Buch-Rezension: Die Homöopathie und ihre religiösen Gegner im Blickwinkel medizinischen Wissens und christlichen Glaubens.

Die Homöopathie und ihre religiösen Gegner im Blickwinkel medizinischen Wissens und christlichen Glaubens.

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Auf das Erscheinen des Buches mit der schönen Arzneipflanze (Aconitum napellus) auf dem Cover hatten etliche Leute mit Spannung gewartet: Die Gegner, um zu sehen, ob es neue Erkenntnisse gibt; die Befürworter, um neue Gewissheit daraus zu schöpfen.

Das Buch enthält zwei Hauptteile: "Die Homöopathie zwischen Glaube und Denken" von Dr. med. Karl KLEINSCHMIDT und "Kurze Medizingeschichte und Lehre der Homöopathie nach Samuel Hahnemann und Otto Leeser" von Dr. med. Hermann Frick. Beide Verfasser sind überzeugte Christen und dazu homöopathische Ärzte; zugleich sind beide auch Schüler von Prof. Dr. med., Dr. phil. Otto Leeser - einem führenden deutschen Homöopathen in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg.

Zwei Vorbemerkungen sind nötig:
1) Die Besprechung des Buches setzt beim Leser eine gewisse Kenntnis des Gegenstandes voraus. Es würde einfach den Rahmen dieser Buchbesprechung sprengen, müssten alle sachbezogenen Einzelheiten noch weitläufig erklärt werden.
2) Es gibt nicht nur die eine Homöopathie, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Homöopathien. Man unterscheidet die Niederpotenzler, die Hochpotenzler, die Monotherapeuten, die Polypragmatiker, die homöopathischen Phytotherapeuten, die anthroposophische Homöopathie, usw. Das Gespräch zwischen Theologie und Homöopathie wird dadurch sehr schwierig. Ein kritischer Einwand, der die eine Richtung betrifft, muss die andere durchaus nicht betreffen. Im strengen Sinn kann das Gespräch immer nur mit einer Richtung erfolgen.

Der Arzt Samuel Hahnemann

Aus mancherlei Erwägungen schien es mir empfehlenswert, mit dem zweiten Beitrag zu beginnen. Frick schildert zuerst das Leben des Begründers dieses Heilverfahrens - des deutschen Arztes Dr. med. Samuel Hahnemann (1755 - 1843). Beginnend in der frühen Jugendzeit zeichnet er das Bild eines ungewöhnlich hochbegabten jungen Menschen, der es als Sohn eines Porzellanmalers - auf unvorstellbar schwierigem Lebensweg - über die Fürstenschule St. Afra zu Meißen schließlich zum Doktor der Medizin gebracht hat. Im Zuge der Darstellung gelingt es dem Autor, viel Sympathie für diesen bedeutenden Arzt zu wecken. Als Seuchenhygieniker und Reformer steht Hahnemann ein wohlverdienter Platz in der Geschichte der Medizin zu. Die Forderung einer Krankengeschichte, heute eine Selbstverständlichkeit, ist eines seiner bleibenden Verdienste.

Dass dieser geniale Mann in charakterlicher Hinsicht auch recht schwierig sein konnte, wird nicht verschwiegen. "Die biographischen Notizen dieser Jahre zeichnen leider das Bild eines unnachgiebigen Diktators."

Allerdings, in einem Buch, das sich laut Titel mit den "religiösen Gegnern" der Homöopathie auseinandersetzen möchte, hätte man sich schon einigen Aufschluss über das geistlich-religiöse Leben dieses Mannes gewünscht.

Andere Hahnemann-Biographen führen hier wesentlich weiter, so z.B. der Homöopath Prof. Hans Ritter:

"Er sprach von dem ´Erzschwärmer Christus´, nicht ahnend, dass er hier in Leipzig auf dem Wege war, aus dem Wissenschaftler zu einem Erzschwärmer zu werden, zu einem Erzschwärmer des Simile."

