Buch-Rezension: Pergament und Papyrus, Tafeln und Ton - Lesen und Schreiben zur Zeit Jesu

Pergament und Papyrus, Tafeln und Ton

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In acht Kapiteln entfaltet der Autor ein farbenprächtiges Panorama von der Kunst des Schreibens in der Zeit Jesu. Tontafeln, Bronzeplatten und Edelsteine, Papyrus, Leder und Pergament, Holz- und Wachstäfelchen, Notizbücher aus Elfenbein oder Holz, Lederrollen, Tonscherben und Münzen werden vor uns ausgebreitet. 42 Abbildungen geben einen Eindruck von der Vielfalt der Materialien.

Aber Dr. Alan R. Millard, Professor für Hebräisch und altsemitische Sprachen an der Universität Liverpool, macht nicht nur mit den Materialien vertraut, sondern erweist sich als Kenner in allen anderen Fragen, die irgendwie mit Schrift zusammenhängen.

Millard diskutiert z.B. die Frage, wann die Form des noch heute gebräuchlichen Buches (Kodex) die unhandliche Schriftrolle ablöste. Wenn man z.B. die vier Evangelien und die Apostelgeschichte auf eine Rolle hätte schreiben wollen, wäre diese 30 Meter lang gewesen. Schade nur, dass Millard sich dabei nicht mit der Arbeit des Papyrologen C.P. Thiede auseinander gesetzt hat. Thiede bringt einige Belege dafür, dass die Hürde zum Kodex schon vor dem Jahr 70 n.Chr. überwunden wurde.

Millard berichtet über frühchristliche Manuskripte und zeigt die besonderen Merkmale christlicher Bücher. Christliche Bücher "sehen nicht aus wie die Erzeugnisse der normalen griechischen Schreibstuben". (S. 70.) Man muss bedenken, dass das Christentum bis zum Jahr 312 n.Chr. eine verbotene Religion war. Ihre Bücher waren "in keinem Verlag erhältlich, sondern mussten privat in Auftrag gegeben werden" (S. 75).

Millard untersucht sowohl die Schreibkunst als auch die Sprache im Israel der Zeit Jesu. In einem weiteren Kapitel diskutiert er die Möglichkeit einer Kurzschrift, die er für Israel aber verneint. Er vertritt allerdings den Standpunkt, dass es "schriftliche Notizen von einzelnen Aussprüchen gab, oder eine Sammlung von mehreren, und Berichte über bemerkenswerte Ereignisse" (S. 232).

Kritisch setzt sich der Autor mit der Theorie der mündlichen Überlieferungen und der formgeschichtlichen Methode auseinander. "Die Funde zur Schreibkunst in Palästina und die Veröffentlichung weiterer Texte aus den Schriftrollen vom Toten Meer legen nahe, dass dieser Standpunkt nicht länger unbestritten bleiben kann." (S. 202.) "Oft werden die Evangelientexte so behandelt, als seinen sie in einer völlig lese- und schreibunkundigen Gesellschaft entstanden." (S. 203.) Solch eine Vorstellung habe aber die geschichtlichen Fakten gegen sich, denn die Schreibkunst war sehr weit verbreitet, wie Millard in Kapitel 6 zeigt. Im letzten Kapitel behandelt der Autor den Zusammenhang von antiker Schreibkunst und den Evangelien.

Das spannende Buch ist ein Muss für jeden, der sich für die Zeitgeschichte des Neuen Testaments, die Überlieferung des neutestamentlichen Textes und das Schreiben in der Antike überhaupt interessiert.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Karl-Heinz Vanheiden
 Kategorie: Geschichte, Kirchengeschichte

  Verlag: Brunnen Verlag GmbH
  Jahr: 2000
  ISBN: 3-7655-9809-7
  Seiten: 256
 €    Preis: 8,95 Euro