Buch-Rezension: Die Hutterer zwischen Tirol und Amerika - Eine Reise durch die Jahrhunderte

Die Hutterer zwischen Tirol und Amerika

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Eine der gewaltigsten Glaubensbewegungen, die je unser Land berührt hat, war jene der Täufer im 16. Jahrhundert. Es erscheint daher verwunderlich, ja bedauerlich, dass diese Bewegung der österreichischen Öffentlichkeit bisher kaum eine Randnotiz wert war. Noch bedauerlicher empfinde ich, dass wir heute selbst in evangelikalen Kreisen kaum Kenntnis über die Hutterer, eine stark österreichisch geprägte Täufergruppierung besitzen. Dem will nun das Buch Astrid von Schlachtas abhelfen.

Die Innsbrucker Historikerin spannt einen Bogen durch fünf Jahrhunderte. Der Leser wird auf eine faszinierende Zeitreise mitgenommen. Von den Anfängen der Täufer in Tirol geht es zunächst über deren organisierte Auswanderung nach Mähren. Dort kommt es zu einer gewissen Hochblüte, wo auch erstmals die Gütergemeinschaft gelebt wurde, die bis heute vorherrscht. Der abermaligen Vertreibung aus Mähren folgen Jahre in Siebenbürgen mit einer “Blutauffrischung” durch Kärntner Kryptoprotestanten. Gleichzeitig erleben wir durch radikale Rekatholisierungsmaßnahmen in Oberungarn/heutige Slowakei (“Habaner”) einen Niedergang hutterischen Glaubens.

Weiter geht die Reise in die Ukraine (freie Religionsausübung), bis es schließlich wegen der Wehrdienstfrage zu einer Einschiffung nach Nordamerika kommt. Ganze 40 Seiten widmet die Autorin dem Alltagsleben der heutigen etwa 50.000 Hutterer, die mittlerweile in 465 Kolonien in den Vereinigten Staaten und Kanada leben. In zahlreichen Besuchen hat die Autorin selbst interessante Eindrücke über Sprache, heutiges Glaubensleben, moderne Herausforderungen, Einstellung zur “alten Heimat”, Verwaltung der Höfe und ähnliches gesammelt.

Einige persönliche Stellungnahmen von Hutterern wie jene von Julia Hofer: “Das Leben eines Mädchens” schließen das Werk ab. Nie hat man den Eindruck, dass von Schlachta die Hutterer glorifiziert. Der Historikerin geht es auch nicht um journalistische Effekthascherei, die sich bloß auf exotische Aspekte stürzt. Nein, in diesem Werk werden auch Spannungsfelder innerhalb der Bewegung nüchtern analysiert und nicht übergangen (Gütergemeinschaft kontra Individualismus, Familie kontra Gemeinschaft, Kultur kontra Glaube usw.).

Das Werk ist in einer sehr ansprechenden Form aufgemacht und mit unzähligen Fotos und Landkarten ausgestattet. Es ist in einem leicht lesbaren Stil geschrieben. Wer an einem Überblick über die faszinierende Geschichte der Hutterer Interesse hat, der ist mit diesem Buch bestens bedient!

 Die Rezension/Kritik stammt von: Reinhold Eichinger
 Kategorie: Geschichte, Kirchengeschichte

  Verlag: Wagner Innsbruck
  Jahr: 2015
  ISBN: 978-3703004193
  Seiten: 232
 €    Preis: 29,90 Euro

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