Viele Vornehme flüchten aus Jerusalem. Cestius schickt eine Gesandtschaft an Nero. Die Juden von Damaskus. Die Rebellen stellen eine Anzahl Heerführer, darunter auch Josephus, den Geschichtschreiber dieses Krieges, auf. Tätigkeit des letzteren in Galiläa


Nach diesem unglücklichen Zuge des Cestius verließen viele angesehene Juden die Stadt, wie die Ratten das sinkende Schiff. Auch die Brüder Kostobar und Saulus hatten sich mit Philippus, dem Sohne des Jakimus, dem Feldhauptmann des Königs Agrippa, aus der Stadt davongemacht und zu Cestius begeben.

Dagegen hatte es Antipas, der auch mit den genannten Personen die Belagerung im Königshofe durchgemacht hatte, verabsäumt, zu fliehen, und wurde, wie wir später noch berichten werden, von den Rebellen ermordet.

Saulus und seine Freunde wurden nun von Cestius auf deren eigenes Verlangen zu Nero nach Achaja geschickt, um dem Kaiser ihre persönliche Notlage zu klagen und alle Verantwortung für den Krieg auf Florus zu schieben. In dem Grade, als der Zorn des Kaisers auf Florus gelenkt wurde, hatte natürlich auch Cestius Aussicht, die über seinem eigenen Haupte schwebenden Gefahren wenigstens abzuschwächen.


Unterdessen hatte man auch zu Damaskus Kunde von der Niederlage der Römer erhalten, was zur Folge hatte, dass die Einwohner sich sofort entschlossen, alle bei ihnen lebenden Juden aus dem Wege zu räumen.

Man glaubte mit der Ausführung dieses Planes umso leichteres Spiel zu haben, weil man, von Misstrauen geleitet, die Juden schon früher im Gymnasium zwangsweise zusammengebracht hatte, wo sie jetzt noch waren. Was sie fürchteten, waren nur die eigenen Frauen, da mit wenigen Ausnahmen alle der jüdischen Religion ergeben waren.

Sie suchten deshalb das Geheimnis mit der peinlichsten Vorsicht vor denselben zu wahren, und so konnten sie sich über die 10.000 unbewaffneten, in einem engen Raum zusammengepferchten Juden plötzlich hermachen und sie alle binnen einer Stunde ohne jeden ernsten Widerstand hinmetzgern.


Von der Verfolgung des Cestius nach Jerusalem zurückgekehrt, suchten die Rebellen nunmehr die noch römisch gesinnten Juden zum Teil mit Gewalt, zum Teil mit guten Worten auf ihre Seite zu ziehen und schritten dann in einer öffentlichen Versammlung am Heiligtum zur Aufstellung einer noch größeren Anzahl von Heerführern für den kommenden Krieg.

Gewählt wurden Joseph, Sohn des Gorion, und der Hohepriester Ananus, welche die höchste Gewalt über die ganze Hauptstadt erhielten und ganz besonders dafür zu sorgen hatten, dass die Stadtmauern höher gebaut würden.

Der Grund, warum man nicht Eleazar, den Sohn des Simon, mit der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten betrauen wollte, obwohl derselbe bereits die römische Beute, wie auch die Casse des Cestius und außerdem einen großen Teil des Staatsschatzes unter seine Verwaltung zu bringen gewusst hatte, war der, dass man an ihm schon tyrannische Gelüste hervortreten und auch die ihm unterstehenden Zeloten fast wie königliche Leibgarden schalten und walten sah.

Indes bekam Eleazar, unterstützt von dem immer fühlbarer werdenden Geldmangel, mit seinen Vorspiegelungen das Volk allmählich wieder so herum, dass es sich von ihm vollständig beherrschen ließ.


