Das Ende der Dynastie von Kommagene. Verheerungszüge der wilden Alanen nach Medien und Armenien.


Es war bereits im vierten Jahre der Regierung Vespasians, als der König Antiochus von Kommagene mit seinem ganzen Hause in tiefes Unglück stürzte.

Der Anlass war dieser: Der damals amtierende Statthalter von Syrien, Cäsennius Pätus, hatte an den Kaiser folgenden schriftlichen Bericht eingesandt, über den man sich nie recht klar geworden ist, ob ihn wirklich die Wahrheitsliebe oder nur die Feindschaft gegen Antiochus dictiert hat:

„Antiochus“, so schrieb er, „führt mit seinem Sohne Epiphanes eine Empörung gegen Rom im Schilde und hat zu diesem Zwecke mit dem Partherkönig ein Bündnis geschlossen.

Es ist darum dringend geboten, sich der beiden noch rechtzeitig zu versichern, damit sie nicht etwa, wenn es ihnen gelingt, früher loszuschlagen, das ganze römische Reich in die schwersten Kriegsunruhen stürzen“.

Eine so wichtige und überraschende Anzeige wollte der Kaiser nicht unbeachtet lassen, da bei der Nachbarschaft der beiden Könige die Sache eine ganz besondere Vorsicht notwendig machte.

Die Hauptstadt von Kommagene liegt nämlich unmittelbar am Euphrat und hätte für die Parther, im Falle sie wirklich so etwas im Sinne hatten, einen ebenso bequemen Übergangspunkt, als starken Stützpunkt gebildet.

Da man sich nun in Rom auf die Angabe des Pätus verlassen zu können glaubte, so bekam er freie Hand, die entsprechenden Vorkehrungen nach seinem Ermessen zu treffen, worauf er ohneweiters auch vorging. Ganz plötzlich, ehe man sich’s am Hofe des Antiochus versah, stand er schon mit der sechsten Legion und einigen Cohorten, wie auch mehreren Reitergeschwadern in Kommagene, an seiner Seite Aristobulus, der König von Chalcis, und Soämus, König von Emesa.

Der Einfall erfolgte ohne den geringsten Widerstand, da von den Leuten auf dem Lande Niemand gegen die Römer die Waffen ergreifen wollte, Antiochus in der Hauptstadt aber, weit entfernt, auch nur einem flüchtigen Gedanken an einen Kampf mit Rom Raum zu geben, bei dieser niederschmetternden Kunde sich sogar entschloss, sein Reich ganz zu verlassen und mit Frau und Kindern in die Verbannung zu ziehen, um so, wie er meinte, den Römern seine volle Unschuld an dem ihm zur Last gelegten Verbrechen zu beweisen.

Die erste Nacht brachte er denn auch bereits 120 Stadien von der verlassenen Hauptstadt entfernt auf der dortigen Ebene zu.


Pätus schickte nun ein Detachement zur Besetzung von Samosata ab und versicherte sich auf diese Weise der Hauptstadt. Er selbst warf sich mit den übrigen Truppen rasch auf Antiochus.

Aber nicht einmal diese Zwangslage vermochte den Antiochus zu irgend welchen feindseligen Schritten gegen die Römer fortzureißen, sondern er hatte nur Tränen für sein Unglück und ergab sich im Übrigen in sein Schicksal.

Viel schwerer fiel es dagegen seinen in der Blüte der Jugend stehenden Söhnen, die mit ihrer militärischen Erfahrung eine außergewöhnliche Körperstärke vereinigten, den Schlag ohne jede Gegenwehr hinzunehmen. Epiphanes und Kallinikus griffen demnach zur Gewalt.

Es kam zu einem heißen Kampfe, in welchem sie einen ganzen Tag mit der glänzendsten Bravour fochten, so dass der Feind, als sie sich am Abend trennten, nicht den geringsten Vorteil über ihre Truppen errungen hatte.

So gut nun auch die Schlacht ausgefallen war, so wenig wollte trotzdem Antiochus vom Bleiben hören. Er nahm seine Frau und seine Töchter und floh mit ihnen nach Cilizien, eine Flucht, die den Kampfesmut seiner treuen Soldaten vollständig lähmte.

Da sie diesen Schritt nur so auslegen konnten, dass Antiochus selbst an der Behauptung des Thrones verzweifle, so verließen sie seine Sache und gingen zu den Römern über. Die Mutlosigkeit war eine ebenso allgemeine, als offen ausgesprochene.

