Lucilius Bassus erobert Machärus. Schlacht im Walde von Jardes. Schicksal des heiligen Landes. Gründung einer Kolonie in Emmaus bei Jerusalem.


Unterdessen wurde Lucilius Bassus als Legat nach Judäa entsendet, um von Cerealis Vitellianus das Kommando zu übernehmen. Ihm gelang es zunächst, die auf dem Herodiumberg gelegene Festung sammt ihrer Besatzung auf dem Wege der Capitulation in seine Hand zu bekommen.

Hierauf vereinigte er das ganze Provinzialheer, das zu einem großen Teile durch das Land hin zerstreut lag, mit der zehnten Legion und beschloss damit die Veste Machärus anzugreifen, deren Wegnahme schon darum eine gebieterische Notwendigkeit war, weil zu befürchten stand, dass der starke Platz auf die aufständische Bewegung eine große Anziehungskraft ausüben könnte.

Machärus hatte ja alle Eigenschaften, um einerseits seinen Verteidigern die festeste Zuversicht auf den Sieg, einem Belagerungsheer aber starke Bedenken und sogar Schrecken einzuflößen.

Die Mauern der eigentlichen Festung standen auf einer felsigen, himmelanstrebenden Höhe, die schon aus diesem Grunde schwer zu erstürmen ist.

Sie ist aber überdies durch ihre Umgebung derart natürlich befestigt, dass man sie nicht einmal recht zugänglich machen kann, indem sie nach allen Richtungen hin durch wilde Schluchten, wie durch natürliche Gräben, abgesperrt erscheint, und zwar Schluchten von einer solchen Tiefe, dass das Auge von oben gar nicht auf ihren Grund hinabdringen, und der Fuß nur schwer einen Weg durch dieselben finden kann: mit einem Damm sie zu durchschneiden, ist ganz und gar unmöglich.

Die Schlucht, die Machärus im Westen absperrt, verläuft sechzig Stadien weit und endet erst am Asphaltsee. Und gerade nach dieser Seite hin streckt auch die Höhe von Machärus ihr steilstes Horn aus.

Die Senkungen im Norden und Süden sind zwar nicht so ausgedehnt, wie die eben erwähnte, bieten aber einem Angriff so ziemlich dieselben Schwierigkeiten.

Die östliche Schlucht dagegen erreicht bei aller Tiefe, die sicher nicht unter hundert Ellen beträgt, dennoch ihr Ende gleich bei dem Berge, der dort Machärus unmittelbar gegenüberliegt.


Dem Scharfblick des jüdischen Königs Alexander war die treffliche Ortslage nicht entgangen, und er war es auch, der zuerst auf der Höhe von Machärus eine Veste anlegte, die später allerdings von Gabinius im Kriege mit Aristobulus wieder niedergerissen ward.

Auch Herodes glaubte nach seinem Regierungsantritte diesem Platze vor allen anderen seine Aufmerksamkeit zuwenden und eine der stärksten Befestigungen geben zu müssen, ganz besonders wegen der Nachbarschaft der Araber, indem Machärus einen sehr wichtigen Punkt beherrscht und so recht ein Lug ins Land Arabien hin ist.

Herodes legte also dort in einem weiten Umfang feste Mauern und Türme an und gründete eine Stadt, von der ein weiterer Aufstieg auf den eigentlichen Berggipfel hinaufführte.

Aber nicht bloß die Stadt, sondern auch die Spitze oben gürtete Herodes mit einer Ringmauer, an deren Ecken er durchgehends 60 Ellen hohe Türme aufführen ließ.

Im Mittelpunkte dieses befestigten Kreises baute er sodann einen prächtigen königlichen Palast mit weiten und herrlichen Wohnräumen.

Auch ließ er viele Cisternen zur Aufnahme und reichlichsten Verwendung des Regenwassers an den geeignetsten Punkten herstellen: mit einem Worte, er wetteiferte, sozusagen, mit der Natur selbst, um die Festigkeit der Lage durch die Befestigungen von Menschenhänden noch in den Schatten zu stellen.

Er versah dann weiters die Veste mit einer Masse von Handgeschossen und schweren Geschützen und sorgte für eine so allseitige Ausrüstung, dass die Verteidiger sogar mit einer gewissen Geringschätzung auch der längsten Belagerung entgegensehen konnten.


