Versöhnung des Alexander und des Pheroras mit Herodes durch die Vermittlung des Königs Archelaus.


Da Alexander keine Möglichkeit mehr sah, seinen Vater umzustimmen, fasste er den Entschluss, den Unglücksmächten Trotz zu bieten. Er stellte eine Schrift gegen seine Feinde in vier Büchern zusammen, in der er den meuchlerischen Anschlag zugestand, zugleich aber auch als Teilnehmer an demselben die meisten seiner Widersacher und zwar in hervorragender Weise den Pheroras und die Salome bloßstellte. Von der letzteren behauptete er sogar, dass sie einmal nächtlicherweise bei ihm eingedrungen sei und ihn zum Ehebruch gezwungen habe.

Diese Bücher nun mit ihren vielen und schweren Anklagen, die sie in bestimmtester Form gegen die einflussreichsten Persönlichkeiten schleuderten, gelangten auch in die Hände des Herodes. Bald darauf stellte sich auch Archelaus, von Angst um seinen Eidam, wie auch um seine Tochter getrieben, in Judäa ein und kam denselben in so überaus kluger Weise zu Hilfe, dass es seiner List in der Tat gelang, die drohenden Wolken des königlichen Zornes zu zerstreuen.

Denn kaum hatte er den König getroffen, als er ihm schon entgegenschrie: „Wo ist denn der Hallunke von einem Schwiegersohne? Wo kann ich das von einem Vatermorde belastete Haupt sehen, auf dass ich es mit meinen eigenen Fäusten zermalme? Auch meine eigene Tochter will ich ihrem netten Gespons nachschicken, weil sie auch im Falle, dass sie in seinen Hochverratsplan nicht eingeweiht war, schon als Gattin eines solchen Schurken bemakelt dasteht.

Dir aber, dem Opfer des Mordversuches, muss ich meine Bewunderung wegen der Langmut zollen, der allein es Alexander zu danken hat, wenn er noch atmet. Denn in der sicheren Erwartung, den verbrecherischen Gatten bereits justifiziert zu finden, eilte ich von Kappadozien hieher, um gemeinschaftlich mit dir nur mehr die Untersuchung über meine Tochter zu leiten, welche ich ja einzig aus Rücksicht für dich und deine Würde dem Alexander angelobt habe. So aber bleibt uns, wie ich sehe, noch über beide zu richten. Solltest du nun allzusehr Vater und darum zu schwach sein, um den meuchlerischen Buben zu züchtigen, so wollen wir miteinander das Richtschwert tauschen und ein jeder an dem Kinde des anderen die gemeinsame Rache vollstrecken.


Durch diese hochtönenden Phrasen gelang es dem Archelaus, die anfänglich vorsichtige Haltung des Herodes zu erschüttern, so dass er ihm sogar die von Alexander verfassten Bücher zum Lesen gab und einen Hauptpunkt nach dem andern mit ihm sorgfältig durchnahm. Daran knüpfte nun Archelaus seine Kriegslist, indem er nach und nach die eigentliche Schuld auf die in der Schrift bezeichneten Persönlichkeiten, namentlich auf Pheroras, hinüberspielte.

Als er endlich den König überzeugt fand, schloss er mit den Worten: „Es ist also wirklich ernstlich in Betracht zu ziehen, nicht, ob du von dem Jüngling, sondern ob nicht der Jüngling von sovielen Schurken Nachstellungen zu fürchten habe. Ich sehe zudem auch gar keinen Beweggrund, aus welchem der junge Mann, der doch jetzt schon von der Herrschaft den Genuss und überdies die Hoffnung besitzt, sie dereinst auch factisch anzutreten, sich überhaupt in einen solchen Abgrund des Frevels gestürzt haben sollte, wenn man nicht annimmt, dass hier gewisse Leute ihre Hand im Spiele hatten, die das Geschäft der Aufhetzung betreiben und das leichte junge Blut zum Spielball ihrer Bosheit machen. Werden ja durch Menschen solchen Schlages nicht etwa bloß junge Leute, sondern selbst Greise umgarnt und die erlauchtesten Geschlechter, wie auch ganze Reiche ins Verderben gestürzt.


Mit diesen Ausführungen war Herodes ganz einverstanden und ließ allgemach seinen Zorn gegen Alexander verrauchen, um desto mehr gegen Pheroras sich zu erhitzen, um welchen sich ja die vier Bücher der Anklageschrift hauptsächlich drehten. Wie Pheroras nun die Heftigkeit des Königs und den entscheidenden Einfluss wahrnahm, den auf ihn die Freundschaft mit Archelaus gewonnen hatte, suchte er sich auf eine entwürdigende Art aus der Schlinge zu ziehen, da er es auf eine gute Manier nicht mehr tun konnte. Ohne dem Alexander die geringste Unterstützung angedeihen zu lassen, trachtete er nur seine eigene Person unter den Schutz des Archelaus zu bringen.

