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Buch-Rezension: Menschenbilder, Erziehungsziele, Pädagogische Prinzipien, gemeindepädagogische Überlegungen

Menschenbilder, Erziehungsziele, Pädagogische Prinzipien, gemeindepädagogische Überlegungen

Autor:

Armin Mauerhofer, Dozent für Pädagogik und Katechetik an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule in Basel, hegt die Hoffnung, dass die evangelikale Bewegung unserer Tage ähnlich entscheidende Akzente auf dem Gebiet der Pädagogik setzen kann wie seinerzeit die Reformation, der Pietismus und die Erweckungsbewegung. Um diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen, hat er das vorliegende Kompendium verfasst.

Nach einem Einleitungskapitel, in dem der Autor einen sehr kurzen Abriss der Geschichte der allgemeinen Pädagogik sowie der Religionspädagogik gibt, und die Inspiration der Heiligen Schrift als Grundlage seines Ansatzes ausführlich erläutert, nennt er die Ziele, die eine Pädagogik nach biblischen Prinzipien seiner Meinung nach anstreben muss:
1. "Die Hinführung des Kindes zu seinem Retter Jesus Christus."
2. "Die Förderung des Umgestaltungs-Prozesses ins Bild Jesu."
. "Das Kind in die Gemeinde zu führen."

Da die Bibel keine explizite Pädagogik lehrt, kann es nur eine "Pädagogik nach biblischen Grundsätzen" geben. Grundlage für die Lernfähigkeit und Bildsamkeit des Menschen ist seine Gottesebenbildlichkeit. Zum ersten (und allen anderen übergeordneten) pädagogischen Ziel führt der Autor Mk. 10,13-16 als biblische Begründung an. Weitere biblische Belege werden nicht erwähnt. Obwohl die Bekehrung eines Menschen letztendlich Gottes Werk ist, besteht die Verantwortung der Erziehenden darin, dem Kind ein Leben mit Jesus vorzuleben und es mit den Aussagen der Bibel vertraut zu machen.

Hat ein Kind Jesus Christus als persönlichen Retter angenommen, gewinnt das zweite Erziehungsziel an Bedeutung, der Umgestaltungsprozess in das Bild Jesu.

Aus der Gottesebenbildlichkeit des Kindes ergeben sich auch die pädagogischen Ziele: Weil der Heranwachsende mit anderen Menschen zusammenlebt, zählt dazu das Erlangen von Gemeinschaftsfähigkeit; weil der Mensch von Gott als Verwalter auf dieser Erde eingesetzt ist, die Ausbildung von Verantwortlichkeit und Denkvermögen. Da Gott ein schöpferischer Gott ist, stellt die Förderung der Kreativität ein weiteres Ziel dar. Da der Leib des Christen der Tempel des Heiligen Geistes ist, kommt es darauf an, dass das Kind seine Personhaftigkeit und Körperlichkeit entfalten kann. Abschließend wird die Förderung der Integriertheit genannt. Darunter versteht der Autor das Erreichen einer inneren Harmonie zwischen Geist, Leib und Seele, bei der der Lebensstil des Kindes von dem Bemühen geprägt ist, Gottes Willen zu erfüllen, ohne in einer perfektionistischen Weise ständig mehr leisten zu wollen als es kann.

Das dritte Hauptziel, die Hinführung des Kindes zur Gemeinde, ergibt sich aus den Aussagen des Neuen Testaments. Die Gemeinde ist für den Heranwachsenden ein Ort des Lernens. Dies geschieht nicht nur durch Belehrung sondern in hohem Maße auch durch das was ein Kind dort sieht und erlebt.

"Was passiert, wenn wir diese Ziele in der Erziehung nicht erreichen?" fragt der Autor schließlich und räumt ein, dass es immer auch auf den Willen des Kindes ankommt, aktiv an seiner Erziehung mitzuwirken. Tatsächlich stellt sich diese Frage mehrfach bei der Lektüre. Doch auch wenn Mauersberger einräumt, dass mit dieser Möglichkeit gerechnet werden muss, und versucht, die betroffenen Eltern bzw. Erzieher zu beruhigen, erweckt er doch immer wieder den Anschein: Wenn sich ein Kind nicht Jesus Christus als seinem Herrn unterstellt, sind alle anderen pädagogischen Bemühungen eigentlich sinnlos.

