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Predigten zu 1. Korinther 13,7

"sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles."

Autor: John F. MacArthur (* 19.06.1939) US-amerikanischer Pastor, Prediger, Theologe und Autor
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Die Liebe tritt der Sünde entgegen, sie schont aber den Sünder.

"Sie [die Liebe] erträgt alles"

In 1. Korinther 13,7 nennt Paulus vier Dinge, die eng miteinander verbunden sind: alles ertragen, alles glauben, alles hoffen und alles erdulden. Das erweckt den Eindruck, als könne die Liebe nichts unterscheiden und würde alles akzeptieren, was ihr begegnet. Aber das "alles" wird durch den Kontext beschrieben. Die Lieb lehnt Neid, Angeberei, Hochmut und Ähnliches ab (die Verse 4-6); dafür trägt, glaubt, hofft und erduldet sie alles innerhalb der Grenzen des göttlichen Wortes.

"Die Liebe erträgt alles" spricht von der Bereitschaft der Liebe, Sünden zuzudecken und den Sünder vor weiteren Verletzungen zu bewahren. Das ist das Gegenteil von der in der heutigen Gesellschaft gepflegten Geschwätzigkeit, mit der man gern alles öffentlich zur Schau stellt, weil die Leute einen schier unersättlichen Appetit auf Enthüllungen und "die Wahrheit" über alles, was irgendwie Prominenz hat, empfinden. Die Liebe sucht zuzudecken, nicht zu enthüllen. Sie tritt der Sünde entgegen und erzieht den Sünder; aber sie posaunt niemals Fehler und Mängel aus. Sie fühlt, wie es dem Geliebten zumute ist und findet sich bereit - wenn nötig -, den Schmerz auf sich zu nehmen, wie auch Christus es tat, als Er für unsere Sünden litt.

Im Alten Testament wurde der Gnadenstuhl mit dem Blut der Versöhnung besprengt, um die Sünden des Volkes zu bedecken (3. Mo. 16,14). Dies Bedecken war ein Bild von der vollkommenen Bedeckung der Sünden durch den Kreuzestod Christi (Röm. 3,25-26). Alle, die Ihm vertrauen, sind für ewig in den Mantel der Liebe Gottes eingehüllt.

Du kannst keine Sünden im Sinne der Versöhnung zudecken; aber du bist in der Lage, Opfer zu beschützen und aufzurichten. Sprüche 10,12 lehrt uns: "Hass erregt Zänkereien; aber Liebe deckt alles Vergehen zu." Und in 1. Petrus 4,8 heißt es: "Vor allem aber habt untereinander eine anhaltende Liebe. Denn die Liebe bedeckt eine Menge von Sünden."

Wenn du hörst, jemand habe gesündigt, wie reagierst du? Nimmst du das Schlimmste an oder weidest du dich gar an dessen Fehlern? Oder aber hoffst du das Beste und versuchst ihn vor weiteren Blossstellungen, vor Gelächter und Kummer zu beschützen? Bist du bereit, wenn nötig, der Sünde entgegenzutreten oder sogar, dieser Person beim Tragen der selbst verschuldeten Last zu helfen? Deine Reaktion offenbart die Qualität deiner Liebe.


Autor: John F. MacArthur (* 19.06.1939) US-amerikanischer Pastor, Prediger, Theologe und Autor
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Die Liebe erwartet von anderen immer das Beste.

"Sie [die Liebe] glaubt alles"

In Lukas 15 erzählt der Herr Jesus das Gleichnis von einem Vater, der zwei Söhne hat. Der jüngere Sohn bat um seinen Teil des Familienerbes, dann verließ er das Elternhaus und vergeudete es mit seiner sündigen Lebensführung. Als er seine Torheit eingesehen hatte, beschloss er zurückzukehren und seinen Vater um Vergebung zu bitten. "Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater. Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater und wurde innerlich bewegt und lief hin und fiel ihm um seinen Hals und küsste ihn sehr. Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen. Der Vater aber sprach zu seinen Sklaven: Bringt schnell das beste Gewand heraus und zieht es ihm an und tut einen Ring an seine Hand und Sandalen an seine Füße; und bringt das gemästete Kalb her und schlachtet es und lasst uns essen und fröhlich sein" (Lk. 15,20-23).