Im Garten des Königspalastes stand auch eine Raute, die eine staunenswerte Größe erreicht hatte; denn ihre Höhe und Dicke blieb hinter keinem Feigenbaum zurück, und es ging die Sage, dass sie sich noch aus der Zeit des Herodes erhalten habe. Sie wäre wohl noch die längste Zeit stehen geblieben, wenn sie nicht bei der Occupation von Machärus durch die Juden selbst ausgehauen worden wäre.

Es existiert ferner in dem Thale, das sich auf der Nordseite um die Stadt herumzieht, ein besonderer Platz mit dem Namen Baaras, auf dem eine Wurzel gleichen Namens wächst.

Dieselbe hat eine feuerrote Farbe und strahlt jeden Abend einen Lichtglanz aus; will aber jemand sich ihr nahen, um sie auszureißen, so lässt sie sich durchaus nicht leicht fassen, sondern entzieht sich den Händen und kann nicht früher gebannt werden, bis man nicht Menstruationsblut oder Urin daraufschüttet.

Aber selbst in diesem Falle ist dann noch die Berührung der Wurzel gleichbedeutend mit dem augenblicklichen Tode, wenn man sie nicht gerade so in der Hand trägt, dass sie nach unten hängt.

Doch kann man sich ihrer auch ohne jede Gefahr und zwar auf folgende Art bemächtigen. Man gräbt sie ringsum so vollständig ab, dass nur mehr ein ganz kleines Stück der Wurzel von der Erde bedeckt wird.

Dann bindet man einen Hund daran, und wie nun derselbe dem Menschen, der ihn angebunden, wieder folgen will, zieht er natürlich die Wurzel mit aller Leichtigkeit aus dem Boden, um aber augenblicklich, gleichsam zur Sühne für den, der eigentlich die Pflanze wegnehmen will, den Tod zu erleiden. Jetzt kann man dann ohne Bedenken nach der Wurzel greifen.

Der Grund aber, warum diese Wurzel bei all’ ihrer Gefährlichkeit so gesucht ist, liegt in einer einzigen Wirkung, die sie besitzt. Sie hat nämlich die Kraft, die sogenannten Dämonen, das sind die Geister böser verstorbener Menschen, die in noch lebende hineinfahren und dieselben, wenn sie keine Hilfe bekommen, auch tödten, sofort schon durch ihre bloße Annäherung an die Kranken auszutreiben.

Es fließen an diesem Orte auch heiße Wasserquellen, die aber ganz verschieden schmecken. Denn während einige darunter bitter sind, lassen die anderen an Süßigkeit nichts zu wünschen übrig.

Daneben haben übrigens auch viele Wasseradern mit kalter Temperatur ihre Quellen und zwar nicht bloß weiter talabwärts, sondern – man höre und staune – selbst oberhalb der Höhle, die man in der Nähe sieht, und deren keineswegs tiefer Raum von dem vorspringenden Felsen geschützt wird.

Von diesem Felsen nun ragen oben in geringer Entfernung voneinander zwei brüsteartige Spitzen auf, deren eine eine sehr frische Quelle, die andere dagegen eine sehr heiße hervorsprudeln lässt. Mischt man beide, so erhält man ein sehr angenehmes Bad und ein Heilmittel für verschiedene Krankheiten, ganz besonders für Nervenleiden. Auch Schwefel und Alaunlager weist der Ort auf.


Als Bassus die Lage der Veste nach allen Seiten hin recognosziert hatte, entschloss er sich, quer durch die östliche Schlucht Dämme aufschütten zu lassen, um sich so einen Zugang zum Platze zu bahnen. Eifrig betrieb er die Werke und gab sich alle Mühe, so schnell, als möglich, die Dämme in die Höhe zu bringen, um sich dadurch den Sturm auf die Festung zu erleichtern.

In der eingeschlossenen Stadt hatte sich unterdessen das jüdische Element von dem fremden getrennt und eine eigene Stellung bezogen. Man hatte die Fremden, die nach der Meinung der Juden ohnehin nur gemeines Pack waren, gezwungen, in der Stadt unten zu bleiben und, sozusagen, den Puffer für die ersten Schläge abzugeben: die obere Festung dagegen hielten die Juden besetzt, nicht bloß wegen der größeren Sicherheit des Platzes, sondern auch darum, weil sie denselben als Pfand für ihr Leben zu benützen gedachten: die Auslieferung der oberen Veste an die Römer musste ihnen ja nach ihrer Annahme sicher freien Abzug verbürgen.