Auch wünschte man sich, einiges über die Beziehung Hahnemanns zu dem großen ´Wiener Wunderdoktor´ Franz Anton Mesmer (1734-1815) zu erfahren. Nach dem "Organon" stand er dessen "magnetischer" Therapie wohlwollend und aufgeschlossen gegenüber. Hat er den Mesmerismus auch selbst ausgeübt, wie Eschenmayer, Tischner und Ritter sagen? Gibt es einen tieferen Zusammenhang zwischen Homöopathie und Mesmerismus. Soll gar durch die "kräftigen Schüttelschläge" beim Potenzieren "Lebensmagnetismus" auf die Arznei und das Vehikel übergehen, wie Dr. Artur Lutze, nach Hahnemann wohl der erfolgreichste homöopathische Arzt überhaupt, meinte? Hahnemanns Biograph Herbert Fritsche schreibt in seinem Buch "Die Erhöhung der Schlange": "Zwischen Homöopathie und Mesmerismus hat es von Anfang an ein Bündnis gegeben, weil beide wesens-identisch sind."

Dass Hahnemann Freimaurer war, weiß das Buch (S. 27). Doch wird dieser Punkt nicht weiter ausgeführt. Gibt es inzwischen ein genaueres Wissen über die Esoterik der Loge "Minerva zu den drei Palmen", der Hahnemann zugehörte? Wenn er den Freimaurerphilosophen Dr. C. F. K. Krause empfing, verbannte er die ganze Familie aus dem Haus. Gibt es Anhaltspunkte für den Inhalt dieser vertraulichen Gespräche? In einem Brief spricht Hahnemann von "wichtigen maurerischen Eröffnungen", die er ihm machen wollte. Hängt dies mit der "Entdeckung" des Potenzierungsverfahrens der homöopathischen Arzneien zusammen, wie der Hahnemannforscher Georg Müller zu erweisen sucht?

Etwas mehr Information hätte man sich in dem biographischen Abriss über die Familie Hahnemanns gewünscht. Die Ehen der Töchter, soweit sie heirateten, scheiterten. Zwei wurden unabhängig voneinander ermordet, alle anderen von neurotischen Ängsten geplagt. Der einzige Sohn, Friedrich - Hochschullehrer in Leipzig, dann Apotheker in Wolkenstein im Erzgebirge, später ausgewandert - führte einen so überdrehten Lebensstil, dass sich die Leute vor ihm fürchteten. Er verscholl irgendwo in Amerika.

Arzneimittelprüfung an Gesunden

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Themenkreis "Hahnemann und die neuere Forschung" (S. 95ff). Der Leser erfährt, dass es nach des Altmeisters Ansicht keinen anderen Weg gäbe, "untrüglich zu erfahren" wie die Arzneien wirken, "als dass man sie versuchsweise gesunden Menschen in mäßiger Menge gibt, um zu erfahren, welche Veränderungen, Symptome und Zeichen ihrer Einwirkung jede besonders im Befinden des Leibes und der Seele hervorbringe ..."

Entsprechend dem berühmten Lehrsatz "Similia similibus curentur" (Gleiches werde durch Gleiches geheilt) wird angenommen, dass ein Medikament in homöopathischer Verordnung gerade jene Krankheitssymptome zu heilen vermag, die es unter Versuchsbedingungen am gesunden Menschen hervorruft. Das Vermutete, Behauptete oder gar Erdichtete sei so gänzlich ausgeschlossen. Vielmehr hätte man auf diese Weise "die reine Sprache der sorgfältig und redlich befragten Natur" vor sich.

Leider erwähnt Frick nicht, dass ihm, Hahnemann, schwere Täuschungen widerfuhren. Schon sein Selbstversuch mit Chinarinde wird von heutigen Pharmakologen als Allergiereaktion angesehen. Hahnemann testete auch Magneten am lebenden Menschen - und erhielt, getrennt nach Nord- und Südpol hunderte von Symptomen! Von heutigen Homöopathen wird dieser offenbare Lapsus schamhaft verschwiegen. Ein ruhendes magnetisches Feld erzeugt am Körper eines Menschen keine spürbaren Symptome. Bei Graphit - ein pharmakologisch völlig indifferenter Stoff - fand Hahnemann 1444 verschiedene Symptome. Bei der späteren Nachprüfung an der homöopathischen Poliklinik in Leipzig konnte man nur 45 Symptome feststellen - die sich aber kaum mit Hahnemanns "typischem Graphitbild" deckten.Man sieht: Zweifel an der "reinen Sprache der Natur" sind durchaus berechtigt und wurden von Fachleuten immer wieder geäußert.

