Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon

PSALM 16 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Das Wort mikhtam kommt hier zum ersten Mal vor. In den Psalmen 56-60 werden wir ihm wieder begegnen, und wir werden finden, dass diese fünf Psalmen ebenso wie der vorliegende, wiewohl sie mit Gebet und Flehen beginnen und von Leiden Kunde geben, doch von seligem Gottvertrauen überströmen und in frohlockenden Tönen der Glaubenszuversicht, ja der höchsten Gewissheit und Freude im Herrn ausklingen. Mag die Ableitung und Bedeutung des Wortes mikhtam auch sehr zweifelhaft sein, so trifft die Übersetzung Luthers (der es von Gold ketem ableitet): "Ein gülden Kleinod Davids" jedenfalls sachlich zu; denn das Lied ist ein Kleinod und sein Gehalt vom feinsten Golde. Auch neuere Ausleger vermuten die Bedeutung Kleinod, während andere 1 das Wort von einer Wurzel herleiten, die Verbergen bedeutet, wonach es also ein Mysterium oder Geheimnis bezeichnen würde, nämlich den unerschöpflichen Lehrgehalt dieser heiligen Dichtungen und die Tiefe ihrer geistlichen Bedeutung. Diese Deutung stimmt recht wohl mit der andern überein, und fassen wir beide zusammen, so ergibt sich ein Name, der sich dem Gedächtnis des Lesers einprägen und zugleich den herrschen Inhalt des Liedes gut andeuten wird: Der Psalm von dem köstlichen Geheimnis.

Gegenstand. Wir sind nicht auf menschliche Ausleger angewiesen, um den Schlüssel zu diesem goldenen Geheimnis zu finden; denn Petrus sagt, kraft der Erleuchtung des Pfingstgeistes, David rede in diesem Psalm ei)j au)to/n, d. h. mit Beziehung auf Ihn (Apg. 2,25). Man erwäge sorgfältig die Ausführung dieses Gedankens im Folgenden (V. 25-31). Auch ist Petrus darin nicht unser einziger Führer; denn auch der Apostel Paulus führt, durch dieselbe Eingebung des Geistes geleitet, eine Stelle aus diesem Psalm an und bezeugt, Gott habe darin durch David auf den Mann gewiesen, durch den nun die Vergebung der Sünden verkündigt werde. (Apg. 13,35 ff.) Es ist der gewöhnliche Gedankengang der Ausleger gewesen, den Psalm auf David, auf die Heiligen und auf den Herrn Jesus anzuwenden.2 Aber wir wollen es getrost wagen, zu glauben, dass in demselben Christus alles ist, weil wir in den Versen 9.10, wie die Jünger auf dem Berge, niemand sehen denn Jesum allein.

Einteilung. Das Ganze hängt so in sich zusammen, dass es schwer ist, scharfe Linien der Einteilung zu ziehen. Es mag genügen, auf unseres Herrn Glaubensgebet V. 1, sein Bekenntnis des Glaubens an Jahwe allein V. 2-5, den gegenwärtigen Frieden seines Glaubens V. 6.7 und dessen frohe Zuversicht für die Zukunft V. 8-11 hinzuweisen.


Auslegung

1. Bewahre mich, Gott; denn ich traue auf dich.

Bewahre mich. Wie Leibwachen ihren Monarchen umgeben oder wie ein Hirt seine Herde beschützt, so sei du, Allvermögender, mein Hüter. Da Jesus als Mensch versucht wurde allenthalben gleichwie wir, bedurfte er der Bewahrung vor der Gewalt des Bösen; und wiewohl er von Natur vollkommen sündlos war, setzte er sein Vertrauen doch nicht auf seine natürliche Unschuld und die Reinheit seiner Gesinnung, sondern schaute, seinen Nachfolgern zum Vorbild, zu dem Herrn, seinem Gott, auf und erwartete seine Bewahrung von ihm. Einer der schönsten Namen Gottes ist "der Menschenhüter" (Hiob 7,20), und als solcher hat sich der Vater gegen unseren Mittler und Bürgen bewährt. Es war dem Herrn Jesus ausdrücklich verheißen, dass er behütet werden sollte. Jesaja 49,7.8; "So spricht der Herr, der Erlöser Israels, sein Heiliger, zu der verachteten Seele, zu dem, des das Volk einen Gräuel hat, zu dem Knecht von Tyrannen: Ich behüte dich und mache dich zum Bund des Volks." Diese Verheißung hat sich an unserem Herrn buchstäblich erfüllt, sowohl durch errettende Fürsorge, als durch erhaltende Gotteskraft. Da er selbst behütet worden ist, hat er auch Macht, die Seinen zu behüten, denn wir, die Berufenen, werden bewahret in Jesus Christus (Judas V. 1). Als solche, die mit ihm eins sind, werden die Auserwählten auch zugleich mit ihm bewahrt, und wir dürfen daher dies Flehen als die Fürbitte des großen Hohenpriesters für alle, die in ihm sind, ansehen. Das hohepriesterliche Gebet Jesu: "Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, die du mir gegeben hast, dass sie eins seien, gleichwie wir" (Joh. 17,11), ist nur eine weitere Ausführung davon. Wenn er sagt: Bewahre mich, so denkt er auch an seine Glieder, seinen mystischen Leib, an sich selbst und alle, die in ihm sind. Doch während wir über die Tatsache frohlocken, dass der Herr Jesus so für seine Glieder gebetet hat, dürfen wir nicht vergessen, dass er mit diesen Worten zunächst für sich selber zum Vater flehte. Er hatte sich so völlig entäußert und so in Wahrheit Knechtsgestalt angenommen, dass er als Mensch des göttlichen Schutzes ebenso bedurfte, wie wir, und oft zu dem Starken um Stärke rufen musste. Häufig gab er auf einsamen Bergeshöhen diesem Verlangen Ausdruck und bei einer Gelegenheit betete er mit ganz ähnlichen Worten öffentlich: Vater, hilf mir aus dieser Stunde! (Joh. 12,27.) Wenn Jesus den Schutz außer sich suchte, wie sehr ist das für uns, seine schwachen Nachfolger, nötig!
  Gott. Hier steht der Gottesname El, mit dem der Herr Jesus, wenn er unter dem Druck großer Schwachheit stand, wie z. B. am Kreuz, den allmächtigen Gott und Helfer der Seinen anzurufen pflegte. Auch wir dürfen uns in allen Stunden der Gefahr an El den Allvermögenden, wenden, mit der Zuversicht, dass er, der einst das starke Geschrei und die Tränen (Hebr. 5,7) unseres treuen Hohenpriesters erhörte, die Macht und den Willen habe, uns in ihm zu segnen. Wir tun wohl daran, über die Namen und das Wesen Gottes nachzusinnen, damit wir in unseren Bedrängnissen wissen, wie und mit welchen Namen wir unseren himmlischen Helfer anrufen sollen.
  Denn auf dich traue ich, oder bei dir berge ich mich, suche ich Zuflucht, wie die Küken sich unter die Glucke fluchten. Du bist mein starker Schutz und Schirm, und unter deiner Allmacht finde ich volle Sicherheit. Das ist ein starker Appell an das Herz Gottes und Jesus wusste nicht nur selber vor Gott davon Gebrauch zu machen, sondern es auch zu würdigen, wenn andere diesen Beweggrund wiederum vor ihm geltend machten. "Dir geschehe nach deinem Glauben", das ist ein wichtiges Gesetz des Himmels bei der Austeilung von Gnaden, und wenn wir aufrichtig sagen dürfen, dass wir für die Gnade, die wir begehren, Glauben haben an den allmächtigen Gott, so können wir der Erhörung unseres Flehens gewiss sein. Der Glaube kehrt, wie Sauls Schwert (2. Samuel 1,22), nie leer zurück. Diese Waffe hat Macht über den Himmel, wenn die Hand des Gebets sie führt. Wie der Heiland betete, so wollen wir beten, und wie er größere Siege erfocht, als irgendein irdischer Eroberer, so wird es auch uns durch ihn gelingen. Wenn wir von Stürmen hin und her geworfen werden, lasst uns, wie er es tat, wacker zu dem Herrn rufen: Auf dich traue ich.


2. Ich habe gesagt zu dem Herrn: Du bist ja der Herr,
ich weiß von keinem Gute außer dir.
3. An den Heiligen, so auf Erden sind,
und den Herrlichen, an denen hab ich an mein Gefallen.
4. Aber jene, die einem andern nacheilen, werden groß Herzeleid haben.
Ich will ihres Trankopfers mit Blut nicht opfern,
noch ihren Namen in meinem Munde führen.
5. Der Herr aber ist mein Gut und mein Teil;
Du erhältst mein Erbteil.


