Vespasian drängt auf die Entscheidung. Operationen in Judäa und Idumäa. Beschreibung des Jordantales, der Umgebung Jerichos und des Asphaltsees.


Unterdessen kommt die Nachricht von der aufständischen Bewegung in Gallien, wo Bindex im Bunde mit den einheimischen Fürsten sich gegen Nero empört hatte, worüber in den Specialschriften das Nähere zu finden ist.

Diese Neuigkeit spornte Vespasian zur größten Eile in seinen kriegerischen Operationen an, weil er bereits die kommenden Bürgerkriege und die Gefahren für das ganze Reich voraussah und angesichts derselben wenigstens durch die früher erzielte Pacifizierung des Orientes die besorgniserregende Lage Italiens erleichtern zu können glaubte.

Die unfreiwillige Ruhe während des Winters hatte er dazu benützt, die unterworfenen Dörfer und Städtchen durch Besatzungen besser zu sichern, von denen die ersteren Decurionen, die Städte aber Centurionen als Kommandanten bekamen. Auch hatte er viele verwüstete Ortschaften wieder wohnbar machen lassen.

Gegen Eintritt des Frühjahres aber stellte er sich selbst an die Spitze seiner Hauptmacht und führte sie von Cäsarea gegen Antipatris, wo er, um Ordnung zu schaffen, zwei Tage verweilte. Am dritten Tage nahm er seinen Vormarsch wieder auf und verheerte alle Ortschaften ringsherum mit Feuer und Schwert.

Nachdem er so das ganze Gebiet im Kreise von Thamna sich unterworfen, marschierte er gegen Lydda und Jamnia, welche beide schon früher in seine Hände gekommen waren, und die jetzt eine entsprechende Zahl solcher Juden zu Bewohnern erhielten, die zu den Römern übergegangen waren. Hierauf kam er nach Emmaus und bemächtigte sich der dortigen Pässe, die nach der Hauptstadt führen. Er ließ daselbst in einem befestigten Lager die fünfte Legion zurück und rückte mit den übrigen Streitkräften gegen den Bezirk von Bethleptephä heran, den er, wie auch den benachbarten Kreis, sengend und brennend durchzog. Ferner ließ er auch im ganzen Umkreis des idumäischen Gebietes die an besonders geeigneten Punkten gelegenen Festungen noch verstärken, während er zwei Dörfer, im Herzen von Idumäa gelegen, Betaris und Kaphartobas mit bewaffneter Hand wegnehmen musste, wobei er über 10.000 Bewohner niedermetzelte, über 1.000 gefangen nahm und den Rest verjagte. Die Besatzung, die er aus den eigenen Truppen in nicht unbeträchtlicher Stärke hieher verlegte, sollte dann das ganze Bergland abstreifen und verheeren.

Hierauf kehrte Vespasian mit den übrigen Truppen nach Emmaus zurück, um von da durch Samaria über Neapolis, bei den Eingebornen Mabartha genannt, nach Korea hinabzuziehen, wo er am zweiten des Monates Däsius sein Lager aufschlug.

Am nächsten Tage erreichte er Jericho, wo sich bereits Trajan, einer seiner Unterfeldherrn, an der Spitze der Truppen von Peräa mit ihm vereinigen konnte, da das jenseits des Jordans gelegene Gebiet jetzt in den Händen der Römer war.


Der größte Teil der Bevölkerung hatte sich noch bei Zeiten vor den anrückenden Römern aus Jericho in das Gebirgsland, Jerusalem gegenüber, geflüchtet, aber ein nicht unbedeutender Rest, der sich verspätete, fiel unter dem feindlichen Schwerte.

Die Stadt hatten die Römer sonst ganz ohne Verteidiger getroffen. Jericho selbst liegt auf einer Ebene, aber der Stadt gegenüber erhebt sich ein langgestrecktes, kahles und unfruchtbares Gebirge, das sich nach Norden hin bis zum Gebiete von Scythopolis, im Süden aber bis zum Lande von Sodom und dem Ende des Asphaltsees ausdehnt. Es ist von wild grotesken Formen und hat infolge seiner Unfruchtbarkeit keine Ansiedler.

Diesem Gebirge liegt der Höhenzug am Jordan gegenüber, der von Julias und den dortigen Bergen im Norden ansetzt und parallel mit ihm gegen Süden verläuft bis Gomorra, das schon die Grenze gegen das Gebiet von Petra in Arabien bildet. Zu diesem Gebirgszuge gehört auch der so genannte Eisenberg, der sich bis zur Moabitischen Landschaft erstreckt.

