Buch-Rezension: Das lukanische Geschichtswerk - Band II: Kommentar

Das lukanische Geschichtswerk

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Nachdem Karl Jaroš bereits Kommentare zum Markus- und Johannesevangelium vorgelegt hat, widmet er sich in den vorliegenden Bänden nun dem lukanischen Doppelwerk – also dem Lukasevangelium und der Apostelgeschichte. Die bewusste Bezeichnung als „Lukanisches Geschichtswerk“ macht bereits den Schwerpunkt der Auslegung deutlich: Jaroš zeigt in beiden Bänden, dass es sich beim Lukasevangelium und der Apostelgeschichte um geschichtlich zuverlässige Werke eines antiken Historikers handelt und betont diesen Aspekt auch durchweg in der Auslegung. Dabei begreift er beide biblischen Bücher sogar als ein Werk. Eine solche Behandlung als einheitliches Werk ist in der theologischen Landschaft äußert unüblich, weil gerade in der liberalen Theologie vehement gegen denselben Verfasser hinter beiden Büchern argumentiert wird.

Demgegenüber weist Jaroš anhand einer mathematisch-stilistischen Analyse nach, dass rein statistisch mit hoher Wahrscheinlichkeit hinter beiden biblischen Büchern derselbe Verfasser steht (S. 293-320). Diesen identifiziert er nach der Diskussion alter Textzeugen und historischer Belege aus der frühen Kirche als Lukas, den Arzt und Paulusbegleiter (S. 321-361) und datiert die beiden Bücher auf 50-55 n.Chr. (Lk) bzw. 62 n.Chr. (Apg).

Nach Klärung der Einleitungsfragen widmet sich der Hauptteil des ersten Bandes einer Wiedergabe des griechischen Textes des lukanischen Doppelwerks. In diesem Zuge diskutiert der Autor auch relevante Lesarten unterschiedlicher Manuskripte und stellt außerdem eine eigene Übersetzung des griechischen Textes zur Verfügung (S. 24-291).

Der zweite Band widmet sich dann fast vollständig der Kommentierung. Was auf den ersten Blick mit zwei Bänden und über 1000 Seiten den Anschein einer lückenlosen Auslegung erweckt, relativiert sich so ein wenig. Denn da auch im zweiten Band die vom Autor erstellte Übersetzung noch einmal vollständig abgedruckt wird, bleiben für die eigentliche Kommentierung der beiden langen lukanischen Werke (24 und 28 Kapitel im Bibeltext) zusammen nur noch etwas weniger als 400 Seiten übrig. Diese nutzt der Autor daher vor allem für die Diskussion von historischen Hintergründen. Dies ist auch die eigentliche Stärke der Kommentierung: Jaroš weist gerade an den besonders umstrittenen Stellen nach, dass Lukas als Historiker zuverlässig und vertrauenswürdig ist. Dies führt umgekehrt jedoch zwangsläufig zu einer gewissen Unausgewogenheit in der Auslegung. So umfasst allein der erstklassige Nachweis, dass sich Lukas in dem in Lk 2,1 erwähnten Zensus nicht geirrt hat, sondern nachprüfbare Aussagen macht, schon fast 20 Seiten (S. 73-90), während die Kommentierung der Verse Lk 2,5-20 nur etwa zwei Seiten in Anspruch nimmt.

Dennoch: Die Besprechung historischer Aspekte macht den Kommentar wertvoll und einzigartig. Dabei bewegt sich Jaroš meist eng am biblischen Text und zeigt auch Gespür für sprachliche Feinheiten wie etwa der Varianz griechischer Zeitformen. Nur vereinzelt driftet die Kommentierung in Fragestellungen ab, bei denen die direkte Relevanz für den Text unklar bleibt (so etwa bei der Diskussion altägyptischer Quellen auf S. 51-54).

Fazit: Der Kommentar besticht durch eine ausführliche Einleitung, in der eine frühe Abfassung von Lukasevangelium und Apostelgeschichte durch Lukas, den Arzt, stichhaltig begründet wird. Die Kommentierung der Bibelbücher füllt eine Lücke, insoweit die historischen Hintergründe der jeweiligen Bibeltexte auf häufig erstklassige Art behandelt werden, auch wenn dies zwangsläufig zu Lasten anderer Aspekte geht.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Benjamin Lange
 Kategorie: Kommentare, Auslegung, Lexika

  Verlag: Patrimonium
  Jahr: 2021
  ISBN: 978-3-86417-167-3
  Seiten: 550
 €    Preis: 40,00 Euro

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