2-3. Ich habe gesagt 3 (oder: Ich sage) zu dem Herrn (Jahwe): Du bist mein Herr.4 Von tiefstem Herzensgrund gab sich der Herr Jesus dem Dienst seines himmlischen Vaters hin, und vor Jahwes Thron gelobte seine Seele Gott die Treue zu unserem Bestell. Wir werden ihm ähnlich, wenn auch wir aufrichtig und fest in der Gegenwart des Herzenskündigers unsere volle Zustimmung zu dem Willen und dem Walten des Ewigen geben und zu Jahwe sagen: Du und kein anderer bist mein Herr. Dies mit den Lippen zu bekennen, ist wenig; aber wenn unser Herz es sagt, zumal auch in Zeiten der Anfechtung, so ist es ein Beweis geistlicher Gesundheit. Es vor Menschen zu bezeugen, ist ein kleines Ding; aber es vor Gott selbst zu beteuern, ist von weit größerer Bedeutung. Die Worte sind der Ausdruck des die göttlichen Zusagen sich aneignenden Glaubens, der sich den Herrn auf Grund seines Bundes ganz persönlich mit seliger Freude zu Eigen macht. Möge es in diesem Sinne auch unser tägliches Lied sein im Lande unserer Wallfahrt: Du bist mein Herr.
  Mein Gutes reicht nicht bis zu dir, d. h. es kann dir nichts nützen und ist für dich kein Bedürfnis, es kommt nicht dir zugute, sondern den Heiligen. (Alte Übers. 5 Das Werk Jesu entsprang nicht aus irgendeinem Bedürfnis des göttlichen Wesens. Jahwe würde unaussprechlich groß und herrlich geblieben sein, wenn auch das Menschengeschlecht untergegangen wäre. Wiewohl das Lebenswerk und der Todeskampf des Sohnes tatsächlich unvergleichlichen Ruhmesglanz auf Gottes Wesen nach allen seinen Eigenschaften geworfen hat, so war doch für den allseligen Gott selbst der Gehorsam und der Tod der Sohnes in keiner Weise notwendig; nicht um seinet-, sondern um unsertwillen ist das Erlösungswerk unternommen worden. Die Heiligen, so auf Erden sind, die, wiewohl sie noch in der Welt sind, doch von der Welt ausgesondert und Gott geheiligt sind, diese genießen die Früchte des Versöhnungswerkes Jesu, und durch seine Gerechtigkeit sind sie geworden, was sie sind. Sie empfangen ihre Heiligkeit aus dem Schatze, der in ihm gesammelt ist. Sie sind es, denen das Werk des Menschensohnes zugute kommt. Dagegen hat dies Werk nichts zu der Natur, Tugend oder Glückseligkeit Gottes hinzugefügt. Wie viel zwingendere Kraft hat diese Wahrheit für uns arme, unwürdige Knechte, die nicht wert sind, neben dem treuen Sohne Gottes erwähnt zu werden! Unsere Hoffnung kann immer nur dahin gehen, dass wir etwa einigen armen Gotteskindern Dienste erweisen dürfen; denn der ewige Vater kann nie unserer Beihilfe bedürfen. Die armen Gläubigen sind unsere Gläubiger. Sie haben eine Vollmacht der Krone, den Tribut unserer Opfer in des Königs Namen zu empfangen. Den abgeschiedenen Heiligen können wir nichts Gutes tun. Nicht einmal das Gebet für sie hat irgendeinen Nutzen. Aber solange sie hier auf Erden sind, sollten wir unsere Liebe zu ihnen mit der Tat erweisen, wie es unser Meister getan hat. Denn sie sind die Herrlichen der Erde. Trotz ihren Schwachheiten denkt der Herr groß von ihnen und achtet sie für die Edlen unter den Menschen. Der Titel "Seine Herrlichkeit" kommt dem geringsten Heiligen mit größerem Recht zu, als dem gewaltigsten Herrscher. Der höchste Adel sind die Gläubigen. Sie sind die wahrhaft Hochgeborenen und Durchlauchtigen. Sterne und Orden sind armselige Auszeichnungen, verglichen mit den Gnadengaben des Geistes. Der, welcher die Heiligen Gottes am besten kennt, sagt von ihnen: An denen habe ich all mein Gefallen. Ihre eigene Meinung von sich ist eine gar andere als die ihres himmlischen Freundes. Sie achten sich für weniger als nichts; er aber schätzt sie hoch und hat seine Lust an ihnen (Jes. 62,4). Was für Wunder sehen doch die Augen der göttlichen Liebe da, wo die Hand der allmächtigen Barmherzigkeit am Werk ist! Es war diese hellsehende Liebe, die Jesus dazu führte, in uns einen Lohn für all sein Ringen zu sehen, und die ihn unter allen Leiden aufrecht erhielt im Blick auf die Freude, dass er uns vom Verderben der Hölle loskaufen konnte.

4. Dasselbe liebende Herz, das sich gegen die Auserwählten weit auftut, ist fest verschlossen gegen diejenigen, welche in der Empörung wider Gott beharren. Jesus hasst alle Gottlosigkeit und zumal den Hochverrat der Abgötterei. Wie der Vers uns den Abscheu unseres Herrn und Meisters wider die Sünde zeigt, so aber auch des Sünders gieriges Verlangen nach derselben. Die sich als Gläubige bekennen, sind oft träge, dem treuen Herrn zu dienen; aber die Sünder eilen einem andern (Gott) nach. 6 Sie rennen wie Wahnsinnige; wir kriechen wie die Schnecken. Möchte doch ihr Eifer unsere Langsamkeit beschämen! Doch steht es mit ihnen so, dass sie, je mehr sie eilen, desto weniger vorankommen. Denn ihrer Schmerzen werden viel gerade durch ihren Eifer, ihre Sünden zu vervielfältigen. Matthew Henry, († 1714) drückt dies markig aus: "Diejenigen, welche die Götter vermehren, vermehren ihre eigenen Nöte. Denn wer einen Gott für zu wenig achtet, wird an zweien zu viel finden und doch an Hunderten nicht genug." Es ist wunderlich zu sehen, was für Mühsale, ja was für entsetzliche Schmerzen Menschen für ihre falschen Götter erdulden. Unsere Missionsberichte geben merkwürdige Belege zu dieser Stelle. Vielleicht aber ist unsere eigne Erfahrung eine gleich lebendige Erläuterung; denn wann immer wir unser Herz falschen Göttern ergeben hatten, mussten wir früher oder später erfahren, welch großes Herzeleid wir uns dadurch bereitet hatten. Nahe bei den Wurzeln unserer Eigenliebe liegen die Quellen aller unserer Nöte, und wenn dieser Götze zerbrochen ist, so hat das Leid seinen Stachel verloren. Mose nahm das goldene Kalb, zerschmolz es mit Feuer, zermalmte es zu Pulver und stäubte es aufs Wasser und gab’s den Kindern Israel zu trinken (2. Mose 32,20). So werden auch unsere Lieblingsgötzen uns ein bitterer Trank werden, wenn wir ihnen nicht alsbald völlig entsagen. Unser Heiland hatte nichts Selbstisches. Er diente nur einem Herrn und ihm völlig. Von denen, die sich von Jahwe abwenden, war er geschieden; von ihnen litt er Schmach außen vor dem Lager. Die Sünde und der Heiland hatten keine Gemeinschaft. Er kam, die Werke des Teufels zu zerstören, nicht, sie zu beschützen oder sich mit ihnen zu verbinden. Darum wies er das Zeugnis unreiner Geister zu Gunsten seiner Gottheit von sich ab; denn in keinem Stück wollte er mit der Finsternis etwas zu tun haben. Wir sollten überaus vorsichtig sein, uns in religiösen Dingen auch nicht im entferntesten Grad mit irgendetwas Falschem einzulassen. Auch die feierlichsten römischen Zeremonien müssen wir verabscheuen. Ich will ihres Trankopfers von Blut (Grundtext) nicht opfern. Ein altes Sprichwort sagt: Es tut nicht gut, an des Teufels Tisch zu essen, mag der Löffel noch so lang sein. Es ist besser, selbst den Namen schlimmer Dinge zu vermeiden: noch will ich ihre Namen auf meine Lippen nehmen. (Grundtext) Lassen wir Gift auf die Lippen kommen, so kann es bald ins Innere dringen. Es ist ratsam, das aus dem Munde zu lassen, was wir im Herzen nicht dulden wollen. Wünscht die Kirche Gemeinschaft mit Christus zu haben, so muss sie alle Bande der Gottlosigkeit brechen und sich von allen Befleckungen fleischlicher, selbst erwählter Gottesdienstlichkeit rein halten, die jetzt den Dienst des Herrn verunreinigen.

5. Der Herr ist mein Besitz- und mein Becherteil. (Grundtext) Mit welcher Zuversicht und sprudelnden Freude wendet sich Jesus zu Jahwe, der seiner Seele Gut und Wonne ist! Er ist mehr denn zufrieden mit seinem Anteil an dem Herrn, seinem Gott, und hat darum keinerlei Verlangen, anderen Göttern nachzujagen. Sein Becher ist voll und auch sein Herz. Selbst in seinem bittersten Leiden hält er sich mit beiden Händen an seinem Vater fest und ruft: Mein Gott, mein Gott! Es ist ihm nicht einmal der Gedanke gekommen, vor dem Fürsten dieser Welt niederzufallen und ihn anzubeten, wie sehr dieser ihn mit seinem "Dies alles will ich dir geben" versuchen mochte. Auch wir dürfen uns des Herrn rühmen. Er ist Speise und Trank unserer Seelen. Er ist unser köstliches Erbgut (vergl. 4. Mose 18,20; Jer. 10,16; 51,19), das alle unsere Bedürfnisse stillt, und unser Becher (vergl. Ps. 23,5 Grundtext), der königlichen Überfluss darbietet; unser Becher, d. h. unsere Wonne schon in diesem Leben, und unser ewiges Erbe in dem zukünftigen. Als Kinder des himmlischen Vaters erben wir, kraft unserer Erbgemeinschaft mit Jesus, alle Reichtümer des Bundes der Gnade. Und das Teil, das uns zufällt, bringt das Himmelsbrot und den neuen Wein des Gottesreiches auf unseren Tisch. Wer wollte nicht mit so guter Kost zufrieden sein? Die flache Schale der Leiden, die uns dargereicht wird, mögen wir wohl mit Ergebung schlürfen, nun der unergründlich tiefe Becher der Liebe dicht dabei steht, der nie leer werden wird. Du erhältst mein Erbteil, mein aus Gottes Hand mir zugefallenes Los. (Grundtext) Manche Pächter haben in ihrem Pachtvertrage die Bedingung, dass sie selbst die Gebäude im Stande erhalten und ausbessern müssen; unser Erbteil aber erhält Jahwe selbst. Unser Herr Jesus war dieser Wahrheit froh, dass der Vater auf seiner Seite stehe und sein Recht gegen alle Ungerechtigkeit der Menschen aufrechterhalten werde. Er wusste, dass die göttliche Allmacht ihm seine Auserwählten als Erbe und Lohn für immer erhalten würde. Auch wir dürfen froh sein, weil der Richter der ganzen Welt unsere gerechte Sache führen und uns unser Erbe erhalten wird.


