Buch-Rezension: Territorial Spirits and World Evangelisation

Territorial Spirits and World Evangelisation

Autor:

Chuck Lowe lehrt am Singapore Bible College und bildet dort Missionare und Pastoren aus. Dass er den Auftrag bekam die vorliegende Studie zu verfassen, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die Ideen der sogenannten Geistlichen Kampfführung (oder genauer Strategisch-geistliche Kampfführung) auch die Missionsfelder erreicht haben. Und müssen wir nicht ernsthaft prüfen, wenn uns gesagt wird, dass wir einen wichtigen Aspekt der Evangelisation vergessen haben? Und wenn uns weiterhin versprochen wird, dass wenn wir diese Methode endlich wiederentdecken, es zu einem Durchbruch in der Mission kommen werde und viele Menschen zu Jesus finden, die bisher durch den Gott dieser Welt verblendet waren? Angeblich hat diese Methode "die Berliner Mauer zu Fall gebracht, Albanien für das Evangelium geöffnet, Noriega gestürzt, die Kriminalitätsrate während der Olympischen Spiel in Los Angeles gesenkt, die Wirtschaft Argentiniens belebt und die Macht der Dämonen in Japan gebrochen" (24).

Chuck Lowe prüft also und er macht das in so hervorragender und vorbildlicher Weise, wie man es sich für noch viel mehr Fragen wünschen würde, die uns in den Gemeinden bewegen. Hier werden nicht vorgefasste Meinungen mit herbei gesuchten Argumenten gestützt, sondern wirklich zugehört und echt geprüft. Lowe legt geduldig und respektvoll, aber doch unerbittlich, eine Argumentation offen, die keiner Überprüfung standhält, sondern voller Willkürlichkeit und Widersprüchlichkeit steckt und sich doch den Anschein der Bibeltreue gibt.

Aber der Reihe nach, denn es lohnt sich, dem Weg der Argumentation Lowes zu folgen. Zuerst zeigt er, dass es für die Gemeinde Jesu immer geboten ist, sich mit neuen Lehren auseinanderzusetzen. Niemand hat das Recht kritischen Fragen prinzipiell Lieblosigkeit zu unterstellen oder nachdem neue Lehren veröffentlicht wurden, zu fordern man solle sich ausschließlich persönlich mit den falschen Lehrern auseinander setzen.

"Unglücklicherweise ist sogar für uns der einzige Maßstab für Wahrheit die öffentliche Meinung geworden. Wir sind demokratisiert und kommerzialisiert. Im Geist des freien Wettbewerbs kann jeder jede beliebige Ansicht verbreiten, ganz gleich wie absurd oder falsch sie ist, vorausgesetzt er findet einen Verlag, der gewillt ist, die Chance am Markt zu ergreifen. Aber wenn die Literatur, die für eine falsche Lehre wirbt, erst einmal verbreitet ist, ist es zu spät, eine private Diskussion zu fordern" (14).

Um ein bloßes Wortgefecht zu verhindern, geht Lowe dann genau der Frage nach, was die verwendeten Begriffe bedeuten sollen. Es geht ja nicht darum zu bestreiten, dass Christen in einem geistlichen Kampf stehen, den das Neue Testament mit drastischen Worten be nennt, sondern eine besondere Lehre zu untersuchen. Welche Sprachregelungen haben diejenigen getroffen, die eine besondere geistliche Kampfführung befürworten und lehren, besonders C. Peter Wagner in zahlreichen Veröffentlichungen, die zum Teil auch in Deutschland erschienen sind? Was genau ist gemeint mit "Territorialen Geistern" und "Gebetskampfführung"? Schon hier stellt Lowe eine gewisse Verschwommenheit fest, die sich dann im Umgang mit Bibelstellen, Belegen aus dem Animismus und Spiritismus und aus der Geschichte fortsetzt. Wagner behauptet es gäbe über die Dämonen hinaus, die bei Besessenheit oder Zauberei in Erscheinung treten, noch andere, die strategisch wirkten und auch auf dieser Ebene bekämpft werden müssten. Diese Dämonen hätten ein bestimmtes Herrschaftsgebiet. Würden sie durch eine besondere Art des Gebetes aus diesem Gebiet vertrieben, dann wäre der Weg frei für Evangelisation und Bekehrung. Nur lässt sich nicht genau feststellen, was mit "territorial" gemeint ist. Haben die Geister nun geographische Herrschaftsgebiete oder geopolitische (Ländergrenzen) oder aber topographische (z.B. Berge, Hügel) oder ökologische (Bäume, Steine) oder sind sie an bestimmte Objekte gebunden (Häuser, Tempel) oder geht das alles durcheinander?

