Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon

PSALM 104 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Allgemeine Bemerkungen. Die gottbegeisterte Muse nimmt hier einen so hohen und weiten Flug wie sonst selten. Der Psalm verleiht den mannigfaltigen Stimmen der Natur Ausdruck und singt gar lieblich von der Erschaffung wie auch von der Erhaltung und Regierung der Welt. Das Gedicht enthält einen vollständigen Kosmos1: Land und Meer, Wolken und Sonnenlicht, Pflanzen und Tiere, Licht und Finsternis, Leben und Tod, sie alle werden uns als Beweise der Gegenwart oder Einwohnung des Schöpfers in der Welt vorgeführt. Die Anlehnung an den mosaischen Bericht von dem Sechstagewerk ist deutlich erkennbar, und wenn die Krone des Ganzen, die Erschaffung des Menschen, nicht erwähnt wird, so erklärt sich das aus der Tatsache, dass der Mensch selbst es ja ist, der hier Gottes Werke und Walten besingt. Manche Ausleger finden sogar Hindeutungen auf die Ruhe Gottes am siebenten Tage in V. 31. Der Psalm ist eine Genesis, in Poesie gesetzt. Doch nicht nur der gegenwärtige Zustand der Erde wird besungen, sondern es wird auch unser Sehnen auf jene heilige Vollendungszeit gerichtet, in der sich unseren Blicken eine neue Erde zeigen wird, auf welcher Gerechtigkeit wohnt und von welcher die Sünder vertilgt sein werden, V. 35. Die ganze Betrachtung ist von glühendem Lobpreis Gottes durchweht, und man fühlt es Vers um Vers dem Dichter ab, dass er von der Wirklichkeit Gottes als eines persönlichen Wesens, dem ebenso sehr Liebe und Vertrauen wie Anbetung gebührt, tief durchdrungen ist.
  Über den Verfasser vernehmen wir im Urtexte nichts; doch weist die Septuaginta den Psalm dem David zu, und nach unserer persönlichen Meinung dünken uns allerdings Geist und Stil Davids deutlich erkennbar zu sein. Sollte der Psalm aber je einem andern zuzuschreiben sein, so muss es ein auffallend ähnlicher Geist gewesen sein, und wir könnten dann an den weisen Sohn Davids, an Salomo, den Dichter-Prediger denken, mit dessen naturgeschichtlichen Bemerkungen in den Sprüchen einige der Vers eine überraschende Ähnlichkeit haben. Wer auch immer der menschliche Schreiber gewesen sein mag, die unvergleichliche Herrlichkeit und Vollkommenheit des eigentlichen Urhebers, nämlich des Heiligen Geistes, ist jedem geistlichen Sinne erkennbar.

Einteilung. Nachdem der heilige Sänger zuerst die Preiswürdigkeit des HERRN gerühmt hat, singt er von dem Lichte und der Himmelsfeste, welche die Werke des ersten und zweiten Tages waren (V. 1-6). Mit leichtem Übergang beschreibt er dann, wie die Wasser sich vom festen Lande schieden, Regen, Bäche und Ströme sich bildeten und grüne Gewächse aufsprossten, was der dritte Tag brachte (V. 7-18). Sodann erregt die Bestellung der Sonne und des Mondes zu Hütern des Tages und der Nacht die Bewunderung des Dichters (V. 19-23): er besingt das Werk des vierten Tages. Nachdem der Psalmist bereits auf mancherlei Arten von lebendigen Geschöpfen angespielt hat, geht er (in V. 24-30) dazu über, von dem Leben zu singen, mit dem es dem HERRN gefiel, Luft, Meer und Land zu erfüllen. Diese Formen des Daseins waren das besondere Werk des fünften und sechsten Tages. Die Schlussverse (V. 31-35) können wir als Betrachtung, Loblied und Gebet für den Sabbat ansehen. Das Ganze liegt vor uns wie ein Rundgemälde des Weltalls, betrachtet vom Standpunkt des Glaubens mit dem Auge der Anbetung. Möge uns die Gnade werden, dem HERRN gebührend Ehre darzubringen, während wir der Rundschau folgen.


Auslegung

1. Lobe den HERRN, meine Seele!
HERR, mein Gott, du bist sehr herrlich;
du bist schön und prächtig geschmückt.
2. Licht ist dein Kleid, das du anhast;
du breitest aus den Himmel wie einen Teppich;
3. du wölbest es oben mit Wasser;
du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen
und gehst auf den Fittichen des Windes;
4. der du machst deine Engel zu Winden
und deine Diener zu Feuerflammen;
5. der du das Erdreich gegründet hast auf seinen Boden,
dass es bleibt immer und ewiglich.
6. Mit der Tiefe decktest du es wie mit einem Kleide,
und Wasser standen über den Bergen.


1. Lobe den HERRN, meine Seele! Der Psalm beginnt und endet wie der 103., und er könnte es gar nicht besser machen: wenn das Vorbild vollkommen ist, verdient es, nachgeahmt zu werden. Aufrichtiges Lob Gottes beginnt daheim, im eignen Herzen. Es wäre verlorene Mühe, andere zum Preise des HERRN aufzufordern, wenn wir selbst in Undankbarkeit schwiegen. Wir haben es oft nötig, unser Innerstes zu erwecken und anzuspornen; denn wir sind sehr geneigt, träge zu sein, und ist dies der Fall, wenn es das Lob Gottes gilt, so haben wir wahrlich Ursache, uns zu schämen. Wenn wir den HERRN preisen, so wollen wir es doch von Herzen tun! Unser Bestes bleibt immer noch weit zurück hinter dem, was er verdient; lasset uns ihn nicht verunehren durch halbherzige Anbetung. HERR, mein Gott, du bist sehr herrlich, oder wörtl.: sehr groß. Beachten wir in diesem Ausruf die Verschmelzung von Kühnheit des Glaubens mit heiliger Scheu. Mein Gott, sagt der Psalmist zu dem unendlichen Jehovah, und gleichzeitig sinkt er, von der Größe Gottes überwältigt, in den Staub und ruft in äußerstem Staunen: Du bist sehr groß. Groß war Gott am Sinai, und doch eröffnet er sein Gesetz mit den Worten: Ich, Jehovah, bin dein Gott; seine Größe ist kein Grund, warum der Glaube sich ihn nicht ganz zueignen sollte. Das feierliche Bekenntnis der Größe Jehovahs, das wir hier finden, wäre am Ende des Psalms sehr am Platze gewesen, denn es ist das natürliche Ergebnis aus dem Überblick über das Weltall; dass es schon am Anfang steht, zeigt uns, dass der ganze Psalm von dem Dichter wohl überdacht und im Geiste geordnet wurde, ehe er ihn in Worte fasste. Nur so können wir es uns erklären, dass die Gemütsbewegung der Betrachtung vorläuft. Man beachte auch, dass sich die hier ausgedrückte Bewunderung nicht auf die Schöpfung und ihre Größe bezieht, sondern auf Jehovah selbst. Es heißt nicht: "Das Weltall ist sehr herrlich", sondern: "Du bist sehr herrlich". Viele bleiben bei dem Geschöpf stehen und werden so in ihrem Innern zu Götzendienern; zum Schöpfer selbst vordringen ist der wahren Weisheit Art. Du bist schön und prächtig geschmückt, wörtl.: Du kleidest dich mit Ehre und Majestät. Dich selbst können wir nicht sehen, aber deine Werke, die man deine Gewänder nennen kann, sind voller Schönheit und voller Wunder, die deine Ehre verkünden. Die Kleider verhüllen den Menschen und dienen doch zugleich dazu, zu zeigen, was er ist; so ist es auch mit den Werken Gottes. Der HERR wird in ihnen erschaut als der höchsten Ehre würdig wegen seiner Bildnerkunst, seiner Güte und Kraft, und sie erweisen sein Majestäts -Recht, denn er hat alle Dinge mit selbstherrlicher Macht gestaltet ganz nach seinem Willen und ohne jemand um Erlaubnis zu fragen. Wahrhaftig, der Mensch muss blind sein, der nicht sieht, dass die Natur das Werk eines Königs ist. Es sind dem Kolossalgemälde der Natur so feierliche Züge von Gottes Ernst aufgeprägt, so markige Striche derjenigen göttlichen Eigenschaften, die uns durch ihre Strenge erschauern machen, so scharfe Linien alles überwältigender Macht und tiefe Schatten unerforschlicher Geheimnisse, dass das Bild der Schöpfung dadurch zu einem Rätsel wird, das nimmer zu lösen ist, man gebe denn zu, dass derjenige, welcher es entwarf, von seinem Tun nicht Rechenschaft gibt, sondern alles nach dem Wohlgefallen seines Willens macht. Doch offenbart sich seine Majestät immerdar so, dass sein ganzes Wesen dadurch verherrlicht wird; er tut, was er will, aber er will stets nur das, was dreimal heilig ist wie er selbst. Eben die Gewänder des unsichtbaren Geistes zeigen uns dies, und unsere Sache ist es nun, es mit demütiger Anbetung anzuerkennen.

2. Der sich in Licht hüllt wie in einen Mantel (wörtl.), indem er das Licht um sich legt wie ein Herrscher den königlichen Purpur. Ein erhabener Gedanke; aber er lässt uns innewerden, wie völlig die ewige Wesensherrlichkeit des HERRN außerhalb des Bereiches unserer Vorstellungskraft liegt. Wenn selbst das Licht nur sein Gewand und seine Hülle ist, was muss dann der flammende Glanz seines innersten Wesens sein! Wir sind von Staunen hingenommen und wagen es nicht, in dies Geheimnis hineinzuspähen, damit wir nicht an seiner unerträglichen Strahlenpracht erblinden. Der den Himmel ausspannt wie ein Zelttuch (wörtl.), um darin zu wohnen. Das Licht wurde am ersten, das Himmelszelt am zweiten Tage erschaffen, so dass sie in diesem Vers passend aufeinander folgen. Morgenländische Fürsten legen ihre Prunkgewänder an und sitzen dann mit Gepränge in Prachtzelten; unter diesem Bilde ist hier vom HERRN gesprochen. Aber wie hoch über alle sinnliche Vorstellung muss das Bild erhoben werden, da das Gewand dieses Königs das Lichtelement ist, dem Sonne und Mond ihren Glanz verdanken, und die Zeltdecke der azurblaue, mit Sternen als mit Edelsteinen besäte Himmel. Diese Bildersprache ist ein starker Beweis für die Wahrheit, mit welcher der Psalmist sein Lied begann: HERR, mein Gott, du bist sehr groß!

3. Der in Wasser seine Gemächer droben bälkt. (Wörtl.) Seine himmlischen Hallen sind aus den Wassern über dem Firmament (Ps. 148,4) erbaut. Die oberen Räume des großen Hauses Gottes, die geheimnisvollen Stockwerke, so hoch droben, dass sie sich unseren Blicken völlig entziehen, die Prachtgemächer, in denen er wohnt, sind auf die Fluten gegründet, die den oberen Ozean bilden. Dem, was in sich keinen Halt hat, verleiht er Festigkeit; er braucht dazu keine Tragbalken und Sparren, denn seine eigne Kraft ist’s, die seinen Palast in den Fugen hält. Natürlich dürfen wir nicht nach dem Buchstaben auslegen, wo die Sprache so hochdichterisch ist; das wäre einfach albern. Der dichte Wolken zu seinem Wagen macht. (Wörtl.) Solcherweise macht er seine königliche Rundreise, wenn er sein verborgenes Gezelt verlässt. Schwarze Donnerwolken sind seines Zorns Gefährt, und der Wagen seiner Gnade träufelt Segen nieder, während er die Himmelsbahn entlang läuft. Der auf den Fittichen des Windes wandelt. Auf seinem Wolkenwagen, an den die Winde als geflügelte Rosse geschirrt sind, eilt der große König daher, sei es zum Heil, sei es zum Gericht. So wird die Vorstellung von einem König im Bilde durchgeführt: vor uns stehen sein himmelhohes Schloss, seine Wagen und seine Renner. Aber welch ein Schloss, dessen Gebälk von Kristall und dessen Fundament fest gewordener Dampf ist! Und was ist das für ein Prunkwagen, der aus den fliehenden Wolken gebildet ist, mit deren schimmernden Farben Salomo in all seiner Pracht nicht wetteifern konnte! Und was für ein göttlich erhabener Zug, bei welchem Geisterschwingen und des Windes Hauch den Thronwagen vorwärts bewegen! Ja, HERR, mein Gott, du bist sehr groß!