6. Das Los ist mir gefallen aufs Liebliche;
mir ist ein schön Erbteil worden.
7. Ich lobe den Herrn, der mir geraten hat;
auch züchtigen mich meine Nieren des Nachts.


6. Jesus fand, dass der Weg des Gehorsams aufs Liebliche, zu anmutigen Stätten der Erquickung führte. Trotz all den Leiden, die seinen Seelenfrieden bestürmten, konnte er ausrufen: "Siehe, ich komme, im Buch ist von mir geschrieben. Deinen Willen, mein Gott, tue ich gerne, und dein Gesetz hab ich in meinem Herzen" (Ps. 40,8 f.). Es mag seltsam erscheinen, aber während kein anderer Mensch so gründlich mit dem Leid vertraut war (vgl. Jes. 53, 3 Grundtext), ist es doch unsere Überzeugung, dass kein anderer so viel Freude und Glückseligkeit (Joh. 14,27; 15,11) in seinem Dienst erfahren hat wie Jesus; denn kein anderer hat so treu gedient und mit der Aussicht auf so große Erfolge als Lohn. Die ihm bevorstehende Freude muss einige Strahlen ihres Glanzes auf die rauen Pfade, auf denen er, die Schmach nicht achtend, das Kreuz erduldete, hinabgesandt und sie in gewisser Hinsicht für das edle Herz des Erlösers zu lieblichen Stätten gemacht haben. Wie dem sei, wir wissen, dass Jesus wohl zufrieden war mit dem um Blut erkauften Teil, welches die Messschnur (wörtl.) der erwählenden Liebe als seine Beute unter den Starken und sein Los unter den Großen bezeichnet hatte. Damit tröstete er sich auf Erden, und das ist im Himmel seine Wonne. Und er begehrt kein schöneres Erbteil, als dass seine Geliebten bei ihm seien, wo er ist, und seine Herrlichkeit sehen (Joh. 17,24). Alle Kinder Gottes dürfen sich die Sprache dieses Verses aneignen, und je tiefer sie in den zufriedenen, dankbar freudigen Geist, der darin atmet, einzubringen vermögen, desto mehr wird es ihnen zum Besten und zu ihres Gottes Ehre sein. Unser Herr war ärmer als wir es sind, denn er hatte nicht, da er sein Haupt hinlegen konnte. Und doch ist, wenn er von seiner Armut sprach, nie ein Wort des Murrens über seine Lippen gekommen. Unzufriedene Gemüter sind dem Herrn Jesus so unähnlich, wie der krächzende Rabe der gurrenden Taube. Richard Greenham († 1591) hatte die Kühnheit zu sagen: "Die Leute haben nie Gottes Liebe empfunden, noch Vergebung der Sünde erfahren, die unzufrieden sind." Ohne Zweifel kann es ein Paradies da nicht geben, wo dieser unreine Geist Macht hat; sein giftiger Mehltau würde alle Blumen des Gartens verderben.

7. Ich lobe den Herrn, der mir geraten oder mich beraten hat. Sowohl Lobpreis als Gebet hat unser Herr Jesus dem Vater dargebracht und wir sind nicht in Wahrheit seine Nachfolger, wenn es nicht auch unser Vorsatz ist, den Herrn zu preisen. Jesus heißt Wunder-Rat (Jes. 9,5 Grundtext); aber als Mensch hat er nicht aus sich selbst geredet, sondern so, wie ihn der Vater gelehrt hatte (vergl. Joh. 7,16; 8,26; 12,49.50 und die ihn betreffende Weissagung Jes. 11,2.3). Es war Jesu Gewohnheit, immer wieder den Vater um Weisung zu bitten; und war sie ihm erteilt, so dankte er Gott, der ihn beraten hatte. Es würde für uns gut sein, diesem Vorbilde der Demut nachzufolgen, von allem Vertrauen auf den eigenen Verstand abzulassen und stets die Leitung des Geistes Gottes zu suchen. Auch züchtigen oder mahnen mich meine Nieren des Nachts. Bei den Nieren denke man an den inwendigen Menschen, die Gefühle und Empfindungen. Der Umgang mit Gott bringt der Seele eine innerliche, geistliche Weisheit, die sich in stillen Zeiten selber offenbaren wird. Unser Heiland hat manche Nächte einsam auf den Bergen zugebracht, und wir können leicht verstehen, dass er da neben seinem Verkehr mit dem Himmel auch heilsamen Umgang mit sich selbst pflegte, indem er auf seine Erfahrungen zurückblickte, sein Werk zuvor bedachte und seine Lage erwog. Große Feldherren kämpfen die Schlachten in ihrem Geiste aus, lange bevor die Trompete erschallt. So hat unser Herr für uns die Schlacht auf seinen Knien gewonnen, ehe er am Kreuz den Sieg erfocht. Es ist eine heilsame Gewöhnung, nachdem man sich von oben Rat erbeten, im Herzen Rat zu halten. Weise Männer sehen in der Nacht mit geschlossenen Augen mehr als Toren mit offenen Augen bei Tage. Wer sich von Gott belehren lässt und von ihm das Saatkorn empfängt, wird bald finden, wie drinnen in ihm selber, im Garten seiner Seele, die Weisheit wächst. "Deine Ohren werden hören hinter dir her das Wort sagen: Dies ist der Weg, den selbigen gehet; sonst weder zur Rechten noch zur Linken" (Jes. 30,21). Die Nachtzeit, die der Sünder für seine finsteren Pläne wählt, ist die geweihte Zeit der Stille, da der Gläubige die sanften, leisen Stimmen des Himmels vernimmt und die des himmlischen Lebens im eigenen Gemüt.


8. Ich habe den Herrn allezeit vor Augen;
denn er ist mir zur Rechten, so werde ich fest bleiben.
9. Darum freuet sich mein Herz, und meine Ehre ist fröhlich;
auch mein Fleisch wird sicher liegen.
10. Denn du wirst meine Seele nicht der Hölle lassen,
und nicht zugeben, dass dein Heiliger verwese.
11. Du tust mir kund den Weg zum Leben;
vor dir ist Freude die Fülle und
lieblich Wesen zu deiner Rechten ewiglich.


8-10. Es gab eine Stunde in dem Leben unseres Heilands, da die Furcht des Todes ihre finsteren Schatten über seine Seele warf und er Gebet und Flehen mit starkem Geschrei opferte zu dem, der ihm von dem Tode konnte aushelfen. Aber er ward erhöret, darum, dass er Gott in Ehren hatte (Hebr. 5,7). Ein Engel erschien ihm und stärkte ihn (Lk. 22, 43). Vielleicht erquickte der himmlische Bote unseren Erlöser, indem er ihn in der Gewissheit bestärkte, dass er als der Bürge der Seinen herrlich aus dem Tode erstehen werde, und indem er ihm die ewige Freude vor Augen stellte, zu der er die so teuer erkaufte Herde führen würde. Da leuchtete die Hoffnung hell in unseres Heilands Seele hinein, und er blickte, wie es diese Verse sagen, mit heiliger Zuversicht in die Zukunft hinaus, weil sein Auge beständig auf Jahwe gerichtet war und er sich seiner immer währenden Gegenwart erfreute. Er fühlte, dass er, so gestärkt, an seines Lebens großem Plan nicht irre gemacht werden konnte. Auch ist dies nie geschehen. Er hat seine Hand nicht abgezogen, bis er rufen konnte: Es ist vollbracht. Welch unendliche Gnade ist dies für uns! In dieser unerschütterlichen Festigkeit, die sich auf den einfachen Glauben an Gottes Hilfe gründete, ist Jesus unser Vorbild. Jedem Gläubigen geziemt es, sich so der Nähe Gottes bewusst zu bleiben: Ich habe den Herrn allezeit vor Augen. Auf den Herrn als unseren Vorkämpfer und Beschützer zu vertrauen, ist das Vorrecht jedes Kindes Gottes. Denn er ist mir zur Rechten; so werde ich fest bleiben, wörtl.: nicht wanken. Jesus wusste, dass ihn kraft der hilfreichen Nähe seines himmlischen Vaters nichts darin zum Wanken bringen konnte, seinen Vorsatz auszuführen, die Seinen zu erlösen. Da die Macht Gottes zu seiner Rechten war, sah er zuvor, dass er durch alle hindurchbrechen würde, die sich wider ihn erhoben, und auf diese Macht setzte er seine ganze Zuversicht. Er sah klar voraus, dass er sterben müsse, denn er redet von dem Ruhen seines Fleisches und von dem Aufenthalt seiner Seele in dem Totenreich, an dem Ort der abgeschiedenen Geister. Der Tod stand ihm mit an seinen Schrecken vor Augen, sonst hätte er nicht von Verwesung geredet. Aber so vollkommen war seine fromme Zuversicht zu Gott, dass er über dem Grabe singen und im Blick auf die finstere Tiefe frohlocken konnte. Er wusste, dass der Besuch, den seine Seele der Scheol, der unsichtbaren Welt körperloser Geister, abstatten sollte, nur ein sehr kurzer sein würde, und dass sein Leib nach sehr kurzer Frist das Grab unversehrt verlassen würde. Alles das gab ihm den Mut, zu sagen: Mein Herz freuet sich, und bewog seine Ehre, d. h. seine Seele, sein Gemüt oder, wie die LXX den Ausdruck deutet, seine Zunge, in Gott zu frohlocken. Was ist’s doch im solchen Glauben im Angesicht des Leidens und des Todes! Es ist des Glaubens Werk, nicht nur einen Frieden zu gewähren, der über alles Verstehen hinausgeht (Phil. 4,7), sondern auch das Herz mit solcher Freude zu erfüllen, dass die Zunge, die als das Sprachorgan der Vernunft unsere Ehre ist, in harmonischer Weise Gottes Lob verkündet. Der Glaube gibt uns Freude im Leben und Ruhe im Sterben: Auch mein Fleisch wird sicher liegen.
  Unser Erlöser ward in seiner Hoffnung nicht getäuscht. Er bezeugt hier seines Vaters Treue: Du wirst meine Seele nicht der Hölle, d. h. der Unterwelt, lassen; und diese Treue bewährte sich am Ostermorgen. Jesus blieb nicht unter den Abgeschiedenen und Körperlosen, er ward dem Totenreich nicht preisgegeben. Er hatte an die Auferstehung geglaubt, und am dritten Tage ward sie ihm zuteil. Da erstand sein Leib zu glorreichem Leben, so wie er es in freudiger Zuversicht erwartet hatte: Du wirst nicht zugeben, dass dein Heiliger verwese.7 In das äußere Gefängnis des Grabes mochte sein Leib gehen, aber in das innere Gefängnis der Verwesung sollte er nicht eintreten. Er, der an Seele und Leib in einziger Weise Gottes Heiliger (eigentlich Frommer, vergl. zu Ps. 12,2) war, wurde befreit von den Schmerzen des Todes, wie es denn unmöglich war, dass er sollte von ihm gehalten werden (Apg. 2,24). Dies ist eine hohe Ermutigung für alle Heiligen. Sterben müssen sie, aber sie werden auferstehen; und ob sie an ihrem Teil die Verwesung schauen, werden sie doch auferstehen zu unvergänglichem Leben. Christi Auferstehung ist die Ursache, die Bürgschaft, das Angeld und das Bild der Auferstehung all der Seinen. Mögen sie sich darum ins Grab legen, wie auf ihr nächtliches Lager; möge ihr Fleisch zwischen den Schollen ruhen, wie sie jetzt auf ihren Ruhebetten liegen. Unselig ist der Mensch, der, wenn die Philister des Todes ans seine Seele eindringen, wie Saul von Gott verlassen ist; aber selig, wer den Herrn zu seiner Rechten hat. Er braucht kein Unglück zu fürchten, sondern darf sich einer Ewigkeit voll Wonne und Seligkeit getrösten.

