Die vielen Wirren unter Cumanus, der zuletzt verbannt wird. Felix wird Landpfleger. Tod des Kaisers Claudius.


Nachdem Herodes, der Fürst von Chalcis, mit Tod abgegangen war, erhob Claudius den Agrippa, den Sohn des verstorbenen Königs Agrippa, auf den Königsthron seines Oheims. In den übrigen Landesteilen, die jetzt eine römische Provinz bildeten, folgte auf Alexander in der Landpflegerschaft Cumanus, unter welchem die Unruhen und mit ihnen die Metzeleien in den Reihen der Juden aufs neue begannen.

Als nämlich das Volk zum Feste der ungesäuerten Brote in Jerusalem versammelt war, stand auch die römische Cohorte auf der Säulenhalle des Tempels, um, wie sonst immer, in voller Waffenbereitschaft die Festfeier zu überwachen und das geringste aufrührerische Gelüste in der angesammelten Menschenmenge zu unterdrücken. Da hob einer von den Soldaten sein Kleid in die Höhe, bückte sich, wie auf einem Abtritt, und wendete den Juden unten sein Gesäß zu, indem er zu gleicher Zeit ein Geprassel hören ließ, das nur zu sehr zu seiner Haltung passte.

Darüber geriet die ganze Menge in hellen Zorn und forderte unter Schreien und Schimpfen von Cumanus die Züchtigung des Soldaten. Mehrere junge Leute aber, die ihre Aufwallung noch weniger beherrschen konnten, wie auch die schon von Haus aus zum Aufruhr geneigten Elemente im Volke gingen gleich zum offenen Kampfe über, indem sie wütend nach den Steinen griffen und auf die Soldaten warfen.

Da ließ Cumanus aus Besorgnis, es möchte das ganze Volk einen Sturm gegen ihn unternehmen, eine noch größere bewaffnete Macht an Ort und Stelle aufmarschieren. Sobald sich nun dieselbe in die Säulenhallen ergoss, stürmten die Juden, von unwiderstehlichem Entsetzen gepackt, aus dem Tempel und flohen in die Stadt hinab, wobei an den Ausgängen ein so gewaltiges Gedränge entstand, dass über 10.000 Juden, von den eigenen Leuten zertreten oder zerquetscht, ihren Tod fanden, und sich so das Fest für die ganze Nation in Trauer verwandelte, zur Leichenklage für jedes Haus.


Kaum war dieses Unglück vorüber, so entstand schon wieder ein Auflauf und zwar hervorgerufen durch einen räuberischen Überfall. In der Nähe von Bethhoron wurde nämlich auf der dortigen Heeresstraße der Tross eines kaiserlichen Dieners, namens Stephanus, von Räubern überfallen und ausgeplündert.

Daraufhin schickte Cumanus das Militär in die nächsten Dörfer ringsum und ließ ihre Bewohner gefangen vor seinen Richterstuhl bringen unter der Anklage, die Räuber absichtlich nicht verfolgt und ihnen so zur Rettung verholfen zu haben. Bei diesem Anlass geschah es nun, dass ein Soldat in einem Dorfe das heilige Gesetzbuch fand, es zerriss und ins Feuer schleuderte.

Wäre den Juden damit ihr ganzes Land in Flammen aufgegangen, so hätte das Entsetzen bei ihnen nicht größer sein können, und wie aus einer Maschine geschnellt, flogen sie unter dem Druck ihrer religiösen Entrüstung auf die erste Kunde alle insgesammt nach Cäsarea zu Cumanus, um ihn zu bestürmen, dass er einen solchen Frevler gegen Gott und sein Gesetz ja nicht ohne Strafe ausgehen lasse.

Da Cumanus recht wohl einsah, dass die Menge nicht eher ruhen werde, als bis sie ein Pflästerchen für diese Beleidigung erhalten hätte, so ließ er den betreffenden Soldaten herbeibringen und mitten durch die Scharen der Unzufriedenen auf die Richtstätte hinausführen. Erst jetzt zogen sich die Juden wieder zurück.


Einige Zeit darauf kam es zu einem Zusammenstoß zwischen Galiläern und Samaritern. Bei dem Dorfe Gema, das in der großen Ebene liegt, aber noch zu Samaria gehört, wurde ein Galiläer aus der Zahl der vielen jüdischen Festpilger, die nach Jerusalem hinaufzogen, ermordet.

Auf die Kunde hievon rotteten sich alsbald viele Leute aus Galiläa zusammen, um den Samaritern eine förmliche Schlacht zu liefern. Da wandten sich die Häupter der letzteren an Cumanus und baten ihn fast auf den Knieen, persönlich nach Galiläa herüberzukommen und die des Mordes schuldigen Verbrecher zu bestrafen, bevor es zum Aeußersten käme, da nur durch dieses Mittel allein noch die Menge zum Auseinandergehen bewogen werden, und ein blutiger Kampf verhütet werden könnte. Das einzige, was sie nun erreichten, war, dass sie Cumanus mit ihren Bitten wegen augenblicklicher Geschäfte auf später verwies und sie für jetzt unverrichteter Dinge entließ.


Inzwischen war aber die Unglücksbotschaft von diesem Morde auch nach Jerusalem gedrungen, wo sie bei den Volksmassen eine allgemeine Bewegung verursachte. Man ließ das Fest Fest sein und eilte zum Kampfe an die Grenze von Samaria, ohne auch nur einen ordentlichen Führer zu haben. Vergebens waren alle Warnungen von Seite der Häupter.