4. Der seine Engel zu Winden macht oder zu Geistern, denn das Wort bedeutet beides. Die Engel sind reine Geistwesen, obschon sie sichtbare Gestalt annehmen dürfen, wenn Gott sie uns schauen lassen will. Gott ist ein Geist und wird an seinem königlichen Hofe von Geistern bedient. Die Engel sind den Winden gleich in der geheimnisvollen, unsichtbaren und doch unwiderstehlich gewaltigen Art ihres Wirkens. Andere übersetzen: Er macht zu seinen Boten Winde, und zweifellos sind oft die Winde selbst die Engel oder Boten Gottes. Gott, der seine Engel zu Winden macht, kann auch Winde (und Feuer) zu seinen Engeln machen. Wie Delitzsch sagt, gibt er Wind (und Feuer, V. 5) für den Zweck seiner durch die Engel vermittelten Wirksamkeit in der Welt zu Stoffen ihrer Erscheinung und gleichsam "Selbstverleibung". Er kann sie sich also zu besonderen Sendungen dienstbar machen, und sie sind in der Tat beständig seine Werkzeuge in dem großen Haushalt der Natur. Seine Diener zu Feuerflammen. Auch hier haben wir die Wahl zwischen zwei Auffassungen: Gott verleiht seinen Dienern Schnelligkeit, Gewalt und Furchtbarkeit, wie sie das Feuer hat, oder aber: er macht das lodernde Feuer, jenes zerstörende Element, zu seinen Dienern, die mit Flammenschwertern seine Botschaft ausrichten. Der Hebräerbrief bezieht (Kap. 1,7) die Stelle auf die Engel, und es dünkt uns ganz passend, dass diese hier in Verbindung mit dem Licht und dem Himmel und unmittelbar nach dem Gewand und dem Schloss des großen Königs genannt werden. Musste nicht das Gefolge des Herrn der Heerscharen so gut wie sein Wagen erwähnt werden? Die Beschreibung des Universums würde eine Lücke aufweisen, wenn nicht auch der Engel gedacht wäre, und hier ist der geeignetste Ort sie einzuführen. Wenn wir an die außerordentlichen Kräfte denken, die den Engelwesen anvertraut sind, und an die geheimnisvolle Herrlichkeit der Seraphim und der vier Lebewesen (Hes. 1; Off. 4), so leitet uns das an, daraus auf die Herrlichkeit des Herrn zu schließen, dem sie dienen, und wieder rufen wir mit dem Psalmisten: HERR, mein Gott, du bist sehr groß!

5. Der die Erde auf ihre Grundfeste gegründet hat. (Wörtl.) So wird der Beginn der Schöpfung beschrieben, fast mit den gleichen Worten, die der HERR selbst Hiob 38,4.6 gebraucht: "Wo warst du, da ich die Erde gründete? Worauf stehen ihre Füße versenkt, oder wer hat ihr einen Eckstein gelegt?" Und die Worte finden sich noch dazu in demselben Zusammenhang, denn der HERR fährt dort fort: "Da mich die Morgensterne miteinander lobten, und jauchzten alle Kinder Gottes." - Dass sie immer und ewiglich nicht wankt. (Wörtl.) Natürlich ist die Sprache hier dichterisch; doch handelt es sich nichtsdestoweniger um eine wunderbare Tatsache: die Erde ist so in den Weltraum gesetzt, dass sie ihre Stelle behauptet, als wäre sie wirklich irgendwo befestigt. Die verschiedenen Bewegungen unseres Planeten gehen so geräuschlos und gleichmäßig vonstatten, dass für unser Empfinden alles so fest steht und in zuverlässiger Ordnung ist, als wäre die Vorstellung der Alten, dass die Erde auf Pfeilern ruhe, buchstäblich wahr. Mit welcher Genauigkeit hat doch der große Werkmeister unsere Erdkugel ins Gleichgewicht gebracht! Welche Kraft muss jene Hand besitzen, die gemacht hat, dass ein so ungeheurer Körper seine Bahn kennt und sich so sanft darin bewegt! Welcher Maschinenbauer vermag ein Kunstgetriebe so zu verfertigen und zu sichern, dass auch kein Teil desselben je sich reibt oder knarrt oder in Unordnung gerät? Doch unserer großen Welt ist bei ihren verwickelten Bewegungen noch nie etwas Derartiges zugestoßen. "HERR, mein Gott, du bist sehr groß!"

6. Mit der (Wasser-)Tiefe decktest du sie wie mit einem Kleide. Die neugeborene Erde wurde in Windeln von Wasser gehüllt. In den ersten Zeiten, ehe der Mensch da war, beherrschten die stolzen Fluten die ganze Erde. Und Wasser standen über den Bergen, kein trockenes Land war sichtbar, Dampf wie von einem brodelnden Geiser bedeckte alles. Die Erforscher des Erdkörpers geben uns davon Bericht als von einer neuen Entdeckung; aber schon lange vorher hat es der Heilige Geist geoffenbart. Dieser Abschnitt zeigt uns den Schöpfer, wie er sein Werk beginnt und den Grund legt für zukünftige Ordnung und Schönheit. Wenn wir uns das hier Geschilderte mit Ehrfurcht vergegenwärtigen, wird unsre Seele voll Anbetung werden; es mit fleischlichem Sinn grob buchstäblich aufzufassen, wäre geradezu lästerlich.


7. Aber von deinem Schelten flohen sie,
von deinem Donner fuhren sie dahin.
8. Die Berge gingen hoch hervor, und die Täler setzten sich herunter
zum Ort, den du ihnen gegründet hast.
9. Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht,
und dürfen nicht wiederum das Erdreich bedecken.
10. Du lässest Brunnen quellen in den Gründen,
dass die Wasser zwischen den Bergen hinfließen,
11. dass alle Tiere auf dem Felde trinken
und das Wild seinen Durst lösche.
12. An denselben sitzen die Vögel des Himmels
und singen unter den Zweigen.
13. Du feuchtest die Berge von oben her;
du machst das Land voll Früchte, die du schaffst;
14. du lässest Gras wachsen für das Vieh
und Saat zu Nutz den Menschen,
dass du Brot aus der Erde bringest,
15. und dass der Wein erfreue des Menschen Herz,
dass seine Gestalt schön werde vom Öl
und das Brot des Menschen Herz stärke;
16. dass die Bäume des HERRN voll Safts stehen,
die Zedern Libanons, die er gepflanzt hat.
17. Daselbst nisten die Vögel,
und die Reiher wohnen auf den Tannen.
18. Die hohen Berge sind der Gemsen Zuflucht
und die Steinklüfte der Kaninchen.


7. Aber von deinem Schelten flohen sie, von deinem Donner fuhren sie dahin. Als das Wasser und die Dämpfe alles bedeckten, brauchte der HERR nur zu sprechen, so verschwanden sie sofort. Gerade als hätten sie die Fähigkeit vernünftigen Handelns, schossen die Wogen in die ihnen angewiesenen Tiefen und überließen das Land sich selbst. Da erhoben die Berge ihre Häupter, hoch stiegen die Länder aus der Flut empor, und schließlich waren Festländer und Inseln, Abhänge und Ebenen da und bildeten die bewohnbare Erde. Die Stimme des HERRN bewirkte diese erstaunlichen Ereignisse. Ist nicht sein Wort jedem Erfordernis gewachsen, mächtig genug, die größten Wunder zu wirken? Durch dasselbe Wort werden auch die Wogen der Trübsal in ihre Schranken gewiesen, die tobenden Fluten der Sünde überwältigt werden; der Tag kommt, da auf den Donnerruf Jehovahs all die stolzen Gewässer des Bösen schnell und für immer hinweg fliehen werden. "HERR, mein Gott, du bist sehr groß!"

8. Die bezwungenen Wasser sind hinfort gehorsam. Sie steigen hinauf zu den Bergeshöhen,2 indem sie als Wolken selbst die Spitzen der Alpen erklettern. Sie kommen herunter in die Täler zum Ort, den du ihnen gegründet hast. Sie sind ebenso bereit, im Regen, in Quell- und Gießbächen herabzuströmen, wie sie vordem in Nebeln aufzusteigen strebten. Der Gehorsam der mächtigen Wasser gegen die Gesetze ihres Schöpfers ist höchst bemerkenswert; die schwellende Flut, die tosende Stromschnelle, der gewaltige Sturzbach, sie sind nur andere Formen desselben Elementes, das als zarter Tau auf dem Grashälmchen perlt, und in jenen massiveren Formen ist es den von seinem Schöpfer ihm anerschaffenen Gesetzen gleichermaßen gehorsam. Auch nicht ein einziges Teilchen Meerschaum bricht je aus der Reihe oder verletzt den Befehl des Herrn über Land und Meer, noch lehnen sich der mächtige Niagara und die schauerlich gewaltige Springflut gegen seine Herrschaft auf. Es ist sehr schön, in Gebirgsgegenden zu betrachten, wie Gott die Versorgung der Erde mit Wasser so wohl geordnet hat; wie die Nebel aufsteigen und sich zu Flocken und Wolken vereinigen, wie das reine Nass herabtropft, wie munter die kleinen Bächlein an den Felsen hinunter rinnen, um die Flüsse zu erreichen, und mit welch unaufhaltsamem Drang diese ihrem Bestimmungsorte, dem großen Weltmeer, zustreben.

9. Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht, und dürfen nicht wiederum das Erdreich bedecken. Diese Grenze ist einst überschritten worden, aber das wird nie wieder geschehen. Die Sintflut wurde herbeigeführt durch zeitweilige Aufhebung der göttlichen Verordnung, welche die Fluten im Zaum hielt; sie wussten noch wohl von ihrer einstigen Oberherrschaft über die Erde und rissen sie schleunigst wieder an sich. Aber jetzt verhindert die Bundesverheißung für immer eine Wiederkehr dieses wilden Faschingstanzes der Wasser; oder sollten wir diese Empörung der Wogen nicht eher ein ungestümes Aufwallen der Entrüstung nennen, womit die Fluten die gekränkte Ehre ihres Königs rächen wollten, den die Menschen beleidigt hatten? Jehovahs Wort hält den Ozean in Schranken, und er braucht nur einen schmalen Sandgürtel, um ihn in seinen festgesetzten Grenzen zu halten; diese augenscheinlich so schwache Wehr erfüllt vollkommen ihren Zweck, denn das Weltmeer ist dem Gebot seines Schöpfers gehorsam wie ein kleines Kind. Zerstörung schlummert in der Tiefe des Ozeans, und unsere Sünden könnten wohl sie wecken; aber stark sind die Bande, mit welchen die Bundesgnade ihn gefesselt hat, so dass er sich nicht wieder auf die schuldigen Menschenkinder stürzen kann.

10. Du lässest Brunnen quellen in den Gründen, dass die Wasser zwischen den Bergen hinfließen. Dies ist ein besonders lieblicher Teil der Anordnungen, die Gott hinsichtlich der unterworfenen Wasser getroffen hat: sie finden Öffnungen, durch die sie dort ins Freie gelangen, wo ihr Vorhandensein im höchsten Grade wohltätig wirkt. An den Abhängen der Berge finden sich Einsenkungen, in denen die Bächlein herabplätschern, deren Ursprung oft ein sprudelnder Quell ist, der tief aus dem Erdinnern hervorbricht. Gott lässt diese Quellen fließen, gerade wie ein Gärtner Wasserläufe anlegt und ihnen mit seinem Fuße die Richtung gibt. Sind die Wasser in der Tiefe eingesperrt, so ist es der HERR, der ihnen die Fesseln angelegt hat, und tummeln sie sich in Freiheit, so ist wieder Er es, der sie losgelassen.