11. Du wirst mir kundtun (Grundtext) den Weg zum Leben. Jesus zuerst wurde dieser Pfad gezeigt; denn er ist der Erstgeborne von den Toten (Kol. 1,18). Er selbst hat den Weg bereitet durch sein Fleisch und dann ihn betreten als der Vorläufer seiner Erlösten. Der Gedanke, seinem Volke der Weg des Lebens zu sein, hat die Seele Jesu erfreut. Vor dir ist Freude die Fülle. Nachdem er vom Tod auferstanden war, fuhr Jesus zur Herrlichkeit auf, um in der steten Nähe Gottes zu wohnen, wo Freude in höchster Fülle ist für immer. Die Voraussicht dessen hat ihn in seiner köstlichen, aber leidvollen Arbeit vorwärts getrieben. Seine Erwählten zu ewiger Seligkeit zu bringen, war der hohe Ehrgeiz, der ihn beseelte und durch ein Meer von Blut hindurchzuschreiten ermutigte. Ja, o Gott, wenn die Lust der Weltmenschen für immer vergangen ist, dann dürfen wir mit Jesus ewig wohnen zu8 deiner Rechten, wo liebliches Wesen ewiglich ist, und unterdes haben wir ein Handgeld, indem wir hienieden deine Liebe schmecken. John Trapp († 1669) sagt: In diesen Worten ist alles gesagt, was gesagt werden kann; aber Worte sind zu schwach, unser ewiges Erbe zu schildern. Es ist köstlich: Freude und Glückseligkeit; reich; eine Fülle, ein Strom, aus dem die Seligen trinken ohne Unterlass oder Überdruss; gesichert: zu Gottes Rechten, der stärker ist als alle und aus dessen Hand uns niemand reißen kann; beständig: denn es ist ewig. Des Himmels Freuden sind unermesslich, ungemischt, unendlich.


Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Der Kirchenvater Hieronymus († 420) sagt: Der Psalm geht auf Christus, der in ihm redet. Es ist die Stimme unseres Königs, die er vernehmen lässt, und der Psalm bezieht sich auf sein Leiden. Augustinus († 430): Unser König redet in diesem Psalm aus der menschlichen Natur heraus, die er angenommen, zur Zeit seines Leidens.
  Das einzige sichere Datum für die Zeitbestimmung des Psalms ist in V. 4 enthalten. Es gibt noch (kanaanitischen?) Götzendienst im Land. Dies weist auf eine frühe, vorexilische Entstehungszeit. Hitzig und Delitzsch rühmen mit Recht die gedrungene Kraft der Sprache neben der Frische und Anschaulichkeit des bildlichen Ausdrucks als Kennzeichen höheren Altertums und entscheiden sich für David als Verfasser, woran festzuhalten sein wird. Lic. Hans Keßler 1899.


V. 1. Bewahre mich, Gott. Nicht eine besondere Not treibt David hier zu Gott, sondern die tiefe Empfindung, dass er des göttlichen Schutzes bis an sein Ende bedürfe, im Glück nicht weniger als im Unglück. Und daran haben wir ein sicheres und unzweifelhaftes Kennzeichen eines Gotteskindes: wenn ein Mensch ebenso große Sorge darum hat, im Guten zu beharren und zu wachsen, wie einen guten Anfang zu machen. Dieser heilige Eifer des Gottesmannes trieb ihn zu solchem Verlangen, behütet zu werden zu allen Zeiten, in allen Lagen, beides an Leib und Seele. Denn ich traue auf dich. Hier begründet David, warum er zu Gott betet, und bezeugt damit, dass niemand in Wahrheit Gott anrufen könne, es sei denn, dass er glaube (Röm. 10,14). Und wie er Gott bittet, sein Heiland zu sein, so ist er völlig versichert, dass Gott sein Heiland sein wolle und werde. Es ist nichts als Papageien-Geschwätz, wenn die Kinder dieser Welt solche Worte nachbeten. Denn dass sie nicht an Gott glauben, beweisen sie mit ihrem Leben. Die einen sehen wir sich auf Freunde verlassen; die andern meinen, sie könnten durch ihren Reichtum das Kreuz von sich abhalten; noch andere fühlen sich durch ihre Lebensstellung geborgen. Diese stürzen sich in den Strudel der Vergnügungen, um den Ernst des Lebens zu verscheuchen, jene machen Fleisch zu ihrem Arm oder den Goldklumpen zu ihrer Zuversicht. Ob sie auch mit dem Munde bei dem Herrn Hilfe suchen, glauben sie doch in ihrem Herzen, diese bei ihren Freunden, in ihrem Rang oder in allerlei weltlicher Lust zu finden. - Hier sehen wir, unter welchem Obdach wir uns in den Wettern der Trübsal bergen können, nämlich unter dem Schutz des Allmächtigen. Vergl. Ps. 91,1 f. Richard Greenham † 1591.


V. 2. Ich habe gesagt zu dem Herrn: Du bist mein Herr. Ich möchte in euern Herzen lesen. Mancher hat beim Hören dieser Worte Davids wohl gedacht: "Ich habe nie etwas zum Herrn gesagt, höchstens: Gehe von mir; denn ich begehre die Erkenntnis deiner Wege nicht." Ein anderer: "Mag sein, dass ich wirklich einmal zum Herrn gesagt habe: Du bist mein Herr; aber das ist lange her. Es muss wohl zu einer Zeit gewesen sein, da ich in Not war, da die Welt mich betrogen hatte. Oder zu Zeiten, da ich unter besonders ernsten Eindrücken stand, mag ich in der Unruhe meines Gemütes zu Gott aufgeblickt und gesagt haben: Du bist mein Gott. Indes, was immer ich vormals hätte sagen können oder wirklich gesagt habe, ich bin gewiss, dass ich’s jetzt nicht sagen kann." Doch es gibt auch solche, die bei dem Hören dieser Worte bewegt ausrufen: "Ja, das habe ich auch gesagt; ich habe es oft gesagt, und mit besonderer Innigkeit und Freude, als ich neulich in demütiger Anbetung mich als erlöstes Gotteskind dankbar zu seinen Füßen niederwarf und zu ihm rief; Herr, ja, ich bin dein Knecht, ich bin dein Knecht. Du hast meine Bande zerrissen. Selbst die Erinnerung daran ist lieblich, und ich werde nun eine Gelegenheit haben, meine Gelübde zu erneuern, und ich hoffe, noch einmal etwas von der himmlischen Freude und Wonne zu schmecken, die ich in jener Stunde empfand." Samuel Lavington 1810.
  Ich weiß von keinem Gute außer dir: So haben die Revisoren den Luthertext geändert und damit wohl den Sinn des Hebräischen getroffen, den andere so wiedergeben: Ich habe kein höheres Gut als dich. - An diesem Vers können wir übrigens als an einem Beispiel etwas von den Übersetzernöten Luthers wahrnehmen. 1519 versucht er zu übersetzen: "Ich bin gut gewesen nicht für dich" und kommt damit auf den Sinn der seiner damaligen Auslegung zu Grunde gelegten lateinischen Übersetzung; "Du brauchest nichts von alledem, was Gutes an mir ist." (Vergl. damit Spurgeons Auslegung) 1524 übersetzt er: "Du bist der Herr; ich habe es nicht gut bei dir." 1530 kommt er aus einen besseren, immerhin sprachlich dem Grundtext nur mit Gewalt abzuzwingenden Sinn; "Du bist ja der Herr. Mein Gut ist nicht vor (für), dich, d. h. um deinen Willen habe ich es nicht gut = ich muss um deinetwillen leiden. (Das leide ich alles) für die Heiligen usw." - James Millard
  So wie das "Du bist der Herr" der Gegenruf der Seele ist aus das "Ich bin der Herr, dein Gott" in 2. Mose 20,2, so das "Mein Gutes, d. i. mein Heil, ist nicht außer oder neben dir, d. h. du allein bist mein Heil," der Gegenruf auf das "Du sollst keine andern Götter haben neben mir" (ynp l(). Es ist die Erklärung der Seele, dass das Sollen in ihr zum Sein geworden. Prof. E. W. Hengstenberg 1842.