Es folgen Ausführungen zu Liebe und Gehorsam als pädagogischen Prinzipien, von denen Erziehung geprägt sein sollte und im Anschluss daran zu den biblischen Erziehungsmitteln: Belehrung, Ermutigung, Vorbild, Zurechtweisung und Strafe, deren praktische Umsetzung für die Erziehung von Kindern in verschiedenen Altersstufen entfaltet werden.

Erstaunlich ist, dass der Autor hier plötzlich Erkenntnisse der vorher so gescholtenen Erziehungswissenschaft und Religionspädagogik aufnimmt und entsprechende Autoren als Stütze seiner Ausführungen zitiert.

Den Abschluss des ersten Bandes bilden gemeindepädagogische Überlegungen des Autors. Seiner Meinung nach erstreckt sich die pädagogische Verantwortung der Gemeinde von der Unterstützung der Eltern bei der familiären Erziehung über die Kinder-, Jungschar und Jugendarbeit bis hin zur Gründung von christlichen Schulen, Lehrerseminaren und Universitäten sowie dem Engagement in der Erwachsenenbildung.

Dieses Kapitel gerät zu einem Sammelsurium an Tipps und Zitaten aus Erziehungsratgebern bzw. Handbüchern zur Kinder- und Jugendarbeit. Die unzähligen Fußnoten verraten, dass Mauersberger hier zumeist auf bereits gedruckte Gedanken zurückgreift. Dabei verliert sich der Autor mitunter in einzelnen Details, wie der konkreten Gestaltung einer Jugendstunde. Die einzelnen Abschnitte stehen - wie in anderen Kapitel auch - oft etwas unverbunden nebeneinander.

Besonders interessant ist der letzte Abschnitt des ersten Bandes über Schulungsarbeit in der Gemeinde. Hier wirft der Autor die Frage auf, ob in unserem - zumeist von Gottesdienst und Bibelstunde geprägten - traditionellen Gemeindeprogramm nicht mehr Bedarf an Lehre und Lernen besteht und stellt ein Modell vor, bei dem der Lernbedarf aller Gemeindeglieder gedeckt wird, indem auf verschiedenen Ebenen die Verantwortung andere zu lehren wahrgenommen wird.

Im zweiten Band seiner Pädagogik beschäftigt sich Mauerhofer mit der Entwicklungs-Psychologie des Heranwachsenden. Auch hier skizziert er zunächst die säkularen Ansätze, denen er die "biblische Vorstellung von Entwicklung" gegenüberstellt. Der Mensch als Geschöpf Gottes ist weder durch seine inneren Anlagen noch durch seine Umwelt determiniert, doch durchläuft er biologisch bedingte Entwicklungsphasen, in denen sich seine inneren Anlagen entfalten. Den von der Psychologie verfolgten Zielen der Identitätsbildung und des Lösens von Entwicklungsaufgaben hält der Autor entgegen, dass nur Gott dem Menschen sagen kann, wer er ist und welches Ziel er mit ihm hat. Diese Ziele sind die schon im ersten Band ausgeführten: Eine persönliche Beziehung zu Gott und das Heranwachsen zu einer selbständigen Persönlichkeit durch die Gemeinschaft mit Gott, die Umgestaltung in sein Bild.

Die Phasenmodelle zur religiösen Entwicklung des Kindes lehnt Mauersberger in diesem Zusammenhang ab. Zwar gibt es im Leben eines Christen einen Wachstumsprozess, dieser ist aber nicht von der psychologischen Entwicklung abhängig. Im Gegenteil, der Autor betont mit Mt 18,3.4 mehrfach, dass gerade den Unmündigen das Reich Gottes zugesprochen wird.

Der Hauptteil des zweiten Bandes ist mit dem Ansatz einer bibelorientierten Didaktik und Katechetik der Organisation des eigentlichen Lehr- und Lernprozesses gewidmet. Der Autor will auch hier die Aussagen der Bibel als Grundlage festhalten, daneben jedoch human-wissenschaftliche Erkenntnisse einbeziehen.

