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Predigten zu Hohelied 4,16

"Wache auf, Nordwind, und komm, Südwind: durchwehe meinen Garten, laß träufeln seine Wohlgerüche! Mein Geliebter komme in seinen Garten und esse die ihm köstliche Frucht. -"

Autor: Charles Haddon Spurgeon (* 19.06.1834; † 31.01.1892) englischer Baptistenpastor
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"Stehe auf, Nordwind, und komm, Südwind; und wehe durch meinen Garten, dass seine Würze triefen."

Alles andre ist besser, als die tote Ruhe der Gleichgültigkeit. Unsere Seelen tun wohl und weise, dass sie sich sehnen nach dem Nordwind der Trübsal, wenn das allein dazu mag geheiligt werden, den angenehmen Duft unsrer Gnadentugenden hervorzulocken. So lange nicht muss gesagt werden: "Der Herr war nicht im Winde," dürfen wir nicht zusammenschrecken vor dem winterlichsten Frosthauch, der je über die Gewächse der Gnade hinfuhr. Hat sich die Braut in diesem Verse nicht demütig dem Tadel ihres Freundes unterworfen? Sie bittet Ihn einzig um seine Gnade. Ist sie nicht gleich uns über ihre unheilige Ruhe und tödliche Erstarrung so ganz und gar bestürzt, dass sie sich nach einer Heimsuchung innig sehnt, und danach seufzt, damit sie möge zur kräftigen Tat erweckt werden? Und doch verlangt sie auch nach dem erwärmenden Südwind des Trostes, nach dem lieblichen Lächeln der göttlichen Liebe, nach der Freude in der Gegenwart des Heilandes; denn dadurch werden wir oft mächtig aus dem Schlummerleben aufgerüttelt. Sie sehnt sich nach dem einen oder dem andern, oder nach beiden; nur dass sie möchte imstande sein, ihren Freund zu erfreuen mit der Würze ihres Gartens. Sie kann es nicht ertragen, dass sie soll müssig und untätig sein; auch wir können's nicht. Wie lieblich ist doch der Gedanke, dass der Herr Jesus ob unsern armseligen Gnadenblüten Wohlgefallen empfinden kann? Ist das möglich? O, es ist fast zu schön, um wahr zu sein. Ja, wir dürfen uns wohl nach Prüfungen der Trübsal, nach dem Tode selber sehnen, wenn uns das dazu helfen kann, unsers Immanuels Herz zu erheitern. Ach, dass unser Herz doch zu Staub zermalmt würde, wenn durch dies Zerschlagen unser geliebter Herr Jesus mag verherrlicht werden. Gnadengeschenke, die nicht verwendet werden, sind wie der liebliche Duft, der im Kelch der Blumen schlummert. Die Weisheit des großen Herrn und Meisters überwacht und leitet die verschiedensten, entgegengesetztesten Kräfte, damit sie zusammenwirken in dem einen erwünschten Ziel; Er lockt durch Trübsal und Trost die lieblichen Wohlgerüche des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung, der Geduld, der Ergebung, der Freude und der andern herrlichen Blumen des Gartens hervor. Möchten wir aus eigner innerer Erfahrung wissen, was das bedeutet!


Autor: Frederick Brotherton Meyer (* 08.04.1847; † 28.03.1929) englischer Baptistenpastor

Stehe auf Nordwind; und komme Südwind, und wehe durch meinen Garten

Der Garten unserer Herzen ist zu vergleichen mit einem jener altmodischen, für den Obstbau besonders geeigneten, von hohen Steinmauern umgebenen Gärten. Es schwebt mir eben ein solcher vor, an dessen Südseite alte Apfelbäume stehen, die seit vielen Jahrzehnten da blühen und Früchte tragen. Der Garten ist voll würzigen Wohlgeruchs aller Art: „Narde, Kalmus und Zimmet, mit allerlei Bäume des Wohlgeruchs.“ Zuweilen ist jedoch die Luft so drückend und schwer, dass der süße Duft auch dem schärfsten Geruchssinn nicht bemerkbar ist. Dann ist es nötig, dass der Wind dem Gartenpfade entlang wehe, dass „die Würze triefe,“ und den Vorübergehenden erquicke.

Wie oft ist es schon in dem Leben der Kinder Gottes vorgekommen, dass die ihnen innewohnende Kraft und Lieblichkeit, von denen die mit ihnen umgingen, nicht erkannt wurde, bis der Nordwind des Schmerzes und des Leides mit heftigem Brausen über sie hereingebrochen ist. Dann entströmten plötzlich Gewürze von seltenstem Duft und wurden in die Weite getragen. Wie zittern doch zarte Bäume vor dem Nordwind! Geht es da nicht wie ein Schauer durch die dichten Gebüsche? Wir ziehen alle den Südwind vor. Aber vergessen wir nicht: der Sturmwind, der von den Bergspalten Kretas herab, jenes Frachtschiff aus Alexandrien überfiel, brachte die kräftige Würze hervor, die bis dahin in dem Herzen des großen Apostels geschlummert hatte: Seinen Mut! Seine Geduld! Seine Macht, auch den Verzweifelnden Hoffnung einzuflößen, so dass sie mit Danksagung das Brot brachen. O Nordwind, dein Dienst ist für uns alle von unberechenbarem Wert! Wohl fröstelt uns, wenn du uns forschend durchwehst; aber die Würze wiegt dein Brausen auf. Gott ist und bleibt die Liebe, mag der Wind von dieser oder von jener Seite her wehen.