Eine Klärung wäre aber angebracht, wenn funktionieren soll, was Gebetskampfführung sein soll, nämlich das Aufspüren der Geister, das Feststellen ihrer Namen und das namentliche Austreiben mit bestimmten Formeln und direkter Anrede. Dazu werden Gebetsspaziergänge, Gebetsmärsche und Gebetsreisen unternommen.

Welche Belege gibt es nun in der Bibel für ein solches Verhalten? Oder ist es gerechtfertigt, obwohl es keinen Hinweis dafür in der Bibel gibt? Lowe untersucht nacheinander sowohl die Lehre von den territorialen Geistern als auch die der Gebetskampfführung. Er geht jedem Hinweis dafür im Alten und Neuen Testament nach. Sein Ergebnis:

"Die Bibel zeigt uns Dämonen nicht als geographisch bestimmte Wesen. Gelegentlich erscheinen Schutzgeister (z.B. Dan 10), jedoch nur um deutlich zu machen, dass die Gegnerschaft gegen Gottes Volk von Satan motiviert ist. Darüber hinaus bietet die Bibel kaum zusätzliche Information über eine Hierarchie der Dämonen" (29). "Dieses Prinzip kann leicht auf die gegenwärtige Lage übertragen werden. Es geht nicht darum, dass jeder Kirche, Religion oder Nation dem Einfluss eines besonderen Dämons zugeordnet ist. Vielmehr, insofern Organisationen oder Einzelpersonen die Gläubigen oder das Werk Gottes bekämpfen, sind sie dienende Werkzeuge des Satans. Das bestätigt die Bibel deutlich. Alles darüber hinaus ist Spekulation" (43).

Bei seiner Untersuchung wie Christen, Satan und seinen Dämonen widerstehen sollen, weist Lowe nicht nur die haarsträubenden Auslegungen zu Versen aus der Apostelgeschichte, Jeremia, Hesekiel oder Daniel ab, sondern gibt seinerseits eine tiefgegründete Darlegung der betreffenden Stellen. Lowe nimmt ohne Wenn und Aber die Macht der Dämonen wahr, aber zeigt anhand der Heiligen Schrift, wie wir mit den Angriffen der Finsternismächte umgehen sollen. Ja, es gibt einen "Kampf der Welten", aber dieser Kampf wird nicht von uns mit den Methoden der Strategisch-Geistlichen Kampfführung (StGK) bestanden, sondern ist zuerst von Christus selber geführt worden. Unser Kampf besteht nun im Wesentlichen darin, auf Christus zu vertrauen.

Dieses Vertrauen zu Christus in allen Lebensbereichen und Situationen zu leben ist zuerst unser Kampf, wie Lowe an der Auslegung der betreffenden Stellen im Epheserbrief eindrücklich zeigt. Aber "obwohl Satan entscheidend geschlagen wurde, holt er zu einem hoffnungslosen Gegenschlag gegen die Kirche aus. Unsere Aufgabe ist es, das Feld mit der Kraft zu halten, die uns die altbekannten geistlichen Übungen bieten. Wir widerstehen dem Satan nicht, indem wir jede Opposition gegen das Evangelium überwinden, sondern indem wir im Angesicht von Opposition standhaft bleiben" (59). "Kampfgebet steht in jeder Hinsicht im Widerspruch zur paulinischen Lehre über unseren geistlichen Kampf. Es verkleinert, was Paulus groß machen will: den Sieg, den Gott über Satan erkämpft hat. Es empfiehlt Aggressivität, wo er Standhaftigkeit fordert. Es vertraut auf neue Techniken, wo Paulus auf dem Praktizieren der traditionellen geistlichen Übungen besteht. Es verspricht den Menschen große Macht, während Paulus vor der andauernden Stärke der Dämonen warnt. Es führt eine neue Form des Gebets ein: direkte Aggression gegen Dämonen, obwohl Paulus nur eine Art von Gebet praktiziert, die er in der Heiligen Schrift gefunden hat: die demütige Bitte an Gott" (65). Auch die Botschaft der Offenbarung über den Kampf gegen den Satan untersucht Lowe. Auch hier findet er keine Ermutigung für die Praktiken der StGK.

