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Predigten zu Psalm 23,1

"{Ein Psalm von David.} der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln."

Autor: Charles Haddon Spurgeon (* 19.06.1834; † 31.01.1892) englischer Baptistenpastor
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"Der Herr ist mein Hirte"

Ist das nicht in der Tat die Sprache der Schafe Christi: "Mir wird nichts mangeln"? - darum nichts mangeln, weil der Herr mein Hirte ist? Der Allgenugsame unser Hirt! Nichts kann zu seiner Fülle etwas hinzufügen, nichts sie vermindern. Es liegt in diesem kleinen Satz eine überschwengliche Fülle des Inhalts und ein Reichtum an Frieden, die nur Christi Schäflein bekannt sind. Der übrige Teil des Psalms legt eigentlich nur aus, was in diesem ersten Vers enthalten ist: Ruhe, Labung und Erquickung, sichere Leitung, Frieden im Tod, Triumph über die Feinde, ein überfließendes Maß von Segnungen; heitere Aussicht in die Zukunft, ewige Sicherheit im Leben und im Sterben, in Glück und Unglück, Segen im Geistlichen wie im Leiblichen, für Zeit und Ewigkeit.


Autor: Charles Haddon Spurgeon (* 19.06.1834; † 31.01.1892) englischer Baptistenpastor
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"Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln." Psalm 23,1

Wenn der Herr mein Hirte ist, dann wohl mir! Er ist imstande, für alle meine Bedürfnisse zu sorgen, und an Willen fehlt es ihm sicher nicht; denn sein Herz ist voller Liebe. Darum wird mir nichts mangeln. Es wird mir an zeitlichen Gütern nicht fehlen; denn nährt er nicht die Raben, lässt er nicht die Lilien auf dem Felde wachsen? Wie könnte er da sein Kind umkommen lassen?

Aber auch in meinem geistlichen Leben wird mir nichts mangeln. Ich weiss, dass seine Gnade für mich genügt. Traue ich auf ihn, so wird er mir zusprechen: "Wie deine Tage, so sei deine Kraft!" Mag sein, dass ich nicht alles habe, was ich mir wünsche; aber mangeln wird mir nichts, was mir wirklich notwendig und heilsam ist. Andere, die vielleicht reicher und weiser sind als ich, mögen Mangel leiden, aber ich nicht.

David sagt nicht nur: "Mir mangelt nichts", sondern: "Mir wird nichts mangeln." Mag kommen, was da will; mag eine Hungersnot das Land verwüsten oder ein Unglück die Städte zerstören - mir wird nichts mangeln. Das Alter mit seinen Gebrechen wird daran nichts ändern, ja, ich habe alles und habe Überfluss - nicht, weil ich einen reichen Geldvorrat auf der Bank habe; nicht, weil ich soviel Geschicklichkeit besitze, mein Brot zu erwerben, sondern weil der Herr mein Hirte ist. Die Gottlosen haben immer Mangel, die Gerechten nie. Des Sünders Herz ist nie befriedigt; aber die begnadigte Seele bewohnt den Palast der göttlichen Zufriedenheit. Der Herr ist mein Hirte.

Diese Gesinnung vertrauensvoller Abhängigkeit von unserem himmlischen Vater sollen wir pflegen. Er sorgt für mich. Er hat auf meine Schritte acht und erhält mich. In welcher Lage ein Gläubiger auch sein mag - er steht immer unter der Fürsorge des guten Hirten. Das Schaf ist ein Eigentum des Herrn. Sein Eigentümer hält es wert, denn es ist um einen teuren Preis erkauft worden. Welch eine wunderbare Sache, so gewiss wie David zu wissen, dass wir dem Herrn gehören!


