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Predigten zu Johannes 1,29

"Des folgenden Tages sieht er Jesum zu sich kommen und spricht: Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt."

Autor: Charles Haddon Spurgeon (* 19.06.1834; † 31.01.1892) englischer Baptistenpastor
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"Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt hinwegnimmt!"

Johannes des Täufers einzige Aufgabe war es, von Christus zu zeugen. Er war der Morgenstern, der die aufgehende Sonne verkündete. Als die Sonne erschien, war sein Dienst getan. Der einzige Grund für seine Existenz ist wirklich der Herr Jesus.

Ich wünschte, wir alle könnten mit Paulus sagen: "Für mich ist Christus das Leben." Möchte unser Leben so sein, dass es ohne den Herrn Jesus nicht verstanden werden kann! Nehmt ihr ihn weg, wird unser ganzes Wesen und Sein ein unerklärliches Geheimnis.

Johannes wusste viel von dem Herrn Jesus und hätte ihn in seinen verschiedenen Eigenschaften beschreiben können. Er hätte besonders auf ihn als das große Vorbild, den großen Lehrer der Heiligkeit und Liebe hinweisen können. Dies erschien dem Täufer jedoch nicht als das Erste und Wichtigste an dem Herrn, sondern er verkündigte ihn als einen, der in die Welt gekommen war, um das große Opfer für die Sünde zu sein. Er hob die Hand empor, zeigte auf Jesus und rief: "Siehe, das Lamm Gottes." Er sagte nicht: "Siehe, das ist euer wahres Vorbild." Ohne Zweifel hätte er das mit Recht sagen können. Er sprach nicht einmal: "Siehe, das ist der König und Führer einer neuen Zeit." Diese Tatsache würde Johannes nicht geleugnet, sondern sich darüber gefreut haben. Dennoch ist der erste Punkt, bei dem er verweilt und der seine Freude erregt: "Siehe, das Lamm Gottes."

Meine Brüder, wir können uns darauf verlassen, dass dies eine sehr praktische Wahrheit sein muss; denn Johannes war äußerst praktisch. Wenn Buße gepredigt wird, muss der Herr Jesus Text und Inhalt der Rede sein. Er bringt Leben, Kraft und Energie in das, was sonst eine tote moralische Abhandlung wäre.

O ihr, die ihr Menschen von der Sünde erretten wollt, seht zu, dass das große Opfer des Herrn Jesus für die Sünde der Gegenstand eurer Predigt ist.


Autor: Charles Haddon Spurgeon (* 19.06.1834; † 31.01.1892) englischer Baptistenpastor
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"Siehe, das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt hinwegnimmt!"

Johannes zeigt mit diesem Ausspruch auf den Herrn Jesus hin um derer willen, die um ihn her sind. Wir wünschen nicht, dass andere mit uns glauben, nur weil wir sie nötig haben, um uns zu unterstützen. Die Wahrheit wird in dieser bösen Welt gewöhnlich von der Minderheit vertreten.

Ich habe für mich selbst Glauben an den Herrn Jesus, einen Glauben, der wie mit einem heißen Eisen in mich hineingebrannt ist. Dafür danke ich Gott; und was ich glaube, werde ich glauben, selbst wenn ich allein es glaubte. Wenn ich der letzte bin, der sich des stellvertretenden Sterbens des Herrn Jesus rühmt, so will ich mich für geehrt halten, sein Kreuz allein hochzuhalten.

Diese große Tat der Liebe lässt den, der sie anschaut, wünschen, dass alle Menschen sie für sich in Anspruch nehmen und leben möchten. Hast du jemals gehungert und fandest dann Brot? Dann weiss ich, dass du Mitleid mit deinem hungernden Bruder hast. Es treibt uns dazu, das Gute zu verbreiten, was wir empfangen haben. Selbst Hunde handeln so. Einem armen Hund wurde sein Bein in einem Krankenhaus geheilt, und vier Wochen später brachte er einen anderen lahmen Hund zu demselben Haus der Barmherzigkeit. Auch wir wünschen, Menschen zu Christus zu bringen, weil unsere zerbrochenen Herzen durch seine sanfte Hand geheilt worden sind. Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.

