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Predigten zu Matthäus 6,17

"Du aber, wenn du fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Angesicht,"

Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Kunstfertig sind wir Menschen, dass wir sogar aus dem, was unsere Trauer und unsere Busse sichtbar macht, uns einen Ruhm bereiten. Das ist ein seltsames Kunststück. Ist nicht für den, der sich als schuldig richtet, die Öffentlichkeit verschärfte Pein? Sucht nicht die echte Träne die Verborgenheit? Allein das Kunststück, von dem Jesus spricht, ist uns sehr geläufig und findet sich bei allen, die nichts anderes sind als das, was die Gesellschaft aus ihnen macht. Sie stellen nicht nur ihre Kraft, sondern auch ihre Schwachheit aus, lassen sich ihre Tüchtigkeit und ihre Busse von den anderen bestätigen und bedürfen auch für ihre Trauer die Zuschauer. Da uns Jesus von der Knechtschaft unter die Menschen frei macht, stellt er auch den Fastenden allein vor Gott. Dadurch erhält unsere Busse Wahrheit und wird wirklich zur Beugung unter Gottes Gericht und unsere Trauer bekommt Heilsamkeit; nun reinigt sie unsere Seele. Ist es aber nicht gegen die Wahrhaftigkeit, wenn der Fastende sich jene Haltung gibt, die der annimmt, der sich zum frohen Fest begibt? Nur dann würde daraus eine Vorstellung, wenn es möglich wäre, dass uns ein Schmerz widerführe, der jede Freude in uns erstickt. Wir treten aber nach der Vorschrift Jesu mit dem gewaschenen Angesicht und dem geordneten Haar in die Gemeinschaft hinein und diese ist Gottes reiches Geschenk. Wenn wir die anderen mit dem belasten, was uns peinigt, verkennen wir den von der Gemeinschaft uns gegebenen Beruf. Wenn das Auge des Bruders deine Tränen sieht, so lass ihn mit dir weinen, wie er sich mit dir freuen soll, wenn er deine Freude sieht; aber um das Mitweinen der anderen zu werben, ist nicht brüderlich. Was aber unsere Gemeinschaft als ihr gemeinsames Gut besitzt und verwaltet, das ist Gottes Gnadengabe, an der ich auch im tiefsten Leid und bittersten Fasten Anteil habe. Auch dann gehöre ich zu den Hochzeitsleuten, die der Bräutigam deshalb zu sich geladen hat, damit sie mit ihm feiern. Wir waschen darum unser Gesicht nicht für die Menschen, sondern wenden uns mit aufgedecktem Angesicht dem zu, der uns die Herrlichkeit Gottes zeigt.

Was soll ich mehr begehren, als dass Du, Vater, weißt, was mir fehlt, und siehst, was mich beugt? Bist Du auch der verborgene Gott, so bist Du doch in Deiner Verborgenheit gegenwärtig. Dir bringe ich mein Geständnis und erfasse Deine Verheißung, dass Du dem verzeihst, der vor Dir seine Schuld bekennt. Amen.