Autor: Charles Haddon Spurgeon (* 19.06.1834; † 31.01.1892) englischer Baptistenpastor
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Welche Erniedrigung liegt darin, dass der unendlich große HERR Seinem Volk gegenüber das Amt und die Haltung eines Hirten einnimmt! Es sollte uns zu dankbarer Bewunderung führen, dass der große Gott erlaubt, mit etwas verglichen zu werden, das Seine wunderbare Liebe und Fürsorge gegenüber Seinem Eigentumsvolk beschreibt. David selbst hatte Schafe gehütet und kannte beides: die Bedürfnisse der Schafe wie auch die vielen Mühen des Hirten. Er beschreibt sich selbst als schwaches, wehrloses und törichtes Geschöpf, und er will Gott als seinen Versorger, Bewahrer, Leiter und letztlich als sein Alles haben. Das schönste Wort von allen hier ist das einsilbige »mein«. Er sagt nicht: »Der HERR ist der Hirte der ganzen weiten Welt und leitet Seine unzählbare Herde«, sondern: »Der HERR ist mein Hirte.« Wäre Er auch sonst niemandes Hirte, so wäre Er doch der Hirte für mich; Er sorgt für mich, behütet mich und erhält mich. Die Worte stehen in der Gegenwart. In welcher Lage sich der Gläubige auch befindet, er steht gerade jetzt unter der Hirtenfürsorge des HERRN.

Das Christenleben besteht aus zwei Elementen: Es ist besinnlich und aktiv. Für beides ist reichlich gesorgt. Zuerst das Besinnliche: »Er lagert mich auf grünen Auen.« Was sind diese »grünen Auen« anderes als die Heilige Schrift der Wahrheit? Sie ist immer frisch, immer reichlich und niemals auszuschöpfen. Herzerfreulich und reichhaltig sind die Lehren des Evangeliums, die rechte Seelennahrung, so wie zartes Gras das natürliche Futter für Schafe ist. Der zweite Teil eines gesunden Christenlebens besteht aus gesegneter Aktivität. Wir denken nicht nur nach, wir handeln auch. Wir ruhen nicht nur und essen, sondern wir befinden uns auf der Reise zur Vollkommenheit. Darum lesen wir: »Er führt mich zu stillen Wassern.« Was sind diese »stillen Wasser« anderes als die Einflüsse und Gaben Seines gesegneten Heiligen Geistes? Wie Wasser (hier im Plural) hilft uns Sein Geist bei den verschiedenen Tätigkeiten, die uns reinigen, erfrischen, fruchtbar machen und erfreuen. Wenn die Seele mit Kummer beladen ist, belebt Er sie wieder; wenn sie gesündigt hat, heiligt Er sie wieder; wenn sie schwach wurde, stärkt Er sie wieder.

Dies ist die Freude des Christen! »Du bist bei mir.« Während ich mich hier befinde, bin ich gleichzeitig zu Hause bei meinem Gott; die ganze Welt wird mir zu Seinem Haus; und wenn ich in den »Obersaal« steige, wird sich an meiner Gesellschaft nichts ändern, nicht einmal das Haus. Ich werde nur gehen, um für immerdar in den oberen Stockwerken des Hauses des HERRN zu wohnen. Möge der Herr uns die Gnade gewähren, in der himmlischen Atmosphäre dieses überaus gesegneten Psalms zu wohnen!


Autor: Hugh E. Alexanders (* 1884; † 1957) englischer Evangelist, der Anfang des 20. Jahrhunderts in der französischen Schweiz wirkte

Dieser Psalm ist vielen Menschen lieb und vertraut; in ihm liegen Schätze verborgen, die man nie ganz ergründen kann. Im ersten Teil redet David von dem guten Hirten und gibt von Ihm Zeugnis, wie wir es auch tun sollten. Vom 4. Vers an gibt es eine Veränderung: «Und wenn ich auch wanderte durchs Tal der Todesschatten, so fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir; dein Stecken und dein Stab, die trösten mich.» Anstatt von Ihm zu reden, redet David jetzt zu Ihm; das «Er» ist in «Du» verwandelt. David war durchs Tal der Todesschatten gegangen!

