Beschreibung der Stadt Jerusalem.


Die Stadt war mit Ausnahme jener Seiten, wo sie ohnehin von unzugänglichen Schluchten umgeben war, und wo sich deshalb nur eine einzige Mauer befand, von einem dreifachen Befestigungsgürtel geschirmt. Die Stadt selbst erhob sich auf zwei Hügeln, deren überbautes Gehänge einander zugekehrt war, so dass ihre dichten Häusermassen in das zwischeninnen liegende Thal hinabreichten.

Von diesen zwei Hügeln war der eine, auf welchem die Oberstadt lag, bedeutend höher und in seiner Ausdehnung von mehr geradlinigen Formen. Zufolge dieser seiner Festigkeit erhielt er auch vom König David, dem Vater des Salomon, des ersten Tempelbauers, den Namen „Veste“, von uns aber den Namen „oberer Markt“. Der zweite Hügel, welcher den Namen „Akra“ führte und die Unterstadt auf seinem Gehänge trug, war dagegen bogenförmig gekrümmt.

Letzterem gegenüber erhob sich noch ein dritter Hügel, der ursprünglich nicht an die Höhe des Akrahügels hinanreichte und von ihm auch in früherer Zeit durch eine andere breite Thalkluft geschieden war.

Später aber, unter der Herrschaft der Hasmonäerkönige, schüttete man diese Kluft zu, um die Stadt in unmittelbare Verbindung mit dem Tempel zu bringen, und machte auch durch Abgrabungen die Akrahöhe niedriger, damit das Heiligtum auch darüber noch hinsähe.

Das eine Thal, das, wie bemerkt, den Hügel der Oberstadt von dem Hügel unter ihm scheidet, genannt das Käsemachertal, erstreckt sich bis Siloah, welchen Namen bei uns eine Süßwasserquelle von großer Stärke hatte.

Nach außen waren die zwei Hügel der Stadt von tiefen Schluchten umschlossen, so dass hier ein Eindringen wegen der Abstürze nach beiden Seiten hin nirgends möglich war.


Unter der Mauern war die „alte“ Mauer wegen der sie umgebenden Schluchten und wegen des hoch darüber aufragenden Hügels, auf dem sie gebaut war, besonders schwer zu stürmen.

Abgesehen von dieser vorteilhaften Lage war auch ihre Bauart eine sehr feste, da schon David und Salomon und dann die folgenden Könige ihren Stolz in die Förderung dieses Werkes gesetzt hatten.

Auf der Nordseite ging sie vom Turme aus, der den Namen Hippikusturm führt, und zog sich zum sogenannten Xystus hinüber, berührte unmittelbar das Rathhaus, um dann an der westlichen Tempelhalle ihren Abschluss zu finden.

Auf der anderen Seite gegen Westen lief sie vom nämlichen Punkte aus, ging über den sogenannten Bethso gegen das Essenertor zu, um sich dann in ihrem südlichen Verlaufe über die Siloahquelle hinzuschlängeln. Dort machte sie wieder eine Biegung und lief auf der Ostseite gegen den Salomonsteich zu, bis sie zur sogenannten Ophelgegend gelangte, wo sie sich an die östliche Tempelhalle anschloss.

Die zweite Mauer nahm ihren Ausgang von einen Tore in der ersten Mauer, genannt das Gennattor, umfasste mit ihrem Bogen nur die Gegend im Norden und ging bis zur Antonia hinauf.

Den Ausgangspunkt der dritten Mauer bildete wieder der Hippikusturm, von dem aus sie sich nordwärts gegen den Psephinusturm hinzog und dann ihren Lauf gegenüber dem Monumente der Helena, der Königin von Adiabene und Mutter des Königs Izates, und an den Königsgräber vorbei fortsetzte. Beim sogenannten Walkermonument machte sie mit einem Eckturm wieder eine Biegung, um sich endlich mit der alten Mauer zu vereinigen und mit dem Kedrontal ihren Endpunkt zu erreichen.

Agrippa hatte diese Mauer um den neugegründeten Stadtteil herum, der noch ganz offen war, aufführen lassen. Infolge ihren Menschenzuflusses war nämlich die Stadt allmählich über ihre Umfassungsmauern hinausgerückt, und hatte sich ein neuer Stadtteil an der nördlichen Umgebung des Tempelhügels gebildet, welcher sich so beträchtlich ausdehnte, dass zuletzt noch ein vierter Hügel, namens Bezetha, ringsum besiedelt ward. Er lag der Antonia gegenüber, war aber von ihr durch einen tiefen Wallgraben geschieden, der mit Absicht angelegt war, damit sich die Grundbauten der Antonia nicht mit dem Hügel selbst berühren sollten, und auf solche Weise der Zugang zu ihnen erschwert, ihre Höhe vergrößert würde.

Ebenso gab natürlich der tiefe Graben auch den Türmen eine ungeheure Höhe. Der neugegründete Stadtteil hieß in der Sprache der Landesbewohner Bezetha, was man am besten mit „Neustadt“ wiedergeben könnte.