Im nächsten Schritt nimmt Lowe die apokryphe Literatur der sogenannten intertestamentarischen Periode, der Zeit zwischen dem Abschluss Alten Testaments und dem Abschluss des Neuen Testaments, unter die Lupe. In dieser Zeit wurden Lehren verbreitet, die eine nicht geringe Ähnlichkeit zur StGK haben. Das 1.Henochbuch (um die Zeitenwende entstanden) und auch das Testament Salomos nimmt sich Lowe besonders vor, weil sie in der Zeit der ersten Gemeinden weite Verbreitung fanden. Obwohl diese Schriften Einfluss im Judentum zur Zeit Jesu und der Apostel hatten und sich auch Anklänge im Neuen Testament finden, berufen sich weder Paulus noch die Apostel auf ihre Lehren über die Dämonen. Paulus schweigt, wo die jüdische Literatur seiner Zeit redet über die Herkunft der Dämonen, über ihre Hierarchie, über ihre territorialen Einflussrechte, über ihre Namen, über die Funktionen der verschiedenen Dämonen und über Techniken der Dämonenaustreibung. "Kurz gesagt: StGK hat mehr mit dem intertestamentarischen Judentum gemeinsam als mit der neutestamentlichen Christenheit" (84).

Auch in den Schriften des frühen Mittelalters und wieder im ausgehenden Mittelalter wird Lowe fündig. Immerhin es berufen sich auch Vertreter der Geistlichen Kampfführung auf Beispiele aus der Kirchengeschichte. Nur die Ähnlichkeiten zur heute praktizierten StGK sind entweder beliebig konstruiert oder aber sie entstammen sehr zweifelhaften Quellen. Ja, auch Augustin macht sich Gedanken über die Hierarchie der Geister, aber er kommt zu dem Schluss:

"Lassdie, die dazu in der Lage sind, diese Frage beantworten. Aber nur wenn sie auch beweisen können, dass ihre Antworten wahr sind. Ich aber will mein Nichtwissen bekennen" (90).

Auch die Reformatoren haben die Macht des Satans und seiner Dämonen ernst genommen, jedoch darauf bestanden, dass die Heilige Schrift uns genug darüber lehrt. Insbesondere Luther und Calvin waren sich in ihrer Ablehnung der Schrift desPseudo-Dionysos einig, die eine gemäßigte Form der aktuellen Strategisch-Geistlichen Kampfführung vertritt. "Die Opposition der Reformatoren zu diesen Lehren entsprang nicht einer Ignoranz gegenüber den Dämonen, sondern ihrem Vertrauen in die Bibel" (100).

"Seit zwanzig Jahren oder mehr drehen sich evangelikale Kirchen und Missionen in wilder Fahrt auf einem Karussell, auf dem sie sich nach dem Stein der Weisen ausstrecken, der ihnen schnellen und aufsehenerregenden Erfolg in ihrem Dienst bringen soll. Aber mit jeder Revolution dreht sich das Karussell schneller und der Stein bewegt sich an eine andere Stelle. Kann uns irgendetwas anderes als die Rückkehr zum Prinzip sola Scriptura von dieser verrückten, schwindelerregenden und unnützen Fahrt erlösen?" (101-102).

