Buch-Rezension: Das römische Gastmahl - Eine Kulturgeschichte

Das römische Gastmahl

Autor:

Das vorliegende Sachbuch gibt einen hervorragenden Überblick über römische Gastmähler. Es geht auf die Habilitationsschrift der Autorin zurück, ist gründlich recherchiert und doch allgemeinverständlich geschrieben. Sie beginnt mit der Feststellung der Allgegenwart von Gastmählern in der antiken Kultur (25-28, „Sie waren vielmehr Teil der täglichen Routine, hatten ihren festen Platz im Ablauf jedes Tages, waren üblicher Bestandteil der gesellschaftlichen Interaktion …“, 28) und den Einladungen zu Gastmählern, die von Spontaneität und von Reziprozität gekennzeichnet waren (29-33). Dann geht es um die Teilnehmer an Gastmählern. Auf die Homogenität der Teilnehmer sowie auf Hierarchie wurde genau geachtet. S. untersucht u. a die Bedeutung von Jungen und Alten beim Mahl sowie das Miteinander von Armen und Reichen („Krumen für Klienten“, 92- 101; vgl. Lk 16.19- 21) und den Status und Statussignale beim Speisen (vgl. Lk 14.7-10). Anschließend geht es um den zeitlichen Beginn (vgl. 1Kor 11.11-21) und die Realien antiker Gastmähler, nämlich die Speiseräume (vgl. Lk 22.7-38; Apg 1.13), das Mobiliar und Geschirr. Dann beschreibt die Autorin die Speise- und Weinkarte (163-219), sowie den Ablauf eines Gastmahls („Was trieben die Römer am Tisch?“; die Abschnitte sind überschrieben: „Ciceronische Zerstreuungen, Amüsieren unter Augustus, Dichtung zum Dinner, die neue Frugalität der Flavier, Plinianisches Plaisir“, 220- 52). Abschließend geht es um das Ende eines Gastmahls („Heimkehr beim ersten Hahnenschrei“, 253-71). Karten, Anmerkungen, Literaturverzeichnis, Glossar und Register beschließen den Band. Da die Autorin im Wesentlichen die Gastmähler der stadtrömischen Oberschicht untersucht (was freilich auch an der Quellenlage liegt!), gibt es wenig direkte Berührungspunkte mit dem Neuen Testament. Obwohl das Reich Gottes weder im Essen noch im Trinken besteht (Röm 14.17), wird man doch mit gebotener Vorsicht diese Beschreibungen auch auf andere Reichsteile und Gesellschaftsschichten übertragen dürfen, da die Oberschicht eine Art „Trendsetter“ für andere Gesellschaftsschichten war und auch die Oberschicht an den Idealen und Werten der hellenistischen Zeit Teil hatte, die auch in anderen Schichten und Gegenden verbreitet waren. Einige interessante Perspektiven genügen:

Auch das NT bezeugt die Allgegenwart und große Bedeutung von Gastmählern (sowohl in Palästina, Mk 6.39, als auch im Umfeld ntl. Gemeinden; vgl. Gal 2.11-14; 1Kor 8-11) bis hinein in die ntl. Eschatologie (Lk 22.16-18). Auf dem Hintergrund der Reziprozität fällt z.B. auf, dass Jesus auffordert, nicht Freunde, Brüder, Verwandte und reiche Nachbarn, sondern die einzuladen, von denen keine Gegeneinladung zu erwarten ist (Lk 14.7-14). Jesus setzt sich auch mit den Zöllnern und Sündern an einen Tisch, um zu verdeutlichen, dass Gottes Heil allen in Israel gilt. Nicht nur für die Pharisäer und Schriftgelehrten, sondern auch für gebildete Römer und viele andere von der hellenistischen Kultur geprägte Menschen (man denke an Leute wie Pilatus, Felix und Festus) waren solche Tischgemeinschaften höchst anstößig. Auch der Bericht in Mk 6.21-28 von der Geburtstagsfeier des Herodes Antipas erscheint in einem neuen Licht. Ferner kann man fragen, wie wohl antike Leser auf diesem Hintergrund den Bericht vom letzten Abendmahl verstanden haben. Bei den urchristlichen Abendmahlsfeiern spielen die soziale Homogenität und Hierarchie keine Rolle mehr. War eines der Probleme in Korinth, dass einige Korinther das Herrenmahl wie ein römisches Gastmahl feierten, anstatt das Mahl vom Anlass und gastgebenden Herrn Jesus her zu gestalten? Auch lässt die gängige Verbindung von Sättigungsmahl mit der anschließenden Unterhaltung einige Rückschlüsse zu.

Insgesamt ein anregendes Buch für historisch interessierte Bibelleser, das für die ntl. Gastmahlsszenen viele interessante Perspektiven ergibt. Wenn das Abendmahl ein wesentliches Element der Kirche ist und das gemeinsame Mahl zur Zukunftshoffnung der Christen gehört, lohnt es sich, über antike Gastmähler Bescheid zu wissen, die das NT aufgreift oder von denen es sich distanziert.

Zum Thema ferner: U. Fellmeth, Brot und Politik: Ernährung, Tafelluxus und Hunger im antiken Rom (Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler, 2001); P. Wick, Die urchristlichen Gottesdienste: Entstehung und Entwicklung im Rahmen der frühjüdischen Tempel-, Synagogen- und Hausfrömmigkeit, 2. Aufl., BWANT 15 (Stuttgart: W. Kohlhammer, 2003), 117-26, 193-212 sowie die Einträge „Ernährung/Lebensmittel“, „Tischsitten“, „Feste und Feierlichkeiten“ in K. Erlemann u. a. (Hrsg.), Neues Testament und antike Kultur II: Familie, Gesellschaft, Wirtschaft (Neukirchen- Vluyn: Neukirchener, 2005), 31-42.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Christoph Stenschke
 Kategorie: Geschichte, Kirchengeschichte

  Verlag: C.H.Beck
  Jahr: 2005
  ISBN: 978-3406528903
  Seiten: 364
 €    Preis: 29,90 Euro