V. 3. Aus den zahlreichen Versuchen, die Schwierigkeiten dieses Verses zu lösen, heben wir Folgende heraus. Delitzsch setzt das w: (und) von der zweiten Zeile an den Anfang der ersten, rückt hmIfh" an den Anfang der zweiten Zeile und macht den ganzen Vers abhängig von "Ich spreche" V. 2a, also: Und zu den Heiligen, welche auf Erden sind, spreche ich: "Dies die Herrlichen, an denen an mein Gefallen." Freilich ließe der Parallelismus mit V. 2 dann auch hier die Anrede erwarten: "Ihr seid die Herrlichen." Bäthgen, der den Vers als in sich geschlossen fasst, glaubt die zweite Zeile aus den LXX so wiederherstellen zu können: Mbf Ocp:xe-lkIf (hwh)y rydIi):ya: An den Heiligen ... handelt der Herr herrlich; all sein Wohlgefallen hat er an ihnen. Den masoretischen Text fasst Schultz (Kurzgef. Kommentar 1888) und ähnlich Moll in Verbindung mit V. 2: Mit, eigentlich zu den Heiligen, nämlich zugehörig (li der Angehörigkeit, wie z. B. 1. Mose 9,10), zu ihnen mich haltend mit meinem Bekenntnis, welche im Lande sind, und den Herrlichen, an denen ich usw. - James Millard
  Zu den Heiligen halte ich mich und bekenne ich mich. Sind wir Kinder Gottes, so müssen wir uns mit Gottes Volk zu heiligem Bunde vereinigen und durch gegenseitige Mitteilung der Gaben Gottes einander bezeugen, dass wir der Gemeinschaft der Heiligen angehören. Und dies ist ein untrügliches Merkmal eines Menschen, der Gott liebt, dass er auch die liebt, die von Gott geboren sind (1. Joh. 5,1). Darum, wenn wir bekennen, dass wir Gottes sind und ihn verehren, so müssen wir uns der Gemeinde Gottes anschließen, die Gott verehrt. Und dies müssen wir notwendig tun; denn es ist ein Artikel unseres Glaubens, dass es eine Gemeinschaft der Heiligen gibt. Und wenn wir glauben, dass Gott ist, so müssen wir auch glauben, dass es einen heiligen Rest, ein Volk des Herrn gibt, dem Gott sich offenbart und seine Gnaden mitteilt, und an diesem müssen wir unsere ganze Freude haben; ihm müssen wir auch mitteilen nach dem Maß der Gnade, das einem jeglichen von uns gegeben ist. Richard Greenham † 1591.
  Ich bin der Meinung, dass ein Mensch seine Liebe gegen Gott und diejenigen, die Gott lieben, dann beweist, wenn seine Seele nach ihnen verlangt, wenn er sich verpflichtet fühlt, ihnen mit der Tat zu dienen und wohl zu tun, indem er gegen sie handelt, wie er gegen Gott handeln würde, sähe er ihn seines Dienstes bedürftig. Juan de Valdes † 1550.
  Meine Brüder, seht auf die Würde der Heiligen und auf ihre Herrlichkeit als die vorzüglichste und liebenswerteste. So machte es Christus. Sein Auge war auf die Herrlichen auf Erden, d. h. auf die Heiligen, gerichtet. Ihm waren sie herrlich, mochten sie vor der Welt die Geringsten sein. Es ist wunderlich, wie die Menschen einen Heiligen, das ist einen Gläubigen, zu unterschätzen pflegen, wenn ihm andere, äußere Vorzüge fehlen. "Er ist ein frommer Mann", sagen sie, "aber er ist arm, ohne feine Bildung, schwach usw." Aber ist er nicht ein Heiliger? Und kann es irgendeine Unvollkommenheit oder Schwäche geben, die ihn in deinen Augen unter fleischlich gesinnte Menschen von größeren Vorzügen heruntersetzen könnte? Hat ihn nicht Christus geliebt, erkauft und ewig erlöst? Thomas Goodwin † 1679.
  Heiligkeit und Herrlichkeit ist der priesterliche Schmuck. Berleburger Bibel 1742.
  Die Katholiken wollen von keinen Heiligen wissen, als von denen, die im Himmel sind. Sie irren und kennen die Schrift nicht, noch die Kraft Gottes. Sonst würden sie fast in jedem Briefe der Apostel die Heiligen erwähnt finden, die zu Heiligen berufen sind in Christo Jesu, durch welchen sie geheiligt sind im heiligen Geist. Man beachte, dass David sie herrlich nennt. Hier werden wir belehrt, dass nicht die Reichen, die Gelehrten oder die mit irdischen Würden Bekleideten die Herrlichen sind, sondern diejenigen, die durch Gottes Gnade aus der Welt ausgesondert und Gott geweiht sind. Richard Greenham † 1591.
  Wiewohl du manchmal den Widerschein der Sterne in einer Pfütze, in der Tiefe eines Brunnens oder in einem übel riechenden Graben siehst, so haben doch die Sterne ihren Platz am Himmel. So siehst du wohl auch einen frommen Menschen in der Welt in armer, elender und verachteter Lage; dennoch hat er seine Heimat im Himmel. Gott hat uns auferweckt und in das himmlische Wesen gesetzt in Christus Jesus, sagt der Apostel (Eph. 2,6). Charles Bradbury 1785.


V. 4. Die einem andern nacheilen (Luther). Für das kal von rhm ist nur die Bedeutung "(ein Weib) durch Kauf erwerben" durch 2. Mose 22,15 gesichert. Bäthgen vermutet 1904 (nach Vorgang von Wildeboer) unter Herbeiziehung ähnlicher Bildungen im Syrischen und Arabischen, das Wort habe hier den unter Verblassung der ursprünglichen Bedeutung entstanden zu denkenden Sinn: freien, umwerben: "Die einen andern (Gott) umwerben." Die andern Übersetzungen - eilen (alte übers. nach dem piel), nacheilen (Luther), eintauschen (Kautzsch u. a.) sind noch fraglicher. Über den allgemeinen Sinn des Satzes kann aber, wie schon zu V. 4 bemerkt ist, wenig Zweifel sein. - James Millard
  Trankopfer von Blut (Grundtext, Nmi zur Bezeichnung des Stoffes): weil mit blutbefleckten Händen und blutbeladenem Gewissen dargebracht (Delitzsch), oder: als ob sie aus Blut statt aus Wein beständen, vergleiche Jes. 66,3; äußerlich ist es Traubenblut (1. Mose 49,11), innerlich Menschenblut (Hengstenberg). - James Millard
  Die Heiden pflegten das Blut ihrer Opfer, sei es von Tieren oder Menschen, darzubringen und zuweilen einen Teil davon zu trinken. Mt. Pool † 1679.
  Noch ihre Namen auf meine Lippen nehmen. (Grundtext) Sachlich läge es am nächsten, an die Namen der Götzen zu denken, vergl. das ausdrückliche Verbot 2. Mose 23,13. Der Parallelismus mit dem Vorhergehenden (ihre Trankopfer) führt aber eher darauf, es auf die Namen der Götzendiener zu beziehen. Bäthgen erinnert an Jes. 65,15 (Grundtext), wonach die Namen der Abtrünnigen von den Frommen nur noch als Verwünschungsformel werden gebraucht werden. - James Millard


V. 5. Der Herr ist mein Gut und mein Teil. Dies ist unendlich viel mehr, als wenn wir Himmel und Erde hätten. Denn die ganze Erde ist nur ein winziges Pünktchen, verglichen mit der Weite des Himmels, und der Himmel selbst ist wie ein Nichts, verglichen mit Gott. Wie groß ist also unser Besitz! Und diesen Besitz kann man uns nicht konfiszieren, noch uns daraus verbannen. Unser Teil erfüllt Himmel und Erde und geht unermesslich hoch über den Himmel hinaus und tief unter die Erde hinab und weit über beide hinaus. Die armen Menschen brüsten sich mit dem Besitz eines Königreichs; wir aber haben mehr als alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit. Christus hat uns mehr gegeben, als der Teufel ihm anbieten konnte. David Clarkson † 1686.


V. 5-6. Wohl dem Volk, dem es also gehet. Wohl dem Volk, des Gott der Herr ist! (Ps. 144,15) Keine größere Gnade kann einem Volk, einer Familie oder einem einzelnen erwiesen werden, als dies, dass der Herr sich ihnen zu Eigen gibt. Jemand mag sein Vermögen solchen geben, zu denen seine Liebe nicht sehr groß ist; aber sich selbst gibt er nicht hin, wo nicht starke Zuneigung ihn treibt. Gott gibt reichlich allen Geschöpfen seiner Hand. Er lässt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte (Mt. 5,45). Aber der Gedanke ist ausgeschlossen, dass er sich selbst sollte zum Erbteil, Freund und Vater hingeben, es sei denn im Drang überströmender Liebe. Wer also die Gemeinschaft mit Gott nicht will, verachtet die höchste Gunst, die Gott jeden Menschen gewährt hat. Was könnte Gott mehr und besseres geben, als sich selbst? Frage David, was er von Gott halte. Er war mit ihm wohl vertraut. Und er begehrte, nie aus seiner unmittelbaren Gegenwart und Gemeinschaft entfernt zu werden. "Das Los ist mir gefallen aufs liebliche; mir ist ein schön Erbteil worden." Was ist’s, David, dessen du dich so rühmst? Haben nicht andere so gut wie du Königreiche besessen? "Nein, das ist es nicht. Die Krone ist eins der geringsten Kleinode in meiner Schatzkammer; der Herr ist mein Besitz und mein Becherteil." (Grundtext) James Janeway † 1674.
  Siehe nicht nur auf die Wohltaten Gottes, sondern auf Gott in seinen Gaben. Gaben sind nie so lieblich, als wenn die Liebe eines Heilandes sie würzt. Ralph Venning † 1673.


