Begeisterter Empfang des Vespasian in Rom. Aufstand des Classicus. Einfall der Sarmaten in Mösien. Der Sieger Rubrius Gallus.


Als man dem Cäsar Titus die Nachricht brachte, wie ersehnt sein Vater Vespasian allen Städten Italiens gekommen sei, und wie ihn namentlich die Stadt Rom mit der größten Begeisterung und Auszeichnung empfangen, da kehrte wieder herzliche Freude und Frohsinn in seine Seele ein, weil ihm wenigstens die Sorge um seinen Vater, und zwar durch die denkbar glücklichste Wendung, genommen war!

Denn während Vespasian noch weit entfernt war, huldigte ihm auch schon ganz Italien mit einem Jubel, als wäre er bereits zur Stelle. Der außerordentliche Enthusiasmus machte eben keinen Unterschied mehr zwischen Erwartung und Ankunft, und die zuvorkommende Huldigung für Vespasian galt schon als gleichbedeutend mit der Beseitigung jeglicher Not.

Denn was zunächst den Senat betrifft, so hatte derselbe die traurigen Erfahrungen, die er beim Sturze der letzten Kaiser gemacht hatte, nur zu frisch noch im Gedächtnisse, um nicht mit Segenswünschen die Ankunft eines Kaisers zu erwarten, dessen ehrwürdiges graues Haar das schönste Lorbeerreis kriegerischen Ruhmes schmückte, und von dem man sicher wusste, dass seine erhabene Würde ihm nur Mittel sein würde, um das Wohl seiner Untertanen zu befördern.

Aber noch mehr drängte das von den Leiden des Bürgerkrieges ganz erschöpfte Volk nach der Ankunft des Vespasian, da es jetzt einmal sicher von seinem Elende loszukommen hoffte und mit Vertrauen dem Eintritt ebenso ruhiger als gesegneter Zeiten entgegensah.

Ganz besonders aber waren die Blicke des Heeres erwartungsvoll auf ihn gerichtet, da schließlich doch nur die Militärs am besten die Größe seiner kriegerischen Erfolge zu würdigen vermochten. Sie hatten unter der Unkenntnis und Feigheit der übrigen Kaiser soviel zu leiden gehabt, dass sie einerseits den sehnlichsten Wunsch hatten, endlich ihre persönliche arg befleckte Ehre wieder hergestellt zu sehen, und andererseits mit Freuden einen Mann begrüßen mussten, der allein das rechte Zeug in sich hatte, ihnen Heil und Siegesruhm zu geben.

Angesichts dieser großartigen allgemeinen Begeisterung für Vespasian litt es die Spitzen der Behörden nicht mehr in Rom, sondern sie beeilten sich, soweit als möglich, von der Hauptstadt aus ihm entgegenzukommen.

Aber auch die übrige Einwohnerschaft konnte seine Ankunft nicht mehr erwarten. Wie ein mächtiger Strom flutete die ganze Menschenmasse zu den Toren hinaus, und jedermann fand diesmal das Fortgehen bequemer und leichter, als das Bleiben, so dass jetzt auch die Stadt selbst das erstemal ihre Vereinsamung nur mit einem innigen Vergnügen betrachten konnte. Denn die Zahl der Zurückgebliebenen war viel kleiner, als die der Ausziehenden.

Als man nun sein Nahen meldete, und die ersten, die eintrafen, nicht genug von seiner Herablassung zu erzählen wussten, die er bei seinem Empfange gegen jederman bewiesen, da eilte nunmehr die ganze übrige Bevölkerung mit Frauen und Kindern auf die Plätze heraus, wo er vorüber musste, um ihn dort zu erwarten.

Überall, wo er vorbeikam, entfesselte seine gewinnende Erscheinung, wie sein freundliches Antlitz ein tausendfaches Willkomm: die einen nannten ihn preisend ihren „Wohltäter“, die anderen ihren „Retter“, noch andere den „einzigen würdigen Erben des römischen Kaiserthrons“. Die ganze Stadt war ein einziger Tempel: überall nur Blumengewinde und Weihrauchwolken!

Kaum vermochte Vespasian sich durch die ihn umwogenden Massen eine Bahn nach dem Kaiserpalaste zu brechen, wo er zunächst den Hausgöttern Dankopfer für seine glückliche Ankunft entrichtete, während das Volk sich gütlich tat, und die Mitglieder der einzelnen Stämme und Geschlechter, wie auch die Nachbarn untereinander Freundesmahle feierten, bei denen man unter Trankopfern zu Gott flehte, er möchte doch Vespasian recht lange auf dem römischen Kaiserthrone lassen und auch seine Kinder und deren Nachkommen für ewige Zeiten im unbestrittenen Besitze der Herrschaft erhalten.

Seit diesem begeisterten Empfange Vespasians durch die Stadt Rom nahm auch sofort ihr Wohlstand einen gewaltigen Aufschwung.


Noch vor unserer Zeit, gerade damals, als Vespasian noch in den Mauern Alexandriens weilte, und Titus eben mit vollem Eifer die Belagerung Jerusalems betrieb, ward ein großer Teil der Germanen von einer aufrührerischen Bewegung ergriffen, mit welcher auch die angrenzenden gallischen Völker sympatisierten und auf die sie, im Vereine mit den Germanen, die hoffnungsvollsten Pläne gründeten, endlich einmal von der römischen Tyrannei erlöst zu werden.

Zu diesem Wagnis eines Abfalles und eines Krieges mit Rom wurden die Germanen zunächst durch ihr Naturel angefeuert, das da, aller gesunden Erwägungen bar, sich bei dem kleinsten Hoffnungsschimmer ohne weiteres in die größten Gefahren stürzt.

