Buch-Rezension: Pietismus und Enthusiasmus - Streit unter Verwandten - Geschichtliche Aspekte der Einordnung und Beurteilung enthusiastisch-charismatischer Frömmigkeit

Pietismus und Enthusiasmus - Streit unter Verwandten

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Kirchengeschichte ist nicht jedermanns Sache. Wer aber die Ruhe zur historischen Betrachtung aufbringt, der findet in diesem Buch zahlreiche aktuell verwertbare Informationen. Der Autor erschließt anhand von historischen Bewegungen und Persönlichkeiten Details zum alten Konflikt mit der charismatischen Frömmigkeit. Einige Vorkenntnisse aus der Anfangszeit des Pietismus sind dabei durchaus hilfreich.

Der Autor schildert zunächst einige Phänomene der Charismatik des 17. und frühen 18. Jahrhunderts, die sich in der Zeit des aufkommenden Pietismus ereigneten. Dieser musste Antworten finden und seine Position bestimmen. Dabei ging es ihm nicht nur um äußerliche Begleiterscheinungen (Zuckungen, lautes Geschrei usw.) bei den sogenannten Ansprachen der Inspirierten. Es ging auch um die Frage nach dem Verhältnis von äußerem Wort (= Heilige Schrift) zum inneren Wort (= Reden des Geistes). Abgrenzung fielen dem Pietismus nicht leicht. Schließlich betonten beide Seiten ja die Praxis des Christseins, die vom Heiligen Geist geprägt sein soll.

Bei den pietistischen Persönlichkeiten kann man im zweiten Teil erkennen, wie sie sich Klärung vorstellten. So steht etwa Ph.J. Spener der Bewegung der Inspirierten distanziert gegenüber, beurteilt die Phänomene aber nicht als dämonischen, sondern überwiegend innerpsychischen Ursprungs. A.H. Francke urteilt zunächst sehr offen, musste sich aber durch Erfahrungen belehren lassen.

Im Vorwort findet sich das Zitat, dass es nichts Neues unter der Sonne gibt. Schon das kann entspannen. Zu anderer musste man sich auch damals dieser Herausforderung stellen. Lösungswege aus dem 17./18. Jahrhundert sind in jedem Fall anregend, für heute jedoch kaum kopierbar.

Im Buch wirken relativ viele Fehler etwas störend, die Art der Gliederung ist gewöhnungsbedürftig. Wer in der aktuellen Debatte weder um sich schlagen noch Charismatik als unvermeidliches Schicksal hinnehmen möchte, findet hier sachliche Anregung.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Richard Bergmann
 Kategorie: Geschichte, Kirchengeschichte

  Verlag: SCM R. Brockhaus
  Jahr: 2003
  ISBN: 3-417-29432-0
  Seiten: 256
 €    Preis: 14,90 Euro