Herodes erstürmt Jerusalem. Plünderung der Stadt. Hinrichtung des Antigonus. Schwierigkeiten von Seite der Kleopatra.


Die Aufregung, die unter der jüdischen Menge in der Stadt herrschte, nahm nach deren Charakter die verschiedensten Formen an. Während die Schwächeren voll heiliger Begeisterung scharenweise in den Tempel eilten, wo gottbegnadete Personen viele Prophezeiungen auf die Zeitereignisse machten, streiften die Keckeren bandenweise umher und verübten alle Arten von Raubtaten. Ganz besonders räumten sie in der Umgebung der Stadt auf, da factisch schon bei der Ankunft des römischen Heeres weder für Pferde noch Mannschaft etwas zum Leben sich vorfand.

Die regulären Kämpfer endlich waren zur Abwehr des Sturmes beordert und suchten zunächst die Wallarbeiter von der Mauer aus in ihrem Werke zu stören und später gegen die bereits aufgestellten Maschinen immer neue Hindernisse ausfindig zu machen; in keinem Punkte aber waren sie den Feinden so sehr überlegen, wie im Graben von Minen.


Gegen die Plünderungen der Gegend wurden vom König geschickt angelegte Hinterhalte in Anwendung gebracht, durch die er in der Tat die Streifzüge aus der Stadt wirksam verhinderte, während dem Mangel an Lebensmitteln weit ausgedehnte Proviant- und Fouragierzüge abhelfen mussten. Auch im offenen Kampf war er gegenüber den Belagerten infolge der römischen Kriegskunst im Vorteile, obschon ihre Tollkühnheit keine Schranke kannte.

Wenn sie auch den Zusammenstößen mit den Römern in offenen Ausfällen wegen der augenscheinlichen Gefahr, unnütz hingemetzelt zu werden, auszuweichen pflegten, so tauchten sie dafür oft plötzlich unter den Römern aus den unterirdischen Stollen auf, und bevor noch ein Stück der Mauer vollständig eingerissen ward, hatten sie auch schon eine andere hinter dieser Stelle aufgemauert, mit einem Worte: weder ihr Arm noch ihr erfinderischer Kopf versagte ihnen bei dem Entschlusse, bis zum Aeußersten Widerstand zu leisten.

Wirklich, zogen sie die Belagerer fünf Monate lang hin, obgleich eine so riesige Macht sie umschlossen hielt, bis endlich einige von den Elitetruppen des Herodes sich den Mut nahmen, die Mauer zu erklimmen, und in die Stadt eindrangen, hinter ihnen einige Hauptleute des Sosius. Zuerst fiel das Tempelgebiet in ihre Gewalt, durch welches sich nun das ganze Heer wie ein brausender Strom in die Stadt ergoss: überall wütete der Tod in tausend Gestalten, da die Römer durch die langwierige Belagerung in die äußerste Wut versetzt waren, das jüdische Element aber unter den Leuten des Herodes natürlich sich beeilte, jeden Widerpart aus dem Wege zu räumen.

Haufenweise wurden sie so in den schmalen Gassen, wie auch in den vollgedrängten Häusern und auf der Flucht zum Tempel mit dem Schwerte niedergemäht: weder Kind noch Greis noch das schwache Geschlecht fand Erbarmen, und obzwar der König selbst überall hinschickte und Schonung empfahl, hielt niemand in der Metzelei ein, sondern man hieb wie wahnsinnig auf jedes Alter los.

Jetzt steigt auch Antigonus, ohne seine ehemalige Würde noch das Schicksal, das ihn nunmehr erwarten musste, zu bedenken, von der Burg herab, um sich dem Sosius zu Füßen zu werfen! Der aber hatte nicht das leiseste Erbarmen mit dem so schrecklich gestürzten Manne, sondern lachte ganz unbändig über ihn und nannte ihn Antigone, obschon er ihn im Übrigen durchaus nicht als Weib behandelt wissen wollte, d. h. ungehindert weggehen ließ, er ward vielmehr in Ketten gelegt und in Gewahrsam gebracht.


Nachdem jetzt Herodes seine Feinde gebändigt hatte, war nunmehr seine Sorge darauf gerichtet, auch seine fremdländischen Bundesgenossen zu zügeln. Eilte ja doch das fremde Kriegsvolk scharenweise herbei, um das äußere Tempelgebäude und die Heiligtümer im Tempelhaus selbst in Augenschein zu nehmen. Die einen davon hielt nun der König durch gute Worte, die anderen durch Drohungen, einige auch mit Waffengewalt zurück, weil nach seiner Meinung der Sieg noch verhängnisvoller werden musste, als eine Niederlage, wenn die siegreichen Soldaten etwas schauen würden, was keinem Auge enthüllt werden durfte.