Vorderhand aber wollten sie noch ihr gutes Glück versuchen, um, wenn möglich, den Plan einer Belagerung überhaupt ganz zu vereiteln. Mit großer Bravour machten sie daher Tag für Tag Ausfälle und kamen mit den Schanzarbeitern ins Handgemenge, bei dem sie, allerdings nicht ohne eigene schwere Verluste, den Römern viele Leute tödteten.

Den Ausschlag zum Siege gab auf beiden Seiten regelmäßig der gutgewählte oder vorhergesehene Augenblick des Angriffes. So blieben stets die Juden im Vorteil, wenn es ihnen gelang, die Römer unvorbereitet zu treffen, die Römer aber, wenn die Soldaten auf den Dämmen schon die Vorbereitungen zu einem Ausfall merkten und, Schulter an Schulter geschlossen, die Feinde empfangen konnten.

Übrigens sollte nicht auf diesem Wege das Ende der Belagerung herbeigeführt werden, vielmehr sollte es ein ganz unerwarteter Zwischenfall sein, der die Juden in die Notwendigkeit versetzte, die Festung zu übergeben.

Unter den Belagerten befand sich nämlich ein Jüngling, namens Eleazar, der ein ebensogroßer Wagehals, wie gefürchteter Haudegen war.

Er hatte sich an den Ausfällen in hervorragender Weise beteiligt, indem er sowohl die Kämpferscharen zum Sturm auf die Römer und zur Zerstörung ihrer Dammarbeiten anfeuerte, als auch im Handgemenge persönlich den Römern vielfachen und schweren Schaden tat. Jenen, die an seiner Seite einen Ausfall wagten, bahnte er stets eine bequeme Straße durch die Feinde und sicherte auch ihren Rückzug, da er dabei immer der letzte war.

Einstmal nun, da der Kampf schon zu Ende war, und die beiden feindlichen Parteien sich bereits zurückgezogen hatten, blieb der Jüngling aus lauter Geringschätzung für den Feind, und weil er glaubte, dass keiner mehr den Kampf aufnehmen werde, allein vor dem Tore stehen und plauderte so eifrig mit seinen Leuten auf der Mauer, dass er nur für sie mehr Aug’ und Ohr war.

Nicht sobald aber hatte ein Ägyptier aus dem römischen Lager, namens Rufus, diese nur allzu günstige Gelegenheit erspäht, als er auch schon mit Blitzesschnelle, ehe jemand noch einen Gedanken haben konnte, sich auf den Mann warf, ihn in seiner vollen Rüstung emporhob und, während die Zeugen dieser Szene auf der Mauer droben noch starres Entsetzen an die Stelle bannte, mit ihm schon drüben im römischen Lager war.

Der römische Feldherr ließ nun dem Gefangenen die Kleider ausziehen und ihn an einer von der ganzen Stadt aus sehr gut sichtbaren Stelle mit Geißelhieben zerfleischen, ein Anblick, der den Juden dermaßen das Herz zerriss, dass die ganze Einwohnerschaft vor Mitleid aufschrie und einen Jammer schlug, als wäre schon die ganze Stadt und nicht etwa bloß ein einziger Mann verloren.

Kaum hatte der schlaue Bassus das heraus, als er aus diesem Mitleid eine Schlinge für die Feinde zu machen beschloss. Er wollte nämlich ihr eigenstes großes Herzeleid, sozusagen, auf die Folter spannen, um sie zu zwingen, für die Begnadigung des Jünglings ihm die Veste auszuliefern, was ihm auch nur zugut gelang.

Er ließ zu diesem Zwecke ein Kreuz in die Erde einrammen: offenbar sollte Eleazar sofort daran aufgehängt werden! Als die Leute auf der Festung diese Vorbereitungen sahen, schnitt es ihnen noch tiefer in die Seele, und sie erhoben ein durchdringendes Jammergeschrei: „Das ist zuviel! Das ist zuviel!“ Wie nun aber jetzt auch Eleazar selbst sie inständig zu bitten anfing, sie möchten ihn doch nicht eines so erbärmlichen Todes sterben lassen und den ferneren Widerstand gegen die Macht und das Glück der römischen Waffen, denen ja schon alles erlegen sei, aufgeben, um so auch das eigene Leben zu retten: da brach unter solchen flehentlichen Worten von draußen und unter den stürmischen Bitten seiner ebenso weitreichenden, wie äußerst zahlreichen Verwandtschaft von drinnen ihre Fassung vollständig zusammen, und sie ließen sich ganz gegen ihren sonstigen Charakter vom Mitleid fortreißen.