V. 6. Das Los, wörtlich; die Messschnüre. Das verheißene Land war dem Volk Israel durch das Los ausgeteilt und mit Seil und Schnur vermessen worden. David glaubte an ein allbeherrschendes Geschick, das die Grenzen seines Wohnens und seines Besitzes bestimmt habe. Noch mehr: er war zufrieden mit allem, wie es Gottes Vorsehung geordnet hatte. C. H. Spurgeon 1869.


V. 7. Ich lobe den Herrn, der mir geraten hat. Der heilige Geist ist ein Geist des Rats. Er lehrt mit Macht und überzeugender Kraft, wie wir handeln und wandeln sollen. Er unterweist uns, dass wir die Tritte richtig setzen und auf rechten Wegen wandeln, und behütet uns so vor mancher Sünde durch rechtzeitige Weisung. Denn wie Jesaja (11,2) sagt: er ist ein Geist des Rats und der Stärke; des Rates, um zu leiten, und der Stärke, um den inwendigen Menschen zu kräftigen. So erwies er sich an Christus, dem Haupt, von dem hier die Rede ist, z. B. in jenem Kampfe, von dessen Ausgang unser Heil abhing, als er im Garten betete: Lass diesen Kelch an mir vorübergehen! Da war’s der gute Geist, der ihm riet, den Tod zu erleiden, und ihm die Bitte eingab: Nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Thomas Goodwin † 1679.
  Auch mahnen mich in den Nächten meine Nieren. (Grundtext) Guter Rat kommt oft über Nacht, besonders wenn wir uns zuvor Gott befohlen und im Geist des Gebets unser Nachtlager aufgesucht haben. In der Ruhe dieser stillen Stunden, da uns die Leidenschaften nicht verwirren und die Kämpfe der Welt nicht beunruhigen, können wir mit dem eigenen Herzen verkehren und für den vor uns liegenden Lauf Belehrung und Warnung empfangen. David zumal scheint aus diesen Nachtstunden großen Gewinn und innere Erquickung geschöpft zu haben. Oft pflegte er über Gott zu sinnen, wenn er auf seinem Bette lag, und wenn er so über des Herrn Güte nachdachte und über den Weg, den er ihn geführt hatte, dann trieb es ihn selbst um Mitternacht (Ps. 119,62), aufzustehen und zu danken und zu flehen. Während wir also nach dem Sprichwort das Kopfkissen als einen guten Ratgeber gelten lassen, wollen wir doch mit dem Psalmisten bekennen, dass es der Herr ist, der guten Rat gibt und uns seine Weisungen sendet in der Nacht. Barton Bouchier 1855.

V. 7ff. Dies ermahnende und ratende Vorhalten des göttlichen Willens geschieht bei dem Sohne Gottes nicht von außen oder von oben herab, sondern aus dem eignen Innersten seiner heiligen Menschheit heraus. Auch er hat freilich Nieren (Sitz der innigsten und geheimsten Empfindung, Ps. 7,10; 73,21; Spr. 23,16; Hiob 19,27) in seinem Fleische (seiner menschlichen Natur), ja er bedarf sogar des Züchtigens und Mahnens zur Ausdauer im Glaubensverhalten; aber ihn züchtigen und ermahnen gerade die Nieren, die bei uns Sündern der Sitz des Abfalls und Widerstrebens sind. Und noch dazu in den Nächten, den Nächten des einsamen Zagens und Harrens auf den Morgen. Ihm war ja freilich die ganze Zeit im Fleische gewissermaßen eine Nacht, und besonders am Ende, vor und in der Passion, durchrang er solche Nächte im Festhaken des Willens: Vater, wie Du willst! Da stellte er sich den Herrn vor Augen allezeit, mit positiver Glaubensanstrengung gegen alle Versuchung. Dann wird es wieder oder bleibt vielmehr allezeit Tag, auch in der Nacht, und sein Gott steht bei ihm, verlässt ihn nicht selbst im Gefühl der Verlassenheit (Joh. 16,32). Und die Zuversicht steigt (V. 9 ff.) zur völligen Freude, welche schon im Leiden die künftigen Freuden und Lieblichkeiten (V. 11) vorempfindet. Rudolf Stier 1834.


V. 8. David hatte nicht nur je und dann, sondern allezeit den Herrn vor Augen. Wie die Magnetnadel stets nach Norden weist, ohne ihre Natur zu ändern, ob sie nun in einem Gehäuse von Gold, Silber oder Holz eingeschlossen ist, so sollte ein gläubiger Christ, ob er im Überfluss des Reichtums oder in drückender Armut lebt, ob er einen hohen oder niederen Rang in dieser Welt einnimmt, stets seinen Glauben und seine Hoffnung fest auf Christus gegründet und sein Herz und Gemüt stetig auf ihn gerichtet haben und ihm folgen durch Feuer und Wasser, durch Krieg und Frieden, durch Hunger und Kälte, durch Freunde und Feinde, durch tausend Nöte und Gefahren, durch die brandenden Wogen des Neides und der Bosheit, des Hasses und der üblen Nachreden, des Hohnes und der Verachtung der Welt, des Fleisches und des Teufels, und selbst im Tode, wie bitter, wie grausam und tyrannisch er sei, - nie aber Christus aus Auge und Herz verlieren, vom Glauben, Hoffen und Vertrauen auf ihn nimmer lassen. Robert Cawdray 1609.
  Wer durch den Glauben beständig auf Gott blickt als auf seinen Beschützer in Trübsal, wird nicht wanken in irgendeinem Übel, das er erduldet, und wer im Glauben Gott als sein Vorbild in der Heiligkeit anschaut, wird von dem, was recht ist, nicht wanken. Dieser Gedanke: Der Herr ist zu meiner Rechten, hält uns zurück, dass wir weder zur Rechten noch zur hinten abweichen. Von Henoch heißt es, er sei "mit Gott gewandelt" (1. Mose 5,22, Grundtext), und so kurz die Geschichte seines Lebens gefasst ist, wird doch nochmals (V. 24) bezeugt, dass er "mit Gott wandelte". Sein Wandel war so wenig der Welt gleich, dass sein Verweilen in der Welt nur kurz war: Gott nahm ihn hinweg, er ward nicht mehr gesehen. Joseph Caryl † 1673.
  Denn er ist mir zur Rechten. Aus uns selbst vermögen wir zu keiner Zeit standzuhalten; durch seine Macht können wir allezeit überwinden. Und ob man von allen Seiten aufs heftigste wider uns anstürmt, er ist zu unserer Rechten, stets bereit, uns zu stützen und zu halten, dass wir nicht fallen werden. John Ball † 1640.


V. 9. Darum freuet sich mein Herz, d. h. ich bin in aller Weise wohl daran, so wohl, wie das Herz es nur wünschen kann. Ich bin mit Freuden überschüttet. Gottlose Menschen mögen lustig sein, aber sie können sich nicht aus tiefstem Herzensgrund und in allen Lebenslagen freuen. Ihre Fröhlichkeit bleibt auf der Oberfläche. Ihre Heiterkeit ist leer und geistlos; sie feuchtet den Mund, wärmt aber das Herz nicht. David aber ist ganz voller Freuden. Sein Herz, seine Ehre und sein Fleisch (entsprechend, wie manche [auch Delitzsch] meinen, dem Ausdruck des Apostels "Geist, Seele und Leib), 1. Thess. 5,23) sind mit Freuden überschüttet. John Trapp † 1669.


V. 8-11. Wörtliche Übersetzung: Ich habe den Herrn vor mich gestellt immerfort; denn er ist zu meiner Rechten, - nicht werde ich wanken. Darum freut sieh mein Herz und frohlockt meine Ehre (= Seele), auch mein Fleisch (= Leib) wird sicher wohnen; denn du wirst nicht meine Seele (= mein Leben) der Unterwelt preisgeben, du wirst nicht deinen Frommen (nach dem Zusammenhang und der Autorität der besten Handschriften und aller alten Übersetzungen ist die Einzahl zu lesen) hingeben, die Grube (nach andern: das Verderben, die Verwesung) zu schauen. Du wirst mir kundtun den Weg des Lebens; Sättigung mit Freuden ist vor (eigentlich: in Gemeinschaft mit, bei) deinem Angesicht, Seligkeiten in deiner Rechten ewiglich. - Die Übersetzung; die Verwesung sehen, stammt aus der LXX, vergl. die wörtliche Anführung von V. 8-11 nach der LXX Apg. 2,25-28. Die meisten Neueren übersetzen: die Grube sehen, wie auch Luther denselben Ausdruck Ps. 49,10 (und 1524 auch an unserer Stelle) wiedergibt. Aber Hiob 17,14 fordert das folgende "Modergewürm" auch für schachat wenigstens die Nebenbedeutung Moder, Verwesung. Vergl. Luthers Erklärung zu unserer Stelle 1530: Du wirst, spricht er, nicht zulassen, dass ich sehe die Grube, das ist, das, so in der Grube geschehet, nämlich das Verwesen. Es ist, wie man auch Ableitung und Bedeutung des Wortes schachat fasse, jedenfalls die gewisse Zuversicht (zweimal das kategorische )ol nicht l)a; Du wirst nicht), um der Gemeinschaft mit dem Ewiglebendigen willen der Macht des Todes nicht zu verfallen, "nicht zu sterben oder sterbend nicht zu sterben" (Delitzsch), welche David hier ausspricht. Der Beweiskraft unserer Stelle als messianischer nimmt die Übersetzung Grube nichts Wesentliches; denn, wie Tholuck sagt, auch die Hoffnung, die Grube nicht zu sehen, d. h. im Tode nicht zu bleiben, konnte David nur im prophetischen Geiste aussprechen, und sie konnte an ihm selbst nur Erfüllung erhalten durch Christus. Man vergl. ferner Ps. 49,16, wo dieselbe Zuversicht in noch bestimmterer Form hervortritt. - Mag auch daran erinnert werden, dass Petrus auf dem Pfingstfest zu Jerusalem ohne Zweifel in der aramäischen Landessprache geredet, V. 27.30, also einfach das Wort schachat gebraucht hat, so bleibt doch bestehen, dass Paulus im pisidischen Antiochien (Apg. 13,34 f.) gerade das Wort Verwesung aus der LXX verwertet. - James Millard
  In den drei letzten Versen dieses Psalmen folgen diese fünf Artikel unseres Apostolischen Glaubens in schönster Ordnung aufeinander: 1) Die Begräbnis Christi im 9. Vers, wenn es heißt: Mein Fleisch wird sicher liegen. 2) Die Höllenfahrt Christi, V. 10: Du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen. 3) Die Auferstehung Christi, in den Worten: nicht zugeben, dass dein Heiliger verwese. 4) Die Himmelfahrt Christi, wann V. 11 Christus sagt: Du tust mir kund den Weg zum Leben. 5) Das Sitzen Christi zur rechten Hand Gottes, in den letzten Worten des Psalmen. Joh. Dav. Frisch 1719.
  Die vollkommene, lebendig erkennende und aneignende Auslegung findet hier, wie in aller Weissagung überhaupt, dreifachen Sinn: den vorbildlichen vor Christus, den zentralen in Christus und den nachbildlichen oder auch mystischen, der sich durch Christus in den Seinigen vollendet. Rudolf Stier 1834.


