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Predigten zu Johannes 7,49

"Diese Volksmenge aber, die das Gesetz nicht kennt, sie ist verflucht!"

Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Hoch streckt sich der Mensch empor, weil er einen erhabenen Besitz empfangen hat. Denn er kennt das Gesetz und das gibt ihm ein vornehmes Recht, das Recht zu fluchen. Dazu hat er nach seiner Meinung nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht. Er würde das Gesetz verleugnen, wenn er nicht den Fluch auf alle legte, die es nicht kennen und es darum übertreten. Woher kannten diese zum Fluch bereiten Frommen das Gesetz? Sie haben es gelernt. Wer es nicht lernt, der kennt es nicht. Darum ist die ganz große Schar verflucht, die den Acker und das Gewerbe nicht fahren ließ und nicht in den Lehrsaal kam, um Gottes Gesetz zu hören. Für sie gibt es keine Entschuldigung; denn das Gesetz steht über jedem anderen Wert, über Haus und Hof und Wirtschaft und Staat. Wie soll der der Sünde entrinnen, der das Gesetz nicht kennt? Ich will sie nicht vergessen, diese erhabenen Gestalten mit ihrem feierlichen Fluch, mit der eisernen Konsequenz ihrer Überzeugung und dem vorbehaltlosen Opfermut, mit dem sie das ganze Leben dem Dienst des Gesetzes widmeten. Allein diese erhabenen Gestalten machen zugleich das tiefste Erbarmen wach; denn sie haben nicht nur das unwissende Volk, sondern auch Christus verflucht. Mensch, sieh dich vor! Wenn du groß bist, fällst du. Wenn du sagst: ich weiß, so bringst du deine Narrheit ans Licht. Schmiedest du dir die Krone der Verdienste, so hängst du dir das Brandmal der Sünde an. Fluchst du den anderen, so verfluchst du dich. Ich will nicht eilig den Blick wegwenden, sondern will Gottes Ernst und Gottes Güte beschauen. Seine Güte sehe ich an mir, weil ich im Glauben stehe. Der Glaubende schaut aber auf Gottes ganzes Werk, auch auf seinen Ernst. Darum steht um das Kreuz Jesu herum die stolze Schar, die mit eifrigem Ernst verkündete: wir kennen das Gesetz, und daran viel.

Heiliger Gott, es tritt kein unreiner in deine Nähe und kein Ungerechter hat in Deinem Reiche Raum. Aber nicht uns hast Du das Gericht übergeben. Wie süß, o Jesus, ist Dein Wort, das uns das Richten untersagt! Ich würde dich nicht kennen, wenn ich noch fluchen könnte; denn der bleibt in Dir, der in der Liebe bleibt. Amen.