Der zwischen beiden Gebirgsketten in der Mitte liegende Streifen Landes heißt die große Ebene. Sie reicht von Ginnabris bis zum Asphaltsee und hat eine Länge von 1.200 und eine Breite von 120 Stadien. Sie wird vom Jordan mitten durchflossen und besitzt zwei Seen von ganz entgegengesetzter Natur, den Asphaltsee und den See von Tiberias, von welchen der erste salzig und ohne Leben, der von Tiberias aber ein Süßwassersee voll lebender Wesen ist.

Zur Sommerszeit wird die Ebene förmlich ausgesengt, so dass sie infolge der außerordentlichen Trockenheit stets eine ungesunde Dunsthülle über sich gelagert hat.

Alles ist ja dann nur eine einzige wasserlose Steppe, mit Ausnahme des Jordanlaufes, woher es auch kommt, dass die Palmen an den Flussrändern viel üppiger blühen und eine reichlichere Ernte tragen, als die weiter abstehenden, die weniger ergiebig sind.


Nur in der Nähe von Jericho gibt es eine reichliche und für Bewässerungsanlagen äußerst ergiebige Quelle. Sie entspringt bei dem alten Jericho, der ersten Stadt, die Jesus, der Sohn des Nave, der Anführer der Hebräer, im Chanaaniterlande mit stürmender Hand genommen.

Von dieser Quelle wird überliefert dass sie anfänglich nicht allein Boden- und Baumfrüchte, sondern selbst die Leibesfrucht erstickt und überhaupt nach jeder Hinsicht sich als gesundheitsschädlich und verderblich erwiesen habe, dann aber von dem Propheten Elisäus ihrer unheilvollen Kraft beraubt und ins Gegenteil, in ein sehr gesundes und befruchtendes Wasser verwandelt worden sei. Als Schüler und Nachfolger des Elias hatte er bei den Einwohnern Jerichos nicht bloß eine Herberge gefunden, sondern war auch von den Leuten dort äußerst freundlich behandelt worden, was er ihnen, wie der ganzen Gegend, mit einer Wohltat für ewige Zeiten lohnte.

Er ging nämlich zur Quelle hin und senkte ein Thongeschirr voll Salz in die Flut hinab, worauf er seine unbefleckte Hand zum Himmel emporstreckte und ein heilkräftiges Trankopfer auf die Erde hingoss, mit der Bitte an die letztere, sie möchte nach Gottes Willen der Flut ihre Herbigkeit nehmen und süßere Wasseradern eröffnen: an den Himmel aber, er möchte seine würzigsten Lüfte um die Quellflut spielen lassen, den Eingebornen reichen Ernte- und Kindersegen gewähren und nicht gestatten, dass dies in zweifacher Hinsicht lebenspendende Wasser jemals wieder versiege, so lange sie gerecht blieben.

Durch diese Gebete in Verbindung mit vielen, nur Eingeweihten bekannten, Handlungen, die er vornahm, verwandelte er die Natur der Quelle, deren Wasser von da an reichen Kindersegen und Wohlstand verbreitete, wie es in früherer Zeit Kinderlosigkeit und Hungersnot verschuldet hatte.

Es entwickelt nämlich bei der Bodenbewässerung eine solche Kraft, dass es selbst durch eine oberflächliche Benetzung des Erdreiches wohltätiger wirkt, als andere Quellen, die bis zur völligen Durchtränkung im Boden sitzen bleiben.

Während also der Nutzen, den man von anderem Wasser auch bei reichlicherer Verwendung erzielt, oft nur ein unbeträchtlicher ist, genügt von diesem nur ganz wenig zu einem großen Ertrage.

Denn diese Quelle bewässert für sich allein eine größere Strecke, als alle übrigen zusammengenommen, da sie sich auf eine Ebene von 70 Stadien Länge und 20 Stadien Breite verteilt und auf ihr die schönsten und buschigsten Baumgärten hervorzaubert.

Die Palmenarten, die an ihrem Wasser gedeihen, sind sehr mannigfaltig und haben, wie den verschiedensten Geschmack, so auch unterschiedliche Benennungen. Die fetteren Fruchtarten geben beim Keltern sogar reichlichen Honig, der dem gewöhnlichen Honig an Güte nicht viel nachgibt.

Übrigens bietet die Gegend auch Bienenschwärmen reiche Nahrung, wie sie auch den Balsam, bekanntlich das kostbarste aller dortigen Erzeugnisse, außerdem noch den Cyperbaum und die Behennuss trägt, so dass man nicht zu viel behaupten würde, wenn man sagt, es sei ein geradezu himmlisches Stück Erde, da das allerseltenste und allerschönste so üppig hier gedeiht.