Weil sich die Befürworter der StGK sogar auf den Animismus berufen, untersucht Lowe auch diese Quellen zumal er als Missionar immer wieder mit solchermaßen geprägten Religionen zu tun hat. Das Ergebnis:

"Obwohl der animistische Glaube oft die Existenz von territorialen Geistern bestätigt, kann er aus zwei Gründen trotzdem keine Unterstützung für die StGK sein. Erstens ist Territorialität sogar dort, wo sie auftaucht, kein entscheidendes Element des Animismus und zweitens ist das Weltbild des Animismus völlig unvereinbar mit dem des christlichen Glaubens" (103).

Dann geht Lowe den Erfahrungsberichten nach, die bestätigen sollen, dass das Kampfgebet funktioniert. Er legt sich ausführlich Rechenschaft darüber ab, wie man überhaupt mit Erfahrungsberichten umgehen sollen, wenn sie neue Lehren stützen und stellt dabei viele Fragen, die jeden, der solche Geschichten weiterträgt, die Schamröte ins Gesicht treiben sollten. Nun trifft es sich, dass die Ehefrau von Chuck Lowe aus einem Ort in Malaysia stammt, der angeblich durch erfolgreiches Kampfgebet eine Erweckung erlebte. Keine der zahlreichen Nacherzählungen dieser Geschichte ist auch nur in der Lage den Namen des Ortes richtig zu nennen. Es gibt den Berg, auf dem das Gebet über den Ort gesprochen und dadurch von einem Fluch eines jesuitischen Missionars aus dem 16. Jahrhundert befreit worden sein soll in 150 km Umkreis nicht. Der Missionar hat überhaupt keinen Fluch ausgesprochen, sondern aus nicht genau geklärten Gründen die Stadt unter Protest verlassen. Im übrigen hat es vor und nach dem Aufenthalt dieses Jesuiten Christen verschiedener Denominationen gegeben. Es gibt seit Jahrzehnten ein geringes, aber nicht aufsehenerregendes Wachstum der Gemeinden ohne irgendwelche feststellbaren Sprünge. Das stärkt nicht gerade das Vertrauen in die anderen Geschichten, die kaum überprüft werden können. Aber Lowe nennt noch drei Fehler, die regelmäßig bei der Interpretation von Erlebnisberichten gemacht werden. Der erste: man unterstellt ein Wachstum einer Gemeinde sei durch StGK verursacht, noch ehe man überprüft hat, ob überhaupt irgend jemand StGK praktizierte, ehe das Wachstum begann. Der zweite ist die Verwechslung von Folge und Abfolge. Wenn StGK vor dem Wachstum praktiziert wurde, heißt das noch nicht, dass das erste das zweite auch verursacht hat. Der dritte Fehler ist die tendenziöse Auswahl und Interpretation der Daten.

Nun ist es nicht Chuck Lowes Ziel den geistlichen Kampf um die Errettung von Menschen zu dämpfen, im Gegenteil. Darum wirbt er auch für den Weg Gottes, wie er uns in der Bibel gezeigt wird. Dieser Weg ist aber nicht bestimmt von der Ausschau nach immer neuen Methoden, sondern vom Vertrauen auf die Heilige Schrift. Für Gemeinde und Mission ist eine auf der Schrift basierende Theologie und Praxis überlebenswichtig, während das Jagen nach immer neuen Techniken der Evangelisation nur ermüdet und enttäuscht.

Das Buch von Chuck Lowe bietet auf 191 Seiten ein Fülle von Einsichten: es deckt die irrigen Ideen der Geistlichen Kampfführung auf, die im Vergleich zu Amerika in Deutschland in abgemilderter Form kursieren, aber doch nicht kleinzukriegen sind. Es bietet eine gute und fundierte biblische Lehre über das Wirken der Dämonen und unseren geistlichen Kampf. Schließlich stellt es die moderne Methodenverliebtheit, die auch weite Teile der Gemeinde Jesu ergriffen hat, in Gottes Licht und ruft zum Vertrauen auf Gott zurück.

Das Buch kann uneingeschränkt empfohlen werden, erfordert aber gute Englischkenntnisse.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Thomas Jeising
 Kategorie: Mission, Evangelisation, Evangelistisch

  Verlag: Christian Focus Publications Ltd
  Jahr: 1998
  ISBN: 978-1857923995
  Seiten: 192
 €    Preis: 14,69 Euro