Niederlage der Römer vor Jotapata. Vespasians Einfall in Galiläa. Römische Marschordnung. Entmutigung unter den Kriegern des Josephus.


Unterdessen verweilte Vespasian mit seinem Sohne Titus noch immer in Ptolemais, um die römischen Streitkräfte zu organisieren, während Placidus seine Streifzüge in Galiläa fortsetzte. Nachdem der letztere eine große Menge Menschen, die übrigens nur dem wehrloseren und ausgemergelten Teile der galiläischen Bevölkerung angehörten, in seine Gewalt gebracht und niedergemetzelt hatte, und dabei sehen musste, wie gerade die waffenfähigen Leute ihm regelmäßig nach den von Josephus befestigten Städten entschlüpften, so richtete er nunmehr seinen Marsch gegen die stärkste dieser Vesten, nämlich gegen Jotapata, weil er meinte, sie gleich im ersten Anlaufe mit leichter Mühe nehmen zu können. Diese Eroberung musste natürlich ihm selbst, wie er dachte, bei den obersten Heerführern hohen Ruhm, den letzteren aber einen ebenso großen Vorschub für die übrigen Kriegsoperationen verschaffen, da, wenn einmal die bedeutendste Festung in den Händen der Römer war, zu erwarten stand, dass auch die übrigen schon aus Furcht sich ihnen anschließen würden.

Diese Hoffnung betrog ihn aber gewaltig! Die Besatzung von Jotapata hatte nämlich von seinem Anzuge Witterung bekommen und richtete sich vor der Stadt auf einen gehörigen Empfang. Ohne dass die Römer eine Ahnung hatten, stürzten sich die Juden auf ihre Heerschar, und es gelang ihnen auch, da sie sehr zahlreich und für den Kampf vorbereitet, ja für denselben geradezu begeistert waren – galt er ja doch dem Schutze der gefährdeten Vaterstadt und den eigenen Frauen und Kindern! –, die Römer rasch in die Flucht zu schlagen.

Dabei verletzten sie viele aus ihnen, tödteten ihnen aber doch nur sieben Mann, weil einesteils der Rückzug der Römer nicht in eine regellose Flucht ausartete, anderenteils die einzelnen Verwundungen am Leibe der ringsum gepanzerten Feinde nur oberflächliche sein konnten, zumal die Juden bei ihrer leichten Bewaffnung mit den Schwerbewaffneten in der Nähe nicht recht anzubinden wagten, sondern sie mehr aus der Ferne beschossen.

Auch bei den Juden fielen drei Mann, und gab es einige wenige Verwundungen. Da sich auf solche Weise Placidus aus eigener Erfahrung von seiner Unzulänglichkeit, die Stadt zu berennen, überzeugt hatte, zog er sich vollständig zurück.


Nunmehr aber brachte Vespasian, der selbst einen Einfall in Galiläa schon fest im Sinne hatte, sein eigenes Heer in die bei den Römern übliche Marschordnung und rückte von Ptolemais ab.

Dem eigentlichen Zuge ließ er die leicht bewaffneten Hilfstruppen und Bogenschützen vorausschwärmen, um plötzliche Überfälle von Seite der Feinde zurückzuweisen und verdächtige Waldgründe, die leicht einen Hinterhalt bergen konnten, zu durchstöbern. Hinter diesen kam dann auch ein römisches Detachement von Schwerbewaffneten zu Fuß und zu Pferde, gefolgt von zehn Soldaten aus jeder Centurie, die außer dem eigenen Gepäck auch noch die Messinstrumente zur Herstellung des Lagers mit sich führten.

An diese reihten sich die Wegmacher, welche die Aufgabe hatten, die Windungen der Heeresstraße abzukürzen und rauhe Stellen zu ebnen, wie auch hinderliches Strauchwerk zuvor abzuhauen, damit das Heer vom schlechten Wege nicht zu leiden hätte.

Hinter ihnen ließ Vespasian sein eigenes Gepäck und das seiner Unterfeldherren, welches eine starke Reiterabteilung bewachen musste, transportieren.

Dann kam er selbst geritten, umgeben von seinen Elite-Garden zu Fuß und zu Ross und den Lanzenträgern. Ihm folgte die jeder Legion zugeteilte römische Reiterei, die da für eine Legion stets 120 Mann beträgt.

An diese schlossen sich die Maultiere, welche die Helepolen und die sonstigen Kriegsgeschütze trugen.

Hierauf kamen die Legionskommandanten und die Präfekten der Cohorten mit den Tribunen, umschlossen von einer auserlesenen Kriegerschar; dann die Standarten mit dem Adler in ihrer Mitte, welcher als König und Gewaltigster unter den Vögeln bei den Römern einer jeden Legion vorauszieht, da er ihnen ebensowohl als Zeichen der Herrschaft, wie auch als glückliche Vorbedeutung des Sieges gilt, mag der Feind, den sie angreifen wollen, sein, wer immer.

Hinter den heiligen Zeichen schritten die Trompeter, und dann marschierten die Schlachtreihen auf, die Colonne sechs Mann hoch und, wie üblich, von je einem Hauptmann zur Überwachung der Ordnung begleitet.

Nach dem Fußvolk kam der ganze Tross von Knechten, der den einzelnen Legionen angehörte und die Bestimmung hatte, das Gepäck der Soldaten auf Maultieren und anderen Lasttieren dem Heere nachzuführen.

Diesem Zug der Legionen folgten dann noch die Miettruppen, an die sich als Nachtrab zur Deckung der ganzen Marschlinie teils leicht, teils schwer bewaffnetes Fußvolk und eine zahlreiche Reiterschar anschloss.


In dieser Ordnung setzte Vespasian und seine Streitmacht den Marsch bis zur Grenze Galiläas fort. Daselbst angekommen, schlug er ein Lager auf und suchte die Kampfbegier seiner Soldaten einstweilen noch zu zügeln, weil er die Absicht hatte, durch die Entfaltung seiner Heeresmacht den Mut der Feinde zu brechen und ihnen Zeit zur Umkehr zu gewähren, falls sie doch noch vor dem Kampfe sich eines Besseren besinnen möchten. Zu gleicher Zeit suchte er aber auch seine Rüstungen zur Belagerung ihrer Festungen noch zu ergänzen.

In der Tat rief auch das bloße Erscheinen des Oberfeldherrn in Galiläa bei vielen schon Reue über ihren Abfall, bei allen aber wenigstens Schrecken hervor.

So flohen selbst jene, die unter Josephus unweit von Sepphoris bei der Stadt Garis ein Lager bezogen hatten, auf die Kunde darüber, dass es mit dem Kampfe jetzt ernst werde, und dass die Römer bald den blutigen Strauß mit ihnen beginnen würden, nicht etwa erst unmittelbar vor der Schlacht, sondern bevor sie noch den Feind gesehen hatten, nach allen Windrichtungen auseinander.

Nur eine kleine Schar blieb bei Josephus zurück, und da sich derselbe außerstande sah, an der Spitze einer so ungenügenden Truppenzahl es mit den Feinden aufzunehmen, und noch dazu bemerken musste, wie den Juden aller Mut entfallen war, und wie die meisten von ihnen bereit wären, sich zu Friedensvorschlägen herbeizulassen, wenn die Römer ihnen nur trauen wollten, so wurde ihm bereits jetzt wegen des ganzen Krieges angst und bange.

Vor der Hand aber beschloss er, wenigstens der Gefahr eines Zusammenstoßes, soweit als möglich, auszuweichen, und flüchtete sich mit den wenigen Leuten, die bei ihm noch ausgehalten hatten, nach Tiberias hinab.