Das ist ein schönes Bild von der Eilfertigkeit der Liebe, wenn es ums Vergeben geht; aber auch andere Kennzeichen der Liebe werden daran deutlich. Während der Sohn noch fern war, sah ihn sein Vater kommen. Wie war das möglich? - Weil er auf seinen Sohn gewartet hatte - er ersehnte und erhoffte dessen Rückkehr. Die Liebe vergibt, was ihr angetan wurde und hofft das Beste für den anderen. Das ist mit dem "alles glauben" in unserem Vers gemeint. Der Sohn hatte den Vater tief verletzt; trotzdem gab dieser nie die Hoffnung auf die Rückkehr des Sohnes auf.

Ich kenne eine Christin, die seit dreissig Jahren mit einem ungläubigen Mann verheiratet ist. Doch hört sie nicht auf zu sagen: "Eines Tages wird er sich bekehren." Sie ist nicht blind für ihre Lage; aber ihre Liebe zu ihrem Ehemann hat ihren sehnlichen Wunsch zu einer Erwartung gemacht. Sie glaubt, dass er sich zu Christus wenden wird, weil die Liebe immer das Beste erwartet.

Vielleicht hast du einen Ehepartner oder Kinder, die noch ungläubig oder vom Herrn abgekommen sind. Verliere nie den Mut! Erwarte das Beste und lass dich deine Erwartung zu flehentlichem Gebet antreiben und zu einem gottesfürchtigen Leben, dem deine Lieben gern folgen möchten.


Autor: John F. MacArthur (* 19.06.1939) US-amerikanischer Pastor, Prediger, Theologe und Autor
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Die Liebe weigert sich, menschliches Versagen als das Letzte zu betrachten.

"Sie [die Liebe] hofft alles"

Selbst wenn der Glaube ins Stocken gerät, kommt uns die Hoffnung noch zur Hilfe. Sie ist das lange Seil, das uns mit der Souveränität und der Kraft Gottes verbindet.

Der Apostel Petrus schrieb seinen Brief an Gläubige, die schwere Drangsale zu erleiden hatten. Um sie zu ermutigen, begann er: "Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der nach seiner großen Barmherzigkeit uns wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten" (1. Petr. 1,3).

Unsere Hoffnung ist eine "lebendige Hoffnung", weil Gott ein lebendiger Gott ist. Einerlei, wie dunkel deine Lage auch scheint, Gott ist dabei, Seine Absichten zur Vollendung zu bringen. Als Christus am Kreuz hing, schien es, als habe die Sünde endgültig über die Gerechtigkeit triumphiert. Aber der größte Augenblick der Sünde gereichte ihr zum Todesstoss, als Christus aus dem Grab erstand als Herr des Lebens und Erretter Seines Volkes. "Der Jesus aus den Toten auferweckt hat, [wird] auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen seines in euch wohnenden Geistes" (Röm. 8,11). Trübsale und Tod haben keine Macht über dich. Sie bringen dich nur näher zu Christus.

Wenn man anderen dient, gibt die Hoffnung einem das Vertrauen, dass, solange jemand noch lebt, menschliches Versagen nicht das letzte Wort hat. Gott weigerte sich, Israels Fehler anzuerkennen; so tat es der Herr auch bei Petrus, und Paulus bei den Korinthern. Wenn deine Versuche, die Sünden anderer zu bedecken, fehlschlugen oder deine gerechten Erwartungen sich zerschlagen haben, dann sagt die Hoffnung: "Gib nicht auf. Gott kann auch daraus noch etwas Gutes machen."