Brüder, ich war nahe daran, unter dem Bewusstsein der Sünde umzukommen; ich fühlte den Zorn Gottes in meiner Seele wie ein Feuer, ich fand keine Erleichterung, keinen Trost. Selbst das Wort Gottes ermutigte mich nicht. Man sagte mir vom Glauben an Jesus. Aber bis ich lernte, dass der Herr Jesus das große, von Gott verordnete Opfer für die Sünde ist, sah ich nichts in ihm, was mich ermutigen konnte. Als ich gelernt hatte, dass er meine Strafe getragen und der Gerechtigkeit Gottes Genüge getan hat, fand ich das Geheimnis, und meine Seele fand Ruhe.

Die Gläubigen blicken auf Jesus als auf den, der alle ihre Schuld bezahlt hat, und fürchten sich nicht vor dem letzten Gericht.


Autor: Hermann Friedrich Kohlbrügge (* 15.08.1803; † 05.03.1875) niederländischer reformierter Theologe

Ist noch etwas von dem, was wir Sünde heißen, ausgeschlossen, wenn Gott durch den Täufer sagt, er trägt die Sünde? Ist damit nicht gemeint der gänzliche Abfall von Gott, die gänzliche Verdrehtheit und Verkehrtheit, die gänzliche Ungerechtigkeit, welche uns eigen ist, dazu alle Gräuel und Unreinigkeiten, welche aus dem Herzen hervorkommen? Ist damit nicht gemeint alle die Missetat, zu welcher jeder Mensch fähig ist, welche er auch begangen hat und begeht, wiederholt begeht? – Gottes Lamm trägt die Sünde der Welt. Aber hat dieses Lamm Gottes auch meine Sünde getragen? So spricht Gott durch den Täufer: Welcher die Sünde der Welt trägt. Und so schreibt Johannes: Er ist nicht allein eine Versöhnung für unsere Sünden, sondern auch für die Sünden der ganzen Welt. Willst du kein besonders bevorrechteter Jude sein, sondern ein Heidenkind? Gehörst du zu der Welt? Willst du dich zu der Welt schlagen, – so hat dieses Lamm Gottes auch deine Sünde getragen. So ist auch dir die Verheißung, dass in Christo sich alle Völker der Erde glücklich preisen sollen. Die Verheißung reicht so weit, als die Welt reicht, und Sünde und Welt reichen beide eben weit. Dieser Welt Sünde hat getragen das Lamm Gottes, und hast du Lust, so hast du Freiheit und Befehl, kraft des ewigen Gesetzes deine Sünde zu legen auf dieses gesegnete Haupt. So fern der Morgen ist vom Abend, so fern trägt dieses Lamm deine Sünden von dir weg, dass ihrer in Ewigkeit nicht mehr vor Gott gedacht wird.

Nun lobet alle Gottes Sohn,
der die Erlösung funden!
Beugt eure Knie vor seinem Thronl
Sein Blut hat überwunden.
Preis, Lob, Ehr, Dank, Kraft, Weisheit, Macht
sei dem erwürgten Lamm gebracht.


Autor: Carl Olof Rosenius (* 03.02.1816; † 24.02.1868) schwedischer Laienprediger und Initiator einer neuevangelischen schwedischen Erweckungsbewegung

"Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt."

Dies ist der Spruch, den Johannes als der vom Vater gesandte Vorläufer Christi, der auf den Sohn hinweisen und Sein Werk für die Welt verkündigen sollte, in heiliger Freude ausrief, als er Jesus zu sich kommen sah. Es ist der Kernspruch von dem eigentlichen Werk Jesu auf Erden, ein Spruch, der es wohl wert wäre, dass bei seinem Ausrufen alle Glocken geläutet würden; er wird in allen unseren Kirchen über unseren Häuptern gesungen, wenn wir unsere Knie am Altar beugen, um den Leib und das Blut Jesu zu empfangen: "O, du Gotteslamm, das der Welt Sünde trägt."