V. 11. Du wirst mir kundtun den Weg des Lebens usw. (Wörtl.) Christus frohlockt im Blick auf seine Erhöhung und weidet sich im Voraus an den Früchten seiner Leiden. Gott hat nun den Weg zum Paradies geöffnet, der durch ein flammendes Schwert gesperrt war, und den Pfad gebahnt, da er das Haupt der gläubigen Menschheit in den Himmel einließ. Das ist ein Teil der Freude, welche Christi Seele ergötzt. Er hat nun die Fülle der Freuden, vollkommene Wonne statt des Übermaßes der Leiden; eine Fülle der Freude, nicht nur einige Funken und Tropfen, wie er im Stande der Erniedrigung sie hatte, - und zwar in der Gegenwart seines Vaters. Seine Seele nährt sich an dem steten Anschauen Gottes, das ihm eine unaufhörliche Freude ist und seine Seele mit stets frischen und reinen Flammen erfüllt. Das ist Freude, das ist liebliches Wesen, mit dem verglichen die größten Freuden dieses Lebens Angst und Schauder sind. Seine Seele hat ungemischte Freuden, Wonnen ohne Zahl, eine Fülle ohne Mangel und ohne Unterbrechung oder Ende. Stephen Charnock † 1680.
  Freude die Fülle, eigentlich: Ersättigung der Freuden. Nicht nur Bewegung der Freude, sondern vieler Freuden, ja aller Freuden, die gewünscht werden können, Ersättigung; anders als in der Welt, da die Freude niemals sättigt wegen der dem Herzen eingepflanzten unendlichen Begierde, welche durch das Endliche nimmer kann ersättigt werden. Joh. Dav. Frisch 1719.
  Bei dir ist Freude die Fülle. Die Heiligen auf Erden sind alle nur Waller, wandernde Pilger, fern von der Heimat; die Heiligen im Himmel aber sind sicher angekommen am Ziel ihrer Reise und besitzen und genießen nun ewig die Fülle der Freuden. Alle, die wir hier im Augenblick gegenwärtig sind, sind noch Fremdlinge inmitten der Gefahr; wir verlieren uns selbst und verlieren unser Leben im Lande der Sterbenden. Bald aber werden wir unser Leben und uns selbst im Himmel wiederfinden bei dem, der das Leben ist, und uns seiner erfreuen im Lande der Lebendigen. Jetzt haben wir nur Körnlein der Glückseligkeit gegen tausendfältige Beschwerden, nur Tropfen der Freude gegen einen Ozean der Trübsal. Dann aber werden wir, wie Augustinus so schön in seinen Soliloquia sagt, endlose Lust haben ohne alle Pein, wahre Glückseligkeit ohne alle Plage, das höchste Maß des Glückes ohne das mindeste von Elend, das vollste Maß der Freude, das es geben kann, ohne irgend welche Beimischung von Kummer. Darum wollen wir uns jetzt, wie uns Gregor mahnt, die schwersten Lasten der Leiden erleichtern und die bittersten Kelche der Trübsal versüßen durch die stete Betrachtung und stete Erwartung der Fülle der Freuden in Gottes Gegenwart und des lieblichen Wesens zu seiner Rechten immer und ewiglich. Vor dir, da man teilhat am Licht deines Angesichts, da ist die sättigende Fülle der Freuden; nicht: sie war da, noch: sie kann da sein, oder sie wird da sein. Sie ist da; sie ist da ohne Aufhören oder Unterbrechung; sie ist dort allezeit gewesen und ist und muss da sein. Das ist ewige Wirklichkeit. Und darin steht die Vollendung der Glückseligkeit. Denn was kann irgendjemand Größeres wünschen, als Freudensättigung (wörtl.)? Das ist ja die vollkommene Fülle. Und wo möchte einer lieber wünschen, diese Fülle der Freude zu genießen, als in der Gegenwart Gottes, der die stets strömende und überströmende Quelle der Freude ist? Und wann möchte sich einer diesen Genuss der Freudenfülle ans der wahren Quelle der Freude lieber wünschen, als nun und immerdar, ohne Unterbrechung und ohne Ende? Edward Willan 1645.
  In diesem Leben gibt es keine Freude ohne Leid, wie keine Rose ohne Dornen. Jakob hatte Freude, als seine Söhne aus Ägypten kamen mit den Säcken voll Korn, aber viel Sorge, als er das Silber oben im Sack gewahrte (1. Mose 42,35). David hatte große Freude, als er die Lade Gottes hinaufbrachte, doch zugleich großes Leid um das Strafgericht über Usa (2. Samuel 6, 6-8). Das ist des Herrn große Weisheit, unsere Freude zu mäßigen und in Schranken zu halten. Wie Leute von schwacher Gesundheit ihren Wein mit Wasser vermischt bekommen, damit er ihnen nicht schade, so muss uns in diesem Leben (so groß ist unsere Schwachheit) alle Freude mit Leid gemischt werden, damit wir nicht üppig und übermütig werden. Hier freuen wir uns mit Zittern (Ps. 2,11). So verließen die Frauen das offene Grab des Herrn mit Furcht und großer Freude (Mt. 28,8). Zwar geziemt es dem wiedergeborenen Christen, sich in dem Herrn zu freuen allewege (Phil. 4,4); doch zittern die Schrecken Gottes aus der Zeit unserer Neugeburt in uns nach, wie die See noch in hohen Wogen geht, wenn der Sturm sich schon gelegt hat. Die zärtliche Mutter ist hoch erfreut, wenn ihr Kindlein aus der Gefahr jähen Falles errettet worden ist, und wird doch noch von Furcht geschüttelt bei dem Gedanken an die überstandene Gefahr. So freuen auch wir uns, dass wir aus so manchem gefahrvollen Fall in die Sünde durch die Führungen der göttlichen Gnade errettet sind; doch mitten in der Freude demütigt uns die Erinnerung an die vorhergegangene Schuld und Gefahr. Wer im rechten Glauben steht, schaut zu Christus, dem Gekreuzigten, auf und freut sich dankbar der unvergleichlichen Liebe, dass ein solcher Mann eines solchen Todes gestorben ist für Menschen, die Gottes Feinde waren durch sündliche Neigungen und böse Werke. Doch dann blicken sie auf ihre Sünden, die den Herrn der Herrlichkeit verwundet und gekreuzigt haben, und das bricht ihnen das Herz. Wer wahrhaft glaubt, sieht auf die Anfänge seines Gnadenstandes und freut sich über das Wunderwerk Gottes. Aber wenn er sich dann mit der wirklichen und ursprünglichen Gerechtigkeit, die in Christus ist, vergleicht, so trauert er bitterlich, wie die Alten in Israel es machten beim Neubau des Tempels (Esra 3,12). Im Himmel jedoch wird unsere Freude völlig sein. (Joh. 16, 20 ff.) Dann wird es keinen Kummer mehr geben um gegenwärtiges Leid, noch Furcht vor künftigen Kümmernissen. Dann wird alles, was die Heiligen sehen, ihr Herz tief ergreifen, der Anblick und die Erkenntnis Gottes, des höchsten und unendlichen Gutes, wird ihr ganzes Herz entzücken und erheben zur Freude und Seligkeit. Petrus war auf dem Berge (Mt. 17) so bewegt von dem Herrlichen, das er schaute, dass er sowohl die Freuden als die Kümmernisse der unter ihm liegenden Welt vergaß. "Hier ist gut sein", sagte er. Wie viel mehr werden alle weltlichen Freuden und Leiden vergessen sein bei dem beseligenden Anschauen im Himmel, das über dasjenige des Petrus auf dem Berge so hoch hinausgeht, wie der dritte Himmel über jenen Berg und wie die unerschaffene Herrlichkeit über die erschaffene. William Colvill 1655.
  Sehen wir auf das Wesen, so ist es Freude; auf die Menge, so ist es Fülle bis zur vollen Sättigung; auf die Würde: zu Gottes rechter Hand; auf die Dauer: ewig. Millionen von Jahren mit Millionen multipliziert, machen noch nicht eine Minute dieser Ewigkeit der Freuden aus, welche die Heiligen im Himmel haben werden. Keine Sünde, kein Mensch und kein Teufel wird dir dort deine Freude rauben (Joh. 16,22). Die Freude der Heiligen im Himmel hat keine Ebbe; sie flutet stets zu voller Befriedigung. Die Freuden des Himmels schwinden nie, noch welken, noch sterben sie, noch werden sie je vermindert oder unterbrochen. Ihre Freude währt ewig, weil der Gegenstand ihrer Freude ewig währt. Thomas Brooks † 1680.
  Ewiglich. Die Seele, die einmal an der himmlischen Küste gelandet ist, hat alle Stürme hinter sich. Die verherrlichte Seele soll sich ewiglich baden in den Strömen der Freude. Das ist’s, was den Himmel zum Himmel macht, dass wir bei dem Herrn sein werden allezeit (1. Thess. 4,17). William Austin (1637) sagt: "Herr, ich wäre es zufrieden, alle Schmerzen und Qualen in dieser Wellt zu leiden, könnte ich dein Angesicht nur einen Tag sehen. Doch ach, wäre es nur für einen Tag, so würden wir ja aus dem Himmel nur in desto tieferen Jammer hinabgestürzt!" Aber dies Wort "immer bei dem Herrn" sagt unendlich viel und ist die Krone der Herrlichkeit. Thomas Watson 1660.