Unter diese Volksscharen mischte sich übrigens auch das Raubgesindel und der eigentliche Rebellenhaufe, geführt von einem gewissen Eleazar, dem Sohne des Dinäus, und von Alexander. Diese Banden fielen nun über die an den Bezirk von Akrabatene angrenzenden Samariter her, hieben ohne Unterschied des Alters schonungslos alles nieder und zündeten die Dörfer an.


Jetzt endlich stellte sich Cumanus an die Spitze eines Reitergeschwaders, der sogenannten Sebastener, die in Cäsarea standen, und eilte den mit Vernichtung Bedrohten zu Hilfe. Er machte unter den Leuten des Eleazar zahlreiche Gefangene und brachte ihnen noch größere Verluste an Toten bei.

Mittlerweile hatten sich aber die Häupter aus Jerusalem, mit Trauersäcken angetan und den Scheitel mit Asche bestäubt, in aller Eile unter das übrige Volk begeben, das da ausgezogen war, um gegen die Samariter loszuschlagen, und hatten es dringend gebeten, einzuhalten und nicht durch die Befriedigung der Rachegelüste an den Samaritern den Grimm der Römer über Jerusalem heraufzubeschwören. „Habet doch Mitleid,“ sagte man ihnen, „mit eurer Vaterstadt und dem Tempel, wie auch mit euren eigenen Kindern und Frauen; denn ihr setzet euch der Gefahr aus, über der Rache für einen einzigen Galiläer dies alles zu verlieren!

Das machte Eindruck, und die Juden zerstreuten sich, aber viele von ihnen warfen sich jetzt auf den Straßenraub, der ziemlich ungescheut getrieben werden konnte, und bald hörte man im ganzen Lande von nichts als von Raubtaten, und wo es kühner herging, sogar von Handstreichen durch Rebellen.

Jetzt erschienen die Großen Samariens vor dem Statthalter von Syrien Ummidius Quadratus, der sich gerade in Tyrus aufhielt, mit der Forderung, ihnen doch einige Genugtuung von Seite der Juden für die Mordbrennereien in ihrem Lande zu verschaffen.

Es hatten sich aber auch die angesehensten Juden mit dem Hohenpriester Jonathas, dem Sohne des Ananus, hier eingefunden, welche die Samariter wegen des von ihnen verübten Mordes als die ersten Anstifter der Unruhen bezeichneten, für die weitere Verwicklung aber den Cumanus verantwortlich machten, weil er die Mörder des Unglücklichen nicht habe züchtigen wollen.


Vorderhand beschied Quadratus beide Parteien auf eine spätere Zeit, indem er ihnen die Versicherung gab, persönlich an Ort und Stelle alle einzelnen Vorgänge genau prüfen zu wollen. Als er dann später wirklich nach Cäsarea kam, befahl er zunächst, alle von Cumanus gemachten Gefangenen ans Kreuz zu schlagen, und begab sich von da nach Lydda. Hier nahm er neuerlich ein gründliches Verhör mit den Samaritern vor und ließ achtzehn Juden, von denen er gehört hatte, dass sie am Kampfe beteiligt gewesen, herbeiführen und mit dem Beile vom Leben zum Tode bringen.

Er sandte ferner zwei andere Juden, die zu den einflussreichsten zählten, sowie die Hohenpriester Jonathas und Ananias und den Sohn des letzteren, Ananus, mit noch einigen anderen angesehenen Juden zum Kaiser, wohin auch die bekanntesten Häupter der Samariter auf sein Geheiß abgehen mussten.

Selbst Cumanus und der Tribun Celer erhielten von ihm die gemessene Weisung, nach Rom zu segeln, um von den jüngsten Vorgängen dem Kaiser Claudius Rechenschaft abzulegen. Nach diesen Maßregeln reiste er von Lydda nach Jerusalem hinauf, wo er das Volk gerade bei der Feier der ungesäuerten Brote und in musterhafter Ruhe antraf. Er kehrte darum alsbald wieder nach Antiochien zurück.


In Rom nahm unterdessen der Kaiser den Cumanus und die Samariter ins Verhör, bei dem auch Agrippa sich eingefunden hatte, um mit großem Eifer für die Juden eine Lanze zu brechen, zumal sich auch für Cumanus viele römische Größen eingesetzt hatten. Die Sache endete mit der Verurteilung der Samariter, von denen Claudius drei der einflussreichsten hinrichten ließ, während er den Cumanus in die Verbannung schickte.

Der Tribun Celer musste sogar auf kaiserlichen Befehl gefesselt nach Jerusalem geschafft werden, damit die Juden zuerst an ihm ihr Müthchen kühlen könnten: dann sollte er noch in der ganzen Stadt herumgeschleppt und schließlich enthauptet werden.


Nach diesen Ereignissen schickte Claudius den Bruder des Pallas, namens Felix, als Landpfleger von Judäa, Galiläa, Samaria und Peräa in den Orient. Er erhob auch um diese Zeit den Agrippa vom Königreiche Chalcis auf einen größeren Thron, indem er ihm die Tetrarchie gab, die einst Philippus gehört hatte, bestehend aus den Landschaften Batanäa, Trachonitis und Gaulanitis, vermehrt um das Reich des Lysanias und das frühere Herrschaftsgebiet des Varus.

Darauf starb der Kaiser nach einer Regierung von 13 Jahren, 8 Monaten und 20 Tagen und hinterließ als Nachfolger in der Herrschaft den Nero, welchen er, von den Intriguen seiner Gemahlin Agrippina umgarnt, adoptiert und zum Erben der Krone gemacht hatte, obschon er von seiner früheren Gattin Messalina ohnehin einen männlichen Leibessprossen in Brittanicus erhalten hatte, wie auch eine Tochter, namens Octavia, die er selbst noch mit Nero verbunden hatte. Auch von der Petina hatte er noch eine Tochter, die Antonia.