Die Riesentürme. Trauriges Schicksal der Gefangenen. Zahl der während der Belagerung umgekommenen Juden. Die Leichen in den unterirdischen Gängen. Beutegier und Mordlust der Soldaten. Gefangennahme des Johannes.


Nach seinem Einzuge wurde Titus von der höchsten Bewunderung für die Befestigungswerke der Stadt, namentlich aber für die Türme ergriffen, welche die Tyrannen in ihrer Kopflosigkeit im Stiche gelassen hatten.

Wie er so seine Blicke auf ihre massive Höhe, auf den gewaltigen Umfang der einzelnen Steine, auf das haarscharfe Gefüge, auf ihre riesige Breite und Ausdehnung hinschweifen ließ, da musste er ausrufen:

Wahrhaftig, da hat Gott an unserer Seite gestritten, und nur Gott konnte es sein, der die Juden von diesen Burgen herabgezerrt hat: denn was könnten wohl Menschenhände oder Belagerungsmaschinen gegen solche Türme ausrichten?

Um diesen Gedanken bewegten sich viele seiner Gespräche, die er damals mit seinen Freunden führte. In den Gefängnissen dieser Türme fand man auch die Opfer der Tyrannen, die von Titus sofort ihre Freiheit erhielten.

Als Titus später die ganze Stadt der Erde gleichmachen und die Ringmauern abgraben ließ, durften die Türme allein noch stehen bleiben, als ewige Monumente seines Glückes, mit dessen Hilfe er bezwungen, was sonst keine menschliche Gewalt hätte gewinnen können.


Da die Soldaten schon des Blutvergießens müde waren, aber andererseits doch noch ganze Scharen von Juden sich zeigten, die am Leben geblieben waren, so gab Titus den Befehl, nur mehr die Bewaffneten und jene, die sich zur Wehre setzen würden, niederzuhauen, das übrige Volk aber zu Gefangenen zu machen.

Die Soldaten ließen nun zunächst, außer den von Titus angegebenen, auch die Greise und Schwachen über die Klinge springen, um dann jene, die noch in der Blüte ihrer Jahre waren, und die noch eine Verwendung finden konnten, zum Tempel hinaufzutreiben, wo man sie zwischen den Umfassungsmauern des Frauenvorhofs einschloss.

Die Aufsicht über diese Gefangenen erhielt ein Freigelassener des Cäsar, während einer seiner Freunde, namens Fronto, die Aufgabe bekam, einem jeden von ihnen das verdiente Urteil zu sprechen.

Zuerst ließ Fronto alle Rebellen und Banditen, von denen einer den anderen verriet, mit dem Tode bestrafen, worauf er die schlanksten und schönsten von den jungen Leuten aussuchte, um sie für den Triumph aufzusparen.

Von den übrigen schickte er viele, die schon über siebzehn Jahre alt waren, wohlgefesselt nach den Bergwerken Ägyptens ab, während die meisten dieses Alters von Titus in die verschiedenen Provinzen verschenkt wurden, um in den dortigen Theatern unter dem Schwerte oder den Zähnen der wilden Tiere zu enden.

Die Gefangenen unter siebzehn Jahren wurden als Sklaven verkauft. Aber noch während der von Fronto vorgenommenen Musterung starben 11.000 Gefangene aus Mangel an Nahrung, weil zum Teile die Wächter ihnen aus Hass nichts verabfolgten, zum Teile sie selbst von dem Dargereichten nichts zu sich nehmen wollten, und überdies für eine solche Menschenmasse der Speisevorrat auch viel zu klein war.


Die Zahl sämmtlicher Kriegsgefangenen, die während des ganzen Feldzuges gemacht wurden, ward auf 97.000 Köpfe berechnet, die Zahl jener, die bei der ganzen Belagerung umkamen, auf 1.100.000 Menschen.

Davon gehörte der größte Teil, wenn er auch jüdischer Abstammung war, keineswegs zu den eigentlichen Bewohnern der Hauptstadt, da die Leute von allen Enden des Landes zum Feste der ungesäuerten Brote nach Jerusalem zusammengeströmt und dort, ehe sie sichs versahen, vom Feinde umschlossen waren, ein Zustand der Überfüllung, welcher unter ihnen zunächst tödtliche Seuchen und dann die noch verheerendere Hungersnot hervorbringen musste.