11. Dass alle Tiere auf dem Felde trinken. Wer würde ihnen auch Wasser geben, wenn es der HERR nicht täte? Sie sind seine Herde, darum führt er sie zur Tränke. Kein einziges vergisst er. Und das Wild (Grundtext die Wildesel) seinen Durst lösche. Der gute Herr gibt ihnen mehr als genug. Sie kennen ihres Herrn Krippe. Obgleich die Wildesel Zaum und Gebiss nicht leiden und der Mensch sie als völlig ungelehrig bezeichnet, so lassen sie sich vom HERRN doch lehren und wissen viel besser als der Mensch, wo das kristallklare, kühle Nass fließt, von dem sie trinken müssen, wenn sie nicht sterben sollen. Sie sind nur Esel, und noch dazu wilde, doch sorgt unser himmlischer Vater für sie. Wird er es nicht auch für uns tun? - Hier sehen wir auch, dass nichts umsonst gemacht ist. Wird durch das Bächlein im weltverlorenen Tale auch keines Menschen Lippe befeuchtet, so gibt es da doch andere Geschöpfe, die der Erquickung bedürfen und ihren Durst löschen an dem frischen Quell. Ist das nichts? Muss alles für den Menschen da sein oder sonst eine Verschwendung heißen? Was anders als unser Eigendünkel und unsre Selbstsucht könnte uns auf solche Gedanken bringen? Es ist nicht wahr, dass Blumen, deren Pracht kein Menschenauge sieht, ihren Duft nutzlos ausströmen, denn das Bienlein findet sie und noch andere beschwingte Gäste leben von ihrem köstlichen Saft. Der Mensch ist nur eines der vielen Geschöpfe, die der himmlische Vater speist und tränkt.

12. An denselben sitzen (oder wohnen) die Vögel des Himmels und singen unter den Zweigen. Wie erquickend sind diese Worte! Welch liebliche Erinnerungen wecken sie in uns von plätschernden Wasserfällen und verschlungenem Gezweig, wo das Rauschen des sprudelnden Wassers gleichsam den Grundbass bildet und die süßen, klangvollen Stimmen der gefiederten Sänger die höheren und heller klingenden Töne der Harmonie erschallen lassen. Ihr lieben Vöglein, singt nur, singt! Was könntet ihr Besseres tun, und wer kann es besser als ihr? Da aber auch wir von dem Strome Gottes trinken und von den Früchten des Lebensbaumes essen, so steht es auch uns wohl an, zu "singen unter den Zweigen." Wo ihr wohnt, ihr Vögelein, da singt ihr; sollen nicht auch wir uns freuen in dem HERRN, der unsre Zuflucht, unsere Wohnung und Ruhestatt ist von Geschlecht zu Geschlecht? Ihr trillert eure Liedchen, während ihr von Ast zu Ast fliegt; ebenso wollen wir es machen, während wir durch die Zeit zur Ewigkeit eilen. Es schickt sich nicht, dass wir, die Paradiesesvögel, uns von denen der Erde übertreffen lassen.

13. Du feuchtest die Berge von oben her, wörtl.: aus deinen Obergemächern. Da die Gipfel der Berge zu hoch sind, um durch Flüsse und Bäche bewässert zu werden, tränkt sie der HERR selbst aus jenen Wassern über dem Firmament, die der Dichter schon in einem früheren Vers als die oberen Gemächer des Himmels bezeichnet hatte. Die Wolken bleiben an den Bergkuppen hangen und beströmen die Abhänge mit befruchtendem Regen. Wohin keines Menschen Arm gelangen kann, dahin reicht Gottes Hand; ein Herz, das niemand sonst zu rühren vermag, kann er doch mit seiner Gnade erweichen und befruchten; und wo alle irdischen Mittel des Trostes und der Erquickung fehlen, da kann er alles, was wir bedürfen, aus seinen unerschöpflichen Vorratskammern liefern! An der Frucht deiner Werke sättigt sich die Erde. (Wörtl.) Die Folge des göttlichen Wirkens ist Fülle allüberall; das Erdreich wird von Regen und Tau gesättigt, die Saat keimt, die Tiere trinken und die Vögel singen - nichts bleibt unversorgt. So ist es auch in der geistlichen Schöpfung; er gibt Gnade je mehr und mehr, er erfüllt die Seinen mit Gutem, dass sie bekennen müssen: Aus seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.

14. Du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen. Gras wächst so wohl wie edlere Pflanzen, denn das Vieh braucht Nahrung so gut wie der Mensch. Gott bestimmt auch dem geringsten Geschöpf sein Teil und sorgt, dass es es vorfindet. Gottes Macht offenbart sich ebenso wirklich und ebenso würdig in der Versorgung der Tierwelt wie in der Ernährung des Menschen. Beobachte nur ein Grashälmchen mit frommem Auge, so wirst du Gott darin am Werke sehen. Die edleren Pflanzen sind für den Menschen, und er muss den Boden bebauen, wenn sie ihm wachsen sollen; und doch ist es Gott, der sie im Garten sprossen lässt, derselbe Gott, der auch das Gras wachsen lässt in den nicht umfriedeten, von keiner Menschenhand berührten Triften der Wüste. Der Mensch vergisst das und spricht wohl von seinen Erzeugnissen; aber in Wahrheit würde er ohne Gott ganz vergeblich pflügen und säen. Der HERR ist’s, der jedes grüne Hälmchen sprossen und jede Ähre reifen macht; gib nur mit offenen Augen Acht, so wirst du den HERRN durchs Kornfeld wandeln sehen. Dass du Brot aus der Erde bringest. Beides, das Gras für das Vieh und das Getreide für den Menschen, ist Nahrung, die aus der Erde kommt, und sie zeigen uns einen Wunderrat Gottes, nach welchem der Staub unter unseren Füßen, der eher geeignet scheint, uns darin zu begraben als zur Erhaltung des Lebens zu dienen, tatsächlich in Lebenskraft für uns umgewandelt wird. Je mehr wir hierüber nachdenken, desto wunderbarer wird es uns erscheinen. Wie groß ist der Gott, der aus dem Todesstaub das sprossen lässt, was das Leben erhält, und aus dem verfluchten Erdboden die Segnungen des Korns, Weins und Öles hervorbringt!

15. Und dass der Wein erfreue des Menschen Herz. Mit Hilfe befruchtender Regenschauer bringt die Erde nicht nur die notwendigen Lebensbedürfnisse hervor, sondern auch gar manches, was streng genommen zum Überfluss gehört; das, was zu festlicher Freude dient, so gut wie das, was zum einfachen Mahl nötig ist. Wäre doch der Mensch weise genug, den rechten Gebrauch zu machen von der die Lebensgeister weckenden und erheiternden Frucht der Rebe! Aber ach, wie oft macht er sie sich gar schlecht zunutze und erniedrigt sich selbst dadurch! Den Schaden muss er selber tragen; wer sogar Segnungen sich zum Fluche macht, hat sein Elend verdient. Dass seine Gestalt schön werde vom Öl. Die Morgenländer gebrauchen das Öl mehr als wir und sind in dieser Hinsicht wahrscheinlich weiser. Sie haben eine Vorliebe für Salbungen mit wohlriechenden Ölen und betrachten das Glänzen des Angesichtes als ein hervorragendes Zeichen festlicher Freude. Gott verdient Dank und Preis für alle Erzeugnisse des Bodens; wir bekämen kein einziges, ließe er sie nicht wachsen. Und das Brot des Menschen Herz stärke. Man hat mehr Mut, wenn man sich satt gegessen hat; schon manches niedergeschlagene Gemüt ist durch ein gutes, kräftiges Mahl erquickt und neu belebt worden. Wir sollten Gott eben sowohl für ein starkes Herz wie für Kraft des Leibes preisen, wenn wir sie besitzen, da sie beide Gaben seiner Güte sind.

16. Die Bewässerung der Berge bringt nicht nur das Gras der Weidetriften und die von Menschen angebauten Gewächse hervor, sondern auch jene vornehmsten Arten des Pflanzenreiches, die nicht in den Bereich menschlicher Pflege fallen: die Bäume des HERRN, die größten, edelsten und königlichsten der Bäume, zugleich die, welche keinem Menschen gehören und von Menschenhand unberührt sind. Dass die Bäume des HERRN voll Saftes stehen, wörtlich: sich sättigen, so dass sie, wie die Zedern, voll Harzes werden, von Leben strotzen und das ganze Jahr grün sind. Die Zedern Libanons, die er gepflanzt hat. Sie wachsen, wo niemand je daran gedacht hat sie zu pflanzen, wo sie Jahrhunderte hindurch von keinem Sterblichen wahrgenommen wurden, und wo sie heute viel zu riesenhaft sind, als dass Menschenhand sie beschneiden könnte. Was würde unser Psalmdichter wohl zu etlichen der Bäume des Yosemitetales (in Kalifornien) gesagt haben? Wahrlich, die sind würdig, Bäume des HERRN genannt zu werden, wegen ihres turmhohen Wuchses und ungeheuren Umfangs. Da sehen wir die Macht und Allgenugsamkeit der göttlichen Fürsorge. Wenn Bäume, um die sich kein Mensch kümmert, doch so voll Saftes sind, so können wir des gewiss sein, dass Gottes Kinder, die durch den Glauben vom HERRN allein ihre Lebenskräfte ziehen, ebenso wohl werden erhalten bleiben. Da wir durch die Gnade gepflanzt sind und alles der Fürsorge unseres himmlischen Vaters verdanken, können wir dem Sturme Trotz bieten und der Furcht vor Dürre lachen; denn keinem, der auf den HERRN traut, wird es je an Wasser des Lebens mangeln.

17. Daselbst nisten die Vögel; der Storch, dessen Haus Zypressen sind. (Grundtext) Diesen Bäumen Gottes gebricht nicht nur nichts, sie gewähren vielmehr andern Geschöpfen noch Obdach; große und kleine Vögel bauen in ihren Zweigen ihre Nester. So bestreben sich diese Mächtigen, das, was sie von dem großen Herrn aller empfangen haben, wieder den schwächeren Geschöpfen zugute kommen zu lassen. Wie doch in dieser herrlichen Schöpfung eins ins andere greift, ein Glied das andere nach sich zieht! Der Regen bewässert die Bäume, und diese werden den Vögeln zum freundlichen Heim; so helfen die Gewitterwolken des Sperlings Haus bauen, und der herabströmende Regen erhält den lebendigen Pfeiler, auf dem des Storches Nest ruht. Beachten wir auch, wie alles seinen Zweck und Nutzen hat - das Geäst der Bäume bietet den Vöglein ein Heim, und wie allem Lebendigen die ihm nötige Bequemlichkeit zuteil wird - der Storch findet ein Haus in den Zypressen. Sein Nest wird ein Haus genannt, weil dieser Vogel gewisse häusliche Tugenden und Mutterliebe zeigt, wodurch seine Brut einer Familie vergleichbar wird. Ohne Zweifel hatte dieser alte Schriftsteller Storchennester auf Zypressen gesehen. Gewöhnlich bauen diese Vögel ja auf Häusern und Ruinen; man hat aber Zeugnisse dafür, dass sie in Waldgegenden auch mit hohen Bäumen fürlieb nehmen. - Ist der Leser je durch einen mächtigen Hochwald gegangen und hat er das Ehrfurchtsgefühl empfunden, das in dem erhabenen Dome der Natur das Herz überkommt? Dann wird er sich auch erinnern, wie ihm jedes Vöglein heilig vorkam, weil es inmitten solch geweihter Einsamkeit wohnte. Wer von Gott nichts sehen und hören kann, außer in gotischen Prachtbauten und bei dem Brausen der Orgel und den Stimmen von Sängern in Chorhemden,3 der ist freilich nicht imstande, jene Gefühle nachzuempfinden, mit denen der einfache, unverdorbene Sinn die Stimme Gottes hört, der unter den Bäumen wandelt.