Gotteslamm heißt es im Grundtext. Wenn Johannes in dieser bestimmten Form vom Lamme redet, dann erinnert er an alle jene Lämmer, die in dem vorbildenden Gottesdienst in Israel geopfert worden sind, unter denen die Passahlämmer die merkwürdigsten waren - eine unzählbare Menge von Vorbildern, da man in jedem Hause jährlich ein Lamm opferte. Da Johannes hier aber nicht nur "das Lamm", sondern "Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt" sagt, so scheint er Jes. 53 im Auge gehabt zu haben, wo wir sowohl die Sache als auch die Worte dieses Spruches wiederfinden. Denn dort wird nicht nur gesagt, dass Christus sein werde "wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer und seinen Mund nicht auftut", sondern auch, dass Er der Welt Sünden tragen solle. Da steht: "Wir gingen alle in der Irre wie Schafe, ein jeglicher sah auf seinen Weg; aber der Herr warf unser aller Sünde auf Ihn"; und wiederum: "Er trägt ihre Sünden"; "Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf Ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch Seine Wunden sind wir geheilt." Alles das drückt Johannes mit diesen kurzen, inhaltsreichen Worten aus, indem er mit dem Finger auf Jesus hinweist und ausruft: "Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt."

Wundert sich nun jemand, ob dies wirklich geschehen ist, da wir doch unausgesetzt sehen, wie die Sünde noch in der Welt verblieben ist und wir sie auch in uns selbst wohnend fühlen, so müssen wir bedenken, dass hier von einem Wegnehmen die Rede ist, das durch ein Opfer geschieht. Durch die vorbildenden Opfer wurde nur das Wegnehmen oder die Übertragung der Schuld und der Strafe von dem schuldigen Menschen auf das dargebrachte Opfertier bezeichnet, das deshalb geschlachtet wurde. Das sagt auch Jesaja mit den Worten: "Der Herr warf unser aller Sünde auf Ihn", und wiederum: "Er ist um unserer Missetat willen verwundet; die Strafe liegt auf Ihm." Weder in diesen Worten noch in der vorbildenden Handlung des Opferns liegt eine Andeutung vom Entfernen der Sündenseuche aus dem sündigen Menschen, sondern da wird nur von der Strafe gesagt, dass sie auf Ihn gelegt wurde, "auf dass wir Frieden hätten". So sagt auch der Hebräerbrief: Wenn das Opfer wirklich die Sünde wegnimmt, so sollen wir sie nicht auf dem Gewissen tragen. Es wird zum Beweis dafür, dass die levitischen Opfer die Sünden nicht wegnahmen, gesagt, dass diejenigen, die so opferten, sie noch auf dem Gewissen hatten. Zur vollen Gewissensfreiheit von den Sünden ist jetzt nur erforderlich, dass wir wirklich das glauben und wissen, was das Opfer des Lammes ausgerichtet hat. Hier hängt es also nur davon ab, inwiefern wir glauben. An dem Werk Christi fehlt es nicht. Das Lamm Gottes hat mit Seinem Opfer die Sünden der Welt wirklich weggenommen. Wenn wir darum noch selbst an unseren Sünden tragen und weder Frieden noch Freiheit des Gewissens haben, dann ist der Fehler dieser, dass wir nicht glauben, was Gott von Seinem Sohn bezeugt hat, dass Er nämlich alle unsere Sünden auf Ihn warf. Hier sollen wir sehen, was glauben heißt und welch eine verdammliche Sünde der Unglaube ist.

Mit diesem Spruch vor Augen ist der Glaube eine so einfache Sache; wir brauchen ja nur die Worte für wahr zu halten, dass das Lamm Gottes der Welt Sünde trägt, oder, wie es bei Jesaja heißt, dass der Herr unser aller Sünde auf Ihn warf. Unsere volle Freiheit von der Schuld der Sünde und dem Urteil vor Gott und unserem Gewissen beruht auf dieser einfachen Wahrheit! Wenn eine Sache von ihrer Stelle genommen und auf eine andere gelegt Wird, so liegt sie nicht mehr auf der früheren. Wenn deine Sünden also auf das Lamm Gottes gelegt sind, dann liegen sie nicht mehr auf dir. Da Gott deine Sünden auf das Lamm geworfen, sie Ihm zugerechnet und an Ihm abgestraft hat, so stehen sie nicht mehr auf deiner Rechnung. Ganz gewiss bist du derjenige, der sie begangen und der das Gesetz Gottes übertreten hat; da der Herr sie aber aus großer Barmherzigkeit von dir genommen und auf Sein Lamm geworfen hat, so wird Er dir wahrlich diese Sünden nicht zurechnen. Hierüber lauten Luthers tröstliche Worte:

"Gott der Herr sprach: Ich weiss, dass dir deine Sünden zu schwer sind zu tragen; deshalb sieh, Ich will sie auf Mein Lämmlein legen und von dir wegnehmen. Dasselbige glaube du; denn so du das tust, bist du frei von Sünden. Es hat sonst die Sünde nur zwei Orte: Entweder ist sie bei dir, dass sie dir auf dem Halse liegt, oder sie liegt auf Christus, dem Lamm Gottes. So sie nun dir auf dem Rücken liegt, so bist du verloren; so sie aber auf Christus ruht, so bist du ledig und wirst selig. Nun greif, zu welchen du willst. Dass die Sünden auf dir bleiben, das sollte wohl sein nach dem Gesetz und Recht; aber aus Gnaden sind sie auf Christus, das Lamm, geworfen. Sonst, wenn Gott mit uns rechten wollte, so wäre es um uns geschehen."


Autor: Dora Rappard (* 01.09.1842; † 10.10.1923) Schweizer Missionarin und evangelische Kirchenlieddichterin

"Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt."

Siehe! - Etwas Grösseres, Wunderbareres ist in aller Welt nicht zu sehen als das, worauf der Wegbereiter in diesen Worten hinweist. Wer damals dem ausgestreckten Finger mit den Blicken folgte, sah einen Mann, der still und schlicht am Ufer des Jordans einherschritt. Es war ein Mensch, an Gebärden wie andere Menschen erfunden und dennoch einzig in seiner Art, Gottes Sohn, Gottes auserkorenes Lamm (1. Mose 22, 8).

Wie die Israeliten am Passah ein Lamm schlachten mussten, an dem "kein Fehl" war, so ist Gottes Lamm heilig und unbefleckt. Wie im Tempeldienst der Priester auf des Lammes Haupt die Sünden des Volkes bekennen musste, sie gleichsam auf das Opfertier übertragend, so hat Gott auf sein unschuldiges Lamm unser aller Sünde geworfen (Jes. 53, 6). Hat Jesus sie auf sich genommen und sie mit hinaufgetragen an seinem Leibe auf das Kreuzesholz, o, dann lasten sie nicht mehr auf mir. Dann ist meine Schuld bezahlt, dann habe ich mit meinen Sünden nichts mehr zu tun, dann muss es meine einzige Sorge sein, dem Lamm nachzufolgen, wo es hingeht, und erneuert zu werden in sein Bild. O Dank sei Dir, Lamm Gottes, dass Du uns solche Seligkeit erworben hast!

Ich leg' die Glaubenshand, Lamm Gottes, auf Dein Haupt, auf Dich sei meine Schuld bekannt, Weil's so Dein Wort erlaubt.


Autor: Ludwig Hofacker (* 15.04.1798; † 18.11.1828) deutscher evangelischer Pfarrer
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O Lamm Gottes, unschuldig am Kreuzesstamm geschlachtet; allzeit funden geduldig, wiewohl du wärest verachtet. All' Sund' hast du getragen, sonst müßten wir verzagen. Erbarme dich unser, o Jesu!

Karfreitag feiern wir den Todestag unseres Herrn, den Todestag Dessen, der das Leben in sich selber hat, der die Auferstehung und das Leben ist, und der nun lebet von Ewigkeit zu Ewigkeit. Das ist der Tag, den Gott gemacht hat, den er dem verlornen, in Sünde, Elend und Tod versunkenen Menschengeschlecht gemacht hat, der Tag der Versöhnung, der Tag, an welchem das Blut des neuen Bundes auf Golgatha floß; das ist der Tag, welcher Größeres hervorgebracht hat, als die Schöpfung der Welt, denn an diesem Tag ist die Welt erlöset worden durch den Schöpfer; der Tag des großen Generalpardons für alle Sünder! Ach, seine große Lieb' und unsre große Not, das hat die Glut entflammt, die stärker als der Tod. Ja seine große Lieb' und unsre große Not, das hat ihn an das Holz des Flu- dies, das hat ihn in Not und Tod getrieben. Wer vermag das auszudenken? Wer vermag das auszureden? Dem Lamm, das geschlachtet ist, nur dem Lamm gebühret Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob! Amen.


