Buch-Rezension: Die Christianisierung Europas im Mittelalter

Die Christianisierung Europas im Mittelalter

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Die Metapher vom "finsteren Mittelalter" geistert bis heute durch die Köpfe mancher Zeitgenossen. Dabei hat die Geschichtswissenschaft längst ein differenzierteres Bild dieser tausendjährigen Epoche nachgezeichnet. Wie in jeder Zeit stehen hier Licht und Schatten nebeneinander, gaben sich "Gute" und "Böse" die Klinke in die Hand.

Lutz v. Padberg, Dozent an der Freien Theologischen Akademie und ausgewiesener Kenner des Frühmittelalters, entwirft in diesem kleinen aber feinen Taschenbuch der bekannten Reclam-Reihe Geschichte einen leicht lesbaren Gesamtabriss über die Christianisierung Europas im Mittelalter. Der Bogen spannt sich von der Missionierung der Franken im 5. Jahrhundert über die Christianisierung der Angelsachsen und ihre eigenen Missionsversuche auf dem Kontinent bis hin zu der Evangelisierung der Friesen, Sachsen, Dänen, Norweger, Schweden und der Bekehrung der Isländer im Jahre 1000. Abschließend werden auch die missionarischen Vorstöße von und nach Osteuropa lebendig dargestellt, die bis ins 14. Jahrhundert reichen.

In Padbergs Studie tritt die verhängnisvolle Verquickung von politischen Machtinteressen und Missionsbestrebungen immer wieder in das Blickfeld des Betrachters, ebenso die diffizile Frage nach der Übernahme von heidnischen Riten in den christlichen Glauben. Durfte man heidnische Tempel zu Kirchen umfunktionieren? War es erlaubt, die religiös verstandene Runenschrift der Heiden weiter zu verwenden? Das Problem des Synkretismus war überall virulent, ebenso das Verständnis des Christentums als stärkste und machtvollste Religion. Politische Interessen und Missionsanliegen fielen häufig ineinander.

Aber es gab auch manche bemerkenswert positive Seiten: Bekehrung geschah nicht nur als erzwungenes Massenphänomen, sondern auch mehrfach individuell aus freien Stücken; der Mut und die Hingabe der Missionare ist bewundernswert, denn sie riskierten ihr Leben; ihre Missionsstrategie war durchdacht und effizient und wurde überwiegend friedlich vorangetrieben; mit dem Evangelium kamen auch kulturelle und soziale Errungenschaften zu den Völkern Europas usw.

An richtiger Stelle beigefügte und kommentierte Abbildungen und Karten erhöhen den Lesegenuss dieses Buches und tragen zur Illustration des Gesagten bei. Die in einem zweiten Teil herausgegriffenen "Aspekte" der Christianisierung des Mittelalters vertiefen einige Spezialthemen, die in der chronologischen Darstellung nicht ausführlich erörtert werden konnten. Die 34 im dritten Teil angeführten Quellen geben einen plastischen Eindruck von der tatsächlichen Situation der Zeit, zeigen aber auch die Legendenbildung des Mittelalters, die jede Textinterpretation vor erhebliche Schwierigkeiten stellt. Eine umfangreiche Bibliographie und ein Namens- und Ortsregister beschließen das Werk.

Padbergs leichtfüßiger Ritt durch sechs Jahrhunderte Missionsgeschichte weist ihn nicht nur als Fachmann auf diesem Gebiet aus, sondern belegt, dass Gott schon damals seine Gemeinde baute - wenn auch auf für uns Heutige oft verschlungenen Pfaden. Immerhin ist es den Missionaren der damaligen Zeit zu verdanken, dass wir in Europa auf eine jahrhundertealte christliche Tradition zurückgreifen können. In der heutigen Auseinandersetzung mit der "Postmoderne" erscheint es hilfreich, von dem Kampf der Väter mit dem damaligen "Heidentum" zu lernen: sowohl von ihren Fehlern, wie auch von ihren Stärken.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Stephan Holthaus
 Kategorie: Geschichte, Kirchengeschichte

  Verlag: Reclam
  Jahr: 1998
  ISBN: 3-15-017015-X
  Seiten: 307
 €    Preis: 7,10 Euro

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