18. Die hohen Berge sind der Gemsen (oder Steinböcke) Zuflucht und die Steinklüfte der Kaninchen (Grundt: Klippdachse). Allerorten wimmelt’s von Leben. Wir nennen unsere Städte volkreich; aber sind die Wälder und die hohen Hügel nicht noch dichter bevölkert mit Leben aller Art? Wir sprechen von unbewohnbaren Gegenden; aber wo sind sie? Der Steinbock springt, behend wie unsere Gemse, von Fels zu Fels, und der Klippdachs, ein dem Murmeltier unserer Alpen ähnliches Tier, hat seinen Bau unter dem Boden. Einem Geschöpf dient die Höhe der Berge zum Schutz, und einem andern die Höhlungen der Felsen. So ist die ganze Erde voll fröhlichen Lebens, jede Stätte hat ihren ihr angemessenen Bewohner, nichts ist leer und ungenützt. Seht, wie Steinböcke und Murmeltierchen, Störche und Sperlinge jeder in seinem Teil einen Vers zu dem Psalm der Natur beitragen; haben wir nicht auch unser Loblied dem HERRN zu singen? Ob wir an Bedeutung auch nur eine niedere Stufe einnehmen, lasst uns doch unsere Stelle ausfüllen und so den HERRN ehren, der uns zu einem bestimmten Zweck erschaffen hat.


19. Du hast den Mond gemacht, das Jahr danach zu teilen;
die Sonne weiß ihren Niedergang.
20. Du machst Finsternis, dass es Nacht wird;
da regen sich alle wilden Tiere;
21. die jungen Löwen, die da brüllen nach dem Raub
und ihre Speise suchen von Gott.
22. Wenn aber die Sonne aufgeht, heben sie sich davon
und legen sich in ihre Höhlen.
23. So geht dann der Mensch aus an seine Arbeit
und an sein Ackerwerk bis an den Abend.


19. Nun ist die den großen Lichtern zugewiesene Herrscherstellung das Thema des Lobpreises. Der Mond wird zuerst erwähnt, weil bei den Juden der bürgerliche Tag mit dem Abend begann. Du hast den Mond gemacht, das Jahr danach zu teilen. Nach dem Zunehmen und Abnehmen des Mondes wird das Jahr in Monate und Wochen geteilt, und dadurch wurde die genaue Feststellung der heiligen Zeiten ermöglicht. So ist die Leuchte der Nacht zu des Menschen Dienst bereitet, und dadurch, dass sich nach ihr, wie es bei den Israeliten üblich war, der Kreis der heiligen Versammlungen richtete, trat sie in Beziehung zu dem Edelsten, das der Mensch hat. Lasst uns die Bewegungen des Mondes nie als das unvermeidliche Ergebnis unbeseelter, unpersönlicher Naturgesetze betrachten, sondern als eine Einrichtung unseres Bundesgottes. Die Sonne weiß ihren Niedergang. In feiner dichterischer Bildersprache wird die Sonne hier dargestellt, als wisse sie, wann es Zeit ist, unseren Blicken zu entschwinden und unter den Horizont zu sinken. Sie tändelt nie unterwegs oder steht stille, als wäre sie unentschlossen, wann sie untergehen solle; obwohl sich die für ihren Untergang bestimmte Zeit fortwährend ändert, hält sie sie doch immer auf die Sekunde ein. Wir müssen des Morgens geweckt werden, sie steht alle Tage ohne Ausnahme pünktlich auf; und während gar manche auf die Uhr sehen müssen, um zu wissen, wann es Zeit ist zum Schlafengehen, zieht sie, die doch keinen Chronometer befragen kann, sich am westlichen Himmel genau in dem Augenblick, da die bestimmte Zeit gekommen ist, zurück. Für all das sollte der Mensch den Herrn der Sonne und des Mondes preisen, der diese großen Lichtträger uns zu Zeitmessern gesetzt hat und dadurch unsere Welt in Ordnung hält und uns vor alles zerrüttender Verwirrung bewahrt.

20. Du machst Finsternis, dass es Nacht wird. Er schließt uns die Fensterladen und richtet so unser Schlafzimmer her, damit wir schlummern können. Gäbe es keine Finsternis, wir würden danach sehnlich verlangen; müsste es uns doch viel schwerer fallen, Ruhe zu finden, wenn der ermüdende Tag nie in die stille Nacht versänke. Wir wollen Gottes Walten auch in dem Verbergen der Sonne erkennen und uns vor Dunkelheit, sei es in der Natur, sei es in den Führungen der Vorsehung, nie fürchten, denn der HERR macht sie beide. Da regen sich alle wilden Tiere. Nun beginnt für den Löwen der Tag, die Zeit, sich sein Wildbret zu erjagen. Warum sollten auch die wilden Tiere nicht ebenso gut wie der Mensch ihre Stunde haben? Sie haben eine Aufgabe zu erfüllen; soll ihnen nicht auch ihr tägliches Brot zuteilwerden? Die Finsternis ist besser geeignet für die Bestien als für den Menschen, und diejenigen Menschen haben sehr tierische Art, die die Finsternis mehr lieben denn das Licht. Wenn die Düsternis der Unwissenheit über einem Volke liegt, dann nehmen aller Art Aberglauben, Grausamkeit und Laster überhand; das Evangelium aber befreit, wie der Sonnenaufgang, die Welt bald von den offenbaren Verheerungen dieser Ungeheuer, und sie suchen ihrer Art entsprechendere Wohnstätten. Wir mögen hieran den Wert wahren Lichtes ermessen; denn wir können uns darauf verlassen: wo Nacht ist, da gibt es auch wilde Tiere, die zu morden und zu verschlingen bereit sind.

21. Die jungen Löwen, die da brüllen nach dem Raub und ihre Speise suchen von Gott. So verdolmetscht der Dichter ihr Gebrüll. Wem gilt dasselbe? Doch sicher nicht ihrer Beute, denn der schreckliche Ton dient vielmehr dazu, diese von der drohenden Gefahr zu benachrichtigen und in die Flucht zu treiben. Die Raubtiere drücken mit ihrem Gebrüll in der ihnen eigenen Weise ihr Verlangen nach Speise aus, und dies Kundtun des Verlangens ist eine Art Gebet. Darauf ruht der Gedanke des Dichters, dass die wilden Tiere sich an ihren Schöpfer um Speise wenden. Jedoch weder beim Löwen noch beim Menschen tut’s das Suchen im Gebet allein; es muss das Suchen des eigenen Mühens dazukommen, und die Löwen wissen das gut genug. Um was sie in der ihnen eigenen Sprache gebeten haben, das gehen sie dann suchen; und darin sind sie viel klüger als gar manche Menschen, welche Gebete darbringen, die nicht halb so inbrünstig sind wie die der jungen Löwen, und dann die Mittel vernachlässigen, durch deren Anwendung sie den Gegenstand ihrer Bitten erlangen könnten. Nicht unter den Löwen sind die lügnerischen Beter zu finden, die wohl viel frommen Lärm machen, aber nie im Ernst suchen.
  Wie tröstlich ist der Gedanke, dass der Geist das Brüllen des Löwen übersetzt und darin das Suchen der Speise von Gott findet! Dürfen wir nicht hoffen, dass unsere armseligen, gebrochenen Hilferufe und Seufzer, die wir in unseren Kummernächten selbst ein Heulen (Ps. 22,2; 32,3) nannten (das wir sonst doch nur von Tieren aussagen), von ihm auch wohl verstanden werden? Augenscheinlich achtet er mehr auf den Sinn als auf den Wohlklang unserer Gebete und gibt ihnen die beste Deutung.

22. Wenn aber die Sonne aufgeht. Auf jeden Abend folgt ein Morgen, der Anbruch eines neuen Tages. Hätten wir es nicht schon so oft erlebt, wir würden das Wiederaufgehen der Sonne für das größte Wunder und die staunenswerteste Wohltat halten. Heben sie sich davon und legen sich in ihre Höhlen. So sind sie dem Menschen aus dem Wege, und er trifft sie selten, es sei denn, er gehe darauf aus. Die Krieger des Waldes ziehen sich zurück, wenn die Morgentrommel sich hören lässt, und finden in den Schlupfwinkeln ihrer Höhlen das Dunkel, das ihnen zum Schlummern angenehm ist. Da legen sie sich hin und verdauen die genossene Speise, denn Gott hat auch ihnen ihr Teil an Ruhe und zufriedenem Wohlsein beschieden: Einen hat es gegeben, der in dieser Hinsicht ärmer daran war als selbst die Löwen und die Füchse, denn er hatte nicht, da er sein Haupt hinlege; für alle war gesorgt, nur nicht für den fleischgewordenen Versorger aller. Hochgelobter Herr, du hast dich unter die Lebensverhältnisse der wilden Tiere erniedrigt, um die noch unter das Tier gesunkenen Menschen zu heben!
  Es ist überraschend, aus der Schilderung unseres Psalms zu ersehen, wie der HERR die wildesten Tiere müheloser beherrscht als der Hirt seine Schafe. Beim Einbruch der Dunkelheit trennen sie sich voneinander, und ein jedes von ihnen geht aus, um die Aufgabe der Barmherzigkeit zu erfüllen, die Leiden der schwachen und abgelebten unter den pflanzenfressenden Tieren zu endigen. Die jüngeren von diesen entkommen ihnen auf ihren flinken Beinen leicht, und die Übung tut ihnen gut. Meist werden nur diejenigen erhascht und getötet, für welche ein noch längeres Leben nur ein lang hingezogenes Leiden wäre. Insofern sind die Löwen Boten der Barmherzigkeit und werden von Gott ebenso ausgesandt wie der Jagdhund vom Menschen. Aber diese gewaltigen Jäger dürfen nicht allezeit auf der Fährte sein; sie müssen in ihre Höhlen zurückgesandt sein, wenn der Mensch auf der Bildfläche erscheint. Wer wird aber diese wilde Meute sammeln und einsperren, wer sie an die Kette legen und unschädlich machen? Die Sonne besorgt es. Sie ist der größte Löwenbändiger. Scheu wie Lämmer ziehen sie sich zurück und halten sich in ihren Schlupfwinkeln wie Gefangene, bis die wiederkehrende Dunkelheit sie aufs Neue hinausschweifen lässt. Durch welch schlichte und doch majestätische Mittel werden die göttlichen Zwecke erreicht! In derselben Weise sind die Dämonen unserem Herrn Jesu untertan; durch die bloße Verbreitung des vom Evangelium ausstrahlenden Lichtes werden sie, diese brüllenden Löwen der Hölle, aus der Welt vertrieben. Da braucht’s keine besonderen Wunder oder Anwendung von Gewaltmitteln; die Sonne der Gerechtigkeit geht auf - und alsbald verkriechen sich der Teufel und die falschen Götter, der Aberglaube und die Irrtümer der Menschen, alle miteinander, in die dunkeln Örter der Erde zu den Maulwürfen und Fledermäusen.

