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Predigten zu Matthäus 6,3

"Du aber, wenn du Almosen gibst, so laß deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut;"

Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Wenn irgendein Gebot Jesu uns zur Einrede reizt: das ist unmöglich, ich kann das nicht! So ist es dieses Gebot. Dass wir unser Wohltun nicht auch vor den anderen ausstellen dürfen, das hat einleuchtenden Grund. Wir haben alle keine Achtung von einer Wohltätigkeit, die nicht zustande käme, wenn sie nicht Zuschauer hätte. Wir wissen alle, hier kommt etwas anderes ans Licht als Güte. Dieses Wohltun ist Eigennutz und erkauft sich mit seiner Gabe einen Gewinn, die Ehrung, die der Zuschauer ihm spenden soll. Jesus ist aber nicht damit zufrieden, dass die fremden Augen ausgesperrt bleiben; auch ich selbst soll meine Wohltat nicht beschauen. Das hat er in seiner mächtigen Sprache so gesagt, dass meine linke Hand nichts davon erfahren soll, dass meine rechte Hand den anderen die Gabe gibt. Auch wenn ich nicht Dank und Lohn von den Menschen begehre, so begehre ich doch den Lohn, dass meine Wohltat mich selbst erfreue und mir das Wohlgefühl des richtigen Handelns verschaffe. Damit hängt sich aber wieder jene Verunreinigung, die die den anderen vorgezeigte Wohltat verdirbt, in ihrer innersten und feinsten Gestalt an unsere Güte an. Ein letzter, feinster, aber auch stärkster Trieb der Eigensucht mengt sich ein. Sei nicht dein eigener Zuschauer und Lobredner, mahnt uns Jesus. Dich geht, was du Gutes tust, nichts an. Ihn geht es an, der deine Wohltat bedarf. Sieh auf ihn und sorge dafür, dass er wirklich erhält, was er bedarf. Wie kann ich zu dieser selbstlosen Güte kommen? Das Gebot Jesu wäre eine unerfüllbare Unmöglichkeit, wenn er uns nicht in den Glauben stellte. Solange ich meinen Stützpunkt in mir selber suche und mich an das klammere, was ich bei mir finde, wird sich auch meine linke Hand lebhaft an dem beteiligen, was die rechte tut. Dann zuckt das Hochgefühl des guten Werks durch meine ganze Seele und wird mir zum unentbehrlichen Genuss. Denn ich füge ja mit jeder Guttat einen Stein hinzu zu meinem stolzen Bau. Wie ich sein Erbauer bin, bin ich auch sein Beschauer und sein Bewunderer. Nun wendet aber Jesus unser Gesicht zu Gott hin, so dass wir glauben. Das gibt die Lösung nicht nur von unserem Sündigen, sondern auch von unserem Gutestun. Denn ich stehe nun vor Gott nicht auf meinem Werk, nicht auf dem, was meine Liebe opfert, sondern auf Gottes Wort und Gottes Tat. Der Segen, der daraus entsteht, wird mir sofort zuteil. Nun entsteht jenes Helfen, das ernsthaft hilft, weil unser Blick nicht an uns und unserem Vorteil hängt, sondern klar und ganz das bedenkt, was dem anderen dient.

Wenn meine Linke mit dabei ist, lieber Herr, dann hält sie meine Rechte fest, dass sie nicht ernsthaft geben kann. So wird aus meinem Wohltun Schein. Weil Du allein die Liebe bist, suche ich sie bei Dir, und ich weiß, sie ist des Geistes Frucht und des Glaubens Frucht. Amen.