Autor: Ludwig Hofacker (* 15.04.1798; † 18.11.1828) deutscher evangelischer Pfarrer
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Zu den Zeiten des Alten Bundes gab es auch Gelegenheiten, wo Lämmer geopfert wurden. Jenes Lamm, das Passa, mit dessen Blute die Türpfosten der Israeliten in Ägypten bestrichen wurden, verhinderte ja den Einbruch des Würgeengels, als er die Erstgeburt der Ägypter schlug. Aber alle jene Opfer und auch das Blut des Passalammes hatte nur seine Bedeutung und seinen Wert in dem Opfer des neutestamentlichen Lammes, in dem Opfer Jesu Christi. Dieser ist das wahrhaftige Opferlamm, von Gott dazu ausersehen vor den Weltzeiten, erschienen in der Fülle der Zeit, auf daß er eine ewige Erlösung erfände; Opfer und Gaben hatte der Vater nicht gewollt, aber den Leib hatte er ihm bereitet, um ein Opfer zu werden für das Leben der Welt. Mit dieser seiner Aufopferung, mit seiner Geduld, mit seinem Harren auf Gott, mit seiner Liebe bis zum Tode, mit seinem Todeskampf und blutigen Schweiß hat er die Welt versöhnet, die von Gott abgefallene Welt, die Welt, aufweicher der Zorn Gottes ruhte, denn er, der Mittler zwischen Gott und den Menschen, trug unsere Sünden und hat den ganzen Zorn Gottes gegen die Sünde auf sich genommen. O schreckliche Last, die Sünden aller Sünder! Aber, Gott Lob, das Lamm hat gesiegt, es hat ausgehalten, es hat sie getragen; das Opfer ist vollendet; es bedarf keines Opfers mehr; dem Übertreten ist gewehret, die Sünde zugesiegelt; die Missetat versöhnet und die ewige Gerechtigkeit gebracht (Dan 9,24). Er hat eine ewige Erlösung erfunden; Jesus Christus hat die Sünden getragen und aufgehoben; also, daß ihrer ewiglich nicht mehr gedacht werden soll vor dem Angesichte des Vaters. O es ist ein gar schöner, bezeichnender Ausdruck, den Johannes davon gebraucht: »... das der Welt Sünde trägt«, oder vielmehr durch sein Tragen wegnimmt. Sie sind also nicht mehr vorhanden; sie sind also ins Meer der Vergessenheit versenkt; sie dürfen also nicht mehr zwischen mich und meinen Gott scheidend hineintreten; sie sind begraben, bedeckt, verhüllet, versöhnet in den Wunden des Lammes. O Abgrund, welcher alle Sünden durch Christi Tod verschlungen hat! Das heißt die Wunde recht verbinden, da findet kein Verdammen statt, weil Christi Blut beständig schreit: Barmherzigkeit, Barmherzigkeit!


Autor: Wilhelm Busch (* 27.03.1897; † 20.06.1966) deutscher evangelischer Pfarrer, Prediger und Schriftsteller
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Zwei Männer stritten sich darüber, ob das Christentum eine optimistische oder eine pessimistische Weltanschauung sei. Optimisten sind Leute, die alles von der guten Seite ansehen. Ihr Wahlspruch lautet: „Ja, wundervoll ist Gottes Erde und wert, darin vergnügt zu sein." Und die Pessimisten? Die finden alles schrecklich. Sie sehen überall die Schattenseiten. Ihr Leitspruch ist: „Alles, alles, was besteht, ist wert, dass es zugrunde geht."

Da diskutierten nun die zwei darüber, ob die Christen Optimisten oder Pessimisten sind. „Christen", sagt der eine, „sind Optimisten. Überall in der Bibel heißt es doch: Freuet euch!"