Was Hoffnung ist, zeigt die wahre Geschichte von einem Hund, der auf dem Flughafen einer großen Stadt verloren ging. Er blieb dort mehr als fünf Jahre lang und wartete auf seinen Herrn. Das Flugplatzpersonal fütterte und versorgte ihn; aber er weigerte sich, den Platz zu verlassen, wo er seinen Herrn zuletzt gesehen hatte. Wenn die Liebe eines Hundes so viel Hoffnung erzeugen kann, wie viel anhaltendere Hoffnung sollte aus deiner Liebe zu Gott hervorgehen?


Autor: John F. MacArthur (* 19.06.1939) US-amerikanischer Pastor, Prediger, Theologe und Autor
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Die Liebe überwindet alle Widerstände.

"Sie [die Liebe] erduldet alles"

Das Aushalten ist der letzte Wesenszug der Liebe, wie Paulus sie hier darstellt. Das griechische, mit "erdulden" wiedergegebene Wort stammt aus dem militärischen Bereich und meint das Aushalten mitten im schwersten Gefecht. Es bezieht sich nicht auf das Durchstehen kleinerer Widerwärtigkeiten, sondern auf das Durchhalten, auch wenn die Feindschaft unvorstellbar ist - ohne dass die Liebe aufhört.

Stephanus ist ein gutes Beispiel für Liebe, die alles erduldet. Er predigte kompromisslos Gottes Wort, darum steinigten ihn seine Feinde zu Tode. Als letzte Handlung fiel er auf die Knie und rief ganz laut: "Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!" (Apg. 7,60). Ein Geringerer möchte seine Peiniger gehasst haben, nicht aber Stephanus. Er hatte ihnen vergeben und bat Gott, es auch zu tun. Damit folgte er dem Beispiel des Herrn, der am Kreuz bat: "Vater, vergib ihnen! Denn sie wissen nicht, was sie tun" (Lk. 23,34). So sieht das Erdulden in göttlicher Liebe aus!

Die Liebe erträgt alle Verletzungen, Sünden und Enttäuschungen. Sie breitet sie nie aus, sondern versucht alles, die Sünder zu Versöhnung und Wiederherstellung kommen zu lassen. Die Liebe glaubt immer das Beste von anderen und ist nie zynisch oder argwöhnisch. Selbst unter schwersten Angriffen vergibt sie und hält sich an die Macht und die Verheißungen Gottes. Diese Liebe sollte jeden Gläubigen kennzeichnen. Deine Liebe muss nicht perfekt, aber sie muss erkennbar sein. Wenn es dir in manchen Lebensbereichen schwerfällt, Liebe zu üben, so erinnere dich dieser fünf Hilfen:

* Anerkenne, dass die Liebe ein Befehl ist (Röm. 13,8-10).

* Mache dir klar, dass du geistliche Quellen besitzt, die dir helfen, andere zu lieben, wie Gott dich liebt (Röm. 5,5).

* Begreife, dass Nächstenliebe normales Christen-Verhalten darstellt (1. Joh. 4,7-10).

* Mache dir klar, dass Liebe das Werk des Heiligen Geistes ist (Gal. 5,22).

* Sei eifrig, anderen Liebe zu erweisen (1. Petr. 1,22; 4,8).

Die göttliche Liebe sollte dein höchstes Bestreben und deine größte Freude sein (Mt. 22,36-40). Wenn du andere liebst, verherrlichst du Christus und machst Ihn den anderen bekannt.


Autor: Carl Eichhorn (* 11.07.1810; † 08.02.1890) deutscher lutherischer Pastor
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Jesu Bild in der Liebe (IV)

"Die Liebe verträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles."

