Vespasians Rückkehr noch Cäsarea. Fall von Joppe. Die Wirkung der Eroberung Jotapatas auf Jerusalem. Vespasian in Cäsarea Philippi. Übergabe von Tiberias.


Am vierten des Monates Panemus kehrte Vespasian nach Abbruch des Lagers mit dem Heere wieder nach Ptolemais zurück und zog von da nach Cäsarea am Meere, das eine der bedeutendsten Städte in Judäa und zum größeren Teile von Griechen bewohnt ist.

Sowohl Heer als Feldherr fanden bei den Bewohnern den begeistertsten und zuvorkommendsten Empfang, was in ihrer Anhänglichkeit an die Römer, ganz besonders aber in ihrem Hasse gegen die Besiegten seinen Grund hatte. Dieser Hass machte sich auch unter den dichtgedrängten Scharen in den lautesten Schmähungen gegen Josephus Luft, dessen Hinrichtung man offen begehrte.

Vespasian hatte für die diesbezügliche Forderung einer unreifen Menge nur ablehnendes Schweigen.

Zwei Legionen quartierte er dann für den Winter in Cäsarea ein, weil die Stadt, wie er sah, für Winterquartiere ganz geschaffen war, die fünfzehnte Legion aber in Scythopolis, um nicht der Stadt Cäsarea durch die Aufhalsung des ganzen Heeres allzustark wehe zu tun.

Da Cäsarea in der Ebene und am Meeresstrande gelegen ist, so herrscht daselbst im Sommer eine erstickende Hitze, infolgedessen aber auch zur Winterszeit eine ganz milde Temperatur.


Unterdessen hatte sich aus solchen Leuten, die in den vorausgegangenen Bürgerkämpfen ihren Feinden noch entronnen waren, wie auch von jenen, die sich aus den verheerten Gebieten geflüchtet hatten, eine nicht unbeträchtliche Menge zusammengetan, um an dem Wiederaufbau des von Cestius früher verwüsteten Joppe zu arbeiten und aus der Stadt einen sicheren Schlupfwinkel für ihre Streifzüge zu machen.

Da das Land bereits von Feinden wimmelte, und sie daher nach dieser Seite so gut wie abgesperrt waren, so beschlossen sie, ihre Thätigkeit auf das Meer zu verlegen.

Sie bauten sich also eine große Flotte von Piratenschiffen und verübten damit auf dem ganzen Seeweg längs der Küste von Syrien und Phönizien, wie auch gegen Ägypten hin, ihre Räubereien, so dass sich schließlich in diesen Meeresgegenden kein Kauffahrer mehr sehen lassen durfte.

Als Vespasian von diesem Raubneste Kunde erhielt, schickte er eine Abteilung Fußvolk und Reiterei gegen Joppe ab, welche bei der Nacht in die, wie sie anfangs meinten, unbewacht gebliebene Stadt eindrangen.

In Wirklichkeit aber hatten die Einwohner von dem bevorstehenden Angriff Wind bekommen und sich voll Respekt vor den Römern, ohne eine Verteidigung zu wagen, auf ihre Schiffe geflüchtet, wo sie nun außer dem Bereiche der feindlichen Geschosse die Nacht zubrachten.


Zufolge seiner natürlichen Lage entbehrt Joppe eines ordentlichen Hafens, da das Land dort in ein rauhes Felsenufer ausläuft, welches sich noch dazu fast ganz geradlinig hinzieht und nur auf beiden Seiten in zwei schwachgekrümmte Hörner endet.

Diese Hörner schließen aber selbst wieder nur mit hohen Steilwänden und mit einer Reihe noch weit ins Meer vorspringender Felsklippen ab. An einer solchen Klippe zeigt man noch jetzt den Abdruck der Ketten, mit denen Andromeda gefesselt war, was jedenfalls ein Beweis für das hohe Alter dieser Sage ist.

Da das Gestade unmittelbar den Stößen des Nordwindes ausgesetzt ist, welcher die Wogen an den ihn auffangenden Felsen hoch hinaufschleudert, so wird dadurch die Bucht für Schiffe noch gefährlicher, als selbst die weite Meereswüste es sein könnte.

