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Predigten zu Römer 7,19

"Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, dieses tue ich."

Autor: Carl Eichhorn (* 11.07.1810; † 08.02.1890) deutscher lutherischer Pastor
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Der innere Widerstreit

"Das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich."

Erst mit der Bekehrung trat in der Seele des Apostels der unselige schmerzliche Zwiespalt ein zwischen Wollen und Doch-nicht-können. Oder sollte er in diesem inneren Zwiespalt schon vor der Bekehrung gestanden haben? Das ist doch wohl undenkbar. Der Verfolger Saulus war kein innerlich gelähmter Mensch. Vielmehr war er von dem stolzen Bewusstsein eines gesetzeseifrigen Juden durchdrungen. - Erst als der Stachel von oben in sein Inneres gedrungen war, entstand in ihm ein innerer Aufruhr. Er erkannte nun den Willen Gottes in seiner ganzen Tiefe und in seinem ganzen Umfang. Er erkannte und wollte das Gute. Aber er konnte es nicht vollführen. Da ist sich der Mensch selbst ein Rätsel: "Ich weiss nicht, was ich tue!" Ich hasse im Grunde das Böse - und tue es doch! Ich will rein sein - und gebe mich der Unreinheit hin! Ich gebe allen Geboten Gottes recht - und übertrete sie doch! Woher kommt das? "Ich bin fleischlich, unter die Sünde verkauft." Wer an eine fremde Macht verkauft ist, muss ihr unerbittlich dienen. Wollte der Mensch der Sünde sich entziehen, müsste er sich selbst entrinnen. Sie wohnt in ihm. - Der alte Mensch muss erst sterben, zuvor müht man sich vergebens ab. Wenn der Mensch nichts Gutes, nur Böses in sich findet, hat das Gesetz seine Aufgabe erfüllt. Es kann kein neues Leben schaffen, sondern nur dem Menschen die Augen öffnen, dass er sich als Sünder erkennt. Es zeigt ihm den ganzen inneren Ruin und die Verwüstung seines Wesens. - Die Lage, in die er versetzt wird, ist um so drückender, weil er doch nach seinem inwendigen Menschen, dem "Gemüt", oder nach seinem sittlichen Empfinden und Urteil das Gute will. Durch die Erweckung von oben hat der Mensch einen besseren Zug oder ein besseres Wollen gewonnen. Er versucht es auch, den Willen Gottes durch eigene Kraft zu vollbringen. Aber je mehr er den Kampf gegen die Sünde aufnimmt, desto mehr empfindet er ihre zwingende Macht. Er sieht ein "Gesetz" als gebietende Macht in seinen Gliedern. Ihm kann er sich nicht entziehen. Es öffnen sich ihm traurige Tiefen in seinem Wesen. Er liebt das Gesetz Gottes. Er möchte das Gute. Aber gegen die Sünde als Macht in seinem Fleisch ist er ohnmächtig. Die selbstischen Triebe, die Sucht nach Ehre und Stellung, nach Geld und Besitz, nach Genuss und Sinnenlust beherrschen ihn. Wenn der Mensch durch die Erweckung von oben einen besseren Zug und Willen gewonnen hat, so setzen sich diese niederen Triebe gleichwohl durch und nehmen den Willen gefangen. Der Mensch muss ihnen nachgeben, kann nicht gegen sie aufkommen. Er spürt, dass es anders werden muss. Er will auch anders werden. Doch oft ist es noch kein ganzer Wille. So ist es ein Hin- und Hergeworfenwerden. Oft erst nach Erfahrungen immer neuer und schmerzlicher Niederlagen vertieft sich das Wollen zu einem ganzen, unabweisbaren Willen: Ich muss gerettet werden, sonst verzweifle ich elender Mensch.


Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Wenn Gottes Gebot zu mir kommt, weckt es freilich meinen Widerwillen auf. Denn ich muss empfinden, dass es von meinem Willen gänzlich verschieden ist. Ich kann ihm aber auch zustimmen und meinen Widerspruch zum Schweigen bringen. Dann will ich das Gute. Allein damit ist die in mich hineingelegte große Frage noch nicht erledigt. Denn der Wille ist entwertet und widerlegt, wenn er nicht in der Tat zur Vollendung kommt. Kann ich auch dann, wenn ich das Gute will, so handeln, dass es geschieht? Hier gibt es aber erst wieder Schwierigkeiten, die mir neue Not bereiten, auch wenn das inwendige Gespräch mit dem göttlichen Gebot so zum Abschluss kam, dass ich zum Guten entschlossen bin. Denn zum Handeln brauche ich meinen Leib. Alles, was Tat wird, vollzieht sich im natürlichen Bereich. Das heißt, Lust und Unlust sind aufgewacht und ziehen mich. Glück und Unglück werfen die Bilder in mich hinein und Gott verbirgt sich für mich hinter der massiven Sichtbarkeit des natürlichen Geschehens. Dafür stehen die Menschen als gewaltige Gestalten vor mir, die mir bei jedem Handeln unentbehrlich sind. Mit ihnen, gegen sie, für sie handle ich, und sie legen mir ihren Willen auf, dem ich mich fügen muss. Ihr Lob ist falsch; ihre Ansprüche fordern das Böse; ihre Gemeinschaft erträgt Gottes Ordnung nicht. Diese zum Bösen treibenden Kräfte sind stärker als mein guter Wille. Sowie ich handle, erhält das natürliche Begehren das Übergewicht. Daher sitzt in uns Menschen die Angst vor dem Handeln und wir versuchen es, der Natur zu entrinnen und einen Standort zu erreichen, der uns von der Welt entfernt und uns das Handeln erspart. Sie sind oft rührend, diese Versuche, zwischen unserer Seele und der Welt eine Mauer aufzurichten, hinter der die Seele geborgen sei. Sie scheitern alle; denn sie streiten gegen die Bedingungen, an die unser Leben gebunden ist. Es gibt kein Kloster, und sei es noch so hoch ummauert und in feierlicher Stille eingetaucht, in dem das Wort aufgehoben wäre: Das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wie wird es aufgehoben? Im zentralen Vorgang, der das Innerste in uns ist, entsteht die Änderung. Dort wird uns ein neues Verhältnis zu Gott beschert, nicht nur das, das die Natur uns bereitet, auch nicht nur das, das aus dem uns enthüllten göttlichen Gebot entsteht, sondern das, das der gebende Gott uns schenkt, dessen Gnade zu uns kommt. In Christus sein, sagt mir Paulus, das ist die Befreiung vom Geflecht der natürlichen Notwendigkeit, die stärkere Macht als der natürliche Trieb und als der Menschen Gebot. Das Ende meiner Ohnmacht ist, dass ich im Glauben mit Gott verbunden bin.

Herr Gott, es ist nicht Dein Wille, dass ich auf mich selbst mich stütze und in mir selber ruhe. In mir ist nicht Friede und nicht Kraft und nicht Heil. Das alles ist bei Dir und ist Deines Geistes Werk, Deines Geistes Geschenk. Komm zu mir, Geist des Lebens, dann will und handle ich. Amen.