Das Ende des Antigonus und des Aristobulus.


Nach dem Hingange des Vaters verwandelte nämlich der älteste Sohn Aristobulus die Herrschaft in ein förmliches Königtum und schmückte sich mit dem Diadem. Es war das erste Beispiel dieser Art seit der Heimkehr des Volkes aus der babylonischen Gefangenschaft, die vor 471 Jahren und 3 Monaten erfolgt war.

Unter seinen Brüdern ließ er nur dem Antigonus, der ihm an Alter zunächst stand, und dem er eine unverhohlene Zuneigung schenkte, königliche Ehren erweisen, während er die anderen in Ketten legte und in Gewahrsam hielt. Ja er ließ sogar seine eigene Mutter fesseln, weil sie sich mit ihm wegen der Herrschaft entzweit hatte – denn sie hatte eigentlich Johannes vor seinem Ableben zur Regentin bestimmt gehabt – und ging in seiner Grausamkeit so weit, dass er sie sogar im Kerker verhungern ließ.


Merkwürdigerweise raubte ihm eine gerechte Strafe gerade jenen Bruder, den er aufrichtig liebte, und den er zum Mitregenten angenommen hatte, den Antigonus. Er ließ nämlich infolge von verleumderischen Intriguen, welche eine ruchlose Partei am Hofe angesponnen hatte, auch diesen ums Leben bringen. Anfangs schenkte freilich Aristobulus diesem Gerede nicht den mindesten Glauben, weil er seinem Bruder wirklich zugetan und das Geschwätz zum größten Teil auf Rechnung des Neides zu setzen geneigt war.

Als aber einst Antigonus ruhmbedeckt vom Kriegsschauplatz zum Feste sich begab, an welchem die Juden nach väterlicher Sitte Gott unter Laubhütten dienen, wollte es der Zufall, dass gerade an jenen Tagen Aristobulus unpässlich darniederlag, während Antigonus am Ende des Festes in denkbar prächtigstem Schmucke und umgeben von seinen Kriegern zum Tempel hinaufstieg, um dort sein Gebet, besonders für den kranken Bruder, zu verrichten.

Das war die Zeit für die Bösewichte, an den König sich heranzumachen. Mit den lebendigsten Farben schilderten sie ihm den Aufzug der Bewaffneten und das gebieterische, mit einem Privatmann unvereinbare Auftreten des Antigonus, dessen Anwesenheit in Verbindung mit einer so großen Truppenabteilung nur dahin gedeutet werden könne, dass er den König beseitigen wolle. Denn gewiss würde er sich nicht länger mit dem bloßen Königstitel abspeisen lassen, wo es in seiner Macht liege, nach dem Königtum selbst zu greifen.


Diesen Worten schenkte Aristobulus nach und nach, wenn auch ungern, Glauben und stellte, um einerseits nicht das geringste Misstrauen zu verraten, andererseits auch gegen Überraschungen gesichert zu sein, die Leibwache in einem finsteren, unterirdischen Gange der Burg, wo er lag, und die früher Baris, später aber Antonia hieß, mit dem Befehle auf, wenn Antigonus ohne Waffen käme, seiner zu schonen, ihn aber niederzustoßen, wenn er bewaffnet sich nähern würde. Zu Antigonus schickte unterdessen der König eigens Boten mit der vorgängigen Weisung, dass er unbewaffnet kommen möchte.

Das benutzte die Königin zu einem äußerst schlauen Anschlag im Bunde mit den geheimen Feinden des Antigonus. Man überredete nämlich die Boten, den vom König erhaltenen Auftrag nicht auszurichten und dafür dem Antigonus zu sagen: „Dein Bruder hat gehört, dass du dir in Galiläa sehr schöne Waffen und ein Panzerkleid habest herrichten lassen. Da er nun leider wegen seiner Krankheit außerstande ist, sie persönlich bei dir Stück für Stück zu besichtigen, so würde es ihm jetzt, zumal du auch schon wieder abreisen willst, ein großes Vergnügen sein, dich einmal im vollen Waffenschmucke bei sich zu sehen.