In dieser Bucht also war es, wo die Leute von Joppe vor Anker lagen, als sich plötzlich am Morgen eine gewaltige Windsbraut, die bei den dortigen Schiffersleuten unter dem Namen „schwarzer Nord“ bekannt ist, gegen sie entfesselt.

Ein Teil der Schiffe wurde vom Orkan gleich an Ort und Stelle durch den Zusammenstoß mit anderen, ein Teil an den Felsen zerschmettert, während viele andere, die aus Furcht vor den Klippen am Ufer und vor den am Gestade lauernden Römern sich durch die anstürmenden Wogen einen Weg ins offene Meer erzwingen wollten, von der riesigen Hochflut begraben wurden.

Es gab weder einen Ausweg zur Flucht, noch war im Bleiben Heil, da der Sturm sie mit aller Gewalt aus dem Meere gegen die Stadt, die Angst vor den Römern aber von der Stadt weg ins Meer hinaus trieb. Grausig war das Angstgeschrei aus den aneinander prallenden Schiffen, entsetzlich das Krachen der berstenden Wände!

Ein Teil der darauf befindlichen Leute ward sofort ins nasse Wellengrab hinabgerissen, viele wurden unter den Schiffstrümmern zermalmt; manche stießen sich auch, um dem Tod im Meere durch einen leichteren zuvorzukommen, selbst das Schwert in die Brust: doch die meisten wurden von den Wogen gegen das Gestade geworfen, wo sie an den zackigen Klippen vollständig zerrissen wurden, so dass das Meer sich weit umher von ihrem Blute färbte, und die Küste sich mit Leichen bedeckte: ward einer noch lebend von der Brandung ans User geworfen, so machten ihm natürlich die dort stehenden Römer den Garaus.

Die Zahl der von der See im Ganzen ausgespülten Leichen betrug 4.200! Die Römer machten dann die ohne einen Tropfen Blutes bezwungene Stadt der Erde gleich.


Auf solche Weise war nun Joppe innerhalb eines kurzen Zeitraumes bereits zum zweitenmal von den Römern genommen.

Damit sich aber daselbst nicht neuerdings das Piratengesindel einnisten könnte, legte Vespasian auf der Höhe der Stadt ein festes Lager an, in welchem er die Reiterabteilung nebst einer kleinen Truppe Fußvolk postierte: während die letzteren an Ort und Stelle bleiben mussten, um das Lager zu bewachen, sollten die Reiter Plünderungszüge in die Umgebung machen und die um Joppe herumliegenden Dörfer und kleinen Städte verwüsten.

Nur zu pünktlich ward das ausgeführt: Tag für Tag durchstreiften sie verheerend das Land und verwandelten es in eine völlige Einöde.


Als die Katastrophe von Jotapata in Jerusalem bekannt wurde, schenkten anfänglich die meisten der Nachricht gar keinen Glauben; schien doch das Unglück allzugroß, und hatte sich ja noch kein einziger Augenzeuge dafür eingefunden!

In der Tat war auch nicht ein einziger entronnen, der das Unglück hätte melden können: dafür aber hatte sich nur von ungefähr ein dunkles Gerücht gebildet, dass die Stadt gefallen sei, wie sich denn überhaupt das Gerücht mit Vorliebe gerade an traurige Ereignisse hängt.

Allmählich aber brach sich die Überzeugung von der Wahrheit zunächst bei den Umwohnenden Bahn, um schließlich bei allen jeden Zweifel an der Tatsache selbst zu verdrängen. Freilich wurde dabei noch immer Wahres und Unwahres durcheinandergeworfen: so war berichtet worden, dass auch Josephus bei der Erstürmung umgekommen sei, eine Kunde, die in ganz Jerusalem die größte Trauer hervorrief.

Während alle übrigen Gefallenen nur in den betreffenden Häusern und in der Verwandtschaft, der sie angehörten, betrauert wurden, ward die Trauer um den Feldherrn zu einer Staatsfeier, und während dieser Tote von einem Gastfreunde, jener von einem Verwandten, ein dritter von einem Freunde, ein anderer wieder von einem Bruder beweint wurde, ward es Josephus von allen!

