Nacht und Dunkel ist vor dir    

1) Nacht und Dunkel ist vor dir,
ob du im Lichte auch wohnest.
Nimm die Hüllen, Herr, von dir,
vom Sitze, da du thronest.
Ach, ich flehe, Gott, zu dir,
erhöre, Herr, mein Flehen,
ich dürste, Licht zu sehen,
ich kann dich nicht verstehen.
Mein Hilfe kommt von dir
zerreiß die Augenbinde,
gib, dass ich Klarheit finde
und Zweifel überwinde,
offenbare du dich mir,
hör den Staub, er fleht zu dir.

2) Unerklärbar, Ewiger!
Und schwer, dünkt dein Regieren.
Nein, du kannst, Allgütiger,
du kannst nicht irre führen.
Du versprachst's: "Ich lass dich nicht!"
kann ich dich auch nicht fassen,
du kannst, du kannst nicht hassen,
du kannst mich nicht verlassen.
Du, dem keine Kraft gebricht.
Es ist dir leicht, zu retten,
zerbrich, zerbrich die Ketten,
reiß mich aus meinen Nöten.
Ach gewiss hältst du dein Wort,
aber wann? O, wann, mein Gott?

3) Zeitlos bist du, Ewiger!
An keine Zeit gebunden,
aber ich, ich Endlicher,
ich zähl nach kurzen Stunden.
Flügel wünsch ich. Doch wohin?
Flöh ich in Tal und Höhe,
ich fände, ach, ich sähe
doch nichts als Angst und Wehe.
Stunden, sprech ich, eilet hin!
Es zählt des Müden Klage
mit jedem Glockenschlage
durch Nächte und durch Tage.
Keines Morgens Schimmerlicht
bringt mir noch Gottes Stunde nicht.

4) Nur der Schweiß, der dir entfloss,
als du im Kampf geklaget,
nur das Herz, das namenlos
geduldet und gezaget,
nur die Angst, die du gefühlt,
als du im Druck der Leiden,
o Mittler, keine Freuden
gefühlt, gefühlt nur Leiden.
Nur der Kelch, der dich gekühlt,
als du in jenem Stunden
vom Vater Trost empfunden
und für mich überwunden.
Nur dass Jesus Christ auch litt,
dies nur teilt mir Labsal mit.

5) Nacht und Dunkel mögen dann,
ist's anders, Herr, dein Wille,
unerforschter, dich umfah'n!
ich halte, Herr, dir stille.
Doch, der Gläubigste bleibt noch
stets Mensch. Erbarm dich meiner,
dich zu verstehn, ist keiner
nicht fähig, auch nicht einer.
Dennoch, dennoch werd ich doch,
Herr, dort in deinen Höhen
dein Licht am Ausgang sehen,
dort werd ich dich verstehen,
danken und nicht leiden mehr.
O dann, Engel! Harfen her!