Buch-Rezension: Angekommen?! - Fünfzig Jahre freikirchliche Russlanddeutsche in Deutschland

Angekommen?!

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Um es vorweg zu nehmen: Der Rezensent spricht aus der „hiesigen“ Perspektive, wobei er durch familiäre Verflechtungen (Die zweite Frau meines verwitweten Vaters ist eine Russlanddeutsche, gleichermaßen die Frau meines ältesten Bruders) sowie verschiedene Begegnungen und Freundschaften kleine Einblicke in das russlanddeutsche Glaubensleben gewinnen durfte.

Beide Herausgeber sind Dozenten am Bibelseminar Bonn, das seit einigen Jahren von vielen russlanddeutschen Geschwistern zur theologischen Aus- und Fortbildung besucht wird. Insgesamt 19 Aufsätze verschiedener Autoren lassen Vergangenes, Gegenwärtiges und „Zuversichtliches“ erkennen. Angefangen mit biografischen Aufsätzen (S. 11ff.), die dem Leser eindrücklich die Erlebnisse der russlanddeutschen Geschwister vor Augen führen, schließen sich Darstellungen zu Gemeinde- und Schulgründungen (S. 44ff.) sowie zu dezidiert russlanddeutschen Überzeugungen und Besonderheiten in Glaubensfragen an (S. 88ff.). Die Bedeutung der Bibelschulen Bonn und Brake (S. 173ff.) wird aufgezeigt und das Verhältnis der Russlanddeutschen zu Staat und Politik (S. 212ff.), untereinander in Gemeindeverbänden (S. 224ff.) sowie innerhalb der evangelikalen Bewegung dargestellt. Gegen Ende des Buches lassen die Herausgeber verschiedene Autoren Antwort und Ausblick zur Frage geben, ob bzw. inwieweit die freikirchlichen Russlanddeutschen tatsächlich angekommen sind.

Das Buch liest sich erfrischend und bereichert den Leser im Verstehen der heimgekehrten Geschwister. Hierbei erweist es sich als Vorteil, dass die Vorzüge der russlanddeutschen Bewegung wie die klare Stellung zur Autorität der Schrift, der Missionseifer, der Schwerpunkt auf die Glaubenspraxis etc. aufgezeigt, die problematischen Punkte wie z.B. die Spaltungen, die Überbetonung der Gemeinderegel, die Gemeindeleitung durch nur eine Person, das Streben nach materiellem Reichtum etc. nicht ausgespart werden. Insgesamt ist die Darstellung durchweg von Liebe, Offenheit und Verständnis gekennzeichnet, was insbesondere bei den soeben zitierten kritischen Punkten auffällt.

Die Frage, ob die Integration der russlanddeutschen Geschwister gelungen ist, beantwortet Schowalter treffend: „Noch nicht völlig. Aber sie kann gelingen“ (S. 303). Der Rezensent stimmt nicht nur mit Blick auf den Titel des Buches („Russlanddeutsche“ statt „Russlandsdeutsche“) schmunzelnd zu, dass Integration zu einem großen Maß gelungen ist.

Liebe Geschwister russlanddeutscher Prägung, wir haben euch viel zu verdanken und brauchen euch! Bitte seid in der Schriftfrage standfest, in den Evangelisationsbemühungen brennend und in den (gemeinde-)theologischen Fragen ausgewogen sowie in Liebe gegründet! Und, um eine persönliche Komponente zu benennen, verleiht der euch gegebenen Gnade Gottes auch dadurch Ausdruck, dass ihr gnädig mit den Geschwistern umgeht, die zur Frage der Un-/Verlierbarkeit des Heils zu einer anderen Überzeugung gelangen.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Thimo Schnittjer
 Kategorie: Geschichte, Kirchengeschichte

  Verlag: Lichtzeichen Verlag
  Jahr: 2020
  ISBN: 978-3-86954-441-0
  Seiten: 367
 €    Preis: 15,00 Euro