Buch-Rezension: Außerbiblische Zeugnisse über Jesus - und das frühe Christentum

Außerbiblische Zeugnisse über Jesus

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Der vorliegende Band in der roten Lehrbuchreihe des Brunnenverlags erschien erstmalig 1991 als deutsche Übersetzung und Bearbeitung des englischen Bändchens Jesus and Christian Origins Outside the New Testament (London: Hodder & Stoughton, 1974). Der Herausgeber, Dr. E. Güting, hatte in der ersten Auflage und den weiteren Auflagen deutschsprachige Literaturangaben ergänzt. Nun erscheint der Band in der 5. Auflage mit bedeutenden Veränderungen und Ergänzungen. Zum einen wurde in den chronologisch angeordneten Literaturangaben am Ende jedes Abschnitts wiederum neuere Literatur ergänzt, die das eigenständige Arbeiten an und mit den hier gebotenen Quellen ermöglichen soll. Zum anderen wurde ein völlig neues Kapitel eingefügt, das den vollständigen Text des im Jahr 2006 veröffentlichten gnostischen Judasevangeliums bietet. Ferner hat der Herausgeber die von ihm erstellte Übersetzung des Thomasevangeliums um ausführliche Hinweise auf die philologische Diskussion dieses Textes erweitert (in den Erklärungen zwischen den einzelnen Logien).

Der Band bietet die Hinweise auf Jesus und die ersten Christen bei den nicht christlichen hellenistisch-römischen Autoren (11-26), das Zeugnis des Josephus Flavius über Johannes den Täufer, Jesus und den Herrenbruder Jakobus (auch die slawische Überlieferung, 27-47), die Hinweise auf Jesus, Maria, die Jünger und weitere Judenchristen in der rabbinischen Überlieferung (48-59) sowie im fünften Kapitel („Vorbereitung auf den Messias“, 60-75) Texte aus den Qumranschriften (Qumran und der Lehrer der Gerechtigkeit, messianische Erwartungen in Qumran) und den frühjüdischen pseudepigraphen Schriften (Testamente der 12 Patriarchen, die Psalmen Salomons). Dann geht es um „versprengte Herrenworte“ (Worte von Jesus, die außerhalb der kanonischen Evangelien überliefert wurden, so genannte Agrapha), um Papias und die mündliche Tradition und das Zeugnis verschiedener apokrypher Evangelien (76-101).

Dem folgen das Thomasevangelium (102-45) und als Anhang das sog. Ägypterevangelium. Das neue Kapitel dieser Auflage ist das gnostische Evangelium des Judas Iskariot (146-66), das sich als Bericht geheimer Offenbarungen an Judas ausgibt, „die diesem an mehreren aufeinander folgenden Tagen der Passionswoche offenbart wurden. Es endet mit einem knappen Bericht des Verrats“ (146). Nach einer knappen Einführung in die altkirchlichen Hinweise, die teilweise verworrene Geschichte der Handschrift, folgt die ausführliche kommentierte Übersetzung des koptischen Textes (148-60). Abschließend würdigt Güting den Text als gnostische Quelle (161-64) und schließt mit Literaturhinweisen auf zwei Seiten. Diese Übersetzung ermöglicht das eigene Urteil über diesen, in der neueren wissenschaftlichen Diskussion und vor allem von verschiedenen Medien, völlig überbewerteten Text (vgl. dazu auch H. Lona, Judas Iskariot: Legende und Wahrheit; Freiburg, Basel, Wien: Herder, 2007). Güting schließt:

Hätte Judas irgendwelche Offenbarungen empfangen, so wären sie mit seinem historisch gesicherten Tod kurz nach der Kreuzigung von Jesus unwiederbringlich verloren. Denn dass ein Vertrauensmann des Judas Informationen besaß und überliefern konnte, ist ausgeschlossen. Es handelt sich um eine pseudonyme gnostische Schrift des 2. Jahrhunderts. Ihre historische Bedeutung liegt nicht in dem Licht, das sie auf die ersten Jahrzehnte des frühen Christentums werfen kann. Sie besteht vielmehr in dem Beitrag, den sie zu unserem Verständnis eines seit langem bekannten historischen Phänomens leistet, dem Verständnis einer weitgehenden kirchenkritischen Gnosis (147).

Weitere Kapitel gelten weiteren außerkanonischen Schriften (167-74), den Hinweisen auf Jesus im Koran und in der islamischen Tradition (175-91), sowie dem Zeugnis der Archäologie (früheste Hinweise auf Christen oder christliche Inhalte in Papyri, Münzen und Inschriften, 192-209). Ein Verzeichnis der zitierten Literatur in modernen Übersetzungen (210-12); Epilog und Register beenden den schönen Band.

Durchweg werden die teilweise ausführliche Wiedergabe der Quellentexte verbunden mit guten Einführungen, Erklärungen und Zusammenfassungen, so dass man leichter in die Texte hineinfindet und zu einem eigenen Urteil kommen kann. Die Erklärung und Würdigung durch Autor und Herausgeber sind hilfreich und angemessen. Dem Herausgeber und Verlag ist für die verbesserte Neuauflage eines wichtigen und bewährten Lehr- und Arbeitsbuchs zum Neuen Testament und zur Geschichte der Alten Kirche zu danken. Gerade in einer Zeit, in der die nicht-kanonischen Quellen für die Geschichte des Urchristentums und der Alten Kirche übergebührlich aufgewertet, in der sie als die eigentlichen Quellen deklariert und teilweise medienwirksam (und kirchen- und christentumskritisch) präsentiert werden, ist der hier vorliegende, aktuelle Überblick – auf hohem Niveau und mit dem rechten Augenmaß – ein hervorragendes Hilfsmittel und Beitrag zur Versachlichung einer oft emotional geführten Diskussion.

Zur Einordnung der apokryphen Evangelien vgl. M. Green, Die verborgenen Bücher: Wie das Neue Testament entstand – Mythos und Wahrheit (Wuppertal: R. Brockhaus, 2007) und D. L. Bock, Die verschwiegenen Evangelien: Gnosis oder apostolisches Christentum – Muss die Geschichte des frühen Christentums neu geschrieben werden? (Gießen, Basel: Brunnen, 2007).

 Die Rezension/Kritik stammt von: Christoph Stenschke
 Kategorie: Geschichte, Kirchengeschichte

  Verlag: Brunnen Verlag GmbH
  Jahr: 2007
  ISBN: 978-3765593666
  Seiten: 192
 €    Preis: 24,95 Euro