzen Verrates zudecken.


Jetzt nahm sich auch Sabinus ein Herz, als er vernahm, dass Antonius schon ganz nahe stehe. Er zog die verschiedenen Abteilungen der Polizeimannschaft, die für den Nachtdienst bestimmt war, zusammen und besetzte nächtlicherweile das Capitol.

Am anderen Tage schlossen sich viele vornehme Männer, darunter auch Domitian, sein Brudersohn, von dessen Einfluss man am meisten für den Sieg erwartete, dem Sabinus an.

Vitellius kümmerte sich nun weniger um Primus, war aber desto mehr über die abtrünnigen Anhänger des Sabinus aufgebracht, nach deren edlem Blute es ihn nach seiner angestammten Grausamkeit gelüstete. Er ließ darum auf das Capitol durch jene Truppencorps, die er selbst nach Rom mitgebracht hatte, einen Angriff unternehmen, bei dem von dieser Seite sowohl, wie auch von den Verteidigern des Tempelberges viele Proben außergewöhnlicher Kühnheit abgelegt wurden, bis endlich doch die germanischen Legionen infolge ihrer Übermacht den Hügel erstürmten.

Domitian und viele römische Rangpersonen entgingen dem Gemetzel wie durch eine höhere Macht, aber die übrigen wurden sammt und sonders niedergehauen, auch Sabinus ward gefangen, vor Vitellius geführt und vor seinen Augen niedergestoßen. Die Soldaten plünderten sogar die Weihgeschenke und zündeten endlich den Tempel selbst an.

Schon am nächsten Tag drang Antonius mit seinen Truppen in die Stadt ein und schlug die Vitellianer, die sich ihm entgegenwarfen, in drei blutigen Zusammenstößen innerhalb der Stadt bis zur Vernichtung.

Noch trunken von Wein und noch reichlicher, als sonst – es war ja sein Armensündermahl! – an seiner üppigen Tafel gemästet, wankte Vitellius aus dem Kaiserpalaste, wird aber vom Pöbel sofort durch die Stadt geschleift und nach den entsetzlichsten Misshandlungen und nach aller erdenklichen Schmach mitten in Rom hingeschlachtet, nachdem er acht Monate und fünf Tage regiert hatte, ein Mann, für dessen Schwelgerei nach meiner Meinung selbst das große Römerreich nicht mehr hätte aufkommen können, wenn er noch länger gelebt hätte.

Außer dem Kaiser gab es eine Zahl von über 50.000 Leichen!

Das hatte sich am dritten des Monates Apelläus abgespielt. Am darauffolgenden Tage rückte Mucianus mit seinem Heere in die Stadt ein und tat der weiteren Schlächterei von Seite der Soldaten des Antonius Einhalt, da diese noch immer die Häuser durchstöberten und viele Soldaten des Vitellius, wie auch viele Bürger, die man für seine Anhänger hielt, niedermetzelten, wobei es natürlich der Grimm zu keiner genauen Untersuchung kommen ließ. Mucianus führte dann den Domitian öffentlich auf und stellte ihn dem Volke als Regenten bis zur Ankunft seines Vaters vor.

Erst jetzt, wo der Bann von der römischen Bürgerschaft gelöst war, begrüßte auch sie Vespasian als Kaiser und feierte unter einem den Sturz des Vitellius und die Einsetzung Vespasians.


Die Freudenbotschaft über die Vorgänge in Rom erreichte den Vespasian, da er schon in Alexandrien war, wohin denn auch Gesandte aus dem gesammten, ihm jetzt unterstehenden Erdkreise kamen, um ihre Glückwünsche darzubringen. Obschon die größte Stadt nach Rom, erwies sich doch Alexandria für diese Massen als zu klein.

Da nunmehr Vespasian seine Regierung im ganzen Reiche anerkannt und die Macht Roms wider alles Erwarten vollständig gesichert sah, wandte er sein Augenmerk wieder dem Rest der Rebellen in Judäa zu.

Doch hatte er für seine Person den Wunsch, sich am Ende des Winters nach Rom einzuschiffen, und suchte darum seine Angelegenheiten in Alexandrien rasch zu erledigen: dafür sandte er aber seinen Sohn Titus an der Spitze seiner besten Truppen zur Eroberung Jerusalems ab.

Titus marschierte zunächst bis Nikopolis, das von Alexandrien zwanzig Stadien entfernt liegt. Hier schiffte er sich mit seinem Heere auf Kriegsfahrzeugen ein, um den Nil aufwärts zu fahren und bis zur Stadt Thmuis im Gau von Mendes zu gelangen, wo er landete, und dann ging es wieder zu Fuß nach Tanis, einem kleinen Städtchen, wo man campierte. Die zweite Station war Heracleopolis, die dritte Pelusium, wo er sein Heer zwei Tage rasten ließ.

Am dritten Tage durchzog er die Pässe von Pelusium und lagerte nach einem Tagmarsch durch die Wüste beim Tempel des Zeus Kasius, am folgenden aber bei Ostracine, einer ganz wasserlosen Station, wo die Eingebornen sich das Wasser weiter bringen lassen müssen. Hierauf kam die Raststation Rhinokorura.

Von da ging es auf dem vierten Marschtag nach Raphia, der ersten Stadt, die schon zu Syrien gehört.

Das fünfte Nachtlager bezog Titus in Gaza, worauf er nach Askalon, dann nach Jamnia, endlich nach Joppe und von da nach Cäsarea kam, wo er das ganze Belagerungsheer zu vereinigen gedachte.