Beschreibung des römischen Heerwesens.


Schon an dieser eben besprochenen Handlungsweise muss man die Vorsorge der Römer bewundern, die sich ihre Dienerschaft nicht bloß für die Dienste des gewöhnlichen Lebens, sondern auch für die Verwendung im Felde abrichten.

Wirft man aber dann erst einen Blick auf die sonstige Organisation ihres Heeres, so wird man zur Erkenntnis kommen, dass das ungeheure Reich, das sie besitzen, lediglich der Lohn ihrer Tatkraft und nicht ein Geschenk des Glückes ist.

Denn bei ihnen greift man nicht erst im Kriege zu den Waffen, noch rührt der Römer die Hand bloß im Notfall, um sie zur Friedenszeit matt in den Schoß zu legen, sondern, als wäre er mit den Waffen verwachsen, erlaubt er sich in ihrer Übung niemals einen Stillstand, noch wartet er damit erst auf einen bestimmten Zeitpunkt.

Ihre militärischen Exerzitien lassen aber zugleich in keiner Hinsicht den Nachdruck des Ernstfalles vermissen, sondern jeder Soldat übt sich Tag für Tag mit allem Eifer genau so, als stünde er vor dem Feinde, und so halten sie auch im blutigen Streite spielend leicht Stand, da weder eine Verwirrung ihre gewohnte Schlachtordnung auflösen, noch Schrecken sie lähmen, noch Strapazen sie aufreiben können. Immer folgt der Sieg zuverlässig ihren Fahnen, weil ihnen nie ein Gegner ebenbürtig wird, so dass man nicht fehlgehen würde, wenn man ihre Manöver unblutige Schlachten, ihre Schlachten aber einfach blutige Manöver nennen wollte.

Können sie ja doch nicht einmal auf dem Wege der Überrumplung eine leichte Beute für den Feind werden, indem sie, um das zu verhindern, wo immer sie in Feindesland stehen, früher keine Schlacht annehmen, ehe sie ein verschanztes Lager geschlagen haben.

Letzteres errichten sie nicht an einem beliebigen Punkte noch auch unregelmäßig, sowie auch nicht alle ohne Unterschied zum Lagerbau verwendet werden, noch dieser selbst ohne genaue Ordnung vor sich geht. Vielmehr wird, wo das Terrain uneben ist, dasselbe zunächst planiert, dann das Lager in der Form eines Viereckes für das Heer abgemessen.

Zu diesem Zwecke folgt den Legionen stets ein zahlreiches Corps von Werkleuten mit den zum Lagerbau notwendigen Instrumenten.


Der Innenraum des Lagers wird auf die einzelnen Zelte verteilt, während der äußere Rand den Anblick einer Mauer gewährt, die in gleichen Abständen von Türmen beherrscht ist.

Zwischen diesen Türmen werden die kleinen und großen Katapulten und die Steinwurfmaschinen, kurz alle Arten von Geschützen, sämmtlich schussbereit, aufgestellt.

In die Umfassung sind vier Tore, je ein Tor nach einer Seite, eingelassen, die ebenso den Lasttieren einen bequemen Zugang gewähren, wie sie den Soldaten selbst einen breiten Raum zu einem etwa nötig werdenden raschen Ausfall bieten.

Das Innere des Lagers ist sehr geschickt in Straßen geteilt. In der Mitte schlägt man die Gezelte für die höheren Offiziere und zwischen diesen wieder als Mittelpunkt des Ganzen das Feldherrnzelt auf, das sich wie ein Tempel ausnimmt.

Wie auf einen Zauberschlag zeigt sich unseren Blicken eine Stadt im Kleinen, mit ihrem Markte, ihren Handwerksstätten und Gerichtsstühlen, wo die Rottenführer und Feldobristen über vorkommende Streitigkeiten zu entscheiden pflegen.

Ehe man sichs nur versieht, steht auch schon die Umwallung und alles, was sie einschließt, unter sovielen und so kundigen Händen fix und fertig da. Im Falle dringenderer Not wird auch noch ein Graben in einer Tiefe von vier Ellen und von der gleichen Breite von außen herum aufgeworfen.