Dazu kam noch der Hass gegen ihre Bändiger, deren Faust ja, wie sie wissen, die erste und einzige war, welche ihrer Nation die Knechtschaft aufgezwungen hatte. Was jedoch den Germanen noch den allergrößten Mut einflösste, das waren die günstigen Zeitverhältnisse.

Sahen sie doch das römische Kaiserthum durch den beständigen Wechsel der Monarchen bis ins Innerste erschüttert und erfuhren sie überdies, wie in der Tat schon der weltumspannende Bau der Römerherrschaft in allen Fugen wankte und zitterte: kein Wunder, dass die Germanen zur Überzeugung kamen, nie und nimmer habe ihnen das Missgeschick und die Uneinigkeit ihrer Feinde einen besseren Zeitpunkt zum Losschlagen geboten.

Zwei Männer waren es besonders, welche den Plan des Aufstandes eifrig betrieben und die Aufständischen mit den oben erwähnten Hoffnungen zu berauschen suchten, Classicus und Vitillus, zwei ihrer Anführer, die offenbar schon seit langer Zeit auf eine solche Umwälzung ausgingen, aber erst jetzt, durch den günstigen Zeitpunkt zu ihrem Wagnis verlockt, offen Farbe bekannten. Sie sollten aber für ihren Versuch bei den Massen auch einen nur allzu empfänglichen Boden finden!

So hatte bereits ein großer Teil der Germanen sich bestimmt für den Abfall erklärt, während die übrigen sicher auch keine andere Gesinnung hegten, als Vespasian, wie auf eine Fügung von oben hin, den Petilius Cerealis, gewesenen Statthalter von Germanien, in einem Schreiben mit der Würde eines Consulars auszeichnete und zugleich beauftragte, zur Übernahme der Verwaltung Britanniens nach diesem Lande abzugehen.

Auf der Durchreise nun nach seinem neuen Posten kam Cerealis zur Kenntnis der ganzen aufständischen Bewegung in Germanien und warf sich unverweilt auf die bereits vereinigten Scharen der Rebellen, von denen eine große Zahl in dem folgenden Gefechte am Schlachtfelde blieb, während die übrigen sich gezwungen sahen, von ihrem thörichten Plane abzustehen und wieder Vernunft anzunehmen.

Hätte sich aber auch Cerealis nicht so rasch auf die bedrohten Punkte geworfen, so hätten die Rebellen dennoch in nicht allzulanger Zeit ihr Unterfangen büßen müssen: Sobald nämlich die erste Kunde von dem Abfall der Germanen nach Rom drang und auch dem Cäsar Domitianus zu Ohren kam, trug derselbe keinen Augenblick Bedenken, die Riesenlast einer solchen Unternehmung auf sich zu nehmen, obschon jeder andere auf dieser Altersstufe – Domitian stand ja damals noch in seiner zartesten Jugend – sich ihr entzogen haben würde.

Mit jener Tapferkeit, die ihm schon vom Vater her im Geblüte lag, und ausgerüstet mit einer weit über sein Alter hinausgehenden militärischen Übung, brach er sofort gegen die Barbaren auf.

Aber schon das bloße Gerücht von seinem Anmarsch brach den Mut der Barbaren derart, dass sie sich ihm von freien Stücken unterwarfen und es noch als ein großes Glück betrachten mussten, dank ihrem Schrecken, wenigstens ohne weitere Schlappen sich wieder dem alten Joche fügen zu dürfen.

Nachdem dann Domitian in ganz Gallien die Ordnung durch entsprechende Maßnahmen in einer Weise gesichert hatte, dass auch späterhin das Land nicht leicht mehr in Unruhen gestürzt werden konnte, kehrte er mit Glanz und Ehren auf diese Ruhmestaten hin, die zwar nicht bei seiner Jugend, wohl aber bei seinem edlen Geblüte verständlich sind, wieder nach Rom zurück.


Gleichzeitig mit dem vorerwähnten Abfall der Germanen spielte sich auch ein verwegener Angriff der Scythen auf die Römer ab.

Die sogenannten sarmatischen Scythen, ein zahlreicher Volksstamm, waren unversehens über den Ister nach Mösien eingedrungen und hatten sich mit einer starken Streitmacht und mit einem unwiderstehlichen, weil ganz und gar unerwarteten, Anprall auf die römischen Wachtposten geworfen, von denen sie viele niederhieben.

Selbst den Consularlegaten Fontejus Agrippa, der ihnen entgegengezogen war, vernichteten sie nach tapferer Gegenwehr und ergossen sich hierauf über das ganze unter den Römern stehende Land, wo sie alles, was ihnen in die Hände fiel, forttrieben oder fortschleppten.

Als Vespasian von diesen Ereignissen und von der Verwüstung Mösiens Kunde erhielt, sandte er Rubrius Gallus ab, um die Sarmaten dafür zu züchtigen.

In einer Reihe von Gefechten, die nun Gallus den Sarmaten lieferte, gelang es ihm eine Menge Barbaren zu tödten, während die übrigen, die noch mit heiler Haut entrannen, in größter Verwirrung nach ihrem Heimatlande flohen.

Nach dieser glücklichen Beendigung des Krieges war der Feldherr auch auf die künftige Sicherheit des Landes bedacht, indem er zu diesem Zwecke die dortigen Stromwachen derart vervielfältigte und verstärkte, dass den Barbaren der Übergang von da an ganz und gar unmöglich wurde.

So hatte der mösische Feldzug eine rasche Wendung genommen.