Befanden auch wir uns schon einmal plötzlich in diesem Tal? Schien uns der Schatten undurchdringlich, nicht durchschaubar? Mußten wir dann jammern wie die, die keine Hoffnung haben? Nein! «Denn du bist bei mir, dein Stecken und dein Stab, die trösten mich.» Was ist in diesem Abschnitt geschehen? Es heißt nicht mehr «Er», sondern «Du». Das Schaf des guten Hirten hatte im Tal der Todesschatten eine Begegnung mit seinem Herrn, entdeckte Ihn ganz neu, und von da an war seine Verbindung mit Ihm viel persönlicher und inniger. Dieses Tal und diese Schatten gibt es auf dem Weg eines jeden Schafes; aber wo ein Tal ist, sind auch Berge, und wo Schatten ist, muß Licht sein. Wenn die Prüfung in unserem Leben Frucht gebracht hat, werden wir entschlossener hinter dem Hirten hergehen und sagen können: «Du bereitest vor mir einen Tisch angesichts meiner Feinde; du hast mein Haupt mit ÖI gesalbt; mein Becher fließt über.»

Wenn die richtige innere Verbindung mit dem Hirten widerhergestellt ist, steht in unserem geistlichen Leben anstatt der Armut ein gedeckter Tisch und zieht unsere Mitmenschen an, anstatt sie abzustoßen. Wenn wir die Disziplin des Hirtenstabes annehmen, der uns auf dem Weg leitet und schützt, und nicht vor der Züchtigung des Herrn davonlaufen, dann werden wir getrost. Unser Haupt wird mit Öl gesalbt und unser Becher fließt über auf unsere Umgebung.

Der Herr will uns nicht arm machen, sondern reich. Er schlägt uns nicht nieder, sondern will uns aus allem Formalismus und Egoismus herausholen und wieder aufrichten. Unsere Prüfung wird nach allen Richtungen hin Frucht bringen; denn es gibt einen herrlichen Ausgang aus dem finsteren Tal.


Autor: Wilhelm Busch (* 27.03.1897; † 20.06.1966) deutscher evangelischer Pfarrer, Prediger und Schriftsteller
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Es wird viel geklagt und gejammert in der Welt. Vielleicht ist das gut. Es wird den Menschen leichter, wenn sie ihre Nöte auspadien. Aber — schöner wird die Welt dadurch nicht. Nun lest einmal den 23. Psalm! Das ist ein anderer Klang! „Mir wird nichts mangeln!... Er erquicket meine Seele... Ich fürchte kein Unglück Du salbest mein Haupt mit ö l . . . Gutes und Barmherzigkeit verfolgen mich mein Leben lang." Ja, das ist ein andrer Klang! Und gegen das, was man sonst in der Welt zu hören bekommt, ist dies wie Glockengeläut und liebliches Orgelgetön gegen — Wirtshausgeschrei. Man könnte den Mann, der das sagte, geradezu beneiden. Aber — was hindert uns denn, auf denselben Lebensstandard zu kommen wie dieser David? Ja, das können wir! Es ist nur ein einziges dazu nötig: daß wir uns entschließen zu sprechen: „Der Herr ist mein Hirte." Das ist die notwendige, unumgängliche Voraussetzung dazu.

Es hat keinen Sinn, auf dem Bahnhof zu stehen und zu jammern, daß man nicht nach Stuttgart komme, wenn man nicht in den Zug einsteigen will, der nach Stuttgart fährt. Und ebenso sinnlos ist es, zu jammern: Von all den guten Dingen, die David hier nennt, habe man noch nichts erfahren, — wenn man sich nicht entschließen will, den Herrn Jesus als Hirten zu erwählen.

Wenn wir uns ernstlich dem Herrn Jesus anvertrauen, dann wird das auch unser Erlebnis und Bekenntnis: „Mir wird nichts mangeln... Er erquicket meine Seele" und all das andre, das in dem Psalm steht. Amen.