Infolge dessen sah sich Epiphanes mit seiner nächsten Umgebung gezwungen, bevor sie den letzten Mann verloren, sich vor dem Feinde in Sicherheit zu bringen. Mit nur zehn Reitern im Ganzen überschritt er den Euphrat, wo sie gesichert waren.

Von da begab er sich zum Partherkönig Vologeses, der, weit entfernt, sie als Flüchtlinge geringschätzig anzusehen, sie im Gegenteil nicht anders, als wären sie noch in Glanz und Würde, mit aller Auszeichnung behandelte.


Als Antiochus nach Tarsus in Cilizien gelangt war, ward er daselbst von einem Centurio im Auftrage des Pätus in Haft genommen und dann mit Ketten beladen nach Rom geschickt.

Doch Vespasian konnte sich nicht entschließen, den König in einem solchen Aufzuge vor sich bringen zu lassen, und glaubte mehr auf die alte Freundschaft Rücksicht nehmen zu müssen, als auf den bloßen Verdacht einer kriegerischen Conspiration hin fort und fort einen unerbittlichen Groll gegen ihn hegen zu sollen.

Er gab daher, noch während Antiochus auf dem Wege zu ihm war, den Befehl, ihm die Ketten abzunehmen und ihm auch den Weg nach Rom zu ersparen: vorderhand sollte er in Lacedämon seinen Aufenthalt nehmen, für den er ihm auch große Einkünfte an barem Geld anweisen ließ, damit er nicht bloß einen reichen, sondern selbst einen königlichen Haushalt führen könnte.

Die Kunde hievon benahm dem Epiphanes und seinen Leuten, die wegen des Vaters schon in großer Furcht waren, einen ebenso schweren als zehrenden Kummer von der Seele; ja, sie schöpften sogar einige Hoffnung, auch für ihre Person wieder vom Kaiser Verzeihung zu erlangen, da sich Vologeses für sie brieflich an Vespasian gewendet hatte. Denn bei aller Bequemlichkeit hatte für sie das Leben außerhalb des römischen Reiches doch keinen Reiz.

Gnädiglich gewährte ihnen der Kaiser straffreie Rückkehr, und so kamen sie denn nach Rom, wo sie in Gemeinschaft mit ihrem Vater, der alsbald von Lacedämon herbeigeeilt war, mit allen Ehren überhäuft, verblieben.


Um diese Zeit trug sich das Volk der Alanen, von dessen scythischem Charakter und von dessen Wohnsitzen am Tanais und am Mäotischen See ich, wie mir scheint, schon früher einmal Erwähnung gemacht, mit dem Gedanken an einen räuberischen Einfall in Medien und die sich daran anschließenden Länder. Zu diesem Zwecke traten sie mit dem König der Hyrkanier in Unterhandlung, da derselbe jenen Pass beherrscht, welchen der König Alexander mit eisernen Toren versehen und auf solche Art verschließbar gemacht hatte.

Der König gewährte ihnen Einlass, und nun fielen sie in dichten Schwärmen über die nichtsahnenden Meder her und plünderten das volkreiche und mit allen Arten von Weidevieh gesegnete Land. Niemand wagte einen Widerstand, da ja selbst der damals regierende medische König, namens Pakorus, sich voll Schrecken in unwegsame Gegenden geflüchtet hatte, nachdem er den Barbaren Alles überlassen und nur mit genauer Not die Königin und seine Kebsfrauen, die in ihre Gefangenschaft geraten waren, durch ein Lösegeld von hundert Talenten aus ihren Händen hatte befreien können.

So konnten die Alanen in aller Gemächlichkeit und ohne den geringsten Kampf ihre Beute machen, bis sie unter fortwährenden Plünderungen selbst nach Armenien vordrangen.

Hier stellte sich ihnen zwar der König des Landes, Tiridates, entgegen und lieferte ihnen eine Schlacht, wäre aber bald selbst auf ein Haar während des Kampfes lebendig in ihre Gefangenschaft geraten.

Schon hatte ein Alane ihm einen Lasso um den Hals geworfen und hätte ihn wohl auch fortgeschleift, würde er nicht rasch genug mit dem Schwerte den Riemen zerhauen und durch schleunige Flucht sich gerettet haben.

Die Sieger, deren Wut durch die Schlacht noch mehr gereizt worden war, ergossen sich nun sengend und brennend über das ganze Land und kehrten dann mit einer großen Anzahl Gefangener und vielen Beutestücken, die sie sich aus beiden Reichen geholt hatten, wieder in ihre Heimat zurück.