Unausgesetzt währte so das Weheklagen in der Stadt bis zum dreißigsten Tage, wobei sich die meisten durch gedungene Flötenspieler zu ihren Trauerliedern aufspielen ließen.


Als aber nach Ablauf einiger Zeit die Wahrheit in ihrem vollen Umfange ans Tageslicht kam, und mit den näheren Einzelnheiten des Dramas von Jotapata auch bekannt wurde, dass der Tod des Josephus nur ein leeres Gerücht gewesen, da er im Gegenteil sicherem Vernehmen nach noch am Leben und zwar im römischen Lager sei, wo er von Seite der Anführer eine bei Kriegsgefangenen sonst gar nicht übliche Aufmerksamkeit genieße, da fassten die Juden einen Zorn gegen den lebenden Josephus, der nicht geringer war, als das Wohlwollen, das sie früher dem vermeintlich todten Helden zugewendet hatten.

Die einen schimpften ihn eine feige Memme, die anderen einen Verräter: die ganze Stadt wiederhallte von Zornesausbrüchen und Schmähungen gegen Josephus.

Der schwere Schlag steigerte nur ihre Erbitterung, und die Misserfolge fachten die Glut ihres Ingrimmes nur noch stärker an. So wurde gerade der Schaden, der kluge Leute veranlasst, mehr auf ihre Sicherheit bedacht zu sein und sich vor neuen Unglücksfällen inacht zu nehmen, für die Juden ein Sporn, der sie in neues Elend trieb, so dass das Ende eines Übels bei ihnen stets wieder die Wurzel eines anderen in sich schloss.

Auch nach diesem letzten Ereignis war ihre Kampfeswut gegen die Römer noch gewachsen, da sie sich nunmehr in der Person der Römer auch an Josephus rächen wollten.

Das also war der große Sturm, der um diese Zeit die Geister in Jerusalem aufwühlte.


Jetzt wollte Vespasian auch einmal das Reich des Agrippa kennen lernen und wurde in diesem Vorhaben noch durch den König selbst bestärkt, der dabei die doppelte Absicht verfolgte, Heer und Heerführer auf den eigenen Gütern gastlich zu begrüßen, als auch mit deren Unterstützung die vom Aufruhr bereits angesteckten Elemente in seinem Reiche niederzuhalten. So brach er denn von Cäsarea am Meere auf und zog nach dem anderen Cäsarea hinüber, das den Beinamen Philippi führt.

Hier ließ er durch zwanzig Tage seine Soldaten sich erholen und hielt selbst auch im Anschluss an die für seine Waffentaten Gott dargebrachten Dankopfer festliche Gelage ab.

Da traf die Meldung ein, dass es in Tiberias gähre, und Tarichää gar schon abgefallen sei, beides Städte, die dem Königreich des Agrippa zugeteilt waren. Einen Feldzug gegen diese Städte hielt Vespasian schon darum für angezeigt, weil es sein Kriegsplan war, die Juden zunächst auf allen Punkten des Landes zu unterwerfen. Er tat es aber auch aus Rücksicht für Agrippa, in dessen Interesse er, schon aus Erkenntlichkeit für die gewährte Gastfreundschaft, die genannten Städte zur Vernunft bringen wollte.

Er schickte also seinen Sohn Titus mit dem Auftrage nach Cäsarea, das dort noch befindliche Militär nach Scythopolis, eine der größten Städte der Dekapolis und Nachbarstadt von Tiberias, zu führen.

Auch Vespasian selbst fand sich hier ein, um sich mit seinem Sohne nach dessen Rückkehr zu vereinigen. Darauf begann er mit drei Legionen seinen Vormarsch und ließ dreißig Stadien von Tiberias entfernt an einem für die Rebellen gut sichtbaren Standort, namens Sennabris, ein Lager aufschlagen.

Von hier sandte er dann den Decurio Valerianus mit fünfzig Reitern gegen die Stadt ab, um durch ihn den Bewohnern friedliche Vorschläge zu machen und sie zur Annahme einer Vereinbarung zu bewegen. Es war ihm nämlich zu Ohren gekommen, wie sehr sich das eigentliche Volk nach dem Frieden sehne, und dass es nur von einer kleinen Gegenpartei, die ihm den Krieg aufzwingen wolle, terrorisiert würde.