Noch andere wählte man zu Heerführern in Idumäa, nämlich Jesus, den Sohn des Sapphias, einen aus der Zahl der Hohenpriester, und Eleazar, den Sohn des Hohenpriesters Ananias. Dem bisherigen Kommandanten von Idumäa, Niger mit Namen, der aus der Landschaft Peräa am Jordan her war und darum den Zunamen „der Peräer“ hatte, ließen sie den Befehl zugehen, sich den neuen Heerführern unterzuordnen.

Auch die übrigen Landesteile ließ man nicht aus dem Auge, sondern sandte u. a. nach Jericho den Joseph, Sohn des Simon, nach Peräa den Manasses, während im Kreise von Thamna der Essäer Johannes das Kommmando übernehmen sollte, dem auch Lydda, Joppe und Emmaus zugeteilt wurden.

Zum Kriegsobersten im Kreise von Gophna und Akrabatene ward Johannes, der Sohn des Ananias, ernannt, in dem Gebiete der beiden Galiläa aber Josephus, Sohn des Matthias, dessen Kommando auch Gamala, die stärkste Festung der dortigen Landschaft, zugewiesen wurde.


Jeder einzelne Kommandant suchte nun je nach seinem Eifer oder Verständnis das ihm anvertraute Gebiet zu organisieren. Was Josephus anlangt, so war es seine erste Sorge, als er nach Galiläa kam, sich bei den Einheimischen beliebt zu machen, weil nach seiner Überzeugung damit schon das meiste für die Zukunft gewonnen war, sollte er auch bei seinen sonstigen Maßregeln ganz fehlgreifen.

Da er ferner wohl erkannte, wie sehr er die Mächtigen des Landes durch deren Heranziehung zu den Regierungsgeschäften, nicht minder aber auch das ganze Volk sich verbindlich machen würde, wenn er ihm für gewöhnlich nur durch landesgesessene und populäre Persönlichkeiten seine Befehle zukommen ließe, so wählte er aus der Mitte des Volkes siebzig der verständnisreichsten Aeltesten aus und bestellte sie zu Häuptern von ganz Galiläa.

Überdies setzte er in jeder Stadt sieben Richter, aber nur für Bagatellstreitigkeiten, ein, da Angelegenheiten von größerer Wichtigkeit und namentlich die peinlichen Processe an ihn selbst und den Rat der Siebzig geleitet werden sollten.


Nachdem er so nach innen die gesetzliche Ordnung im Schoße der einzelnen Städte festbegründet hatte, wandte er sein Augenmerk ihrer Sicherstellung nach außen zu.

In der richtigen Erkenntnis, dass der Angriff von Seite der Römer über Galiläa her erfolgen werde, setzte er die geeignetsten Plätze, wie Jotapata, Bersabe und Selamin, ferner auch Kapharekcho, Japha und Sigoph, den Berg, welcher den Namen Itabyrium führt, Tarichää und Tiberias in Verteidigungsstand. Dazu schuf er noch die im sogenannten unteren Galiläa um den See Gennesar gelegenen Höhlen in Bollwerke um, was er auch in Obergaliläa mit dem Felsennest, Achabaron zubenannt, mit Seph, Jamnith und Meroth tat.

Im Gebiete von Gaulanitis verstärkte er Seleukia, Sogane und Gamala. Nur bei Sepphoris überließ er es den Einwohnern selbst, die Stadtmauern zu erneuern, weil er sah, dass sie sich mit den Geldmitteln leicht taten, und es bei ihrer kriegerischen Begeisterung eines eigenen Befehles auch nicht bedurfte.

Ähnlich war es auch bei Gischala, das Johannes, der Sohn des Levi, auf eigene Rechnung, wenn auch nicht ohne vorgängigen Auftrag von Seite des Josephus, befestigte. Alle anderen Festungsbauten leitete der letztere persönlich, indem er selbst Hand anlegte und die nötigen Weisungen erteilte.

Dazu hob er auch aus Galiläa eine Macht von mehr als 100.000 Streitern, lauter junge Mannschaft, aus, die er vollständig mit alten, zusammengesuchten Waffen versah und so wehrhaft machte.


