Buch-Rezension: Heroen - Götter - Scharlatane - Heilserwartungen und Heilsbringer der Antike. Kulturgeschichte der antiken Welt

Heroen - Götter - Scharlatane

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Der vorliegende, reich bebilderte (44 Farb- und 21 Schwarzweißabbildungen) popularwissenschaftliche Band des Trierer Ordinarius für klassische Archäologie will in die Heilserwartungen und Heilsbringer in der hellenistisch- römischen Welt einführen. Die ntl. Texte werden auf diesem Hintergrund verstanden und gehen für den Verfasser ganz darin auf.

Grimm behandelt die folgenden Themen: „Bilder der Hoffnung oder: Hades ist bezwingbar“ (13-25; die geraubte Persepone, der unwiderstehliche Dionysos; Orpheus, Endymion und Ganymed als Lieblinge der Götter, ein Held namens Herakles); „Menschheitslehrer und Wundertäter im 1. Jh. n. Chr.“ (Jesus, Apolllonius von Tyana, Kaiser Vespasian als Heiland der Kranken); „Heidnische Hoffnungsträger im 2. Jh. n. Chr.“ (35-46) waren Antinous und Glykon als ein neuer Asklepios. „Tod und Auferstehung“ (47-51) behandelt Orakel und Mysterien sowie den „alten“ Asklepius und die Überwindung des Todes. Unter „Herausforderungen“ geht es um die Auferweckung des Lazarus, um die Jonageschichte und die für Grimm vermeintliche Auferstehung Jesu.

Unter „Machtkampf“ (59-65) schildert Grimm Jesus, die Jünger Platons, die Sokrates-Renaissance und die Sieben Weisen sowie die konstantinische Wende. Als heidnische Hoffnungsträger der Spätantike erscheinen Kaiser Julian sowie die Heroen Achill und Alexander (66-76). Die neuen Allgötter in Konkurrenz zum Christentum waren Dionysos als Erlöser und Herr der Welt sowie die Isis Panthea. Die Gewinner in der spätantiken religiösen Auseinandersetzung waren Maria Lactans und Isis Lactans; Jesus, Herakles, Dionysos und Sol Invictus, sowie der Invictus Christus als Soter, Salvator und Pantokrator (82-91).

„Gewonnen“ hat das Christentum, weil es neben Antworten auf das diesseitige Wohl und Wehe der Menschen auch die Sehnsucht nach Transzendenz und den Wunsch nach jenseitigem Heil stillen konnte (97). Unter „Gegenschläge: Unbarmherzige Aufklärung“ geht es um spätere Auseinandersetzungen: Die Bewertung Konstantins und Jesu durch Kaiser Julian, Celsus über Maria und Jesus, jüdische Traditionen über bzw. gegen Jesus und ihre Folgen sowie Friedrich den Großen und dessen Pamphlet Totengespräch zwischen der Madame de Pompadour und der Jungfrau Maria von 1773.

Grimms Buch ist interessant geschrieben und deckt eine große Bandbreite von Themen ab. Die Kehrseite davon ist vielfach Oberflächlichkeit. Viele der erwähnten Texte werden abgedruckt und sprechen für sich. Trotz fragwürdiger Prämissen und der geschilderten Vorgehensweise enthält der Band interessante Einsichten (z. B. S. 65: die Deutung des Todes Jesu, der „auf demonstrativ herabwürdigende Weise zu Tode gebracht“ wurde; S. 83f: die Analyse der Gründe des Erfolgs des Christentums oder S. 94: die Folgen jüdischer Polemik – eine Analyse, die nicht nur auf jüdische oder christliche Polemik zutrifft und jeden Polemiker aufhorchen lassen sollte!). Grimm zeigt, dass und warum sich das Christentum gegen eine ganze Reihe (teilweise durchaus erfolgreicher!) Heroen, Götter und Scharlatane durchsetzen konnte. Indirekt ergeben sich interessante Perspektiven für die heutige Situation der westlichen Welt und für missionarische Ansatzpunkte.

Grimms Behandlung ntl. Texte ist fragwürdig. Sie werden über Seiten schlicht abgedruckt, ohne dass eine nennenswerte Analyse erfolgen würde (ähnlich auch bei anderen Texten). Ihre besondere Genese und Rezeptionsgeschichte ist nicht im Blick. So schreibt er z. B. „Die Tochter des Synagogenvorstehers Jairus und der Jüngling aus Nain waren ja nicht eigentlich tot, sie schliefen nur“ (53 – als hätte man ohne jeden Anlass aufwändig getrauert oder eine Beerdigung vorbereitet! Man fragt sich, wer hier etwas nicht verstanden bzw. schnell über die Texte hinweggelesen hat!).

Manche Aussagen sind sachlich falsch (z. B. S. 55: Jona hat sich nicht nach Kap. 2 unter einer Wein- oder Kürbislaube erholt, erst nach seiner Verkündigung in Ninive findet man ihn unter einer Staude). Über die historische Glaubwürdigkeit der Evangelien, die die ntl. Wissenschaft seit über 200 Jahren bewegt und die bis in die Gegenwart mit guten historischen Gründen verteidigt wird (vgl. C. Blomberg), setzt sich Grimm beinahe flapsig hinweg. So schreibt er z. B. „Natürlich hatten die Anhänger Christi den Leichnam entwendet“ (57), da nach Grimm das Grab auch nicht bewacht war. Die Brisanz der Person und des Prozesses Jesu sowie die Situation in Jerusalem anlässlich eines Passafestes – nicht umsonst weilte Pilatus in Jerusalem! – bleiben Grimm verborgen.

Daher ist der Band nur bedingt als Einführung in die religiöse Umwelt des NT geeignet.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Christoph Stenschke
 Kategorie: Geschichte, Kirchengeschichte

  Verlag: Verlag Philipp von Zabern in Wissenschaftliche Buchgesellschaft
  Jahr: 2008
  ISBN: 978-3-8053-3836-3
  Seiten: 107
 €    Preis: 9,95 Euro