Da nun die dortigen Bewohner einer Schutzmauer dringend bedurften, so machte sich der gleichnamige Vater der jetzigen Königs Agrippa an den Bau der vorerwähnten Stadtmauer. Er stellte jedoch aus Furcht, dass Kaiser Claudius in der Anlage des Riesenwerkes nur Umsturz- und Aufruhrgelüste sehen könnte, den Bau wieder ein, nachdem er erst die Fundamente gelegt hatte.

Wäre die Mauer wirklich in der Weise, wie sie angefangen wurde, fortgeführt worden, so wäre in der Tat auch die Stadt geradezu uneinnehmbar geworden. Bestand doch ihr Gefüge aus Steinen von zwanzig Ellen Länge und zehn Ellen Breite, die schwerlich weder mit eisernen Mauerbrechern untergraben, noch mit Widdermaschinen erschüttert werden konnten.

Der eigentlichen Mauer gab man eine Breite von zehn Ellen. Die Höhe hätte selbstverständlich noch mehr betragen, wenn nicht der hochsinnige Plan des Gründers durchkreuzt worden wäre.

Später bauten freilich die Juden mit größtem Eifer daran fort, aber die Mauer stieg dessenungeachtet nur zu einer Höhe von zwanzig Ellen. Dazu kamen noch Brustwehren von zwei Ellen Höhe und Vorsprünge von drei Ellen, so dass die ganze Höhe zu fünfundzwanzig Ellen aufragte.


Über diese Stadtmauer stiegen dann noch die Türme auf, die eine Dicke und Höhe von zwanzig Ellen hatten und viereckig, wie auch ganz massiv, gleich der Stadtmauer, gebaut waren, obschon andererseits das Gefüge und die Schönheit ihrer Quadern nicht einmal hinter dem Tempelhause in etwa zurückstand.

Auf dem kompakten Mauerwürfel, der, wie gesagt, zwanzig Ellen hoch war, erhoben sich reichausgestattete Wohnräume und darüber Obergemächer, versehen mit zahlreichen Wasserbehältern zum Auffangen des Regens und mit breiten Stiegen nach den einzelnen Räumen.

Solcher Türme nun besaß die dritte Mauer neunzig, in einem Abstand von 200 Ellen. Dagegen war die mittlere nur von vierzehn, die alte Mauer aber von sechzig Türmen unterbrochen.

Der ganze Mauerkreis der Stadt betrug 33 Stadien. So staunenswert nun auch die ganze Anlage der dritten Mauer war, so verdiente doch der an der nordwestlichen Beuge aufragende Psephinusturm, bei welchem Titus sein Lager aufgeschlagen hatte, noch die allergrößte Bewunderung.

Er war nämlich an die siebzig Ellen hoch und bot bei Sonnenaufgang eine Fernsicht bis nach Arabien hinein, wie auch auf die äußersten Stammgebiete der Hebräer am Meere.

Er war ein Achteck. Ihm gegenüber stand der Hippikusturm, der an der alten Mauer mit noch zwei anderen Türmen daneben von König Herodes erbaut worden war. Die drei standen, was Größe, Pracht und Festigkeit anlangt, wohl einzig auf dem Erdenrund da.

Denn zu der natürlichen Prachtliebe des Königs und seiner eifrigen Sorge um die Verschönerung der Hauptstadt kamen hier noch die zartesten Interessen, denen er die großartigen Bauten widmen wollte, die Liebe zu den ihm teuersten Personen, nämlich Bruder, Freund und Gattin, deren Gedächtnis er mit diesen Bauten verewigte, indem er die Türme nach ihren Namen benannte. Die letztere hatte er, wie früher erzählt, aus eifersüchtiger Liebe hinrichten lassen, die zwei anderen aber verlor er durch den Heldentod, den sie im Kriege erlitten.

Der nach seinem Freunde genannte Hippikusturm war viereckig mit einer Breite und Länge von je fünfundzwanzig Ellen, mit einer Höhe von dreißig Ellen, soweit er nämlich kompakte Masse war.

Über diesem massiven, aus lauter Felsstücken gefügten Bau erhob sich eine zwanzig Ellen tiefe Cisterne als Sammelbehälter für das Regenwasser.

Darüber standen zwei Stockwerke mit mannigfachen Abteilungen von Wohnräumen, bis zu einer Höhe von fünfundzwanzig Ellen. Über diesen Bau ragten ringsum zwei Ellen hohe Thürmchen und drei Ellen hohe Vorsprünge auf, so dass sich die Gesammthöhe auf achtzig Ellen belief.

Der zweite Turm, dem Herodes den Namen von seinem Bruder Phasael gegeben, hatte gleiche Breite und Länge, nämlich zu je vierzig Ellen; auch die Höhe, soweit sie massiv war, betrug vierzig Ellen.

Darüber befand sich eine zehn Ellen hohe Gallerie, die um den Turm herumlief und mit einem Schutzgeländer, sowie mit Erkern abgeschlossen war.

