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Predigten zu Römer 8,20

"Denn die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen worden (nicht mit Willen, sondern um deswillen, der sie unterworfen hat), auf Hoffnung,"

Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Ist es nicht mein höchster Ehrenname und Grund zu jubelnder Freude, dass ich Kreatur bin, ein Werk Gottes, ein Erzeugnis seiner schaffenden Kraft? Aber diese Ehre zerrinnt und dieser Jubel verklingt, solange ich nichts anderes bin als Geschöpf. „Ein erbärmliches Geschöpf“, so sprechen wir Deutsche. Die Formel klingt fast lästerlich; ist denn ein Geschöpf erbärmlich? Indem ich es Geschöpf heiße, sage ich, dass es sein Dasein und seine Gestalt von Gott empfangen habe, und trotzdem nenne ich es erbärmlich, weil das, was es mir zeigt, Ohnmacht und Elend ist. Allein diese Sprechweise hat ihren ernsthaften Grund und hält ein erhabenes Merkmal des göttlichen Regiments ans Licht. Als Kreatur bin ich in der Tat nichts anderes als erbärmlich; denn Gott hat das, was er schuf, in die Eitelkeit und Vergänglichkeit versetzt. Sieh dir doch unser Hasten und Rennen, unser Arbeiten und Erwerben, unser Reden und Schreiben, unser Genießen und Leiden an; was kann man dazu anderes sagen als was Paulus sagte: Eitelkeit? Sind wir dennoch Kreatur und dazu von Gott gemacht? Eben in dieser Eitelkeit, von der wir uns nicht lösen können, tragen wir das Merkmal unserer Kreatürlichkeit an uns. Zu so nichtigen Wesen haben wir uns nicht selbst gemacht, sondern wurden der Eitelkeit unterworfen, und die Hand, die uns ihr unterwarf, ist die schaffende Hand, die uns das Dasein gab. Deshalb ist der Mensch für sich selbst ein Rätsel. Geschöpf und zugleich ohnmächtig sein, einen Willen haben, der nichts kann, und ein Leben haben, das stirbt, das ist freilich rätselhaft. Wir sollen auch die Rätselhaftigkeit unseres Daseins kräftig spüren. Denn dazu hat Gott das Hoffen in uns hineingepflanzt. Ich muss hoffen, wie jedermann hofft. Jeder lebt in der Zukunft, weil keiner bei dem verweilen kann, was er jetzt ist. Auch das ist das Wahrzeichen des Schöpfers, das wir an uns tragen. Er gab uns nicht nur die Leere, sondern auch die Sehnsucht, die auf ihre Füllung wartet, nicht nur die Fessel, sondern auch die Empfindung für ihren harten Druck und das Verlangen, das nach Freiheit dürstet. Sehen wir unser Ziel? Paulus sah es. Gott macht aus uns noch anderes als nur seine Kreatur; sein Kind macht er aus uns. Am Geschöpf zeigt er seine Macht, am Kinde seiner Gnade. Das Geschöpf ist gebunden in die ihm auferlegte Notwendigkeit; dem Kind gibt er seine Gemeinschaft, die es befreit. Nun weiß ich, warum ich als Geschöpf noch nichtig bin und wohin das Sehnen der Geschaffenen zielt. Gotteskindschaft ist das Ziel, zu dem Gott die Geschaffenen führt; dort findet ihre Sehnsucht das, was sie erfüllt.

Schaue ich Deine Macht, o unser Schöpfer, von dem alles ist, was besteht, so beuge ich mich vor Dir in Anbetung. Schaue ich Deine Gabe, o Vater aller Deiner Kinder, so wird aus meiner Anbetung das neue Lied der ewigen Danksagung. In unsere Nichtigkeit legst Du den Schatz Deines Wortes, das uns zu Deinen Kindern macht. Nun darf ich nicht nur hoffen, sondern auch glauben und lieben zu Deines Namens Preis. Amen.


Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Als heimatlos beschreibt sich Jesus. Er hat nicht eine Wohnung, die ihm für die Nacht eine Stätte zu sicherer Ruhe darböte. Daher macht er auch die Seinen heimatlos. Einen Bau, wie der Fuchs sich ihn gräbt, oder ein Nest, wie ein Vogel es sich baut, verschafft er seinen Jüngern nicht. Die Armut Jesu wird dadurch nach derjenigen Seite sichtbar, an der sie besonders schmerzhaft drückt; nicht nur so, wie sie den verächtlichen Spott derer erregt, für die Reichtum das einzige solide Glück und Gut bedeutet, nicht nur in der Weise, dass die Entsagung nur den Genuss beschränkt und auf das verzichtet, was sich als verschönender Schmuck um unser Leben legt. Hier greift die Entbehrung das Unentbehrliche an und schmälert die Bedingungen des Lebens, die durch nichts anderes zu ersetzen sind. Die Arbeit des Tages ist geschehen und die ermüdende Wirkung macht sich fühlbar. Das Bedürfnis nach Ruhe ist da. Aber es fehlt der Ort, an dem sich der erquickende Schlaf finden ließe. Die schützenden Wände, die die anderen fern halten, fehlen und der dringende Anspruch, den der Dienst an Jesus stellt, treibt die Ruhe weg. Damit war nicht nur ein Luxus preisgegeben, der ohne Schaden entbehrt werden kann. Hier war auch das nicht vorhanden, was die Natur fordert und was sie deshalb auch dem Tier gewährt. Daraus wurde aber für Jesus keine Not, über die er klagen möchte, und auch für den, der ihm nachfolgen möchte, entsteht daraus kein Grund, der ihn abschrecken dürfte. Er hat sich freilich klar zu machen, was er tut, wenn er sich zu Jesus hält, ob ihm auch dann die Gemeinschaft mit Jesus Freude bleibt, wenn sie ihn heimatlos macht und ihm keine Ruhe lässt, ob seine Liebe die Kraft habe, dass sie ihm auch diese Entbehrung versüßt. An Jesus hat er vor Augen, dass die Liebe das vermag und den Sieg über unser natürliches Empfinden und Bedürfen gewinnen kann. Indem Jesus sogar auf die Stätte, die ihm die Ruhe gewährt, verzichtete, bewährt er die Wahrheit seines Wortes, dass seine Speise das sei, den Willen Gottes zu tun und sein Werk zu vollenden. Aus seinem Wirken entsteht seine Kraft, aus der Entbehrung erblüht ihm die Freude und der rastlose Dienst macht ihn froh und reich. So legt uns Jesus das Psalmwort aus: „Vor dir ist Freude die Fülle“, auch für den Heimatlosen, der weder Platz noch Zeit zum Ruhen hat.

Auch wenn wir zu Dir kommen, lieber Herr, schwebt uns das vor, was wir bei Dir für uns gewinnen; denn es wird uns schwer, nicht an uns selbst zu denken. Wir bedürfen die Ruhe und bedürfen die Freude, Was die Natur aus uns macht, macht sie uns unentbehrlich. Du hast sie uns auch verheißen und gibst sie uns, aber in neuer Weise, nicht so, wie wir sie uns selber bereiten, sondern so, wie Deine Liebe sie uns schenkt. Dir wende ich mich zu mit aufgedecktem Angesicht und bitte Dich: mache mich zu deinem Bild. Amen.