Die Potenzierung

Enttäuschend auch das Kapitel "Potenzierung, physikalisch erklärt" (S. 102 ff). Unter Potenzierung versteht man die angebliche Wirksamkeitszunahme durch den Prozess zunehmender Verdünnung in Hunderter- bzw. Zehner-Schritten (Centesimal- bzw. Dezimal-Potenzen), wobei bei jedem Verdünnungs- resp. Potenzierungsvorgang je 100 bzw. 10 kräftige Schüttelschläge auszuführen sind. Die Anfertigung einer C30 - streng nach Hahnemann in Handverschüttelung - ist ein bemerkenswertes Stück Arbeit und kann gut drei Tage in Anspruch nehmen. Ab D23 kann auf Grund physikalischer Gesetzmäßigkeiten (Loschmidtsche Konstante!) kein einziges Molekül Wirkstoff mehr vorhanden sein. Diese Verdünnung entsteht, wenn man eine Aspirintablette im Atlantik löst!

Im Anschluss an seinen Lehrer Otto Leeser meint der Verfasser, für die homöopathische Arznei eine "katalytische Wirkung" annehmen zu sollen. Wie das aber gehen soll - vor allem, wenn die Substanz des Katalysators nicht mehr vorhanden ist! - wird weder angedeutet noch ausgeführt. Man muss aber Frick hoch anrechnen, dass er wenigstens deutlich sagt: "Eines müssen wir voraussetzen: dass nämlich noch Moleküle, zumindest aber 1 Molekül des betreffenden Wirkstoffs am Reaktionsort vorhanden ist. Die Arzneiwirkung können wir uns also nicht losgelöst von dem Ausgangsstoff vorstellen." (S. 104)

Abgesehen davon, dass 1 Molekül am Reaktionsort nach pharmakologischer Plausibilität viel zu wenig ist, muss man angesichts der Naturstoffe, die die Homöopathie einsetzt - z.B. Bryonia, (Zaunrübe), Sepia, (Tintenfisch), Crotalus, (Toxin der Waldklapperschlange), usw. - voraussetzen, dass genügend viele, d. h. Tausende von spezifischen Molekülen am Reaktionsort (was genau ist damit eigentlich gemeint?) vorhanden sind. Dies aber kann aus elementaren physikalischen Gründen schon im Bereich der niederen Potenzen nicht mehr garantiert werden. Geradezu befreiend, dass wenigstens im Blick auf die Wirksamkeit der Potenzstufe C 30 eingestanden wird, dass darin "ein einstweilen ungelöstes Problem" liegt (S. 108). Ungelöst sind seit 200 Jahren freilich alle Probleme, die die Homöopathie aufgibt: "Nichts gelöst in einem Verdünnungsmittel soll deutlich besser wirken, als das Verdünnungsmittel, in dem nichts gelöst ist." So der Marburger Dermatologe, Prof. Dr. med. Rudolf Happle.

Alle Versuche, aus den physikalischen Gesetzmäßigkeiten wenigstens die Denkmöglichkeit der Homöopathie herauszumartern, vermögen nicht zu überzeugen. Der Physiker Martin Lambeck sagte neulich: "Sollte diese Grundannahme der Homöopathie über die Wirksamkeit der Potenzierung richtig sein, dann muss ich meinen Kollegen von der physikalischen Chemie und der Spektroskopie sagen, dass sie seit 50 Jahren geschlafen haben."

Nein, Homöopathie kann, von der Placebowirkung einmal abgesehen, überhaupt nicht rational erklärt werden, weder chemisch noch physikalisch. In Anlehnung an einen bekannten Satz wird man sagen dürfen: Ubi physicus desinit, homöopathicus incipit, wo der Physiker am Ende ist, da erst fängt der Homöopath wirklich an.

Die Auseinandersetzung mit den religiösen Gegnern

Nur der Beitrag von Dr. med. Karl Kleinschmidt spricht zum eigentlichen Thema des Buches. Der Autor beginnt mit einem erkenntnistheoretischen Einstieg, in dem sehr viel Gutes, Lehrreiches und Beherzigenswertes gesagt wird. Aber es leuchten auch schon Vor- und Nebengedanken auf, die zu besorgtem Fragen Anlass geben: "Heute ist die große Zeit des nur materialistischen Denkens auch in der Wissenschaft vorbei (S. 12)." "Die innewohnende Kraft als Zielgerichtetheit der Entwicklung, die Entelechie ist ein Grundbegriff ... dessen sich die moderne Biologie erneut bedient (S. 17)." Diese Sätze lassen an einen hintergründigen Vitalismus denken. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, war der Biologe, Philosoph und Parapsychologe Hans Driesch wohl dessen prominentester Vertreter in diesem Jahrhundert. Schade, dass der Autor nicht bei diesem Punkt verweilt!