Autor: Wilhelm Busch (* 27.03.1897; † 20.06.1966) deutscher evangelischer Pfarrer, Prediger und Schriftsteller
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So! Und dann bin ich Sein Schaf! Das ist doch wirklich eine recht beleidigende Feststellung. Ich habe einmal ein Spottbild gesehen. Da war ein Schaf gezeichnet, das geradezu erschütternd dumm und schafsmäßig aussah. Und unter dem Bilde stand: „Dies ist ein Christ. Denn die Christen behaupten ja von sich selbst, daß sie Schafe seien." Der Zeichner dieses Bildes irrte. Nicht wir Christen sagen, daß wir Schafe seien, sondern Gottes Wort erklärt das. Es sagt Dinge, die sehr unbequem sind.

Gottes Wort sagt aber nicht, daß nur die Christen Schafe seien. Es behauptet vielmehr: Alle Menschen sind Schafe. Alle Menschen! Der Unterschied zwischen den rechten Christen und den andern besteht darin: Die Christen sind Schafe, die einen guten Hirten haben. Die andern aber sind verirrte und verlorene Schafe. Wenn bei ihnen — so sagt Gottes Wort — von einem Hirten die Rede sein kann, dann nur so: „Der Tod weidet sie."

Das alles ist ja wirklich — unerhört. Aber nun wollen wir uns nicht über Gottes Wort empören, sondern vielmehr fragen: Warum nennt die Bibel uns „Schafe"? Darum, weil wir keinen Orientierungssinn haben. Wenn man eine Brieftaube 100 Kilometer von ihrem Schlag auffliegen läßt, dann fliegt sie schnurstracks in ihren Schlag zurück. Wenn man aber ein Schaf einige hundert Meter von seinem Stall fortlaufen läßt, weiß es den Weg nach Hause nicht mehr. So steht es mit uns. Nun ja! So im Irdischen finden wir uns einigermaßen zurecht. Aber wenn es sich darum handelt, nach Hause zu kommen, zum Herzen Gottes, zum Himmelreich, finden wir keinen Weg. Wohl denen, die dann sagen können: „Der Herr ist mein Hirte!" Amen.


Autor: Wilhelm Busch (* 27.03.1897; † 20.06.1966) deutscher evangelischer Pfarrer, Prediger und Schriftsteller
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Da saß einmal ein Mann abends gemütlich in seiner Wohnung und las die Zeitung. Nebenan brachte seine Frau die Kinder ins Bett und — wie sie jeden Abend tat — sang mit ihnen ein Lied und betete. Der Mann war in seine Zeitung vertieft. Aber auf einmal ließ er sie sinken. Die Kinder sangen mit ihren hellen Stimmchen: „Weil ich Jesu Schäflein bin / freu ich mich nur immerhin / über meinen guten Hirten / der mich wohl weiß zu bewirten / der mich liebet, der mich kennt / und bei meinem Namen nennt "

Ein schlichtes, sehr einfältiges Kinderlied! Aber dem Vater ging es durch und durch. Und auf einmal begriff er: Ein Mann kann es nach allen inneren Kämpfen seines Lebens gar nicht weiter bringen, als daß er — wie ein Kind — singen kann: „Weil ich Jesu Schäflein bin, freu ich mich . . . " Ja, so ist es! Es war ein sehr starker junger Mann, der den 23. Psalm dichtete. Es klingt heller Jubel in dem Satz: „Der Herr ist mein Hirte!" Dieser junge Mann, David, wußte, was das bedeutet. Er war ja selbst Hirte. Und er hatte seine Schafe gegen Bären und Löwen verteidigen müssen. Tag und Nacht hatte er über sie gewacht. Und da hatte er sicher manchmal gedacht: „Die Schafe haben es doch recht gut. Sie überlassen alle Sorge mir."