Schleunig schickte man einige Unterhändler hinaus und bot den Römern die Auslieferung der Burg unter der Bedingung an, dass ihnen freier Abzug und die Mitnahme des Eleazar gestattet würde.

Bassus und seine Römer gingen auf diese Vorschläge ein. Als die Einwohner der Unterstadt von diesem nur für die Juden geltenden Übereinkommen Kunde erhielten, entschlossen sie sich, bei der Nacht heimlich aus der Stadt zu fliehen.

Kaum aber hatten sie die Tore aufgemacht, als dem Bassus auch schon die geplante Flucht von denen, die mit ihm den Vertrag geschlossen hatten, verraten ward, sei es nun, dass man den übrigen wirklich die Rettung nicht gönnen mochte, oder auch für ihr Entweichen verantwortlich gemacht zu werden fürchtete.

So geschah es nun, dass nur die mutigsten Männer aus dem flüchtigen Volke sich noch bei Zeiten durchschlagen und entrinnen konnten, während von den übrigen, die in die Stadt eingeschlossen worden, 1700 Männer niedergemetzelt, die Frauen und Kinder aber als Menschenware verkauft wurden.

Dagegen hielt es Bassus für seine Pflicht, das den Juden für die Übergabe der Festung gegebene Wort genau zu halten: sie konnten tatsächlich unbehelligt abziehen und bekamen auch ihren Eleazar heraus.


Nachdem Bassus diese Aufgabe gelöst hatte, marschierte er in aller Eile mit seinem Heere gegen den sogenannten Wald von Jardes, woselbst nach einer ihm zugekommenen Meldung eine Menge Flüchtlinge aus den früher belagerten Städten, Jerusalem und Machärus insbesondere, sich angesammelt haben sollte.

Als er, an Ort und Stelle angelangt, sich von der Richtigkeit dieser Meldung überzeugt hatte, ließ er zunächst den ganzen Waldgrund durch seine Reiter einschließen, um jenen Juden, die einen Durchbruch wagen sollten, mit der Reiterei den Weg zu verlegen: das Fußvolk dagegen bekam den Befehl, die ganze Waldung, in der sich die Flüchtlinge versteckt hatten, zu fällen.

Dadurch wurden die Juden in die Notwendigkeit versetzt, sich zu einer heldenmütigen Tat aufzuraffen, um sich durch einen Verzweiflungskampf vielleicht noch Luft zu machen. So brachen sie denn in einem dichten Schlachthaufen unter wildem Geschrei im Sturmlauf auf den Truppengürtel heraus, wurden aber von den Römern ebenso kräftig empfangen. Da nun die einen ihre ganze Kraft der Verzweiflung, die anderen aber ihren ganzen militärischen Ehrgeiz zusammennahmen, so zog sich der Kampf eine ganz beträchtliche Zeit hin, um schließlich dennoch mit einem ganz unverhältnismäßigen Ergebnis zu enden.

Während nämlich auf römischer Seite im Ganzen nur zwölf Mann blieben, und auch nur wenige verwundet wurden, kam von den Juden auch nicht ein einziger lebend vom Schlachtfelde, sondern alle insgesammt, in der Zahl von nicht weniger als 3.000, starben den Heldentod, darunter auch ihr Führer Judas, der Sohn des Ari, von dem wir schon früher berichtet haben, dass er bei der Belagerung Jerusalems ein Kommando inne hatte, und der damals durch einige der geheimen Gänge den Römern entwischt war.


Um dieselbe Zeit sandte der Kaiser dem Bassus und seinem Schatzmeister Laberius Maximus den Befehl zu, das ganze Judenland käuflich zu vergeben.

Vespasian hatte sich nämlich das Land als Hausgut vorbehalten und darum auch keine Städtegründungen unternommen, mit alleiniger Ausnahme der 30 Stadien von Jerusalem entfernt gelegenen Ortschaft Emmaus, die er an 800 verabschiedete Soldaten zur Ansiedlung verschenkt hatte.

Außerdem hatte der Kaiser den Juden allerorts eine Steuer von zwei Drachmen per Kopf auferlegt, die sie fortan alle Jahre an den Tempel auf dem Capitol abliefern mussten, wie sie dieselbe früher dem Tempel zu Jerusalem geleistet hatten. Soweit also war es mit den Juden gekommen!