Der aristotelische Begriff der Entelechie bezeichnet eine immaterielle ("geistartige") Kraft, die im Raum wirkt, ohne den Raum zu erfüllen. Mit gewöhnlichen (d.h. chemischen, physikalischen oder pharmakologischen) Stoffwirkungen ist Homöopathie schlechterdings nicht zu erklären. Ihre Vertreter, soweit sie über das zugrundeliegende Wirkprinzip überhaupt nachdenken, greifen sehr oft auf die Vorstellung immaterieller, "geistartiger" Kräfte zurück. So suchte man die Reichenbachsche Odlehre (nach dem germanischen Gott Odin bzw. Wodan), den "animalischen Magnetismus" Mesmers (hat nichts mit dem natürlichen Magnetismus zu tun) oder die Vorstellung von einer den gesamten Kosmos durchwehenden heilsamen Kraft ("vis medicatrix naturae") heranzuziehen.

Während der Naturwissenschaftler zunächst vor der Frage steht, ob es diese "geistartigen" Kräfte überhaupt gibt, hat der Christ und Theologe zu fragen, welcher Natur sie sind.

Der ungewöhnlich gut informierte, aber freilich auch unbequeme Biologe und Hochpotenz-Homöopath Dr. Herbert Fritsche (1911-1960) erklärt die Homöopathie konsequent esoterisch: "wird ... die Simile-Arznei eingesetzt, so kommen zwei konkordante Hervorrufungen miteinander ins Gespräch: Abyssus abyssum invocat, ein Abgrund ruft dem anderen. Insofern ist die Homöopathie - und das versteht nur, wer hier vernehmend folgen konnte - auch eine Heilung durch Zaubersprüche."

Kleinschmidt macht sich die Sache sehr einfach und tut Fritsche als "hineininterpretierenden Phantasten" ab (S. 17). Zwar sagt er deutlich, durch solche "metaphysischen Interpretationen" würden die ablehnenden Reaktionen der Kontrahenten wenigstens teilweise verständlich. Aber leider unternimmt er nicht den kleinsten Versuch, auf seine Widersacher wirklich einzugehen. Sie sind ihm nichts anderes als "sich fromm überhebende christliche Autoren" (S. 18). Ein wirklicher Dialog mit ihnen lohnt sich nicht.

Otto Prokop und der materialistische Angriff

Eines muss für den interessierten Leser von vornherein klar sein: Was Luther für den Papst, das ist Prokop für alle Spielarten der Paramedizin. Der Ostberliner Professor ist in der Tat einer der schärfsten Kritiker aller nicht-naturwissenschaftlichen Heilverfahren. Allerdings: Als Gerichtsmediziner hat dieser Mann auch besonders häufig die oft tragischen Auswirkungen des Okkultismus, der Quacksalberei und leider auch so mancher "alternativen Methode" zu sehen bekommen! Zudem ist Prokop ein ungemein fleißiger, gründlicher und wohlinformierter Forscher. Seine profunde Quellenkenntnis mit umfangreicher Bibliographie werden für die wissenschaftliche Arbeit noch lange ihre wichtige Bedeutung haben.

Es stimmt, Prokop ist Materialist und Atheist. Unverständlich aber, warum sich der Homöopath Kleinschmidt so sehr darüber ärgert? Zuweilen appelliert er beherzigenswert an die Unterscheidungskraft: Man dürfe z.B. "mit dem Badewasser des Spiritismus nicht das Kind der Kräutermedizin" (S. 21) ausschütten. Dagegen liest sich S. 23ff aber so, als sähe er es gern, wenn man mit dem "Badewasser des Materialismus" auch die wissenschaftliche Arbeit Prokops gänzlich verwerfen sollte. Warum?

