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Predigten zu Apostelgeschichte 21,29

"Denn sie hatten vorher den Trophimus, den Epheser, mit ihm in der Stadt gesehen, von welchem sie meinten, dass Paulus ihn in den Tempel geführt habe."

Autor: Alfred Christlieb (* 26.02.1866; † 21.01.1934) deutscher Theologe
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Die vermeintliche Tempelentweihung durch Paulus

Die Feinde gaben sich nicht damit zufrieden, die Wortverkündigung des Paulus als gefährlich zu verdächtigen. Sie setzten auch noch ein anderes schlimmes Gerücht gegen ihn in Umlauf. Er sollte durch Mitnahme von Heiden in den Tempel dieses Heiligtum entweiht, sich also der Tempelschändung schuldig gemacht haben. Hier haben wir ein Beispiel der Entstehung, der Verbreitung und der Wirkung eines bösen Gerüchtes gegen einen Gottesknecht.

1. Die Entstehung dieses Gerüchtes.

Die Juden aus Asien hatten in der Stadt den Paulus in Begleitung des griechischen Christen Trophimus gesehen. Als sie nun den Apostel im Tempel wiedersahen, argwöhnten sie sofort, sein Begleiter sei von ihm auch in den Tempel mitgenommen worden, was nach dem Gesetz streng verboten war. Weil sie Paulus an anderem Ort in heidnischer Gesellschaft gesehen hatten, zogen sie den Schluss, diese Gesellschaft werde auch im Tempel bei ihm gewesen sein. Aus dieser falschen, jeder Grundlage entbehrenden Folgerung jener "Juden aus Asien" entstand das schlimme Gerücht, das so viel Unheil anrichtete.

Wir entnehmen daraus eine doppelte Lehre:

a) Wie vorsichtig müssen doch Gotteskinder und namentlich Gottesknechte in der Welt wandeln, weil sie von den Feinden des Christentums so genau beobachtet werden und so leicht die Vermutung entsteht, dass sie etwas Ungesetzliches getan hätten.

Tausende von Israeliten wurden in jener Festzeit in den Strassen Jerusalems nicht beachtet. Aber Paulus wurde sofort aufs Korn genommen und die Herkunft seines Begleiters genau bemerkt.

b) Wie behutsam sollten wir doch alle sein, wenn argwöhnische Gedanken in unseren Herzen auftauchen. Wie leicht entstehen böse Vermutungen über andere Menschen, namentlich über Gegner, die sich bei genauer Untersuchung als völlig grundlos und falsch erweisen. Lasst uns doch lieber das Beste als das Schlechteste denken (Sacharja 7, 10 b; Jeremia 4, 14 b).

2. Die Verbreitung dieses Gerüchtes.

Mit dem Ruf: "Er (Paulus) hat Griechen in den Tempel geführt und diese heilige Stätte gemein gemacht", setzten jene Juden aus Asien das schlimme Gerücht gegen Paulus in Umlauf. In ihren Worten lag ein doppelter Verstoss gegen diese Wahrheit.

1. Zuerst sagten sie: "Er hat Griechen in den Tempel geführt". Sie stellen also das als Tatsache hin, was nur eine Vermutung war.

2. Ferner machen sie aus dem einzelnen heidnischen Begleiter Trophimus gleich mehrere, indem sie sagen: "Er hat Griechen (Mehrzahl) in den Tempel geführt".

So pflegen die bösen Zungen auch heute noch schlimme Gerüchte zu verbreiten. Sie erzählen blosse Vermutungen als Tatsachen, und diese vermeintlichen Tatsachen vergrössern sie noch nach Belieben. Es kommt ihnen nicht darauf an, aus einem Griechen mehrere zu machen, wenn nur ihr Ziel erreicht wird, andere gegen den verhassten Gegner zu erregen.

Lasst uns doch niemals mit der Wahrheit spielen und ungenau mit ihr umgehen. Wer mit Absicht die Wahrheit verdreht und entstellt, der steht im Dienst des Lügners von Anfang (Johannes 8, 44; 3. Mose 19, 16; Sprüche 20, 19 b; Psalm 15, 1 - 3).

3. Die Wirkung dieses Gerüchtes.

Die Folge der Verdächtigung und des durch die Juden aus Asien verbreiteten Gerüchtes war eine allgemeine Erregung der ganzen Stadt gegen Paulus ("die ganze Stadt wurde bewegt"). Ein großer Volksauflauf entstand gegen ihn. Die Tempeltüren wurden geschlossen, d. h. der Tempel wurde für entweiht erklärt. Jede weitere gottesdienstliche Feier musste vorläufig unterbleiben. Der Anblick dieser gewaltigen Wirkung jenes Gerüchtes kann uns zweierlei sagen:

1. Nicht jede Erregung ist deshalb berechtigt, weil sie von einer ganzen Stadt oder Gegend mitgemacht wird. Deshalb lasst uns behutsam sein, ehe wir uns vom "allgemeinen Unwillen" gegen irgend jemand fortreißen lassen!

2. Lasst uns behutsam sein an jeder Mitbeteiligung am Entstehen und Verbreiten eines ungünstigen Gerüchtes über einen Mitbruder, wir können sonst mitschuldig werden an den großen und schlimmen Wirkungen solches Gerüchtes (2. Mose 23, 7 a; Sprüche 10, 18).

Wer hat den Tempel entweiht?

Wir haben früher gesehen, wie des Paulus Ankläger gerade die drei Fehler begingen, welche sie dem Apostel vorwarfen. Noch viel mehr dürfen wir dies sagen von dem, was sie in fälschlicher Weise über Paulus verbreiteten: Die ihm zur Last gelegte Tempelentweihung begingen sie selbst. Wie entwürdigten sie das Gotteshaus, indem sie es zum Schauplatz eines gehässigen Überfalls gegen einen frommen Menschen machten! Mit ihren Taten des Hasses und ihren Worten der Lüge schändeten sie in Wahrheit den Tempel. Nicht Paulus, sondern sie selbst verdienten den Vorwurf der Tempelschändung.

Auch heute noch kann es (wenn auch in feinerer Form) vorkommen, dass ein Raum, der zur Erbauung der Gemeinde bestimmt ist, zu lieblosem Angriff auf einen Mitbruder benutzt wird. Wer dies tut, macht sich in Wahrheit einer Tempelentweihung schuldig. Lasst uns zusehen, dass wir solches nie tun (Kap. 13, 45; Jeremia 28,10)!