Wie ein Geschwätz des Tags, verfließt    

1) Wie ein Geschwätz des Tags, verfließt
die Zeit, die mir geliehen ist.
So rauscht vorbei ein schneller Bach;
und dein Gericht, Gott, folgt ihr nach!

2) Die Ewigkeit, die Ewigkeit
ergreift mich nach durchlebter Zeit:
ich, wenn sie kommt, sei, was ich sei,
ein Sünder, oder Gott getreu.

3) Da wall' ich hin, da wartet mein
das Anschaun Gottes, oder Pein.
Ach Gott, mein Heil, und mein Vertraun!
Lass mich dein seligs Antlitz schaun.

4) Da träufelst auf die Müden Ruh'
und wenn wir schlummern, wachest du.
Doch, wie viel Seelen wallen nicht
im Schlummer hin vor dein Gericht.

5) Wir sind nur wie ein Schlaf vor dir,
wie Gras, so blühn und welken wir.
Wie groß ist dessen Missetat,
der deinen Willen übertrat!

6) Ich zittre, Herr, und mein Gebein
durchbebet dein gewaltigs Dräun!
denn, denkst du ins Gericht zu gehn,
wer kann, wer kann vor dir bestehn?

7) Ach, zürne nicht auf deinen Knecht,
und Gnade, Gnad' ergeh' vor Recht!
Versöhner, Gottessohn, mein Heil!
Sei meine Zuflucht, sei mein Teil.

8) Auf dass ich klug sei, lehre mich
der Tod, dass ich nichts fürcht', als dich.
Dann leb und sterb ich dir allein,
im Leben, Gott, im Tode dein!

9) Ich fürchte nicht, von dir bewacht,
die Not des Tags, das Graun der Nacht.
Ich zittre, wenn der Tod kommt, nicht:
denn Gott ist meine Zuversicht.

Dräun = alte Form von "Drohen"

Text:
Melodie: Christe, du bist der helle Tag