Denn es dürfte wohl, was Fruchtbarkeit anbelangt, nicht leicht eine andere Gegend auf der uns bekannten Erde sich mit Jerichos Umgebung vergleichen lassen: so groß ist der Überfluss, mit dem sie den ihr vertrauten Samen wieder zurückgibt!

Die eigentliche Ursache hievon liegt meines Erachtens nur in den linden Lüften und in der belebenden Kraft des dortigen Wassers, indem jene die Pflanzen zunächst aus der Erde hervorlocken und dann nach allen Seiten hin zur Entfaltung bringen, während die Feuchtigkeit hinwieder einer jeden Pflanze ein starkes Einwurzeln ermöglicht und die für den Sommerbrand so notwendige Widerstandsfähigkeit verleiht. Die Sommerhitze ist an diesem Orte überall so gewaltig, dass Niemand ohne Not das Haus verlässt.

Hingegen wird das Wasser, das man vor Sonnenaufgang geschöpft hat und dann im Freien stehen lässt, ungemein frisch und nimmt so die der umgebenden Luft gerade entgegengesetzte Temperatur an. Umgekehrt wird dort das Wasser im Winter laulicht, so dass es sich darin sogar ganz angenehm baden lässt.

Auch die Luft ist dann so linde, dass die dortigen Bewohner sich zur selben Zeit in Linnenkleider hüllen, wo es im übrigen Judäa schneit!

Von Jerusalem ist Jericho 150 Stadien, vom Jordan 60 Stadien entfernt. Die Strecke von Jericho bis Jerusalem ist wüste und voll rauher Felsen, die Gegend bis an den Jordan und den Asphaltsee dagegen mehr eben, sonst aber ebenso öde und unfruchtbar. Doch es dürfte das Bisherige genügen, um sich ein klares Bild von dem überaus gesegneten Jericho zu machen.


Es verlohnt sich der Mühe, auch über die Beschaffenheit des Asphaltsees einiges anzuführen.

Er ist zwar, wie schon gesagt, ein Bittersee und ohne alles Leben, hat aber die Eigenschaft, dass er infolge seiner Dickflüssigkeit selbst die schwersten Gegenstände, die man ins Wasser wirft, an die Oberfläche treibt, so dass es einem selbst beim besten Willen nicht leicht wird, in die Tiefe hinabzutauchen.

So kam unter andern auch Vespasian aus Neugierde an diesen See und ließ daselbst einige Leute, die nicht schwimmen konnten, die Hände auf dem Rücken gebunden, in die Meerestiefe schleudern. Was geschah? Alle schwammen oben auf, als hätte sie ein Wirbelstoß heraufgetrieben.

Dazu kommt ein ganz wundervolles Farbenspiel, da der See dreimal des Tages sein Aussehen wechselt und unter dem Einfluss der Sonnenstrahlen einen gar bunten Widerschein gibt.

Indessen treibt er auch an vielen Stellen schwarze Asphaltklösse an die Oberfläche, wo sie, an Gestalt und Größe Stieren ohne Köpfe gleich, herumschwimmen.

Die am See beschäftigten Arbeiter fahren auf diese Klösse zu, machen sich an die dick geronnene Masse und ziehen sie in ihre Boote herein. Nicht so leicht ist es aber, die Masse wieder aus den damit gefüllten Booten herauszubefördern, da infolge seiner großen Zähigkeit das Pech solange am Fahrzeuge haftet, als es nicht mit Menstruationsblut und Urin, die allein es wegbringen können, abgelöst wird.

Man verwendet es mit Nutzen nicht bloß zum Verpichen der Schiffe, sondern auch zur Heilung körperlicher Leiden, indem es einen Bestandteil von einer Menge Heilmittel bildet.

Die Länge dieses Sees, der ja bis Zoar in Arabien geht, beträgt 580 Stadien, seine Breite 150.

An dem See liegt auch das Gebiet von Sodom, so glücklich einstmal wegen der Fruchtbarkeit seines Bodens und des Reichtums seiner Städte, jetzt aber vollständig versengt!

Wie man erzählt, wurde es zur Strafe für die Gottlosigkeit seiner Bewohner durch Blitzschläge verbrannt, und man kann jetzt noch die Brandmäler dieses göttlichen Feuers, und zwar die dunklen Umrisse von fünf Städten dort erblicken, ja auch noch die Asche, die sich im Innern der Früchte fort und fort entwickelt. Diese Früchte schauen ganz wie essbare aus, reißt man sie aber ab, so gehen sie einem unter den Händen in Rauch und Aschenstaub auf.

So erhält auf diese Weise die Überlieferung über das Sodomiterland eine sogar augenscheinliche Beglaubigung.