Als Antigonus diese Botschaft vernommen, ging er im vollen Vertrauen auf die bisherige Gesinnung des Bruders, und ohne im mindesten etwas Böses zu ahnen, mit seiner Waffenrüstung zu ihm, nur, um sich damit anschauen zu lassen. Angekommen aber beim finsteren Durchgang im sogenannten Stratonsturm, ward er von der Leibwache des Königs niedergemacht – zum unwiderleglichen Beispiele, wie der Zahn der Verleumdung auch die innigste Freundschaft und die stärksten Bande des Blutes zernagen kann, und kein edles Gefühl kräftig genug ist, um dem Neide auf die Dauer zu widerstehen.


Was bei dieser Gelegenheit unsere Bewunderung verdienen dürfte, das ist das Benehmen eines gewissen Judas. Der Mann gehörte dem Stande der Essener an und hatte sich in seinen Weissagungen noch kein einzigesmal auch nur unbedeutend geirrt, geschweige denn ganz getäuscht. Wie er nun damals den Antigonus in seiner Nähe durch den Tempel gehen sah, schrie er in Gegenwart seiner Freunde oder eigentlich Schüler, von denen damals gerade eine beträchtliche Zahl bei ihm saß, laut auf:

O weh!“ sprach er, „jetzt wäre ich lieber schon todt, da ich leider die Wahrheit überlebt habe, und sich wirklich etwas, was ich vorausverkündigt habe, als ganz und gar falsch erwiesen hat. Es geht ja da leibhaft jener Antigonus, der heute schon eines gewaltsamen Todes hätte sterben sollen und zwar nach des Schicksals Verhängnis durch Mörderhand beim Orte Stratonsturm. Nun ist aber dieser Ort 600 Stadien von hier entfernt, und vom heutigen Tage überdies bereits die vierte Stunde verflossen. Schon an diesem Stande der Zeit muss meine Weissagung vollständig scheitern!

Nach diesem Ausruf blieb der Greis düster und nachdenklich. Bald darauf brachte man schon die Nachricht, dass Antigonus in jenem unterirdischen Raume, der da ebenfalls Stratonsturm hieß, also mit Cäsarea am Meere denselben Namen teilte, ermordet worden sei. Diese Verwechslung nun war es, die den Seher so bestürzt gemacht hatte.


Die Reue über diese Greueltat gab jedoch dem Zustand des Aristobulus alsbald eine neue gefährliche Wendung. Beständig schwebte ihm dieser Mord vor Augen und erfüllte seine Seele mit stets neuen Schreckbildern, so dass er immer mehr abzehrte, bis endlich die Brustorgane unter dem Druck einer übergroßen Trauer barsten, und der König das Blutbrechen bekam.

Als nun einer von den Krankenwärtern den Auswurf hinaustragen wollte, glitt er genau an der Stelle, wo Antigonus gemordet worden, auf besondere göttliche Zulassung aus und schüttete auf die vom Morde herrührenden und noch deutlich erkennbaren Blutflecken das Blut seines Mörders aus. Bei diesem Anblick erhoben sofort die Zeugen jenes Vorganges ein erbärmliches Geschrei, als ob der Diener zu Fleiß das Blut dort auf den Boden hingegossen hätte.

Der König hörte den Lärm und fragte nach dem Grunde. Da sich aber niemand denselben zu sagen getraute, so wollte der Kranke erst recht der Sache auf den Grund kommen und machte schließlich unter Drohungen seine Gewalt geltend. Und nun erzählte man ihm den Sachverhalt. Da traten ihm die hellen Tränen in die Augen, und mit dem ganzen Aufgebot seiner letzten Kräfte seufzte er:

So konnte ich also doch nicht, wie ich vermeinte, das große Auge Gottes über meine Ruchlosigkeiten hinwegtäuschen: nur allzu rasch folgt mir die gerechte Strafe für den Mord am eigenen Blute! Wie lange noch willst du, o unverschämter Leib, meine Seele zurückhalten, die schon längst dem Rachegeiste meiner Mutter und meines Bruders gehört, und wie lange soll ich nur stoßweise mein Blut ihnen zum Opfer bringen? Sie sollen alles auf einmal nehmen, und nicht weiter möge die Gottheit mit den aus meinen Eingeweiden geschöpften Blutspenden für die Toten ihr grausames Spiel treiben!“ Bei diesen Worten verschied er, nachdem er nicht länger als ein Jahr geherrscht hatte.