Valerianus ritt auf Tiberias zu, stieg aber, in die Nähe der Mauer gekommen, vom Pferde und ließ auch seine Begleiter absitzen, um nicht den Schein zu erwecken, als ob er bloß scharmuzieren wolle. Bevor es jedoch zum Reden kam, stürmten auch schon die handfesteren Rebellen mit geschwungenen Waffen auf sie heraus, geführt von einem gewissen Jesus, einem Sohn des Saphatus, der das eigentliche Haupt der ganzen Aufrührerbande war.

Da Valerian in keinem Falle, selbst dann nicht, wenn der Sieg unzweifelhaft gewesen wäre, die Verantwortung auf sich nehmen wollte, gegen die Befehle des Feldherrn einen Zusammenstoß mit den Feinden herbeizuführen, und jetzt auch noch die Gefahr übersah, in der er mit seiner Handvoll unvorbereiteter Krieger einer solchen kampffertigen Übermacht gegenüber schwebte, so ergriff er, zumal unter dem Eindrucke der höchsten Überraschung, den die unerwartete Verwegenheit der Juden in ihm hervorgerufen, mit noch fünf anderen, wie sie standen, die Flucht, während ihre Pferde zurückblieben. Letztere wurden nun von den Leuten des Jesus mit einem Jubel in die Stadt hineingebracht, als wären sie den Römern im offenen Kampfe und nicht aus einem Hinterhalte weggenommen worden.


Aus Furcht vor den Folgen dieses Ereignisses flüchteten sich die Aeltesten und Angesehensten der Bürgerschaft ins römische Lager und begaben sich in Begleitung des Königs, dessen Beistandes sie sich versichert hatten, zu Vespasian, den sie kniefällig um Schonung anflehten: „Wende deinen Blick nicht von uns“, baten sie, „und rechne die Torheit einiger weniger nicht der ganzen Stadt an, sondern lasse Gnade einer Bevölkerung angedeihen, die immer römerfreundlich gesinnt war, und züchtige nur die eigentlichen Anstifter des Abfalles, von denen wir selbst, obgleich es uns schon längst nach einer friedlichen Vereinbarung drängte, bis zur Stunde überwacht worden sind.

Obwohl der römische Feldherr wegen des Raubes der Pferde gegen die ganze Stadt erbittert war, so ließ er sich doch durch diese Bitten erweichen, besonders da er die Unruhe wahrnahm, in welcher sich Agrippa wegen des Schicksales seiner Stadt befand.

Nachdem sich so die Gesandten im Namen der Bürgerpartei mit den Römern abgefunden hatten, hielten es die Parteigänger des Jesus nicht mehr für geheuer, noch langer in Tiberias zu bleiben, und machten sich eilends nach Tarichää auf.

Am folgenden Tage schickte Vespasian den Trajan mit einer Reiterabteilung auf die Berghöhe bei Tiberias, um zu erforschen, ob der Wunsch nach Frieden im Volke auch wirklich ein allgemeiner sei.

Als er nun erfuhr, dass die Bürgerschaft vollständig die Gesinnung der früheren Schutzflehenden teile, so begab er sich mit seinem Heere persönlich nach der Stadt, deren Bewohner auch sogleich die Tore öffneten, ihm unter begeisterten Zurufen entgegenzogen und ihn mit lauter Stimme als ihren Retter und Wohltäter bezeichneten.

Da es an den schmalen Eingängen mit dem Einmarsch des Heeres seine liebe Not hatte, ließ Vespasian an der Südseite der Stadtmauer ein Stück einreißen, um seinen Soldaten einen breiteren Eingang zu verschaffen.

Doch gab er aus Rücksicht für Agrippa zugleich den strengen Befehl, sich jeder Plünderung und Gewalttat zu enthalten, und ließ auch seinetwegen die Mauern sonst intact, nachdem der König sich für die Einwohner der Stadt verbürgt hatte, dass sie von jetzt an treu zu den Römern stehen würden. Auf diesem Wege brachte Vespasian die vom Aufruhr bedrohte Stadt, freilich nicht gerade im besten Zustande, wieder auf seine Seite.