Homiletische Winke

V. 1. Gebet zu Gott und Berufung auf Gott. Der Beschützer und der Schutzflehende. Die Gefahren, welche die Gläubigen bedrohen, und deren sicherer Bergungsort.
V. 2a. Du bist mein Herr. Die gläubige Seele eignet sich den Gott des Heils persönlich zu, huldigt ihm als ihrem alleinigen Herrn, traut auf ihn und bekennt ihn.
V. 2-3. Kennzeichen des wahren Glaubens. 1) Der Glaube huldigt der göttlichen Majestät, 2) findet in Gott sein höchstes, allgenügsames Gut, 3) hält die Heiligen in Ehren und freut sich ihrer Gemeinschaft.
V. 3. Die Herrlichen der Erde. Das sind die Gläubigen nach dem Werk der Gnade in ihnen, nach ihrem Erbteil, ihrem Geleit (Hebr. 1,14; Mt. 18,10), der ihrer wartenden Verherrlichung usw.
  An denen hab ich an mein Gefallen. Warum sollen wir an den Christen unsere Freude haben? Warum haben wir an ihnen nicht größere Freude? Ob sie wohl an uns Freude haben? Wie kann unsere Gemeinschaft mit ihnen freudenreicher werden?
  Empfehlung einer Kollekte für arme Gläubige. 1) Sie sind Heilige; 2) Heilige auf Erden; 3) herrlich; 4) Wir sollen an ihnen Herzenslust haben und 5) ihnen unsere Liebe durch die Tat erweisen. Matthew Henry † 1714.
V. 4a. Das Herzeleid, das jede Art des Götzendienstes im Gefolge hat, beleuchtet an den Heiden und an uns selbst.
V. 4b. Die Pflicht völliger Scheidung von den Sündern im Wandel und in der Rede.
V. 5. Volle Genüge in Gott für Zeit und Ewigkeit.
V. 5b. Was ist unser Erbteil? In welcher Gefahr befindet es sich? Wer sichert es uns?
V. 6. Wir können dieses Bekenntnis in den Mund legen: 1) einem Schoßkind des Geschickes; 2) einem Bewohner unseres gesegneten Landes; 3) einem Christen im Blick auf sein geistliches Leben. William Jay † 1853.
  Viel Liebliches ist dem Christen bereitet: 1) Liebliche Orte: Bethlehem, Golgatha, der Ölberg, Tabor, Zion, das Paradies. 2) Liebliche Gottesgedanken, durch welche mir mein Los beschieden ist. 3) Lieblicher Lobpreis des Herrn in Gottesdienst, Opfer und Lied.
V. 6b. Das Erbteil der Heiligen: 1) ein Erbe, 2) ein schönes Erbe, 3) mein Erbe.
  Ein schön Erbteil. Was unserem Erbe seinen Wert gibt, ist 1) dass es von der Hand eines Vaters kommt; 2) dass es unser wird kraft des Gnadenbundes; 3) dass es erkauft ist durch Christi Blut, und 4) dass es uns zuteil wird als Erhörung unserer Gebete und als Segen von oben, auf redliches Mühen gelegt.
V. 7. Der mir geraten hat. Der Christ pflegt Rat: 1) mit wem? 2) worüber? 3) warum? 4) wann? 5) wie? 6) Was dann?
  Das Blicken nach oben und nach innen - zwei Schulen der Belehrung.
V. 8. Habe den Herrn allezeit vor Augen als 1) deinen Beschützer, 2) deinen Führer, 3) dein Vorbild, 4) deinen Richter. William Jay † 1853.
  Das Geheimnis eines glücklichen Lebens. Predigt von Spurgeon. Botschaft des Heils, II, 609. Baptist. Verlag, Kassel.
V. 8-9. Der feste Halt, den uns das Leben in der Gegenwart Gottes gewährt. Es gibt uns 1) gute Zuversicht fürs äußere Leben: Ich werde nicht wanken; 2) guten Mut: Mein Herz freuet sich usw.; 3) gute Hoffnung für den Leib im Sterben: Auch mein Fleisch wird sicher liegen.
V. 9-10. Jesus hat sich angesichts des Todes der Sicherheit seiner Seele und seines Leibes gefreut. Im Glauben an ihn als den Todesüberwinder haben wir den gleichen Trost.
V. 10. Wo ist Jesu Seele und wo sein Leib bei seinem Tode geblieben? Ein schwieriger, doch lehrreicher Gegenstand der Untersuchung.
V. 10-11. Weil Jesus lebt, werden auch wir leben. Darum kann auch der Gläubige sagen: Du tust mir kund den Weg zum Leben. Dies Leben ist die Seligkeit, die dem Volke Gottes nach der Auferstehung aufbehalten ist. Sie hat drei Eigentümlichkeiten; l) ihre Quelle: sie strömt aus von der Gegenwart Gottes (vergl. den Grundtext); 2) ihr Reichtum: sie ist Fülle der Freuden; 3) ihre Dauer; ewiglich. William Jay † 1853.
V. 11. Ein liebliches Gemälde des Himmels.
  Der Weg zum Leben. Wir sehen 1) auf den Führer, 2) den Wanderer, 3) den Pfad, 4) das Ziel. Zu 1). Gott ist ein heiliger, starker, sorgsamer, liebevoller, ausdauernder Führer. Er wird dich tüchtig machen, zu folgen bis ans Ziel, und dich heilig machen am Ziel der Wallfahrt. Zu 2). Die Wanderer sind wir. Die Alten waren es (Ps. 39,13). Die Christen sind es auch (1. Petr. 2,11). Jeder Wanderer bedarf des Führers: Du tust mir kund. Niemand kann für uns glauben und selig werden. Es ist keine Heerstraße, sondern ein Pfad. Da muss man oft einsam gehen. Aber dem Einsamen ist Gott nahe. Zu 3). Der Pfad. Viele Wege führen zum Verderben, nur einer zur Seligkeit. Nicht unsere Wege, sondern den einen schmalen Pfad (Mt. 7,14) müssen wir gehen. Es fehlt nicht an Licht, ihn zu erhellen (Ps. 119,105). Zu 4). Das Ziel ist das ewige Leben. Folge dem Wege der Gebote: er führt dich zum Evangelium des Friedens. Da ist Ruhe (Mt. 11,29); da ist Geben (Joh. 14,6). Das Wort Gottes ist das Licht, Christus der Pfad des Lebens. William Austin 1637.

Fußnoten

1. Es sei noch erwähnt, dass manche Neuere auf die Übersetzung der LXX sthlografi/a zurückgreifen und darnach das Wort entweder als Inschriftgedicht fassen oder als Stichwortgedicht worin denkwürdige Worte 16,2; 58,12; 60,8 vorgeführt oder refrainartig wiederholt werden, Ps. 56; 57; 59). Wieder andere übersetzen einfach Schrift gleich Lied.

2. Diese Auslegung wird sich schwerlich widerlegen lassen. Zumal der Psalm auch nicht den leisesten Wink enthält, dass David hier, wo er doch in der ersten Person spricht, mit Ausschluss seiner selbst einzig von dem kommenden Messias habe reden wollen. Und bei richtiger Erwägung des typischen Charakters der Persönlichkeit Davids steht auch die apostolische Auslegung von Vers 9.10 mit der eben genannten Auffassung keineswegs im Widerspruch.

3. tI:r:ma)f ist schwerlich Anrede an die Seele (Targum) sondern wohl verkürzte Form der Ps. 1, oder es ist .tI:r:ma)f (mit altertümlicher Scriptio defektiva, wie z. B. Ps. 140,13) zu lesen.

4. Adonai ist hier (wie Ps. 35,23 u.) wohl in der ursprünglichen Bedeutung "mein Herr" zu nehmen.

5. Diese alte, allerdings z. B. von Stier, noch warm verteidigte Übersetzung ist jetzt völlig aufgegeben. Es entging ihren Urhebern, dass ytibfO+ hier nicht mein Wohlverhalten, sondern mein Glück bedeutet. Wir ließen sie aber stehen, weil wir sonst die Auslegung Spurgeons ganz hätten ändern müssen, was uns bei diesem Psalm nicht angebracht schien. - Wir halten die revidierte Lutherübers., "Ich weiß von keinem Gute außer dir" dem Sinne nach für richtig. Man vergl. die Erläuterungen und Kernworte.

6. Die Bedeutung des betr. Zeitwortes ist fraglich (vergl. die Erläut. und Kernworte S. 244), nicht aber der allgemeine Sinn des Satzes. Es ist jedenfalls von der Eingebung an den Götzendienst und deren Unsegen die Rede.

7. Über den Grundtext: "wirst deinen Frommen nicht hingeben, dass er die Grube sehe", d. h. erfahre, siehe die Erläut. und Kernworte.

8. Der Grundtext heißt: liebliches (Seligkeiten) ist in deiner Rechten ewiglich. Gottes Rechte hält den Wonnegenus, bereit und spendet ihn, sich öffnend, den Seinen, und zwar ohne Aufhören.