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Predigten zu 1. Mose 9,22

"Und Ham, der Vater Kanaans, sah die Blöße seines Vaters und berichtete es seinen beiden Brüdern draußen."

Autor: Jakob Kroeker (* 1872; † 12.12.1948) wichtigster Vertreter des freikirchlichen russländischen Protestantismus
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"Da nun Ham, Kenaans Vater, die Blösse seines Vaters sah, verriet er es seinen beiden Brüdern draußen." 1.Mose 9,22.

Noahs Fall zog den Fall seines Sohnes Ham nach sich. Zugleich gab er aber auch den beiden anderen Söhnen Gelegenheit zur Entfaltung ihrer höchsten Tugenden. Jede Sünde kann nach diesen beiden Seiten hin Anregung geben. Ham verführte sie zu weit grösserer Sünde, Sem und Japhet gab sie den Anlass zu einer der edelsten Taten. Als Noah merkte, dass der Genuss des Segens ihm zum Rausche wurde, flüchtete er ins Zelt. Die alten Weisen nehmen an, dass es das Frauenzelt gewesen ist, wo Noah bestimmt hoffen durfte, von seinen Söhnen nicht gesehen zu werden.

Ham ging jedoch ins Zelt und erblickte seinen Vater. Dann eilte er hinaus und erzählte den ganzen Vorgang seinen Brüdern. Das Wort, das hier im hebräischen Texte für "erzählen" gebraucht wird, drückt ein Anschaulichmachen durch Worte aus, ein Erzählen, aus dem eine ganze Geschichte wurde. Damit sollte offenbar gesagt werden, dass Ham sich nicht nur persönlich an dem Geschauten ergötzte, sondern glaubte, dass in der Mitteilung auch für seine Brüder etwas Ergötzliches liegen würde. So fiel Ham, indem er sich ergötzte an der Sünde des Nächsten.

Kein Volk des Altertums kannte ein so reines Verhältnis zwischen Eltern und Kindern wie die Söhne Jakobs, denen es Gott nicht nur auf Steine, sondern ins Herz schreiben konnte: "Ehre Vater und Mutter, auf dass dir's wohlgehe!" Denn auf dem Verhältnis der Kinder zu den Eltern baut sich die ganze Menschheit auf. Die Eltern sind die Gebenden und ihre Kinder die Empfangenden. Als Erben übernehmen sie die errungenen und geschaffenen Werte und Erfahrungen der Eltern und verwenden sie zu Bausteinen für ihren eigenen Aufbau. Wenn sich aber Ham an einem ungewollten Fall seines Vaters erfreuen kann, dann beginnt mit dem Kind jener Abstieg, der in der späteren Entwicklung mit völliger Entartung endigt.

In Sem und Japhet begegnen wir jedoch einer völlig anderen Kindesstellung. Sie fanden die Mittel, den Fall ihres Vaters zuzudecken. Damit offenbarten sie jenes wunderbare Gesetz des Lebens, dass man der Sünde im Nächsten begegnen kann, ohne durch die Sünde seines Nächsten verunreinigt zu werden. Wo das Auge des Bösen sich über das Böse im Nächsten ergötzt, da findet das Auge des Gerechten jene Hand und Schulter, die des Nächsten Fehl zuzudecken vermögen. Menschen, die überall im Leben und in der Geschichte nur das Böse sehen und es zum Stoff ihrer Überlieferung machen, werden nie eine positive Mission für den Aufbau der Zukunft haben. Niemand sieht so klar alles Böse als der Teufel. Aber sein Schauen macht ihn zum Verkläger von uns und unsern Brüdern und zum Widersacher in der ganzen Schöpfung Gottes.