Dieser aber gab ihm den Bescheid, es sei gar nicht abzusehen, wie er einen Menschen beim König ausbitten könnte, welcher, wie Pheroras, von sovielen Anschuldigungen belastet und durch dieselben ganz evident als Attentäter auf die königliche Majestät sowie als der eigentliche Urheber des gegenwärtig über den Jüngling hereingebrochenen Unglücks erwiesen sei: es wäre denn, dass er sich dazu verstünde, alle Verschlagenheit und alles Leugnen aufzugeben, die Wahrheit der gegen ihn vorliegenden Anklagen einfach zuzugestehen und dafür von seinem Bruder und Freund Verzeihung zu erflehen. Für diesen Fall würde er ihm auf jede Weise zu Diensten stehen.


Pheroras ließ sich dazu herbei. Er richtete sich absichtlich so zusammen, dass er ja recht erbärmlich herauskam, trat im schwarzen Trauerkleide und mit tränenbedecktem Antlitz vor Herodes hin, fiel ihm zu Füßen und bat, wie er das übrigens schon öfter getan hatte, um Verzeihung. Er bekannte sich als das Scheusal, das wirklich alles getan habe, dessen er beschuldigt worden, klagte jedoch zugleich über Geistesstörung und Raserei, als deren Ursache er die leidenschaftliche Liebe zu seiner Frau bezeichnete.

Nachdem Archelaus den Pheroras als seinen eigenen Ankläger und Zeugen wider sich selbst bloßgestellt hatte, hielt er es nun an der Zeit, auch seine Fürbitte für ihn einzulegen und den Zorn des Königs namentlich in der Weise zu beschwichtigen, dass er auf Erfahrungen in seinem eigenen Hause hinwies: „Habe ja doch auch ich selbst,“ bemerkte er, „noch viel ärgeres vom eigenen Bruder erdulden müssen, und trotzdem habe ich auf die Stimme der Natur mehr gehört, als auf die Stimme der Rache. Denn in einem Königreich geht es zu, wie in einem großen Leibe: immer wird ein Teil infolge der Last Entzündungen ausgesetzt sein, und es wäre verfehlt, denselben darob einfach wegzuschneiden, statt ihn durch sanftere Behandlung der Heilung zuzuführen.


Er brachte noch vieles dergleichen vor, wodurch er endlich den Herodes auch gegen Pheroras gnädiger stimmte. Archelaus selbst verharrte indes in seinem Unwillen gegen Alexander und erklärte sogar, ihm die Tochter abnehmen und mit sich nach Hause führen zu wollen, bis er mit vollständiger Vertauschung der Rollen den Herodes veranlasst hatte, jetzt umgekehrt selbst für den Jüngling gegen Archelaus einzutreten und namentlich um die eheliche Wiedervereinigung der Tochter mit Alexander zu bitten. Aber mit bestechender Treue seine Rolle weiterspielend, gab Archelaus dem Herodes die Bewilligung, die Tochter zur Ehe zu geben, wem er wolle, nur Alexander dürfe sie nicht mehr bekommen. Diese Bewilligung, meinte Archelaus, möge dem Herodes beweisen, welch’ überaus hohen Wert er darauflege, den verwandtschaftlichen Verbindlichkeiten gegen ihn auch fernerhin gerecht zu werden.

Darauf erwiderte der König, er werde die Nichtauflösung der Ehe so ansehen, als würde ihm sein Sohn zum zweitenmal und diesmal von Archelaus geschenkt. Das Ehepaar hätte ja auch schon Kinder, und werde die Frau von dem jungen Manne wie auf Händen getragen. Bliebe sie bei ihm, so würde ihre Gegenwart stets ein heilsames Mittel sein, um den Gatten vor dem Rückfall in die alten Verirrungen zurückzuschrecken; würde sie ihm aber entrissen, so könnte das die Ursache der hellsten Verzweiflung für ihn werden, da umgekehrt die Lust zu verwegenen Streichen bedeutend herabgestimmt werde, wenn sie in der Familienliebe eine Ableitung fände.

Nur mit Widerstreben gab Archelaus seine Zustimmung und versöhnte sich mit dem Jüngling, wie er ihm auch den Vater vollends wiedergewann. Doch bestand er darauf, dass Alexander auf alle Fälle nach Rom geschickt werden müsse, um dem Kaiser Rede zu stehen. Denn er hätte ihm, sagte er, über die ganze Sache bereits schriftlichen Bericht erstattet.


So war denn die Kriegslist, durch welche Archelaus seinen Eidam rettete, vollständig gelungen. Die Versöhnung feierte man noch einige Zeit mit festlichen Gastmählern und allerlei Aufmerksamkeiten. Beim Abschied machte Herodes dem Archelaus siebzig Talente nebst einem goldenen, ganz mit Edelsteinen eingelegten Throne, sowie einige Eunuchen und eine Haremsfrau, namens Pannychis, zum Geschenke. Auch seine Freunde zeichnete er, jeden nach seinem Range, durch solche Ehrengaben aus.

Ähnlich stellten sich auch auf einen Wink des Königs seine Verwandten bei Archelaus mit glänzenden Präsenten ein. Herodes gab ihm dann noch mit seinen Großen das Geleite bis Antiochien.