Jeder Mensch gibt zu tragen, nicht nur vor der Bekehrung, sondern auch Gotteskinder. Wenn du dich über andere beschwerst, dass sie so unleidlich seien, dann bedenke, dass auch du zu tragen gibst! Der Mensch in seiner Blindheit erträgt sich selbst nur allzuleicht. Wenn durch die Wiedergeburt die wahre Liebe Raum gewinnt, dann wird es anders. Dann trägt man an den eigenen Fehlern schwerer als an denen anderer. Die Liebe trägt alle Unliebenswürdigkeiten, Härten und Gebrechen. Die Last wird ihr nicht zu viel, sie schöpft immer wieder aus dem Urquell der Gottesliebe. Es ist damit nicht gesagt, dass die Liebe zu allem schweigt. Sie mahnt und weist zurecht, aber sie wird nicht verdrossen und wirft den andern nicht weg wie eine unerträgliche Last. Sie glaubt alles. Sie hegt ein unbegrenztes Vertrauen, wenn sie gleich oft getäuscht und enttäuscht wird. Der kalte und selbstsüchtige Mensch verlacht sie darum als Torheit. Die Liebe wird vielleicht 90mal unter 100 Fällen missbraucht und betrogen. Jedoch mitunter darf sie es erleben, dass ihr Vertrauen zum Ziel führt. Denn wenn irgend etwas einen Menschen heben und fördern kann, ist es das Vertrauen, das man in ihn setzt. Misstrauen drückt ihn herunter und macht ihn erst recht trotzig: "Ich soll schlecht sein, nun, so will ich es auch sein!" Gottes unendliche Liebe kommt den Menschen immer wieder mit Vertrauen entgegen, trotz so vieler übler Erfahrungen von Undank und Verschmähung seiner Liebe. Der Apostel hat es dem Herrn Jesus nie vergessen, dass er ihn als treu und zuverlässig geachtet hat und ihn darum zu seinem Dienst berief, ihn, der zuvor ein Lästerer war (1. Tim. 1, 12). Er hat aber auch das Vertrauen, das Jesus in ihn setzte, glänzend gerechtfertigt. Die Liebe hofft, wo scheinbar nichts zu hoffen ist, und hat so manchmal die hohe Freude, dass sie mit ihrer Hoffnung nicht zuschanden geworden ist. Sie erduldet alles. Die Liebe unterzieht sich willig allen Plagen, die der Dienst an andern mit sich bringt. Der selbstsüchtige Mensch sieht es als Torheit an, sich ohne Not, um anderer willen, Mühen und Beschwerden aufzuerlegen. Es gibt sogar Frauen, die sich keine Kinder wünschen, um der Plage überhoben zu sein. In den letzten Tagen werden viele sogar die natürlichen Liebestriebe ersticken (2. Tim. 3, 3). "Liebe gebiert Leiden", hat jemand gesagt, und "durch Leiden wird die Liebe erprobt und gereinigt". - Die Liebe ist langmütig: damit begann der Apostel das Hohelied der Liebe. Sie erduldet alles. Damit kehrt der Schluss zum Anfang zurück. Bei Jesus finden wir alle in diesem Bild der Liebe angeführten Züge vollkommen ausgeprägt. Wir wollen wenigstens immer völliger werden in der Liebe und so dem Bild Jesu immer besser gleichen (1. Thess. 4, 10).


Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Wirklich, alles glaubt sie? Haben wir nicht reichlich Grund zum Verdacht und zur bangen Sorge im Verkehr mit den Menschen? Wird nicht die Liebe, wenn sie alles glaubt, dem Spiel und Trug der Menschen ausgeliefert? Spricht nicht tausendmal die Erfahrung von Aufopferung, die vergeblich geschah, von Liebe, die umsonst sich mühte und schließlich, vielleicht erst nach heißem Kampf, zusammenbrach? An dem, was die Menschen sind und tun, entsteht die Furcht oft genug und Grund zum Zweifel bieten sie uns reichlich dar und sie haben das Vermögen, der Liebe hartnäckig zu widerstehen. Das hat Paulus noch viel reichlicher erfahren als wir, weil seine Liebe weit stärker war als die unsrige. Er bleibt aber dabei: aus der Liebe entsteht kein Zweifel, keine Ermüdung, kein Unterliegen. Ich freilich kann zweifeln, mich fürchten, erliegen und in Lieblosigkeit, die die Menschen verachtet, versinken; aber die Liebe kann dies nicht. Sie glaubt alles. Im Verkehr mit jedem Menschen, sei er, was er sei, vor jeder Lage, mögen Schuld und Elend so gewaltig sein, kann sie nur das Eine, nur glauben. Wie kommt denn die Liebe in mich hinein? Sie ist die Wirkung und Frucht der göttlichen Liebe und deshalb glaubt sie und hat eine gewisse und starke Zuversicht in sich, die keinen Bruch erträgt und keine Schranken kennt; denn sie hat Gott vor Augen und seine sieghafte Macht. Wollte ich nur mit dem rechnen, was mein Wohlwollen einem Menschen bieten kann, so müsste ich freilich auf den Erfolg meiner Liebe verzichten. Dürfte ich das aber noch Liebe heißen? Ist ein gottloser Verkehr mit den anderen Liebe? Solche Liebe, die sich auf das gründet, was ich in mir selber finde, bleibt verhüllte Eigensucht. Meine Liebe muss reicher sein als mein Besitz, wie könnte sie sonst dem anderen geben, was er braucht? Sie muss sehender sein als mein eigenes Auge, wie könnte sie ihm sonst helfen? Sie muss stärker sein als meine Kraft. Diese reicht nicht aus, um einen Menschen zu seinem Ziel emporzutragen. Das ist sie dadurch, dass sie mit Gottes Liebe einig ist. Weil ich bei der Arbeitsamkeit meiner Liebe Gott für mich habe, kann ich den Zweifel vertreiben, der an meiner Liebe nagt und sie lähmt, und kann im heißen Ringen, mit dem sich die Furcht der Liebe widersetzt, den Sieg gewinnen nach dem Wort des Johannes: die vollendete Liebe vertreibt die Furcht.

Glauben, Vater, kann ich für die Menschen nur, weil ich Dir glaube, und sie lieb haben kann ich nur, weil ich Deine Liebe kenne. Mit meiner müden, zagenden und zweifelnden Liebe flüchte ich mich zu Dir. Schütze, pflege und stärke das Pflänzchen, das Deine Hand in mich gepflanzt hat. Amen.


Autor: Hermann Bezzel (*18.05.1861; † 08.06.1917) deutscher lutherischer Theologe
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Sie verträgt alles, sie glaubt alles, sie hoffet alles, sie duldet alles.

Der Apostel hat in dem Bilde reichen Wechsel. Jetzt ist ihm die Liebe ein Haus, auf dessen niedriges Dach alles Unwetter Schnee und Hagel niedersendet, aber des Hauses Pfosten tragen, und das Dach – schwer belastet – bleibt unversehrt. Jetzt ist sie ihm eine Hütte mit offenen Toren, sie lässt alle ein und ruft freudestrahlend: „Es ist noch Raum“ Jetzt ist sie ihm die hohe Burg, von der aus hinaus in die Weite, hinüber über die Täler die Flagge weht, gastlich einladend, freundlich werbend, heimatlich grüßend. – Die Liebe träget alles, sie duldet alles, sie hoffet alles. – Und wenn dann die Gäste gekommen sind, und es sind alle Räume wohl besetzt, dann glaubt sie alles, von jedem das Beste. – Von jedem das Beste: das ist ihre Kraft und nimmer versagende Gabe; denn die Liebe sucht nicht das Ihre. Würde sie das tun, so würde sie mürrisch und kleinlich, ärmlich und ärgerlich werden; sie würde die Türen bald zuschließen und unter ihren Gästen Auslese halten und nur denen sich zuwenden, die ihr gefällig sind. Würde sie am Eigenen etwas haben wollen, so würde sie übel wählen und würde weit mehr von ihrem Antlitz vertreiben als mit ihm begrüßen. Aber sie trachtet nicht nach Bösem und rechnet erlittenes Unrecht nicht zu; sie hat nur immer zu verzeihen, Tränen zu trocknen, zu vergeben und zu vergessen.