Und dann fiel ihm ein: So gut habe ich es ja auch! Was ich meinen Schafen bin — das ist Jehova mir. Der Herr ist mein Hirte. Es ist heller Jubel in dem Satz. „Der Herr ist mein Hirte" — das heißt ja: Nun bin ich nicht mehr Spielball eines dunklen Schicksals, sondern ich bin von einem guten Herrn geführt. Nun bin ich nicht mehr verirrt, sondern geborgen. Nun bin ich nicht mehr bedroht, sondern bewahrt. O Herr, hilf, daß wir es im Glauben sprechen können: Du bist mein guter Hirte! Amen.


Autor: Wilhelm Busch (* 27.03.1897; † 20.06.1966) deutscher evangelischer Pfarrer, Prediger und Schriftsteller
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Ich kannte einen jungen Mann, der wünschte sich brennend ein Motorrad. Eines Tages konnte er sich solch eine Maschine anschaffen. Nach kurzer Zeit aber merkte er, daß ein Motorrad bei Regenwetter eine schlechte Sache ist. Da wünschte er sich heiß ein Auto. Und es kam der Tag, da fuhr er in einem kleinen Wagen vor. Nun machte er große Reisen mit seinem Wägelchen. Da aber war es ihm sehr ärgerlich, wenn große Wagen ihn überholten. „Ach!" seufzte er, „wenn ich doch einen Mercedes hätte!" Vielleicht bekommt er den auch noch. Aber dann wird er entdecken, daß er ohne Flugzeug nicht glücklich sein kann. So ist das Menschenherz! Es fehlt uns immer etwas zu unserm Glück. Ist unser Leben ruhig, dann sehnen wir uns nach Abwechslung. Ist es stürmisch, so möchten wir gern Ruhe. Sind wir zu Hause, zieht es uns in die Ferne. Sind wir in der Fremde, dann haben wir Heimweh. Es fehlt uns immer etwas. So sind wir!

Und nun sagt da in unserm Text einer: „Mir mangelt nichts, und mir wird auch in der Zukunft nichts mangeln." Diesem Psalmisten ist das Herz offenbar zur Ruhe gekommen. Er konnte „Ja" sagen zu seinem Leben. Und dabei war dieser Psalmist gar nicht ein alter, weiser Großvater, den das Leben einen kühlen Verzicht gelehrt hatte. O nein! Er war ein temperamentvoller junger Mann.

Wie kam er zu solch einem friedevollen Zustand? Das sagt er im Anfang des Satzes: „Der Herr ist mein Hirte." Nun, das Sätzlein kennen wir alle. Aber wahrscheinlich haben wir es nicht ernst genommen und nicht recht geglaubt. Der David nahm es ernst. Und wer das tut, der kann „Ja" sagen zu der Führung, die er durch diesen Hirten erfährt. Amen.


Autor: Wilhelm Busch (* 27.03.1897; † 20.06.1966) deutscher evangelischer Pfarrer, Prediger und Schriftsteller
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„Na, na, mein lieber David!" möchte man sagen, „Hast du da nicht ein wenig übertrieben? Hast du nicht den Mund ein wenig zu voll genommen? ,Nichts mangeln* — das ist doch wohl ein wenig zu viel gesagt!"

Ja, man ist versucht, den David noch etwas mehr zur Rede zu stellen wegen dieses großartigen Satzes. „Mein lieber David!" möchte man sagen, „diesen Satz hast du als überschwenglicher junger Mann gesagt, als du auf den Feldern von Bethlehem die Schafe weidetest. Was wußtest du da schon vom Leben, wie es wirklich ist! Aber es kam dann doch auch bei dir eine schwere Zeit, wo du fliehen mußtest. Da hattest du kein Heim, kein Bett, keine Sicherheit. Da hat es dir doch wohl ein wenig leid getan, daß du den Mund so voll genommen hast?" Wißt ihr, was der David uns antworten würde? Er würde sagen: „Ich sehe, daß ihr über mein Leben ziemlich Bescheid wißt. Dann nehmt aber bitte zur Kenntnis, daß ich gerade damals, als mein Leben auf dem Tiefpunkt war, den 34. Psalm gedichtet habe. Und wie heißt es da? ,Meine Seele soll sich rühmen des Herrn.' In eurem schlechten Deutsch heißt es: ,Ich will angeben mit meinem Herrn Jesus.' Und dann habe ich in dem 34. Psalm weiter gesagt: ,Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist!' — Das habe ich gesagt. Und dazu stehe ich." So würde uns David antworten.

