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Predigten zu Psalm 119,169

"Laß mein Schreien nahe vor dich kommen, der HERR; gib mir Einsicht nach deinem Worte!"

Autor: Charles Haddon Spurgeon (* 19.06.1834; † 31.01.1892) englischer Baptistenpastor
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Der Psalmist ist ans Ende des Psalms gekommen, und seine Bitten werden immer stärker und drängender; es scheint, als breche er in den innersten Kreis der Gemeinschaft mit Gott ein und liege direkt zu Füßen des großen Gottes, um dessen Hilfe er fleht. Diese Nähe schafft die niedrigste Selbsteinschätzung und bringt ihn dazu, in tiefster Erniedrigung die Hände vors Gesicht zu schlagen und zu betteln, er möge gesucht werden wie ein verlorenes Schaf.

Der Psalmist möchte die Aufmerksamkeit des Herrn ganz fest und bewusst auf sein Gebet ziehen. Er gebraucht eine Sprachfigur, durch die er sein Gebet personifiziert. Wir möchten sein Gebet vergleichen mit Ester, die sich in die königliche Gegenwart traut und um eine Audienz bittet und schließlich darum, Gnade in den Augen des gepriesenen und einzigen Herrschers zu finden. Es ist eine sehr kostbare Sache, wenn ein Beter sicher weiß, dass sein Gebet zur Audienz vorgelassen wurde, nachdem es über das kristallene Meer in den Thronsaal gegangen und an den Fußschemel des herrlichen Thrones gelangt ist, um den herum Himmel und Erde anbetend knien. Das Gebet ist mit erbebendem Ernst an Jahwe, den Gott Israels, gerichtet, dessen Namen unsere Übersetzer in heiliger Ehrfurcht mit »der HERR« wiedergegeben haben. Wir rufen niemand sonst um eine Audienz an, weil wir niemand sonst vertrauen. Ein Mensch ist passend gemacht, um Gottes Hand um Hilfe zu bitten, wenn er seine eigene Hand ausschließlich dem Glaubensgehorsam geweiht hat. Gottes Gesetz, enthalten in den Zehn Geboten, erfreut die Gläubigen. Gottes Gesetz, d.h. das gesamte Wort Gottes, ist eine sprudelnde Quelle der Tröstung und Freude für alle, die es annehmen. Wenn wir auch noch nicht die Fülle unserer Errettung erreicht haben, finden wir in dem Wort Gottes doch so viel über unsere gegenwärtige Errettung, dass wir jetzt schon überglücklich sind.

Oftmals hat der Psalmist seine eigene Unschuld in diesem Psalm gegen übel wollende Ankläger verteidigt; doch wenn er in die Gegenwart des HERRN, seines Gottes, kommt, ist er bereit, seine Übertretungen zu bekennen. Er fasst nicht nur die Vergangenheit, sondern auch sein gegenwärtiges Leben in dem Bild des Schafs zusammen, das aus der Weide ausgebrochen ist, die Herde verlassen und sich selbst in eine schreckliche Wildnis gebracht hat, wo es gänzlich verloren war. Das Schaf blökt, und der Psalmist betet: »Suche Deinen Knecht!« Nun, wenn Gottes Gnade unser Herz befähigt, liebend der Gebote Gottes zu gedenken, wird sie uns sicherlich auch zu praktischer Heiligung erneuern. Der Leser sollte beim Lesen des letzten Verses an den ersten dieses Psalms denken: Die größere Seligkeit liegt nicht darin, von Verirrungen wiederhergestellt zu sein, sondern auf vollkommenem Weg bis ans Ende erhalten zu werden. Möge der Herr uns bis zum Ende bewahren! Doch auch dann werden wir uns nicht mit dem Pharisäer rühmen können, sondern werden immer noch mit dem Zöllner beten: »Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig!« – oder mit dem Psalmisten sprechen: »Suche Deinen Knecht!«


Autor: Martin Luther (* 10.11.1483; † 18.02.1546) theologischer Urheber der Reformation
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Hast du schon gebetet?

Viele Menschen meinen, wenn sie ihre vorgeschriebenen Gebete abgelesen haben, dann hätten sie wirklich gebetet. Fragt man sie aber, was und worum sie baten, so wissen sie darauf nichts zu sagen. Das war dann aber kein wirkliches Beten. Und so sollte man es nicht machen. Vielmehr sollte man Gott, dem Herrn, seine Not geradeswegs klagen. Vielleicht so oder so ähnlich: »Ach, lieber Herr, es plagen mich Hochmut, Unduldsamkeit, Zorn, Neid und böse Begierden.« Und wenn du damit nicht zu sehr angefochten wirst, kannst du sagen: »Mir fehlt es an Demut, Duldsamkeit, Friedfertigkeit, Keuschheit.« So kannst du alles nennen, was dir fehlt, besonders all das, worum es im Vaterunser geht – dass wir leider nicht die Ehre Gottes suchen, sondern in allen Dingen uns selbst, dass wir unseren eigenen Willen durchsetzen wollen usw.

So habt ihr auf jeden Fall Gründe genug, um für euch selbst, eure Nächsten und für die ganze Christenheit zu beten, und weshalb man Gott, den Herrn, billigerweise zu aller Stunde mit blutigen Tränen anflehen sollte.