Auch den Plünderungen in der Stadt tat er jetzt Einhalt, nachdem er mit Sosius eine lange und sehr nachdrückliche Auseinandersetzung gehabt, wobei er unter anderem auch fragte, ob denn die Römer im Ernste die Stadt aller Geldmittel und Menschen berauben wollten, um dann dem Herodes eine Wüstenei als Residenz zu überlassen. Um das Blut so vieler Bürger halte er selbst die Herrschaft über das ganze römische Reich für viel zu teuer erkauft.

Auf die Bemerkung des Sosius, dass er die Plünderungen als Entschädigung für die Beschwerden der Belagerung den Soldaten schon aus Billigkeit erlauben müsse, machte sich der König anheischig, jedem seinen Lohn aus eigenen Mitteln verabreichen zu wollen. So gelang es ihm, die von der Plünderung noch verschonten Teile seiner Residenz auszukaufen, und er hielt auch vollständig, was er Sosius versprochen hatte. Denn wahrhaft splendid beschenkte er jeden Gemeinen, entsprechend höher die Chargen, ganz königlich aber den Sosius, so dass kein einziger arm am Beutel von dannen zog.

Nach Widmung eines goldenen Kranzes an Jehova brach Sosius von Jerusalem auf, um den gefangenen Antigonus dem Antonius vorzuführen. Von einem armseligen Hoffnungsschimmer getragen, klammerte sich der Gefangene noch bis zum letzten Augenblick an sein Leben, bis auch diesem das Henkerbeil einen seiner Feigheit würdigen Abschluss bereitete.


Als factischer König hielt nun Herodes unter der in der Stadt befindlichen Bevölkerungsmenge Musterung. Jene, die zu ihm gehalten hatten, fesselte er durch Auszeichnungen noch enger an sich, die Anhänger des Antigonus aber bestrafte er mit dem Tode. Da er jetzt fast kein Geld mehr hatte, ließ er allen Schmuck, den er besaß, zu Geld machen, um es dem Antonius und seinem Freundeskreise zuzusenden.

Doch konnte er sich damit keineswegs ein für allemal eine ungefährdete Zukunft erkaufen, da Antonius, durch die sinnliche Neigung zu Kleopatra ganz verblendet, bei allen Entschlüssen nur der Stimme seiner Leidenschaft gehorchte. Kleopatra aber suchte ihrerseits, nachdem sie der eigenen Familie so gründlich den Garaus gemacht hatte, dass auch nicht ein Sprössling ihres Geblütes übrig blieb, von da an ihre Blutgier an den auswärtigen Fürsten zu stillen.

So verdächtigte sie die höchsten Persönlichkeiten Syriens bei Antonius und setzte ihre Hinrichtung durch, weil sie auf diesem Wege sehr bequem den Besitz jedes einzelnen Opfers in ihre Gewalt zu bringen gedachte. Sie streckte endlich ihre habgierige Hand auch nach dem Gebiete der Juden und der Araber aus und spann ihre heimlichen Ränke zum Verderben der Könige beider Völker, des Herodes und des Malchus.


Antonius war wirklich nicht abgeneigt, einen Teil ihrer Forderungen zu erfüllen, aber vor der Ermordung so trefflicher Männer und so angesehener Könige graute ihm dennoch: dafür brach er die engere Freundschaft, die ihn mit diesen Männern verbunden, völlig ab, riss große Länderstrecken von ihrem Gebiete weg, darunter auch insbesondere den Palmenhain bei Jericho, wo der Balsam gedeiht, wie auch sämmtliche Städte, die südlich von der Flussmündung des Eleutherus lagen, mit Ausnahme von Tyrus und Sidon, und gab sie der Kleopatra.

Als sie das alles bekommen hatte, geleitete sie den Antonius, der jetzt neuerdings gegen die Parther zog, bis an den Euphrat und kam dann über Apamea und Damaskus auch nach Judäa. Bei dieser Gelegenheit gelang es dem Herodes, durch reiche Geschenke ihren Groll ganz und gar zu beschwichtigen, ja er konnte sogar die von seinem Königreiche abgetrennten Gebiete von ihr um 200 Talente jährlichen Zinses in Pacht bekommen. Er gab ihr dann bis Pelusium das Geleite, wobei er ihr jede Art von Aufmerksamkeit erwies.

Nicht lange hernach war auch Antonius vom Partherkrieg wieder zurück, um den gefangenen Artabazes, den Sohn des Tigranes, der Kleopatra zum Präsent zu machen. Denn das erste, was Antonius tat, war, dass er ihr den Parther mit allen seinen Schätzen und der gesammten Beute zu Füßen legte.