Im Mittelpunkt der bibelorientierten Didaktik stehen Gott und sein Wort. Das beginnt bei der Bestimmung des Fächerkanons, der nach Meinung des Autors von der Bibel ausgehend legitimiert werden muss. Bei dieser Auswahl kommt Mauerhofer letztlich wieder zu den gleichen Fächern, die im allgemeinen an Schulen unterrichtet werden, aber er findet für jedes eine biblische Begründung. Ebenso verfährt er mit den Erziehungs- und Lernzielen, den Methoden und Sozialformen. Auch hier finden sich kaum nennenswerte Differenzen zu den Ausführungen in gängigen Didaktikhandbüchern, mit Ausnahme der obersten Zielstellungen des Autors, die Schüler in eine Beziehung zu Jesus Christus zu führen und in die Gemeinde zu integrieren. Allerdings geht er in kurzen Exkursen kritisch auf moderne Lernförderungsverfahren, wie das Neurolinguistische Programmieren oder die Suggestopädie ein.

Ebenfalls in diesem Kapitel streift der Autor kurz die Schulpädagogik. Im Gegensatz zu den aktuell diskutierten Schulkonzepten müsste nach einem bibelorientierten Ansatz der Staat die Familie und ihre Erziehungsverantwortung stärken anstatt der Schule und den Lehrern zunehmend familienersetzende Erziehung zuzuweisen.

Den Abschluss des zweiten Bandes bildet ein ausführliches Kapitel über Katechetik. Darunter versteht der Autor die Weitergabe des Wortes Gottes an Heranwachsende, sowohl in der Gemeinde (Sonntagsschule, biblischer Unterricht) als auch außerhalb (christliche Kindergärten, Religionsunterricht). Hier erläutert der Autor noch einmal ausführlich die Planung und Durchführung von Unterricht, der in erster Linie biblische Themen zum Inhalt hat, und gibt Hinweise zur Abfassung einer Katechese. Besonderen Wert legt der Autor auf die Persönlichkeit des Lehrers bzw. der Lehrerin. Er betont immer wieder die Vorbildfunktion des Erwachsenen, angefangen bei der Fachkompetenz über die Übereinstimmung von Leben und Lehren bis hin zum Gebet für die Schüler, die er unterrichtet.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Kompendium stellt über weite Strecken eine Zusammenstellung nützlicher Erkenntnisse aus der erziehungswissenschaftlichen Forschung dar, denen Ziele vorangestellt werden, die der Autor der neutestamentlichen Verkündigung entnimmt. Dabei bleibt die Abgrenzung zwischen Theologie und Pädagogik unklar.

Der Schreibstil des Autor ist gewöhnungsbedürftig und einerseits von vereinnahmenden Wir-Formulierungen gekennzeichnet, andererseits von anspruchsvollen Imperativen. Dadurch entsteht beim Lesen der Eindruck, dass der Autor zwar viele begrüßenswerte Forderungen an erzieherisches Handeln stellt aber wenig Anleitung zur praktischen Verwirklichung im pädagogischen Alltag gibt.

Die zahlreichen Fußnoten mögen den Leser etwas verwirren, jedoch zeugen sie von der in jeder Hinsicht umfassenden Belesenheit des Autors und bieten die Möglichkeit, zusammen mit dem sehr ausführlichen Literaturverzeichnis einzelne Themen selbständig weiter zu vertiefen.

Unerfreulich ist die oft verkürzte und einseitige Darstellung sowie die undifferenzierte und z.T. polemische Kritik säkularer Pädagogikentwürfe. Der Autor verspielt damit die Chance, im erziehungswissenschaftlichen Diskurs unserer Tage ernst genommen zu werden.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Andreas Schmidt
 Kategorie: Gemeinde, Gottesdienst, Leitung

  Verlag: SCM Hänssler
  Jahr: 2001
  ISBN: 3-7751-3645-2
  Seiten: 542
 €    Preis: 18,95 Euro

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