Blutbad in der Unterstadt durch die Empörer. Zwei Römer von den Juden gefangen. Wüten der Rebellen in der Oberstadt und Umgebung. Ihre Zuversicht.


Mittlerweile unternahmen aber die Aufrührer einen Sturm auf den königlichen Palast, wohin viele ihre Habe in Sicherheit gebracht hatten, weil sie auf seine Festigkeit bauten. Richtig wurden die Römer aus dem Palaste zurückgeworfen, und hierauf die ganze daselbst vereinte Volksmasse, bei 8.400 Menschen, einfach niedergestoßen, wie auch Alles, was Wert hatte, geplündert.

Auch zwei Römer, ein Reitersmann und einer vom Fußvolke, fielen ihnen dabei lebend in die Hände. Dem letzteren machten sie gleich den Garaus und schleiften dann seine Leiche in der ganzen Stadt herum, als wollten sie ihre ganze Wut gegen die Römer an diesem einzigen Toten auslassen.

Der Reiter aber wurde, weil er vorgab, den Aufrührern einen guten Rettungsplan zu stecken, vor Simon geführt. Da er jedoch hier keine besonderen Aufschlüsse zu geben wusste, so übergab ihn Simon einem seiner Führer, namens Ardalas, zur Execution.

Dieser führte ihn, die Hände auf den Rücken gebunden und die Augen mit einer Binde bedeckt, hinaus, um ihm vor den Augen der Römer den Kopf abzuschlagen. In dem Augenblick aber, da der Jude vom Leder zog, machte der Reitersmann einen gewaltigen Satz und entkam zu den Römern.

Titus brachte es zwar nicht über sich, den Mann, der sich auf solche Weise glücklich aus Feindeshand gerettet hatte, zum Tode zu verurteilen, aber er erklärte ihn für unwürdig, fernerhin die römischen Waffen zu tragen, weil er sich hatte lebendig vom Feinde ergreifen lassen. Er nahm ihm Waffe und Wehr ab und stieß ihn aus dem Heeresverbande, eine Strafe, die für einen Soldaten, der noch eine Scham im Leibe hatte, bitterer war, als der Tod.


Erst am anderen Tage gelang es den Römern, die Raubgesellen aus der Unterstadt zu verjagen und den ganzen bis zum Siloah reichenden Stadtbezirk einzuäschern. Aber wenn sie auch das Vergnügen hatten, endlich einmal die Stadt in Flammen aufgehen zu sehen, so kamen sie doch in Bezug auf die Beute daneben, weil die Banden schon vor ihnen alles säuberlich ausgeräumt und ihre Beute in die Oberstadt geflüchtet hatten.

Auch nicht die leiseste Anwandlung zur Reue überkam die Schurken beim Anblick des Unheils, das sie gestiftet, im Gegenteil, sie brüsteten sich noch damit, als wären es lauter Ehrentaten. Mit vergnügtem Gesichte schauten sie auf die Flammen herab und sagten es ganz offen, dass sie jetzt erst guten Mutes dem Ende entgegensähen, weil das Volk hingeschlachtet, der Tempel niedergebrannt und die Stadt selbst ein Feuermeer, folglich den Feinden gar nichts geblieben sei.

Dessenungeachtet wurde Josephus bis zum letzten Augenblick nicht müde, die Elenden um die Rettung selbst der Trümmer ihrer Vaterstadt anzuflehen, aber er erntete sowohl für seine dringenden Vorstellungen, die er ihnen wegen ihrer Grausamkeit und Gottlosigkeit machen musste, als auch für seine vielen guten Ratschläge zu ihrer Rettung nichts anderes, als die gemeinsten Spöttereien.

Da sich die Banditen wegen ihres Eides nicht ergeben wollten und, wie in einem Tierkäfig eingeschlossen, sich außerstande sahen, auch nur mit einiger Aussicht den Kampf mit den Römern aufzunehmen, auf der anderen Seite aber noch die gewohnte Mordlust in ihren Händen juckte, so lauerten sie jetzt an verschiedenen Punkten in der Umgebung der Oberstadt unter den Ruinen auf die kommenden Überläufer.

Viele gerieten denn auch in ihre Hände und wurden ausnahmslos, da sie vor Hunger nicht einmal soviel Kraft hatten, um fliehen zu können, niedergemetzelt, ihre Leichen aber den Hunden vorgeworfen.

Doch schien den Unglücklichen immerhin jedes andere Ende noch erträglicher, als der Hungertod, woher es auch kam, dass sie, obschon sie jetzt gar kein Erbarmen mehr von den Römern erwarten durften, immer noch zu ihnen ihre Zuflucht nahmen und freiwillig den Rebellen ins Messer liefen. In der Stadt selbst war auch nicht ein einziges Plätzchen, das nicht entweder einen verhungerten oder im Parteikampf ermordeten Juden aufzuweisen gehabt hätte, oder besser gesagt, mit solchen Leichen über und über bedeckt gewesen wäre.


Die Schreckensmänner und ihre Banden schmeichelten sich jetzt noch mit der Hoffnung, zuletzt wenigstens in die unterirdischen Gänge fliehen zu können, wo man sie, wie sie fest glaubten, nicht aufspüren würde. Nach der vollständigen Einnahme der Stadt und dem darauffolgenden Abzug der Römer wollten sie sich dann wieder herauswagen und durch die Flucht in Sicherheit bringen.

Das sollte nun freilich nur ein leerer Traum bleiben, da sie weder den Augen Gottes noch auch später den Augen der Römer zu entgehen vermochten.

Damals aber machten sie, wie gesagt, diese Schlupfwinkel noch recht vertrauensselig, so dass sie in diesem ihrem Übermute noch größere Flächen, als selbst die Römer, niederbrannten und die aus den brennenden Häusern in die Canäle hinabfliehenden Bewohner ohne viel Federlesens niederstachen und ausraubten. Die bei ihnen erbeuteten Nahrungsmittel wurden, selbst vom Blute der Opfer durchtränkt, noch gierig verschlungen, und man schlug sich untereinander mit Erbitterung um die einzelnen Beutestücke.

Ja, ich glaube, dass, wenn ihrem Treiben nicht der Fall der Stadt ein Ziel gesetzt hätte, sie in ihrer unbändigen Blutgier das Fleisch noch von den Leichen abgebissen haben würden.