Nachdem sie sich so verschanzt haben, campieren sie in aller Ruhe und Ordnung, jeder in seiner ihm angewiesenen Stellung. Pünktlich und sicher vollzieht sich bei ihnen auch alles andere. So geschieht das Herbeischaffen von Holz, Proviant und Fourage, sowie die Wasserzufuhr im Falle des Bedarfes stets durch besondere Abteilungen.

Ja, es ist auch dem Einzelnen durchaus nicht freigestellt, die Abend- oder die Mittagmahlzeit einzunehmen, wann er will, sondern sie ist für alle gemeinschaftlich. Zum Schlafen und für die Wachstunden, wie auch zum Aufstehen wird vorher durch Trompeten das Zeichen gegeben, und nichts geschieht ohne Kommando.

Gegen Morgen finden sich die Gemeinen sämmtlich bei ihren Hauptleuten, diese hinwieder bei ihren Obersten ein, um ihnen einen guten Tag zu wünschen, worauf dann alle anderen höheren Offiziere mit den Obersten sich dem Generalissimus vorstellen, der ihnen nun die beim Militär eingeführte Losung sowie die anderen Befehle zur Mitteilung an die unterstehenden Abteilungen gibt. Dieselbe stramme Ordnung beobachten sie auch während der Schlacht, indem sie sich rasch dorthin werfen, wo es eben notthut, und dem Kommando ebenso kompakt zum Angriff, wie zum Rückzug folgen.


Muss das Lager verlassen werden, so gibt die Trompete hiezu das Signal. Keiner zaudert dann, sondern kaum ist das Zeichen verklungen, so bricht man schon auch die Zelte ab und stellt alles zum Ausmarsch fertig.

Ein wiederholter Trompetenstoß gibt jetzt das Zeichen, bereit zu sein. In einer Schnelligkeit laden nun die Soldaten das Gepäck auf die Maulesel und sonstigen Saumtiere und stehen dann da, wie die Wettläufer vor dem Seile der Rennbahn, zum Losbrechen bereit. Gleichzeitig lässt man das Lager in Flammen aufgehen, da es einerseits für die Römer ein Leichtes ist, am selben Orte ein neues Lager zu errichten, auf der anderen Seite aber zu fürchten wäre, dass das stehengebliebene einmal den Feinden von Nutzen sein könnte.

Noch ein drittes Trompetensignal meldet den bevorstehenden Ausmarsch und spornt jene, die aus irgend einer Ursache sich noch verweilen, zur Eile an, auf dass Niemand in seiner Reihe fehle.

Hierauf stellt der zur rechten Seite des Kriegsobersten stehende Herold dreimal in lateinischer Sprache die Anfrage, ob die Soldaten bereit wären zu kämpfen. Wie ein gewaltiges Brausen, und zwar des Jubels, schallt es ihm ebenso oftmal zur Antwort entgegen: „Wir sind bereit!“ Ja sie kommen dem Frager zuvor und heben, wie von einem Hauche des Kriegsgottes angeweht, unter lautem Geschrei die rechte Hand in die Höhe.


Nun rücken die Soldaten aus und marschieren alle in der Stille und unter Einhaltung der Ordnung dahin, indem ein jeder Reih und Glied geradeso wahrt, wie im Kampfe selbst. Die Fußgänger sind mit Harnisch und Helm gewappnet und tragen links und rechts je ein Seitengewehr, von denen das Schwert zur Linken die Wehr zur Rechten bedeutend an Länge überragt, da letztere nicht mehr als eine Spanne lang ist.

Die auserlesene Garde des Feldherrn zu Fuß trägt Lanze und runden Schild, während das übrige Kriegsvolk zu Fuß Speere und längliche viereckige Schilde und außerdem noch Säge, Korb, Schaufel und Axt, ferner Riemen, Sichel und Handschellen, wie auch Mundvorrat für drei Tage tragen muss, so dass der Soldat zu Fuß einem Packesel wirklich nicht viel nachgibt.

Die Reiter dagegen haben auf der rechten Seite ein langes Schwert und in der Hand einen ziemlich langen Stangenspieß, indes ein viereckiger, schräg liegender Schild die Flanke des Pferdes deckt. In einem Köcher stecken noch drei oder mehr Wurfspieße, die an ihrer Eisenspitze sich verbreitern, aber sonst in ihrer Länge sich von förmlichen Speeren nicht unterscheiden. Alle haben Helme und Rüstung, wie die Fußgänger.