Da er ferner den Grund für die Unbesiegbarkeit der römischen Heeresmacht ganz besonders im pünktlichen militärischen Gehorsam und in ihrer reichen Erfahrung im Waffenhandwerk fand, seinerseits aber alle Hoffnung aufgeben musste, diese Erfahrung, die nur durch wirklichen Kampf zu gewinnen war, nachzuholen, so suchte er wenigstens seinem Heere eine dem römischen entsprechende Gliederung zu geben und stellte darum eine größere Zahl von Chargen an, indem er wohl einsah, wie die rasche Ausführung der Befehle nur durch eine größere Mannigfaltigkeit der Führerstellen erzielt werden könne.

Er formierte aus seinen Kriegern verschiedene Abteilungen, von denen er die einen den Decurionen, beziehungsweise den Centurionen, in weiterer Folge hinauf den Obersten und außer diesen Chargen zuletzt noch den Generälen unterstellte, welche schon größere Heeresmassen zu befehligen hatten.

Weiter belehrte er sie über die Ausgabe der Parole, über Angriffs- und Rückzugssignale mittels Trompeten, über das Vorrücken und die Schwenkungen der Flügel, und wie man sich, falls man auf einem Flügel im Vorteile wäre, von da weg dem bedrohten zuwenden müsse, auf dem gefährdeten Punkte selbst aber unterdessen redlich zusammenhalten solle.

Stets zielten seine Unterweisungen darauf hin, auf alle mögliche Weise ihren Heldensinn und ihre Körperkraft zu stählen, am allerwirksamsten aber suchte er sie dadurch auf den Kampf vorzubereiten, dass er ihnen bis ins einzelnste die militärische Taktik bei den Römern zergliederte und sie daran erinnerte, wie sie es mit Männern werden aufnehmen müssen, welche ihrer eigenen Körperkraft und Entschlossenheit die Herrschaft über den gesammten Erdkreis fast zu verdanken hätten.

Dabei bemerkte er jedoch, sie müssten ihm von ihrer Manneszucht im kommenden Kriege schon vor dem Zusammenstoß mit dem Feinde eine Probe ablegen und zwar damit, dass sie sich der gewohnten Ungerechtigkeiten, wie Diebstähle, Räubereien und Plünderungen enthalten und aufhören sollten, ihre eigenen Landsleute zu hintergehen und sich in der Schädigung der eigenen Blutsfreunde einen Erwerbszweig zu suchen.

Der Krieg,“ pflegte Josephus zu sagen, „geht dann am besten vonstatten, wenn dabei die Streiter ein gutes Gewissen haben. Wer aber schon von vornherein mit Schurkereien belastet in den Kampf geht, der wird nicht bloß die heranziehenden Feinde, sondern auch Gott selber zum Gegner haben.


Ähnliche begeisternde Worte richtete er bei jeder Gelegenheit an seine Krieger. Das Heer zählte, soweit es um ihn, zum Losschlagen bereit, versammelt war, an Fußgängern 60.000, an Reitern aber nur 250 Mann. Zu dieser Streitmacht, die seine Hauptstütze bildete, kamen noch bei 4.500 Söldner und eine auserlesene Leibwache von 600 Mann, die er immer um sich hatte.

Die Verpflegung dieses Heeres mit Ausnahme der Söldner besorgten, und zwar ohne besondere Belastung, die einzelnen Städte, indem eine jede von den ausgemusterten Kriegern nur die Hälfte zum activen Felddienst ausrücken ließ, während sie die übrigen zur Erwerbung des nötigsten Lebensunterhaltes für die Feldarmee zu Hause zurückbehielt. Auf diese Weise waren die einen dem Waffenhandwerk, die anderen aber der wirklichen Händearbeit zugeteilt, und während die einen die Lebensmittel ins Feld sandten, ward ihnen dafür von ihren Brüdern, die unter den Waffen standen, die Sicherheit des eigenen Lebens gewährleistet.