Dass aber die Hauptstadt wirklich solche Massen aufnehmen konnte, geht klar aus der unter Cestius vorgenommenen Schätzung hervor. Dieser wollte nämlich den Kaiser Nero, der von der Größe unserer Nation ziemlich wegwerfend sprach, über die Stärke der Hauptstadt einmal aufklären und forderte zu diesem Zwecke die Hohenpriester auf, wenn es irgendwie möglich wäre, eine Zählung der Volksmenge anzustellen.

Da nun das sogenannte Paschafest vor der Thüre stand, bei welchem von der neunten bis zur elften Stunde Opfer dargebracht werden, und zwar in der Weise, dass jedes Opfer den Mittelpunkt einer Art Familienbundes von nicht weniger als zehn Köpfen, oft auch bis zu zwanzig Köpfen bildet – denn für sich allein darf Niemand die Opfermahlzeit genießen – so zählten nun die Hohenpriester bei dieser Gelegenheit die geschlachteten Opfer und ermittelten die Zahl 255.600.

Das macht, um nur zehn Teilnehmer für jedes Opfer anzusetzen, 2.600.000 Menschen, und zwar sind das nur die reinen und heiligen, da den mit Aussatz oder Samenfluss behafteten, wie auch den Frauen während des Monatsflusses und allen anderen sonstwie verunreinigten Personen die Teilnahme an diesem Opfer nicht gestattet war.

Ebenso waren die Heiden, die Gott ihre Verehrung zu bezeigen zum Feste erschienen, von diesem Opfer ausgeschlossen.


Zum großen Teil stammt diese Volksmenge von auswärts. Damals aber wurde durch das Verhängnis aus der Festversammlung gleichsam ein einziger großer Kerker, in den die ganze Nation eingesperrt ward, und gerade in dem Augenblick, da die Stadt von Menschen vollgestopft war, schloss sich der feindliche Ring um sie.

Kein Wunder also, dass das massenhafte Verderben in der Stadt allen Schrecken überstieg, den Feindesschwert und Gottes Geißel nur verbreiten können. Wie gesagt, wurden von den Römern jene Juden, die sich blicken ließen, zum Teil niedergemetzelt, zum Teil gefangen genommen, aber die Soldaten durchstöberten auch die unterirdischen Gänge und rissen sogar den Erdboden auf, um alle, die ihnen dort in die Hände gerieten, abzuschlachten.

Man stieß dort auch auf mehr als 2.000 Tote, die teils durch eigene Hand, teils durch fremde Hand, zumeist aber durch Hunger den Tod gefunden hatten.

Der Verwesungsgeruch, der von diesen Leichen den eindringenden Römern entgegenwehte, war so entsetzlich, dass viele auf der Stelle umkehren mussten, während die anderen, von der Gier nach Schätzen weiter getrieben, durch die aufgehäuften Leichen sich keck hindurcharbeiteten: fand man ja doch soviele Kleinodien in diesen Stollen,

und wo gab es je einen, wenn auch noch so grauenvollen, Pfad, den die Geldgier nicht in der Ordnung gefunden hätte! Auch viele Gefangene der Tyrannen förderte man aus diesen Schächten zu Tage.

Sie hatten also von ihrer Grausamkeit nicht einmal in der äußersten Bedrängnis lassen können! Übrigens machte sich Gott von beiden Schurken nach Gebür bezahlt, indem Johannes nach furchtbaren Hungersqualen, die er mit seinen Brüdern in den geheimen Gängen durchgemacht, endlich sich gezwungen sah, um die Gnade der Römer zu betteln, die er oft so stolz zurückgewiesen hatte, wie auch Simon nach langem Ringen mit der Not, das wir im Folgenden noch ausführlicher schildern werden, sich selbst den Römern stellte.

Er wurde in Haft genommen, um später durch seinen Tod den Triumph zu verherrlichen. Johannes erhielt ewigen Kerker. Nachdem die Römer die Stadt bis in ihre entlegensten Teile verbrannt, gruben sie auch noch die Stadtmauer ab.