23. So geht dann der Mensch aus. Jetzt ist er an der Reihe, und der Sonnenaufgang hat alles für ihn bereit gemacht. Er verlässt sein warmes Bett und die Annehmlichkeiten seines Heims, um sein täglich Brot zu erwerben; diese Arbeit ist gut für ihn, sie hält ihn von vielem Unnützen ab und übt und bildet seine Fähigkeiten. An sein Werk und an seine Arbeit (wörtl.) bis an den Abend. Er geht aus nicht zu Spiel und Sport, sondern zum Wirken, nicht zum Zeitvertreib, sondern zu ernster Arbeit - wenigstens ist dies das Los des größten Teils der Menschheit. Wir sind geschaffen um zu wirken; darum ist Arbeit unsere Pflicht, und wir sollten nie darüber murren, dass es so eingerichtet ist. Immerhin sollte die Arbeitszeit nicht zu lang sein. Wenn die Arbeit so lange dauert, wie es im Durchschnitt Tag ist, so ist das sicher alles, was einer von seinen Mitmenschen verlangen kann. Und doch gibt es arme Geschöpfe, die so schlecht bezahlt werden, dass sie in zwölf Stunden nicht genug verdienen können, um sich den Hunger vom Leibe zu halten. Schmach über die, welche hilflosen Frauen und Kindern solche Lasten aufzulegen sich erdreisten! Auch Nachtarbeit sollte so viel wie möglich vermieden werden. Es sind zwölf Stunden, darinnen der Mensch arbeiten soll; die Nacht ist zum Ausruhen und Schlafen bestimmt.
  Auch die Nacht hat also, so gut wie der Tag, ihren besonderen Lobgesang. Er ist sanfter und gedämpfter, aber darum nicht weniger wirkungsvoll. Der Mond gießt sein Licht über ein feierliches Schweigen der Andacht im Hochwald, durch den der Nachtwind leise seine "Lieder ohne Worte" haucht. Alle Augenblicke lassen sich bald hier bald da Töne hören, die, so schlicht sie uns am hellen Tage vorkämen, im Schatten der Nacht zauberhaft und Schauer einflößend rauschen, als machte die Nähe von geheimnisvoll Unbekanntem das Herz erbeben und als fühlten wir mehr denn sonst je die Gegenwart des Allerhabenen. Die Einbildungskraft wird erregt; der Unglaube empfindet die Stille und Feierlichkeit unheimlich, der Glaube hingegen blickt auf zum Sternenzelt über ihm und schaut himmlische Dinge umso klarer beim Fehlen des Sonnenlichtes, und die Anbetung neigt sich vor dem erhabenen Unsichtbaren. Geisterwesen halten die Nachtwache, und schon mancher Wanderer hat den Schauer ihrer Nähe in der Einsamkeit der von der Nacht bedeckten Natur empfunden. Auch Gott selbst ist überall draußen die ganze Nacht, und die Herrlichkeit, mit der er sich verhüllt, ist unserem Gefühl oft noch größer als die, in der er sich offenbart. Lobe den HERRN, meine Seele!


24. HERR, wie sind deine Werke so groß und viel!
Du hast sie alle weise geordnet,und die Erde ist voll deiner Güter.
25. Das Meer, das so groß und weit ist,
da wimmelt’s ohne Zahl,beide, große und kleine Tiere.
26. Daselbst gehen die Schiffe.
da sind Walfische, die du gemacht hast, dass sie drinnen spielen.
27. Es wartet alles auf dich,
dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit.
28. Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie;
wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gut gesättigt.
29. Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie;
du nimmst weg ihren Odem, so vergehen sieund werden wieder zu Staub.
30. Du lässest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen,
und erneuerst die Gestalt der Erde.


24. HERR, wie sind deiner Werke so viel! (Grundtext) Sie sind nicht nur zahlreich, sondern auch mannigfaltig. Mineralien, Pflanzen, Tiere - welche Menge von Gebilden tritt bei diesen drei Namen vor unseren Geist. Nicht ihrer zwei, selbst von der nämlichen Art, sind einander genau gleich, und die Arten sind zahlreicher, als dass die Wissenschaft sie zählen könnte. Werke oben in den Himmeln und unten auf Erden; Werke, die Jahrtausende bestehen, Werke, die in einem Jahr zu ihrer Vollendung gelangen und wieder verschwinden, Werke, die mit all ihrer Schönheit nicht einen ganzen Tag durchleben; Werke in den Werken, und in diesen wiederum Werke - wer kann auch nur den tausendsten Teil aufzählen? Gott ist der erhabene Werkmeister, der sie wirkt und so mannigfaltig anordnet. Unsere Sache ist es, seine Werke zu erforschen, denn sie sind groß; wer ihrer achtet, der hat eitel Lust daran. (Ps. 111,2) - Das Reich der Gnade enthält so mannigfache und so große Werke wie das der Natur; aber nur die Auserwählten des Herrn nehmen sie wahr. Du hast sie alle weise geordnet oder wörtl. gemacht. Es sind alles seine Werke, gewirkt durch seine Kraft, und sie alle verkündigen seine Weisheit. Es war Weisheit, dass er sie schuf - keines könnte entbehrt werden; jedes Glied in der Kette der Natur ist von wesentlicher Bedeutung, die wilden Tiere so gut wie die Menschen, die Giftpflanzen ebenso wohl wie die wohlriechenden Kräuter. Und sie sind weise geordnet - jedes passt an seinen Platz, füllt ihn aus und findet in Erfüllung seiner Aufgabe sein Glück. Das All der Schöpfung, als ein Ganzes betrachtet, ist ein Kunstwerk voller Weisheit, und mag es auch mit Geheimnissen und Rätseln durchwoben und von Schrecknissen umschattet sein, es wirkt doch alles zum Guten zusammen und entspricht als ein vollständiges, harmonisches Meisterstück dem Endzweck des erhabenen Werkmeisters. Und die Erde ist voll deiner Güter. Sie ist nicht ein Armenhaus, sondern ein königliches Schloss; nicht eine kahle Ruine, sondern ein wohl gefülltes Vorratshaus. Der Schöpfer hat seinen Geschöpfen nicht eine Wohnstätte angewiesen, wo der Tisch ungedeckt und die Speisekammer leer ist; er hat die Erde mit Speise erfüllt, und nicht mit dem Notwendigen nur, sondern mit Schätzen aller Art, mit Leckerbissen und mannigfachen Genüssen, mit allerlei Schönheiten und Kostbarkeiten. Die Eingeweide der Erde bergen Minen von Edelmetallen und anderen Schätzen, und ihre Oberfläche trägt Ernten von reicher Fülle. Alle diese Güter gehören dem HERRN; wir sollten sie von Rechts wegen nicht unsere oder der Nationen, sondern des HERRN Reichtümer nennen: "Deine Güter". Nicht unter einem Himmelsstrich nur sind diese Güter zu finden, sondern in allen Landen; selbst das Eismeer hat seine Schätze, welche zu gewinnen Menschen viele Beschwerden erdulden, und die glühende Sonne des Äquators reift Erzeugnisse, welche den Speisen der ganzen Menschheit zur Würze dienen. Ist sein Haus hier unten schon so voller Güter, was muss erst sein Haus droben bergen, wo die Mauern von Jaspis erglänzen, die Paläste von lauterem Gold?

25. Da ist das Meer, groß und weit nach allen (wörtl.: beiden) Seiten. (Grundtext) Um ein Beispiel von der unermesslichen Zahl und Mannigfaltigkeit der Werke Jehovahs zu geben, weist der Psalmdichter auf das Meer hin. Sieh da, sagt er, den Ozean, nach rechts und links erstreckt er sich weithin und umschlingt so viele Länder, und auch er wimmelt von Leben und birgt in seinen Tiefen unberechenbare Schätze. Die Heiden sahen das Meer als ein besonderes Herrschaftsgebiet an, das sie unter Neptuns Zepter glaubten; wir aber wissen aufs allergewisseste, dass Jehovah über die Wogen gebietet. Da wimmelt’s ohne Zahl, beide, große und kleine Tiere. Die Zahl der winzigen Formen tierischen Lebens geht in der Tat über alle Berechnung; wenn eine einzige phosphoreszierende Welle Millionen von Infusorien birgt und um ein Stücklein Fels am Meeresgrund sich ganze Heere mikroskopischer Wesen sammeln, so vergeht uns jeder Gedanke daran, unsere Arithmetik da in Anwendung zu bringen. Das Meer scheint in vielen Gegenden lauter Leben zu sein, als wäre jeder Tropfen eine ganze Welt. Doch sind diese winzigen Geschöpfchen nicht die einzigen Bewohner des Meeres; es hat auch riesige Säugetiere, welche an Größe die des Festlandes übertreffen, und ein ungeheures Heer großer Fische, die durch die Wogen ziehen und sich in den Höhlen des Meeresgrundes verbergen, wie der Tiger im Dickicht lauert oder der Löwe die Ebene durchstreift. Wahrlich, HERR, du machst die See so reich an Werken deiner Hand wie das Festland.

26. Daselbst gehen die Schiffe, so dass der Ozean nicht durchaus von Menschen verlassen ist. Er ist im Gegenteil eine Hauptstraße der Völker und dient eher zur Verbindung als zur Trennung entfernter Länder. Da sind Walfische, die du gemacht hast, dass sie drinnen spielen. Der gewaltige Wal macht das Weltmeer zu seinem Tummelplatz und belustigt sich da, wie Gott es für ihn bestimmt hat. Der Gedanke an dies erstaunliche Geschöpf bewegt den Psalmisten zur Anbetung des mächtigen Schöpfers, der es erschaffen und für die ihm angewiesene Stätte so zubereitet hat, dass es sich da seines Daseins freut. Die alten Karten zeigen gewöhnlich ein Schiff und dazu einen Walfisch auf das Meer gemalt, woraus wir sehen, dass es höchst natürlich und zugleich poetisch ist, beide mit der Erwähnung des Ozeans zu verbinden.

27. Es wartet alles auf dich. Der Blick des Dichters geht nun wieder zu der Gesamtheit der lebenden Wesen über. Sie alle umringen dich, wie die Hühner die Tür der ländlichen Küche zur Fütterungszeit, und sehen erwartungsvoll zu dir auf. Menschen und Murmeltiere, Adler und Ameisen, Walfische und winzige Fischlein, sie alle vertrauen auf deine Fürsorge. Dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit, d. i. wann sie ihrer bedürfen und sie für sie bereitet ist. Gott hat für alles eine bestimmte Zeit; er füttert seine Geschöpfe nicht nach Willkür und Laune, sondern gibt ihnen ihr täglich Brot, und zwar in einer ihrem Bedürfnis entsprechenden Menge. Mehr sollte auch unser keiner erwarten; wenn selbst die unvernünftige Kreatur zufrieden ist mit dem, was sie zum Leben braucht, sollten wir nicht begehrlicher sein.

28. Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie. Gott gibt es, aber sie müssen es auflesen, und sie sind froh, dass er gibt, denn sonst wäre ihr Bemühen zu sammeln umsonst. Wir vergessen oft, dass die Tiere und Vögel bei ihrem freien Leben ebenso um ihr Brot arbeiten müssen wie wir; dabei bleibt es aber bei ihnen wie bei uns wahr, dass unser himmlischer Vater alle näht. Wenn wir die Küchlein die Körner aufpicken sehen, welche die Hausfrau aus ihrer Schürze schüttelt, haben wir ein passendes Bild vor uns von der Art, wie Gott allem, was da lebt, das darreicht, was sie bedürfen: er gibt, und sie sammeln. Wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gut gesättigt. Hier schauen wir die göttliche Freigebigkeit, die mit ihrer offenen Hand bedürftige Geschöpfe versorgt, bis sie genug haben; wir sehen aber auch die göttliche Allmacht, die eine ganze Welt ernährt durch einfaches Öffnen der Hand. Was wollten wir machen, wenn diese Hand geschlossen bliebe? Gott brauchte nicht einen Schlag zu führen, das bloße Schließen seiner Hand würde den Hungertod herbeiführen. Lasst uns die offene Hand des Herrn preisen, dessen Vorsehung und Gnade uns mit zeitlichem und ewigem Gut sättigt.

29. Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie. So abhängig sind alle lebendigen Wesen von Gottes Freundlichkeit und Güte, dass schon ein finsterer Blick des Allmächtigen sie mit Schrecken erfüllt, mit Angst durchbebt. So ist’s in der natürlichen Welt, und sicher nicht weniger in der geistlichen: wenn der HERR sein Angesicht verhüllt, geraten seine Heiligen in Zittern und Bestürzung. Du nimmst weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder zu Staub. Der Hauch unseres Atems scheint eine gar geringfügige Sache zu sein und die Luft eine ungreifbare Substanz von höchster Unbedeutenheit; aber werden sie uns nur einmal entzogen, so verliert der Körper alsbald alles Leben und zerfällt wieder zu Erde, davon er genommen ist. Alle irdischen Lebewesen stehen unter diesem Gesetz, und selbst die Meerbewohner sind davon nicht ausgenommen. So völlig hängt die ganze Natur von dem Willen des Ewigen ab! Beachten wir, dass nach unserem Vers das Sterben durch eine Tat Gottes verursacht wird: "Du nimmst weg ihren Odem". Wir sind unsterblich, bis er uns sterben heißt, und das gilt auch von den kleinen Sperlingen, deren keiner zur Erde fällt ohne unseren Vater. (Mt. 10,2)

30. Du lässest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und erneuerst die Gestalt der Erde. Das Entziehen ihres Odems bringt sie um, und durch des Ewigen Lebensodem wird ein neues Geschlecht geschaffen. Die Werke des HERRN sind von majestätischer Einfachheit und werden mit souveräner Leichtigkeit ausgeführt - eines Hauches nur bedarf es zur Schöpfung, und das Einziehen desselben bedeutet den Untergang. Wir wollen nicht übersehen, dass das Hebräische für Odem und Geist nur ein Wort hat. Übersetzen wir danach (mit der engl. Bibel): Du sendest aus deinen Geist, so werden sie geschaffen, so ist der Satz ebenfalls sehr lehrreich; denn wir sehen dann, wie der Geist Gottes in der Natur ebenso die Leben schaffende Kraft ist wie im Reich der Gnade. Bei der Sintflut wurde die Welt fast alles Lebendigen beraubt, aber wie bald füllte Gottes Allvermögen die öden Stätten wieder mit wimmelndem Leben! Im Winter fällt die Erde in einen tiefen Schlaf, in welchem sie alt und abgelebt aussieht; aber wie geschwind weckt der HERR sie wieder auf durch den Ruf des Lenzes und lässt sie aufs Neue die Schönheit ihrer Jugend anlegen. Du, o HERR, tust alles; Ehre sei deinem Namen!


31. Die Ehre des HERRN ist ewig;
der HERR hat Wohlgefallen an seinen Werken.
32. Er schaut die Erde an, so bebt sie;
er rührt die Berge an, so rauchen sie.
33. Ich will dem HERRN singen mein Leben lang
und meinen Gott loben, solange ich bin.
34. Meine Rede müsse ihm wohlgefallen.
Ich freue mich des HERRN.
35. Der Sünder müsse ein Ende werden auf Erden,
und die Gottlosen nicht mehr sein.Lobe den HERRN, meine Seele! Hallelujah!


31. Die Ehre des HERRN ist ewig.4 Seine Werke mögen vergehen, nicht aber seine Herrlichkeit. Schon allein wegen dessen, was er bereits getan hat, verdient der HERR es, unaufhörlich gepriesen zu werden. Sein Wesen und Charakter bürgen dafür, dass er herrlich und ruhmwürdig sein würde, auch wenn alle seine Geschöpfe nicht mehr da wären. Der HERR hat Wohlgefallen an seinen Werken. Er freute sich dessen, was er gemacht hatte, als er ruhte am siebenten Tage und sah, dass alles sehr gut war; und in einem gewissen Grad tut er das noch da in der Natur, wo Schönheit und Reinheit den Fall überdauerten, und er wird sich freuen, und zwar viel vollkommener, wenn die Erde erneuert und der Schlange Spur ganz aus ihr vertilgt sein wird. Dieser Vers ist in frohester Begeisterung geschrieben. Des Dichters Herz ist freudig gehoben durch die Betrachtung der Werke des HERRN, und er fühlt, dass der Schöpfer selbst unaussprechliche Wonne empfunden haben muss in der Betätigung von soviel Weisheit, Güte und Macht.

32. Er schaut die Erde an, so bebt sie. Der HERR, der so gnadenvoll seine Macht in Taten und Werken der Güte geoffenbart hat, hätte uns auch, wenn es ihn gut gedeucht hätte, mit Schrecken des Verderbens zu Boden schmettern können; denn schon bei einem Blick seines Auges bebt die Erde vor Furcht in ihren Grundfesten. Er rührt die Berge an, so rauchen sie. Der Sinai war ganz in Rauch gehüllt, als der HERR auf ihn herabkam. Er rührte nur daran, aber das genügte, um den Berg in Flammen zu setzen. Auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer. (Hebr. 12,29) Wehe denen, die seinen Zornblick herausfordern; sie werden verderben bei der Berührung seiner Hand. Wenn die Sünder nicht ganz unempfindlich wären, müsste ein Blick aus Gottes Auge sie zittern machen, und ihre Herzen würden, wenn Gottes Hand sie mit Trübsal anrührt, vor Schmerz der Buße brennen. Alles, was existiert, zeigt Spuren von Vernunft - nur nicht des Menschen fühlloses Herz!

33. Ich will dem HERRN singen mein Leben lang. Unaufhörlich will der Psalmist und wollen wir - und wir fügen hinzu hier und dort drüben - Gott preisen, denn mit diesem Gegenstand kommt man nie zu Ende, und er bleibt immer frisch und neu. Die Vöglein sangen Gottes Lob, ehe die Menschen geschaffen waren; aber die erlösten Menschen werden seinen Ruhm besingen, wenn die Vögel längst nicht mehr sind. Jehovah, der ewig lebt und uns das Leben gibt, soll ewiglich in den Liedern beseligter Menschen gepriesen und erhoben werden. Und meinen Gott loben, solange ich bin. Ein Entschluss, der sowohl den Sänger selbst glücklich macht, als auch zu Gottes Verherrlichung dient. Beachte die liebliche Bezeichnung: meinen Gott. Wir singen nie besser, als wenn wir uns bewusst sind, dass wir an dem Herrlichen, davon wir singen, selber Anteil haben und mit dem Gott, dem unser Lob erschallt, aufs engste verbunden sind.

34. Hier übersetzt die englische Bibel, indem sie die Wörter anders verbindet: Mein Sinnen über ihn wird lieblich sein - lieblich sowohl für ihn als für mich selbst. Mir wird es eine Wonne sein, so seine Werke zu überschauen und dabei an ihn selber zu denken, und er wird die Töne meines Lobgesangs gnädigst annehmen. Sinnende Betrachtung ist die Seele der Religion. Sie ist der Lebensbaum in der Mitte des Gartens der Frömmigkeit, und gar erfrischend ist seine Frucht der Seele, die davon isst. Und wie sie dem Menschen wohl tut, so ist sie auch dem HERRN angenehm. Wie das Fett der Opfer des HERRN Teil war, so gebühren unsre besten Betrachtungen ihm, dem Allerhöchsten, und sind ihm ein süßer Geruch. Darum sollten wir zu unserem eigenen Heil wie zur Ehre des HERRN uns viel mit stillem Sinnen beschäftigen, und dieses sollte vor allem bei ihm selbst verweilen, sollte Sinnen über ihn sein. Wo wir es daran fehlen lassen, geht uns viel von Lebensgemeinschaft mit dem HERRN und viel Herzensfreude verloren. - Nach dem Grundtext ist, fast mit Luther, zu übersetzen: Mein Sinnen (oder Dichten) müsse ihm wohlgefallen. Dies Gebetswort kann sich ebenso wohl auf den Psalm beziehen, zu dessen Schluss der Sänger nun eilt, wie auf den soeben kundgetanen Entschluss, dem HERRN zu singen sein Leben lang. Ich (meinesteils) freue mich des HERRN. Dem gläubig sinnenden Geiste bringt jeder Gedanke an Gott und über Gott eine Fülle von Freude. Jede einzelne der göttlichen Eigenschaften ist ein sprudelnder Quell der Wonne, seit wir in Christo Jesu mit Gott versöhnt sind.

35. Der Sünder müsse ein Ende werden auf Erden, und die Gottlosen nicht mehr sein. Sie sind der einzige Makel, der die Schöpfung entstellt. Fast hat der Dichter Recht, der sagt: "Die Welt ist vollkommen überall, wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual." Ja heiliger Entrüstung möchte der Psalmist die Welt säubern von Wesen, die so niederträchtig sind, dass sie ihren gnädigen Schöpfer nicht lieben, und so blind, dass sie sich gegen ihren Wohltäter auflehnen. Was er erbittet, ist nur, was jeder gerecht denkende Mensch als das Ende der Weltgeschichte erwartet und begehrt; denn der Tag ist sehnlichst herbeizuwünschen, da in Gottes ganzem großem Reich nicht ein einziger Verräter und Empörer mehr übrig sein wird. Der Christ, der sein eigen Herz und Gottes Gnade noch tiefer kennen gelernt hat als der Sänger des Alten Bundes, wird seine Sehnsucht nach jenem Tage in der Bitte äußern, dass Gottes Gnade die Sünder zu Gotteskindern umwandle und die Gottlosen für die Wahrheit gewinne. Lobe den HERRN, meine Seele! Das ist der Schluss - was immer die Sünder tun mögen, stehe du, meine Seele, fest zu deinem Banner, sei deinem Beruf getreu! Ihr Schweigen darf dich nicht zum Schweigen bringen, muss vielmehr dich zu verdoppeltem Lobpreis anspornen, um das einzubringen, was sie versäumen. Doch du allein kannst das Werk nicht vollbringen; andere müssen dir dabei helfen. Ihr Heiligen des Höchsten, lobet den HERRN, lasst uns Ihm das Hallelujah singen ohne Ende. Himmlisches Wort! Mit ihm soll unser Psalm schließen, denn was könnte Höheres noch gesagt oder geschrieben werden? Hallelujah! Lobet den HERRN!


Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Dieser Psalm ist ein inspiriertes Oratorium der Schöpfung. Christ. Wordsworth 1868.
  Der Psalm ist köstlich, lieblich und lehrreich; er lehrt uns die gesundeste Naturbetrachtung, diejenige nämlich, welche mit dem einen Auge die Werke Gottes, mit dem andern Gott selbst, ihren Schöpfer und Erhalter, bewundert. Th. Sanchez † 1610.
  Es ist ein charakteristisches Zeichen der Naturpoesie der Hebräer, dass, als Reflex des Monotheismus, sie stets das Ganze des Weltalls in seiner Einheit umfasst, sowohl das Erdenleben als die leuchtenden Himmelsräume. Sie weilt seltener bei dem einzelnen der Erscheinung, sondern erfreut sich der Anschauung großer Massen. Die Natur wird nicht geschildert als ein für sich Bestehendes, durch eigene Schönheit Verherrlichtes; dem hebräischen Sänger erscheint sie immer in Beziehung auf eine höher waltende geistige Macht. Die Natur ist ihm ein Geschaffenes, Angeordnetes, der lebendige Ausdruck der Allgegenwart Gottes in den Werken der Sinnenwelt. Deshalb ist die lyrische Dichtung der Hebräer schon ihrem Inhalte nach großartig und von feierlichem Ernst, sie ist trübe und sehnsuchtsvoll, wenn sie die irdischen Zustände der Menschheit berührt. Bemerkenswert ist auch noch, dass diese Poesie trotz ihrer Größe, selbst im Schwunge der höchsten, durch den Zauber der Musik hervorgerufenen Begeisterung fast nie maßlos wie die indische Dichtung wird. Der reinen Anschauung des Göttlichen hingegeben, sinnbildlich in der Sprache, aber klar und einfach in dem Gedanken, gefällt sie sich in Gleichnissen, die, fast rhythmisch, immer dieselben wiederkehren.
  Als Naturbeschreibungen sind die Schriften des Alten Bundes eine treue Abspiegelung des Landes, in welchem das Volk sich bewegt in der Abwechslung von Öde, Fruchtbarkeit und libanesischer Waldbedeckung, die der Boden von Palästina darbietet. Sie schildern die Verhältnisse des Klimas in geregelter Zeitfolge, die Sitten der Hirtenvölker und deren angestammte Abneigung gegen den Feldbau. Die epischen oder historischen Darstellungen sind von naiver Einfachheit, fast noch schmuckloser als Herodot, naturwahr wie, bei so geringer Umwandlung der Sitten und aller Verhältnisse des Nomadenlebens, die neueren Reisenden einstimmig es bezeugen. Geschmückter aber und ein reiches Naturleben entfaltend ist die Lyrik der Hebräer. Man möchte sagen, dass in dem einzigen 104. Psalm das Bild des ganzen Kosmos dargelegt ist: Der HERR, mit Licht umhüllt, hat den Himmel wie einen Teppich ausgespannt. Er hat den Erdball auf sich selbst gegründet, dass er in Ewigkeit nicht wanke. Die Gewässer quellen von den Bergen herab in die Täler, zu den Orten, die ihnen beschieden: dass sie nie überschreiten die ihnen gesetzten Grenzen, aber tränken alles Wild des Feldes. Der Lüste Vögel singen unter dem Laube hervor. Saftvoll stehen des Ewigen Bäume, Libanons Zedern, die der HERR selbst gepflanzt, dass sich das Federwild dort niste, und auf den Tannen sein Gehäus der Habicht baue. Es wird beschrieben das Weltmeer, in dem es wimmelt von Leben ohne Zahl. Da wandeln die Schiffe, und es regt sich das Ungeheuer, das du schufst, darin zu scherzen. Es wird die Saat der Felder durch Menschenarbeit bestellt, der fröhliche Weinbau und die Pflege der Ölgärten geschildert. Die Himmelskörper geben diesem Naturbilde seine Vollendung. Der HERR schuf den Mond, die Zeiten einzuteilen, die Sonne, die das Ziel kennt ihrer Bahn. Es wird Nacht, da schwärmt Gewild umher. Nach Raube brüllen junge Löwen und verlangen Speise von Gott. Erscheint die Sonne, so heben sie sich davon und lagern sich in ihre Höhlen: dann geht der Mensch zu seiner Arbeit, zu seinem Tagewerk bis Abend. Man erstaunt, in einer lyrischen Dichtung von so geringem Umfange, mit wenigen großen Zügen das Universum, Himmel und Erde geschildert zu sehen. Dem bewegten Elementarleben der Natur ist hier des Menschen stilles, mühevolles Treiben vom Aufgang der Sonne bis zum Schluss des Tagewerk am Abend entgegengestellt. Dieser Kontrast, diese Allgemeinheit der Auffassung in der Wechselwirkung der Erscheinungen, dieser Rückblick auf die allgegenwärtige unsichtbare Macht, welche die Erde verjüngen oder in Staub zertrümmern kann, begründen das Feierliche einer minder lebenswarmen und gemütlichen als erhaben poetischen Dichtung. - Ähnliche Ansichten des Kosmos kehren mehrmals wieder (Ps. 65,7-14; 74,15-17), am vollendetsten vielleicht in dem Kapitel 37 des Buches Hiob - Kosmos von Alex. von Humboldt 1847.
  Dieses Gemälde ist allerdings nur mit wenigen, großen Zügen gezeichnet; aber wie kraftvoll und erhaben sind diese! So, wenn es von Gott heißt, er hülle sich in Licht wie in ein Gewand und wandle auf den Fittichen des Windes. Oder von den Winden und Blitzen: sie sind seine Boten und Diener. "Haltet uns nicht auf", sagen sie gleichsam, "des Königs Befehl hat Eile." Und die Wasser? Der Dichter zeigt sie uns erst als die ganze Erde bedeckende Flut, und dann, wie sie jetzt in ihren Grenzen eingeschlossen sind, um nie wieder alles verheerend hervorzubrechen. Auch an die Quellbäche führt er uns hin, wie sie zwischen den Bergen hinfließen, die einsamen Geschöpfe der Wildnis tränken, dem Gezweige Nahrung geben, in welchem die Vöglein singen, dem Grase der Triften, auf denen das Vieh weidet, und den Gemüsepflanzen, dem Getreide, dem Ölbaum und dem Weinstock, die dem Menschen den Hunger stillen, sein Herz erheitern und sein Gesicht glänzen machen. Dann streift er mit kühnem Fluge allerlei Erhabenes in der Natur, die Bäume des HERRN auf dem Libanon, die voll Saftes stehen, die Zedern und Zypressen, mit den Störchen darauf, die hohen Gebirge mit den Steinböcken und die Felsen mit den Murmeltieren. Dann schwingt er sich zu den Himmelskörpern, zu Sonne und Mond empor, um bald darauf wieder hienieden zu schweben, in dem Dunkel der Nacht, das nicht vor Ihm, dem Allnahen, birgt. Da hört er die Tiere des Waldes hervorschlüpfen, um ihre Beute zu suchen, und vernimmt das Gebrüll des Löwen zu Gott um Speise, das auf den Fittichen der Mitternacht emporgetragen wird. Darauf sieht er die Schatten der Nacht und die wilden Tiere zugleich in wetteifernder Hast vor der Morgensonne fliehen und alsbald den Menschen im Licht der Sonne als den Strahlen der göttlichen Güte starken, ruhigen Mutes an seine Arbeit eilen, und ruft darob aus: HERR, wie sind deiner Werke so viel! Du hast sie alle weise geordnet! Nun schaut er auf den Ozean - auf die Schiffe, die dort ihre Bahn ziehen, und den Leviatan, der daselbst spielt, und sein Blick dringt dann in die Tiefe zu den unzähligen Geschöpfen, groß und klein, die das Wasser bedeckt. Er sieht sodann, wie alle Wesen, welche Erde und Meer bevölkern, um den Tisch ihres göttlichen Herrn versammelt auf Speise warten, und nicht vergeblich - bis er sein Antlitz verbirgt und sie in Bestürzung geraten, sterben und in Chaos und Nacht verschwinden. Darauf erstrahlt vor dem Auge des Psalmisten die große Auferstehung der Natur und des Menschen. "Du entsendest deinen Odem, so werden sie geschaffen, und erneuerst die Gestalt der Erde." Aber eine noch erhabenere Wahrheit folgt und bildet den Gipfel des Psalms (eine Wahrheit, die v. Humboldt bei aller Bewunderung der Dichtung nicht wahrgenommen hat und die doch dem Ganzen eine christliche Färbung gibt): "Der HERR freut sich" oder (engl. Bibel) "wird sich freuen seiner Werke". Er, Gott, hat einen noch vollkommeneren Kosmos im Plan. Er wird die Sünder und die Sünde aus diesem ohne sie so schönen Weltall vertilgen; dann wenn der Mensch ganz seiner Wohnstätte würdig ist, wird Gott sowohl von der Erde als von ihrem Herrn, dem Menschen, mit noch größerem Nachdruck, als da er es zum ersten Mal sprach, und mit noch wärmerem und sanfterem Leuchten seines Vaterangesichtes sagen: Siehe, es ist alles sehr gut. Mit einem Aufruf zur Lobpreisung schließt der Psalmist diese fast seraphische Variation über die Werke der Schöpfung, die Herrlichkeit Gottes und die Zukunftshoffnungen des Menschen. Nicht nur die Einheit des Kosmos hat er darin dargestellt, sondern auch die mit dem Fortschritt des Menschen parallel laufende Entwicklung desselben - seine völlige Abhängigkeit von dem einen unendlichen Geist, der durch die Entwicklung des Ganzen laufende, gleichsam wachsende Zweck des Weltalls und seine schließliche Reinigung, wenn die Welt sich zu ihrer herrlichen Blüte, dem neuen Himmel und der neuen Erde, darinnen Gerechtigkeit wohnt, entfalten wird. Dies ist der eigentliche Schlussgedanke und die größte Schönheit des 104. Psalms. George Gilfillan † 1878.
  Lob Gottes aus seinen Werken, mit anmutigen Schilderungen der Schöpfung und Natur wie der sie belebenden Geschöpfe. Es ist ein poetischer Kommentar der Schöpfungsgeschichte (1. Mose 1); und zwar nicht nur im Allgemeinen, hinsichtlich der Grundgedanken und Hauptteile, sondern ganz nach dem Leitfaden unsrer Schöpfungsgeschichte und ihrer Tagewerke. - Auf die eigentliche Schöpfungs-Geschichte ist nur in einigen Schöpfungswerken, besonders der Erde V. 5 ff., zurückgesehen (in historischen Zeiten); alles andere als fortgehende Tätigkeit Gottes und Gegenwart geschildert. Diese Anlage des Gemäldes auf solcher Grundlage - mit echt dichterischer Freiheit in Benutzung derselben, sowohl in der Übertragung auf die Gegenwart als in der Verknüpfung der einzelnen Teile - ist ein wahres Meisterstück, das schon Amyraldus († 1664) bewundert und allen Oden der Griechen und Lateiner vorzieht. Aber auch in der hebräischen Poesie ist weniges, was diesem Psalm an festem Umriss und Feinheit der Übergänge, wie andererseits an warmem Mitgefühl für die Natur und alle ihre Geschöpfe und an lieblichen Bildern gleichkäme. Prof. H. Hupfeld 1862.
  Dieser Psalm ist in seiner ganzen Länge ein Lied der Natur, Anbetung Gottes in dem großen Tempel des Weltalls. Manche haben es in diesen neueren Zeiten für ein Zeichen hohen geistlichen Sinnes gehalten, die Natur nie zu beachten, und ich erinnere mich, mit Leidwesen die Äußerungen eines gottesfürchtigen Mannes gelesen zu haben, der, als er einen der berühmtesten Ströme der Welt hinuntersegelte, seine Augen schloss, damit die malerischen Schönheiten der Gegend seine Seele nicht von biblischen Gegenständen abziehen sollten! Dies mag von einigen als tief geistliche Gesinnung betrachtet werden; mich dünkt es nach Absurdität zu schmecken. Es mag Leute geben, die meinen, in der Gnade gewachsen zu sein, wenn sie es so weit gebracht haben; mir scheint eher, dass sie aus der gesunden Vernunft herauswachsen. Das Schöpfungswerk Gottes zu verachten, was ist dies anders, als in gewissem Maße Gott selbst verachten? Gering von Gott als Schöpfer denken ist ein Verbrechen. Niemand von uns würde es für eine große Ehre halten, wenn unsre Freunde unsere Werke der Bewunderung unwert oder für ihr Gemüt mehr schädlich als nützlich hielten. David sagt uns: Der HERR freut sich seiner Werke (V. 31). Wenn Er sich an dem freut, was er gemacht hat, sollen nicht die, welche Gemeinschaft mit ihm haben, sich auch an seinen Werken freuen? Verachte nicht das Werk, damit du nicht den Werkmeister verachtest. Das Mönchtum war das Bekenntnis einer Schwäche, die sich mit dem edlen Schein der Demut und dem Vorgeben höherer Heiligkeit zu bedecken suchte. Es kann nicht sein, dass die Natur an sich mich erniedrigt oder von Gott abzieht; ich sollte etwas Fehlerhaftes in mir selber argwöhnen, wenn ich finde, dass des Schöpfers Werke keine gute Wirkung auf meine Seele haben. Überdies seid gewiss, Brüder, dass der, welcher die Bibel schrieb, die zweite und klarste Offenbarung seines göttlichen Geistes, auch das erste Buch geschrieben, das Buch der Natur; und wer sind wir, dass wir den Wert des ersten herabsetzen sollten, weil wir das zweite schätzen? Gott hat nicht, wie die Menschen, geringere Erzeugnisse; alle seine Werke sind Meisterwerke. Es ist kein Streit zwischen der Natur und der Offenbarung, nur Toren meinen das. Für die Weisen erklärt und bestätigt die eine die andere. Wenn ich abends auf den Feldern gehe wie Isaak (1. Mose 24,63), sehe ich in der reifenden Ernte denselben Gott, von dem ich in dem Worte lese, dass er den Bund machte, Saat und Ernte sollten nicht aufhören. Wenn ich den mitternächtlichen Himmel betrachte, gedenke ich an ihn, der, wie er die Sterne bei Namen ruft, auch die zerbrochenen Herzen verbindet. Wer will, mag das Buch der Schöpfung vernachlässigen oder das der Offenbarung; ich werde meine Freude an beiden haben, so lange ich lebe. - Hauspostille, Predigten von C. H. Spurgeon 1871.