In der Mitte stieg über die Gallerie wieder ein Turm auf, in welchen sich die prächtigsten Räume teilten, und der sogar ein Bad entielt, so dass dem Turme nichts vom Glanz eines Königspalastes abging. Seine Zinnen waren in noch verschwenderischerer Weise, wie die des früher genannten Turmes, mit Vorsprüngen und Thürmchen verschönert.

So stieg seine ganze Höhe auf ungefähr neunzig Ellen. Seine Gestalt erinnerte an den auf der Insel Pharus stehenden Leuchtturm für die alexandrinischen Schiffer; doch war er von bedeutend größerem Umfang. Zur Zeit unserer Erzählung war er übrigens vom Tyrannen Simon zu seiner Residenz erklärt worden.

Der dritte Turm, die Mariamne, nach der Gemahlin des Königs benannt, bestand zwanzig Ellen hinauf aus kompakter Masse, wie er auch ebensoviel in die Breite und Länge ging.

Doch übertrafen die Wohnräume, die er oben besaß, an Pracht und Mannigfaltigkeit jene der übrigen Türme, da der König sich von der gewiss nahe gelegenen Anschauung leiten ließ, dass der nach einer Frau benannte Turm schöner geziert sein müsse, als die nach Männern benannten, sowie dass umgekehrt die letzteren den Frauenturm an Festigkeit überragen müssten. Alles in allem betrug seine Höhe nur fünfundfünfzig Ellen.


So gewaltig nun schon die drei Türme nach ihrer natürlichen Größe waren, so ließ sie ihre Lage noch bedeutend höher erscheinen.

Denn die alte Mauer, zu der sie gehörten, war selbst wieder auf einem hohen Hügel angelegt und hob sich dann mit ihrem Bau wie eine den Hügel krönende Felsenkuppe zu einer Höhe von dreißig Ellen empor, auf der erst die Türme ansetzten; begreiflich, dass auf solche Weise ihre Höhe um vieles gewann.

Bewunderungswürdig war auch der Umfang ihrer Steine, welche nicht aus den erstbesten Feldsteinen, auch nicht aus solchen Felsstücken gewählt wurden, die einzelne Hände noch bewältigen können, sondern aus weißem behauenem Marmor, jedes Stück von einer Länge zu zwanzig, von einer Breite zu zehn und einer Dicke von fünf Ellen. Das Gefüge der einzelnen Steine war so fein, dass es schien, als wäre jeder Turm nur ein einzigen Felsstück, das in die Höhe gewachsen und dann erst nachträglich unter den Händen der Steinmetze zu Form und Ecken ringsum glatt abgemeißelt worden ist: so vollkommen waren überall die Fugenränder verschwunden.

Mit diesen im Norden der Oberstadt liegenden Türmen hieng nach innen der über alle Beschreibung herrliche Königshof zusammen.

Die Kostbarkeit des Materiales vereinigte sich hier mit der vollendetsten Kunstarbeit zu einem unübertroffenen Ganzen. Der Palast war auf allen Seiten von einer dreißig Ellen hohen Befestigungsmauer geschützt und in gleichen Abständen ringsum von schmucken Türmen eingefasst. Dazu kamen im Innern die ausgedehntesten Wohnräume und Speisesäle mit hunderten von Ruhelagern, zu welchen Gemächern eine Fülle edler, von allen Seiten herbeigeschaffter Steinarten in unbeschreiblich schönem Wechsel verwendet wurde. Geradezu wunderbar war das Getäfel mit seinem riesigen Gebälke und dem Gefunkel seiner herrlichen Bekleidung.

So viele Gemächer auch waren, es herrschte darin doch überall ein anderer, ein tausendfacher Prunk, und jedes hatte seine vollständige Einrichtung, deren Gegenstände zum größten Teil aus Silber und Gold gearbeitet waren.

Ringsum liefen, eine Menge Säulengänge ineinander, und in jedem waren die Säulen anders. Der freie Raum, den sie einschlossen, war überall mit frischem Grün bedeckt.

Hier standen die verschiedensten Baumgruppen, zwischen denen lange Spazierwege hinführten, rechts und links überall tiefe Wasserkanäle und Fischweiher, verschwenderisch geschmückt mit wasserspeienden Erzfiguren und einer Menge von Thürmchen, die für die zahmen Tauben an den Fontänen aufgestellt waren.

Doch es ist gar nicht möglich, eine würdige Schilderung von der Herrlichkeit des Königspalastes zu entwerfen. Um so schmerzlicher muss die Erinnerung an die Verheerungen berühren, welche die Mordbrenner dort angerichtet haben.

Denn wohlgemerkt, nicht die Römer haben die Einäscherung des Palastes verschuldet, sondern, wie wir schon früher erzählt haben, die jüdischen Meuchlerbanden bei Beginn des Aufstandes, wo das Feuer, das in der Antonia gelegt ward, auf den Palast übersprang und auch die oberen Teile der drei Türme verwüstete.