Das Wort ist also keine Übertreibung. Wer den Herrn Jesus als seinen Herrn und Heiland kennt, der darf tatsächlich so bekennen: „Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln." Amen.


Autor: Wilhelm Busch (* 27.03.1897; † 20.06.1966) deutscher evangelischer Pfarrer, Prediger und Schriftsteller
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„Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln." Das haben die meisten von uns in der Kindheit schon gelernt. Und die Christen meinen, an diesem Wort sei doch gar nichts Schweres. Aber wer sich etwas genauer mit diesem Sätzlein befaßt, der merkt bald: „Hier geht's um eine der schwersten Proben des Christenstandes.*

Nun sollte jeder Christ — von denen, die es nicht sind, ist jetzt gar nicht die Rede! — ein Blatt Papier nehmen und einmal aufschreiben, was ihm nach seiner Meinung noch fehlt. Das gäbe eine ansehnliche Liste. So! Und nun muß man fragen: Dann stimmt also für uns dies Psalmwort nicht: „Mir wird nichts mangeln"? Für uns also trifft es nicht zu? Denn uns mangelt ja — wie die Liste zeigt — eine ganze Menge. Uns geht also dieser 23. Psalm, der uns so geläufig ist, nichts an?

Doch, er geht auch uns an! Ja — dann aber ist unsre Liste verkehrt. Dann haben wir uns nur eingebildet, daß die Dinge, die wir da aufgeschrieben haben, fehlten. Sie fehlen uns in Wirklichkeit gar nicht — wir brauchen sie nicht — sonst hätte sie uns unser guter Hirte längst gegeben. Das also ist die große Aufgabe, in die dies Wort uns stellt: Glauben, daß unser Herr uns alles gibt, was wir nötig haben. Und was Er uns nicht gibt, das haben wir nicht nötig. Das aber zu lernen, ist sehr schwer. Amen.


Autor: Wilhelm Busch (* 27.03.1897; † 20.06.1966) deutscher evangelischer Pfarrer, Prediger und Schriftsteller
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Jetzt wollen wir uns einmal folgendes vorstellen: Da ist ein Mann, der in lauter elende Lumpen gekleidet ist. Sein Anzug ist zerfetzt. Sein Hemd besteht nur noch aus Lappen. Und dieser Mann seufzt eines Tages: „Oh, wenn ich doch nur eine ordentliche Krawatte hätte!" Solch einen Mann würden wir einen rechten Narren nennen. Aber — so sind wir! Unser Textwort spricht vom Mangel. Wenn von „Mangel" die Rede ist, dann fallen uns eine Menge Dinge ein, die uns mangeln. Nur das Aller-aller-Wichtigste fällt den meisten nicht ein. Wir seufzen, weil uns die kleinen Krawatten des Lebens fehlen, und dabei fehlt uns das Kleid, mit dem wir vor Gott treten könnten. Der Apostel Paulus war anders. Wenn da von „Mangel" die Rede war, dann sagte er das Wort, das im 3. Kapitel des Römerbriefes steht: „Wir ermangeln des Ruhmes, den wir bei Gott haben sollten."

