Buch-Rezension: Biografie: Julius Anton von Poseck - Ein Gründervater der Brüderbewegug

Biografie: Julius Anton von Poseck

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August Jung, Pastor i.R. der Freien evangelischen Gemeinden, veröffentlichte in den letzten Jahren wichtige Bücher über die Anfänge der Freikirchen. In seiner neuesten Untersuchung geht er einer Spur nach, die er schon in seinem Buch Als die Väter noch Freunde waren aufgegriffen hatte: der Biographie Julius Anton von Posecks (1816-1896), eines der Gründungsväter der Brüderbewegung. Er ist heute noch durch sein Lied "Auf dem Lamm ruht meine Seele" bekannt.

Jung kann dank seiner Forschungen erstmals verlässliche Informationen zusammentragen und bisherige Ansichten korrigieren: Von Poseck stammte aus einer katholischen Adelsfamilie, wurde aber durch Familie und Schulausbildung stärker evangelisch geprägt. Seit 1840 war er mit pazifistischen Publikationen der englischen Brüderbewegung in Berührung gekommen, was zu seiner Verweigerung des Wehrdienstes und einer damit verbundenen Inhaftierung führte. Damals waren führende Militärs in England nach der Hinwendung zum "Brüdertum" aus der Armee ausgetreten.

Von 1841 bis 1847 verliert sich die Spur von Posecks. Ab 1847 wirkte er als Jurist in Düsseldorf. Seine Bekehrung datiert auf das Jahr 1848, nicht früher, wie viele bisher vermuteten. Unter dem Einfluss von William Darby, einem Bruder John Nelson Darbys, übersetzte er viele Schriften des bekannteren Bruders ins Deutsche. Bald kam er auch – wohl als erster Deutscher – in brieflichen Kontakt zu John Nelson Darby, dem er allerdings in der Tauffrage widersprach. Ab 1851 gründete von Poseck erste Brüdergemeinden in Hilden, Haan, Benrath, Ohligs, Rheydt und anderen Orten, also schon vor den ersten "Elberfelder Versammlungen" 1853 um Carl Brockhaus!

Erst durch von Poseck und seine "exklusiven" Ansichten kam es nach Jung auch zu Spannungen im "Evangelischen Brüderverein", die mit dem Ausscheiden von Carl Brockhaus und anderen im Dezember 1852 ihren Höhepunkt fanden. Seit Anfang 1853 lebte von Poseck in Barmen, also in unmittelbarer Nähe zu Brockhaus. Beide leiteten "Versammlungen", der eine in Barmen, der andere in Elberfeld. Man muss daher für die Frühzeit der Brüderbewegung von zwei Strängen der Brüderbewegung sprechen: von der "Düsseldorfer Richtung" um von Poseck und der "Elberfelder Richtung" um Carl Brockhaus. Erst 1874 kam es zu einer Vereinigung beider Kreise.

Der hoch gebildete und mehrere alte und neue Sprachen beherrschende von Poseck arbeitete mit Brockhaus und Darby 1854 an der neutestamentlichen Übersetzung der "Elberfelder Bibel". Dank seiner Vorbildung scheint er die Führungskraft im Übersetzerteam gewesen zu sein. Er dichtete zudem einige Anbetungslieder, die in verschiedene Gesangbücher aufgenommen wurden. Von Poseck ging allerdings schon 1857 – wohl auf Anraten Darbys und nach Konflikten mit Brockhaus – nach England, wo er in der dortigen Brüderbewegung als Prediger und Schriftsteller eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Im Streit um die Gemeinde "Park Street" stellte er sich 1881 auf die Seite der Darby-Gegner (W. Kelly), ohne sich jedoch den Offenen Brüdern anzuschließen. Trotzdem hielt er seither wieder Kontakt zu vielen freien und freikirchlichen Kreisen in Deutschland, mit denen er schon vor seiner Hinwendung zum (exklusiven) Brüdertum verbunden war.

Minutiös ortet und sichtet Jung in seiner Monographie bisher unbekannte Dokumente aus verschiedenen Archiven, druckt gefundene Briefe und Berichte ab und belegt so im Detail seine neuen Entdeckungen. Er macht deutlich, dass es neben den "Versammlungen" um Carl Brockhaus schon vorher die "Düsseldorfer" Gruppe um von Poseck gab, denen quasi das "Erstgeburtsrecht" der Brüdergemeinden zuzugestehen ist. Teile der Entstehungsgeschichte der deutschen Brüderbewegung müssen daher wohl neu geschrieben werden.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Stephan Holthaus
 Kategorie: Biografien, Lebensbilder

  Verlag: SCM R. Brockhaus
  Jahr: 2002
  ISBN: 3-417-29473-8
  Seiten: 176
 €    Preis: 16,90 Euro

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