Freilich dürfte man sich der Führerschaft Prokops nicht anschließen, wenn es z.B. um die theologische Wertung des Spiritismus und Mediumismus ginge. Da würde sein konsequent materialistischer Ansatz in der Tat zu einer Fehlbeurteilung führen. Bei einer Arsenikvergiftung hingegen bliebe sein weltanschaulicher Standpunkt völlig unerheblich. Darum lautet die Frage: Inwiefern stört Prokops Materialismus bei der Beurteilung der Homöopathie? Welche weltanschaulichen Voraussetzungen muss man eigentlich mitbringen, um ihr gerecht zu werden? Von einem "materialistischen Angriff" auf die Homöopathie zu sprechen, macht nur dann richtig Sinn, wenn diese in nichtmaterielle (vitalistische, odische, entelechiale oder sonstige metaphysische) Dimensionen hinein ragt. Ist dies der Fall, dann sollte man es klarer und deutlicher sagen. Dann sollte man vor allem den Versuch einer physikalischen Herleitung von vornherein unterlassen. Weiterhin sollte man zugeben, dass zumindest der kritische Blick der religiösen Gegner hinreichend gerechtfertigt ist. Seit langem wird die Frage gestellt, welche "geistartigen Kräfte" in einem homöopathischen Pharmakon wirken, zumal, wenn diese Wirkungen, wie beharrlich behauptet wird, weit über jeglichen Placeboeffekt hinausgehen? Ist es eine noch unbekannte Naturkraft oder eine mit dem Mesmerismus eng verknüpfte bzw. verwandte Methode, wofür bedeutende Homöopathen (z.B. Artur Lutze, Adolph von Gerhardt, Friedrich Gisevius, Herbert Fritsche) eintraten?

Die Forderung nach reproduzierbaren, randomisierten und placebokontrollierten Doppelblindstudien - eigentlich auch ein materialistischer Angriff! - wird bejaht (S. 43-47). Aber es wird nicht gesagt, dass es bereits hunderte solcher Versuche gab, die bisher aber nie den völlig klaren Beweis für die Wirksamkeit zu erbringen vermochten. Die französischen Autoren Hill und Doyon publizierten 1990 das Ergebnis ihrer Analyse von 40 kontrollierten klinischen Studien. Nur drei (!) von ihnen waren methodisch einwandfrei, alle anderen wiesen wesentliche Mängel auf. Zwei der drei Studien kamen zu einem für die Homöopathie negativen Resultat. Von der dritten schrieben die Autoren selbst, dass ihre Ergebnisse nur Anlass für weitere "rigorose" Untersuchungen sein könnten. Zu welchen Schlussfolgerungen die auf S. 46f erwähnten, in The Lancet veröffentlichten Studien führen werden, bleibt abzuwarten. Nach allem Bisherigen ist Skepsis aber mehr als angebracht. Vom ideologischen Gefälle unserer Zeit her dürfte aber mit einer rasant zunehmenden Weiterverbreitung aller paramedizinischen Verfahren zu rechnen sein.

Die religiösen Gegner

So richtig zur Sache kommt Kleinschmidt auf Seite 26ff: "Der religiöse Angriff: Was alles vom Teufel sein soll". Hier liegt zweifellos der Hauptnerv des ganzen Buches; hier neigt sogar der Homöopath, sonst von feinstofflichen Wirkungen völlig überzeugt, etwas zu schulmedizinischer Grobheit: Contraria contrariis curantur - Gegensätzliches wird mit Gegensätzlichem geheilt. Besonders seine ärztlichen Kollegen Samuel Pfeiffer ("Gesundheit um jeden Preis") und Reinhard König ("Sanfte Heilverfahren") nimmt er sich "zur Brust". Bei allem Verständnis für seinen Zorn - er wird auch ungerecht (z.B. S. 32): "Pfeiffer glaubt unkritisch an das Bewiesene in der Medizin. Was (noch) nicht bewiesen ist, hält er für unbeweisbar, und was unbeweisbar ist, ist für ihn Okkultismus und Dämonie." Ob er damit seinen ärztlichen Kollegen Dr. med. Samuel Pfeiffer richtig erfasst hat?

Ein angemessenes Sensorium für die christlichen Vorbehalte, ob sie nun von volkstümlichen Evangelisten (Modersohn, Markmann, Kriese) oder von christlichen Ärzten (Pfeiffer, König, Kormannshaus, Heide) geäußert wurden, ist nirgends auszumachen.