„O nein", meinte der andere, „das Christentum ist eine ganz und gar pessimistische Sache. Da ist dauernd von Buße und Sünde die Rede. Und die Erde nennt die Bibel sogar ein Jammertal." – Wer hat nun recht von den zweien? – Keiner! Seht – um bildlich zu reden – Optimisten sind Leute, die eine rosarote Brille aufhaben. Und Pessimisten tragen eine schwarze Brille. Christen aber sind Leute, denen Gott die Brille zerschlagen hat und die darum die Wirklichkeit sehen.

Die große und schreckliche Wirklichkeit ist, dass die Welt eine gefallene Welt ist. „Der Welt Sünde", sagt unser Textwort, „ist eine schauerliche Wirklichkeit." Auch in unserem Leben! Aber darum werden wir nicht Pessimisten. Denn Gottes Geist zeigt uns die andere, große, herrliche Wirklichkeit: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde wegträgt!" Amen.


Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Dem, was der Täufer über Jesus sage, hat Jesus nicht widersprochen. Das war er und er war es mit ganzem Herzen, das für Gott geheiligte und zu Gottes Eigentum gemachte Lamm. Jesus kannte nichts Größeres, keinen herrlicheren Beruf. Das für Gott geweihte Lamm kam an jedem Morgen und an jedem Abend auf den Altar und dagegen, dass er zum Altar gebracht werde, hat sich Jesus nie gesträubt. Im Leben und im Tod mit Seele und Leib gehört er dem Vater ganz. Das täglich geopferte Lamm war der Trost Israels; denn es zeigte ihm Gottes Vergebung und nahm seine Schuld von ihm weg. Darum war am frühen Morgen, wenn das Lamm auf den Altar gebracht wurde, immer auch eine betende Gemeinde im Tempel, die dankend Gottes vergebende Güte pries. Bedurfte nur Israel ein Lamm, das seine Schuld wegtrug und es von der Last seiner Sünde befreite? Was im Tempel geschah, zeigte der Welt, was sie nötig hat. Die Welt, das ist die Menschheit, wie sie immer und überall ist, die Menschheit, die ein gemeinsames Schicksal hat und eine alte bedrückende Not. Bisher sprach das Lamm Gottes nur zu Israel von Gottes Gnade. Nun aber ist die Stunde des Heils gekommen, in der sich Gottes Gnade für jeden, der Mensch ist, offenbart. Nun wird die Schuld der Welt begraben. Hier ist er, sagte der Täufer, der das kann, und Jesus widerspricht ihm nicht, sondern antwortet in der Vollmacht Gottes: Ja, ich bin da und heilige mich für euch alle und nehme von euch allen weg, was eure Seele euch bereitet hat.

Was Welt ist, lieber Vater, das sehe ich, und was die Sünde der Welt ist, ist mir nicht völlig verborgen. Offenbar und gewiss ist mir, dass niemand die Sünde der Welt wegnehmen kann als Du allein. Nun zeigt mir Dein Wort den, der dein eigen ist, den Du dazu gabst, damit er die Schuld der Welt auslösche. Das ist ein Wunder über alles Begreifen hinaus. Es ist aber ein fröhlich Ding, diesem Deinem Wort zu glauben. Dazu hilf mir, lieber Herr. Amen.


Autor: Hermann Bezzel (*18.05.1861; † 08.06.1917) deutscher lutherischer Theologe
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Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt.

Das ist der, den die Kirche, deine Mutterkirche, zeigt, der alte Jesus, nach dem Evangelium der Apostel, den die Kirche achtzehnhundert Jahre als ihren einzigen Erlöser und Freund, als ihren einzigen Fürsprecher und Hohenpriester anbetend ehrt. Der Jesus, der arm in der Krippe, hilflos am Kreuz war, der Jesus, den unsere Sünde in die Tiefe der Hölle, in die Nacht der Erde, in die Angst des Todes, in die Schrecken aller Gottverlassenheit eingesenkt hat, bis er überwand und sprach: Ich habe gesiegt. Den Jesus zeigt euch die Kirche im neuen Kirchenjahr. Siehe hin, meine Seele! Wenn du ihn nicht mehr siehst, dann ist das Leben tot und der Weg dunkel und das Ende ist die Verdammnis. Darum: „Suche Jesum und sein Licht, alles andre hilft dir nicht!“