Haben wir eigentlich schon recht bedacht, daß hier unser schlimmster Mangel ist? Was hülfe es uns, wenn wir in dieser Welt alles hätten — und an jenem Tage müßten wir nackt und bloß, schuldbeladen und unversöhnt vor den lebendigen, schrecklichen Gott treten? Jesaja kannte diesen Mangel, als er sagte: „Nun sind wir allesamt wie die Unreinen, und alle unsre Gerechtigkeit ist wie ein unflätig Kleid."

Und Luther kannte den Mangel, als er dichtete: „ . . . Mein Sund' mich quälte Nacht und Tag / darin ich war geboren..." Es wäre sehr gut, wenn wir unsre eigentliche Not sähen! Dann verständen wir das herrliche Textwort: „Mir wird nichts mangeln." Tatsächlich! Wer den Herrn Jesus seinen Hirten nennen kann, dem mangelt auch dies Wichtigste nicht mehr: das Kleid der Gerechtigkeit, mit dem man vor Gott bestehen kann. „Er ist uns gemacht zur Gerechtigkeit." Amen.


Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Mangelt mir nichts? Ich trage heiße Wünsche in mir und nicht nur solche, die auf meinen eigenen Zustand zielen. Wenn ich auf die Lage unseres Volkes und unserer Christenheit sehe, dann drängen sich die Wünsche in Scharen und mit Gewalt ans Licht. Wäre der Spruch: „Mir mangelt nichts“ das Wort des Satten, der sich sein Glück selber bereitet und dabei bis dahin gelange, dass ihm nichts mehr fehlt, so wäre es die summe der Gottlosigkeit. Warum mangelt mir nichts? Weil der Herr mein Hirt ist. Das ist ein ganz anderes Wort als das jenes Bauern, den eine reiche Ernte beglückte, weshalb ihn Jesus sagen lässt: „Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat auf viele Jahre. Habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut.“ Zu solchem Glück gehört mit unfehlbarer Gerechtigkeit der Spruch: Gib deine Seele her; fehlt dir nichts, dann stirb; die Satten machen Platz; dich hat dein Glück zu den Toten gebracht; denn du hast dein Gutes empfangen. Wenn aber der Herr mein Hirte ist, soll ich sagen: Du versorgst mich kärglich; die Aue, auf die du mich führst, ist dürr; du lässest mich dürsten, machst mich todmüde, und wenn ich im Dunkeln wandle, höre ich nichts von dir und du bist nicht bei mir? Soll ich den Hirten beschuldigen? Nein, weil der Herr mein Hirte ist, darum ist das, was mir gegeben ist, völlig das, was ich bedarf. Von oben kommen keine anderen als gute und vollkommene Gaben herab. Ergibt das Selbstbetrug, die Einbildung, die schwarz weiß und Bitteres süß nennt? Das ist Glaube und der Glaube ist das volle Gegenteil des Selbstbetrugs. Der Hirte hat mich an meinen Platz gestellt unter die Hemmungen, die mich drücken, und in die Bitterkeiten, die mich stechen, und deshalb, weil der Herr mein Hirte ist und mich an diesen Ort gestellt hat, darum ist es für mich der rechte Ort und es fehlt mir nichts, wenn ich an meinen Sünden leide, denn er setzt zu meiner Sünde sein Vergeben hinzu, und es mangelt mir nichts, wenn er mich in die Stille setzt und mein Wirken auf unüberwindliche Schranken stößt, weil er nicht mein erfolgreiches Werk zu meiner Gerechtigkeit macht, und es fehlt mir nichts, wenn mein Leben kurz bleibt und rasch zerbricht, weil er mein Leben ist. Der Psalm spricht so, wie der Glaube spricht. Wenn der Psalm uns unerreichbar scheint, so rührt dies daher, dass uns der Glaube unerreichbar ist.

Meine Wünsche sind nicht weise. Du, Herr, bist weise. Meine Maßstäbe taugen nichts. Deine Straße ist die gerade. Ich will mir von Deinem Wort sagen lassen, wie der Glaube von Dir spricht. Vergib mir und der ganzen Christenheit unser Klagen. Amen.