Die reitende Garde des Feldherrn hat übrigens gar keine anderen Waffen, als wie die Reiter der gewöhnlichen Geschwader. An der Spitze des Zuges marschiert stets jene Legion, die durch das Los die Vorhut bekommen hat.


Das ist also die Marsch- und Lagerordnung bei den Römern, sowie der Unterschied in ihrer Bewaffnung. Bei ihren kriegerischen Operationen geschieht nichts ohne vorausgehende Beratung, nichts ohne Vorbereitung, vielmehr wird jede Unternehmung stets von einem bestimmten Entschluss geleitet, aber auch das, was einmal beschlossene Sache ist, in die Tat umgesetzt.

Das ist auch der Grund, warum sie sehr wenige Fehler machen und, falls sie doch dann und wann zu Schaden kommen, die gemachten Fehler leicht wieder verbessern können.

Ja, sie halten selbst das Misslingen eines vorbedachten Planes noch für etwas besseres, als solche Erfolge, die nur der Ausfluss des Glückes sind, da ein nur zufälliger schöner Erfolg, wie sie sagen, zur Unbedachtsamkeit verleite, während die Verstandesarbeit, auch wenn sie manchmal Unglück habe, doch wenigstens eine heilsame Sorgfalt erzeuge, um neue Schlappen zu vermeiden.

Sowie einerseits kein Glückskind die Genugtuung haben könne, diese Güter sich selbst erworben zu haben, so sei es auch umgekehrt bei ganz unerwartet über uns hereinbrechenden Unglücksfällen noch ein tröstender Gedanke, dass man es wenigstens nicht an reiflicher Überlegung habe fehlen lassen.


Auf solche Weise erhöhen die Römer mit ihren Waffenübungen sowohl die Kräfte des Leibes, wie die Energie des Geistes. Dieser Übung kommt auch die Furcht zu Hilfe, da die Kriegsartikel bei ihnen nicht bloß auf Fahnenflucht, sondern schon auf eine geringe Säumigkeit die Todesstrafe setzen. Aber noch mehr als die Militärgesetze sind die Feldherren selbst zu fürchten, da diese nur durch ihre Auszeichnungen, die sie an die verdienstvollen Krieger verleihen, in etwa den Eindruck der Grausamkeit verwischen können, den ihr Verfahren gegen strafbare Soldaten hervorruft.

Der Gehorsam gegen die Anführer ist dafür aber auch so stramm, dass es im Frieden eine wahre Pracht ist, in der Schlacht aber das ganze Heer nur einen einzigen Leib zu bilden scheint: so eng verwachsen sind die Glieder, so behende ihre Schwenkungen, so scharf horcht jedes Ohr auf das Kommando, so scharf sieht jedes Auge auf die Zeichen, so schnell ist jede Hand am Werke.

So sind sie also auf der einen Seite immer rasch im Handeln und doch auf der anderen wieder sehr zäh im Leiden. Nie und nirgends sind sie im Kampfe, sei es der Übermacht, oder Kriegslist, oder den Schwierigkeiten des Terrains, ja selbst nicht einmal der Gewalt des Schicksals erlegen. Denn ihre sieghafte Kraft ist selbst durch des Schicksals Mächte nicht zu erschüttern!

Sollte man sich demnach bei einem Volke, bei dem stets eine weise Überlegung der Tat vorausgeht, und hinwieder ein so unternehmungslustiges Kriegsheer den Beschlüssen zu Diensten steht, noch wundern, dass es seine Herrschaft im Osten gegen den Euphrat, im Westen an den Ocean, im Süden zu den üppigsten Fluren Libyens, gegen Norden aber an den Ister und den Rhein vorgeschoben hat? Im Gegenteil, man könnte eher mit Fug und Recht die Behauptung aufstellen, dass selbst dieser gewaltige Besitz für solche Eroberer noch keinen würdigen Preis abgebe.


Vorstehende Schilderung habe ich indes nicht so sehr in der Absicht entworfen, um die Römer herauszuheben, als vielmehr, um den Besiegten damit einen Trost zu spenden und die revolutionären Elemente unter ihnen zu warnen.

Vielleicht bereichert auch die Darstellung der römischen Heerführung die Erfahrung manches für alles Edle begeisterten Mannes, der bislang davon keine Kenntnis gehabt hat. Nun kehre ich wieder zum Ausgangspunkt meiner Abschweifung zurück.