Pfeiffer muss sich (S. 31/32) in mehrfacher Wiederholung anhören, dass er dies und jenes "nicht erwähnt", bzw. "verschweigt". Aber: Kleinschmidt verschweigt auch. Wohl hält er für erwähnenswert (S. 24), dass es in der ehemaligen DDR gelungen sei, die Homöopathie völlig zu unterdrücken. Er verschweigt aber, dass die Nazizeit in Deutschland die große Stunde der Homöopathie war. In Rudolf Hess, Heinrich Himmler, Julius Streicher, Gerhard Wagner u.a. fand diese Heilweise, die so gut zu der neugermanischen Blut- und Bodenmystik zu passen schien, ungemein tatkräftige Förderer. Bedeutende Befürworter waren zugleich hochrangige Nazis. Unter diesen Umständen musste die wissenschaftliche Kritik völlig zum Erliegen kommen. Unerwähnt bleibt auch, dass man sogar an KZ-Häftlingen Homöopathika testete. Ohne jeden Erfolg.

Unerwähnt bleibt ferner, dass es neben dem "materialistischen" und "religiösen" Angriff, mindestens noch einen weiteren gibt: den Angriff aus den eigenen Reihen. Wiederholt wechselten Homöopathen ins Lager der Kritiker hinüber. Bestes Beispiel ist Dr. med. Fritz Donner, der einst zu den führenden homöopathischen Ärzten Deutschlands gehörte. Donner war beteiligt an Überprüfungen homöopathischer Arzneien, die in den Jahren 1936 - 1939 vom damaligen Reichsgesundheitsamt angeordnet wurden. Er überzeugte sich von der Unwirksamkeit der Homöopathie. Außerdem erwähnt er unseriöse Praktiken seitens der Prüfer. So sagte der damalige 1. Vorsitzende des Deutschen Zentralverbandes homöopathischer Ärzte (DZV), Hanns Rabe, wörtlich: "Wir können doch das gar nicht, was wir behaupten!" (vgl. Donner, 1966) Auch Otto Leeser wird - in kritischem Zusammenhang - erwähnt.

Fazit

Tritt man einen Schritt zurück, um das Ganze zu sehen, so muss man sagen: Der Beginn eines echten Dialogs, ein sensibles Eingehen auf die Bedenken der "religiösen Gegner" kommt nicht zustande.

Wohl betont Kleinschmidt, einige Klassiker gingen "esoterischen und sonstigen Ideen nach, die der Homöopathie fremd sind" (S.56). Aber leider fehlt ihm die Bereitschaft, wenigstens in diesem Minimal-Punkt seinen christlichen Gegnern ein Stück weit entgegenzugehen. Ist ihm verborgen, dass die Homöopathie nur selten in der Form seines Lehrers Otto Leeser - er gilt als der "an Kant geschulte Rationalist unter den wirklichen Homöopathen" - auftritt? Sehr viel häufiger ist doch die Verflechtung mit höchst fragwürdigen bis eindeutig okkulten Methoden und Anschauungen. Und mit genau dieser Wirklichkeit der Homöopathie hat es der Evangelist in der Seelsorge immer wieder zu tun! Und diese Wirklichkeit ruft - mit Recht! - den kritischen Blick und das kritische Wort hervor.

Aber auch die Homöopathie "an sich" ist in vielfacher Hinsicht eine äußerst fragwürdige Angelegenheit. Die christlichen Vorbehalte können kaum besser zum Ausdruck gebracht werden als es der Homöopath Herbert Fritsche in seiner Hahnemann-Biographie (S. 261) tat: "Was sich da abspielt, ist Ketzer-Wirken - und in der Tat ist und bleibt auch von der Theologie her, die der Homöopathie heimlich innewohnt ... Hahnemanns Heilkunst eine echte Ketzerei." Genau hier liegt das Hauptproblem: Die dieser Heilkunst "heimlich innewohnende Theologie"! Für die Wahrnehmung dieser Dimension fehlt den beiden Autoren das angemessene Sensorium.

Nein, das Buch leistet keinen Beitrag zu einem konstruktiven Gespräch zwischen den Fronten. Allenfalls vermag es die Sicht der Befürworter zu befestigen, während die Gründe, Beobachtungen und Einwände der "religiösen Gegner" an keiner Stelle einer tieferen Erörterung gewürdigt werden. Mir scheint, die kritischen Autoren - Pfeiffer, König, Müller, u.a. - böten demgegenüber sehr viel mehr an angemessener und wohlfundierter Information.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Manfred Schäller
 Kategorie: Sonstiges

  Verlag: Metzingen Franz
  Jahr: 1998
  ISBN: B00FQXEP6Q
  Seiten: 119
 €    Preis: 5,95 Euro