V. 1. Wie voll Ehrfurcht und heiliger Scheu beginnt der Psalmist seine Betrachtung mit dem Bekenntnis: HERR, mein Gott, du bist sehr groß! und es ist die Freude der Heiligen, dass der, welcher ihr Gott ist, ein großer Gott ist: die Erhabenheit des Fürsten ist der Stolz und die Freude aller seiner treuen Untertanen. Matthew Henry † 1714.


V. 1-4. Jede erschaffene, erlöste und wiedergeborene Seele ist verbunden, den HERRN, dem wir unsere Erschaffung, Erlösung und Heiligung verdanken, dafür zu preisen, dass Gott der Sohn, der im Anfang die Welten gemacht hat und dessen Gnade stets geschäftig ist, durch die Wirkungen des Heiligen Geistes sein Werk zum vollen Ziele zu führen, uns in seiner Herrlichkeit geoffenbart worden ist. Er hat sich als der ewige Hohepriester mit dem Schmuck seiner Majestät und Hoheit angetan, er hat sich in Licht gehüllt, wie der Priester in seine heiligen Kleider - seine Klarheit auf dem Berge der Verklärung war nur ein vorübergehender Schimmer von dem, was er jetzt ist, immer war und ewig sein wird. Er ist das wahrhaftige Licht; darum sind seine Engel Engel des Lichts, seine Kinder Kinder des Lichts, seine Lehre die Lehre des Lichts. Das Weltall ist sein Zelt; die Himmel, der sichtbare und der unsichtbare, die Vorhänge, welche sein Allerheiligsten verhüllen. Er hat die Balken und Grundfesten seines Allerheiligsten hoch droben gelegt, selbst über den Wassern, die über dem Firmament sind. Die Wolken und Winde des niederen Himmels sind sein Wagen, auf welchem er stand, als er vom Ölberg auffuhr, und auf welchem er sitzen wird, wenn er wiederkommt. Plain Comentary 1859.


V. 2. Der sich in Licht hüllt wie in ein Gewand. (Grundtext) Indem er das Licht, mit dem bekleidet er Gott darstellt, mit einem Gewand vergleicht, deutet er an, dass, obwohl Gott unsichtbar ist, doch seine Herrlichkeit sichtbar genug ist. In Betreff seines Wesens wohnt Gott unzweifelhaft in einem Lichte, da niemand zukommen kann (1. Tim. 6,16); aber da er die ganze Welt durch seinen Herrlichkeitsglanz erleuchtet, ist dieser das Gewand, in welchem er, der an sich verborgen ist, sich in einer uns sichtbaren Weise zeigt. Die Erkenntnis dieser Wahrheit ist von großer Wichtigkeit. Wenn Menschen es versuchen, die unendliche Höhe, in welcher Gott wohnt, zu erreichen, so müssen sie, ob sie auch über die Wolken flögen, doch mitten in ihrem Fluge erlahmen und umkommen. Wer ihn in seiner unverhüllten Majestät zu sehen begehrt, ist sicherlich sehr töricht. Damit wir uns seines Anblicks erfreuen können, muss er sich mit seinem Gewand angetan zeigen; das will sagen, wir müssen unsere Blicke auf das wunderschöne Weltgebäude richten, in welchem er von uns gesehen sein will, und dürfen nicht zu neugierig und vorwitzig in sein geheimes Wesen eindringen. Da nun aber Gott sich uns mit Licht bekleidet darstellt, können diejenigen, welche dafür Vorwände suchen, dass sie ohne seine Erkenntnis dahinleben, sich nicht zur Entschuldigung ihrer Trägheit darauf berufen, dass er in tiefem Dunkel verborgen sei. Wenn es sodann heißt, dass er die Himmel wie ein Zelttuch ausspanne, so ist damit nicht gemeint, dass Gott sich dahinter verberge, sondern dass durch sie seine Majestät und Herrlichkeit sich entfalte, indem sie gleichsam sein königlicher Pavillon sind. Jean Calvin † 1564.
  Licht. Das erste, was Gott in den Tagwerken der Schöpfung erschaffen hat, war das sinnlich wahrnehmbare Licht, das letzte das Licht der Vernunft; und sein Sabbatwerk, das immer seither fortgeht, ist die Erleuchtung durch den Geist. Franz Baco v. Verulam † 1626.
  Du breitest die Himmel aus wie einen Vorhang. Es ist in den östlichen Ländern im Sommer, besonders bei allen Gelegenheiten, wo eine große Gesellschaft empfangen werden soll, üblich, den Hof des Hauses mit einer Decke, welche an Stricken von der einen zu der andern Seite der einschließenden Mauern hängt und nach Belieben zusammengerollt oder auseinander gezogen werden kann, vor der Hitze zu schützen. Vielleicht weist das Bild des Psalmisten auf etwas Ähnliches hin. John Kitto † 1854.
  Wie einen Teppich oder ein Zelttuch. Weil die Hebräer sich den Himmel als Tempel und Palast Gottes vorstellten, war der azurne Himmel zugleich der Fußteppich seiner und das Dach unserer Wohnung. Doch scheint mir, dass die Zeltbewohner stets das Bild des Himmelszeltes am liebsten gehabt haben. Sie stellen sich Gott vor, wie er es täglich ausspanne und es am äußersten Horizont an den Säulen des Himmels, den Bergen, befestige; es ist ihnen ein Zelt der Sicherheit, der Ruhe und väterlicher Gastfreundschaft, in welcher Gott mit seinen Geschöpfen lebt. - Nach Joh. Gottfried v. Herder † 1803.


V. 3. Der in Wasser seine Gemächer droben bälkt. (Grundtext) Wenn Balken nicht gediegen und stark sind, sind sie nicht einmal imstande, das Gewicht eines gewöhnlichen Hauses zu tragen. Wenn daher Gott die Wasser zur Grundlage seines himmlischen Palastes macht, wer müsste nicht über einem solchen Wunder erstaunen? Wenn wir unsere Schwerfälligkeit im Verstehen dabei in Anschlag bringen, sind solche absichtlich starken bildlichen Ausdrücke keineswegs überflüssig; denn selbst ihnen gelingt es nur mit Mühe, uns aufzuwecken und zu einiger Erkenntnis Gottes zu bringen. Jean Calvin † 1564.
  Sein Obergemach - und in dieses pflegte der Morgenländer sich zurückzuziehen, wenn er die Einsamkeit suchte - ist in dem lichten Äther auf dem leichten Grunde der Regenwolken (Ps. 148,4) gebaut. Prof. August Tholuck 1856.
  Der auf den Fittichen des Windes wandelt. In diesen Worten ist eine Feinheit, die ihresgleichen sucht; nicht: er fliegt oder rennt, sondern: er wandelt, und das auf den Fittichen des Windes, auf dem ungestümsten Element, das mit unglaublicher Geschwindigkeit einherfährt. Wir können kaum ein erhabeneres Gleichnis von Gott haben: in feierlicher, heiterer Ruhe wandelt er auf einem Element von unfassbarer Schnelligkeit und, wie es uns scheint, ganz unbezähmbarem Ungestüm! James Hervey † 1758.


V. 4. Der du machst deine Engel zu Winden, oder, wie einige es auffassen, wie Winde, denen sie vergleichbar sind an unsichtbarer und doch alles durchdringender (vergl. Apg. 12,6-10) und alle irdische Kraft weit überragender (Ps. 103,20) Kraft, sowie an Schnelligkeit im Gehorsam gegen die göttlichen Befehle (Ps. 103,20). D John Gill † 1771.
  Wenn die Septuaginta in V. 3 den doppelten Akkusativ ObWkr: Mybi(f M$Ifha durch o(vtiqei`j ne/fh th`n e)pi/basin au)tou= übersetzen, so ist nicht einzusehen, weshalb sie nicht V. 4 fortfahren sollten: Der da macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu brennendem Feuer. Ob dies einen Sinn, und zwar auch im Grundtext gibt, ist eben zu untersuchen. Wir möchten hier an die Seraphim (Jes. 6) erinnern, die einerseits flammende Gestalten, andererseits mit drei Flügelpaaren versehen waren. Da haben wir eine deutlich redende Symbolik. die schon das Targum erkannte. (Qui facit nuntios suos veloces sicut ventum, ministros suos fortes sicut ignem flammantem.) Die Flammengestalt zeugt von dem starken Feuereifer, den sie im Dienste Jehovahs an den Tag legen; die Flügel bezeichnen die Schnelligkeit. Bei den Theophanien (Gotteserscheinungen) sind Feuerschein und Sturm die begleitenden Momente; siehe 5. Mose 33,2; Ps. 50,3 (Feuer fraß um ihn her, und rings um ihn her stürmte es sehr). Ebenso wirken 1. Könige 19,11.12 Wind und Feuer zusammen als Vorboten der Ankunft Gottes. 2. Könige 2,11 wirken auch Feuer und Sturmwind zusammen, um Elia in den Himmel aufzunehmen; Ewald lässt hier die Cherube tätig sein. Thenius versteht unter Cherubim die vor Gottes Majestät anbetenden engelhaften, an Gottes Macht im Sturmgewitter erinnernden Hüter des in der Lade zu wahrenden Gesetzesschatzes. Die Engel nun, die in Feuer und Sturm sich kleiden, führen nach Ps. 103,20 ff. Gottes Wort und Wohlgefallen aus. Übrigens ist die Erwähnung der Engel in unserer Psalmstelle (104,4) ganz passend: Gott, der König des Alls, erscheint in den himmlischen Regionen nicht ohne seine Trabanten, von denen berichtet wird, in welcher Weise sie auf Erden wirken. Prof. Ed. Böhl 1878.
  Er macht zu seinen Engeln (Boten) Winde, zu seinen Dienern flammend Feuer. In diesem Vers wird die herrliche Dienerschaft Gottes geschildert: Winde und flammend Feuer, wie es aus den Wolken (V. 3) herabfährt, Blitze, vergl. Ps. 105,32. Das: zu seinen Boten steht voran, wegen des Gegensatzes gegen den Wagen und die Obersäle Gottes V. 3. Durch diese Abweichung von der gewöhnlichen Anordnung ist die Erklärung hervorgerufen worden: Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen, gegen welche entscheidet, dass wir es hier nur mit der sichtbaren Herrlichkeit Gottes zu tun haben, in Anschluss an 1. Mose 1, das sich überall nur mit der materiellen Schöpfung Gottes beschäftigt; dass wir hier speziell bei dem zweiten Tagewerke stehen, auf das sich alles von der zweiten Hälfte von V. 2-5 bezieht; dass zu dem materiellen Gewande, Schlosse und Gefähr Gottes auch nur materielle Diener passen; endlich die Parallelstellen Ps. 105,32; 148,8: Preiset den HERRN, Feuer und Hagel, Schnee und Rauch, Sturmwind, der sein Wort tut. Das Zitat Hebr. 1,7 (nach den LXX) darf nicht zu dieser falschen Erklärung verleiten. Auch nach unserer Auffassung dient die Stelle dem Zweck des Verfassers des Hebräerbriefs. Denn eine Erniedrigung für die Boten Gottes im engeren Sinne, die schlechthin so genannten, liegt darin, dass die bloßen Naturkräfte ihnen beigesellt und mit ihrem Namen bezeichnet werden. Das noscitur ex socio (dass man am Genossen erkannt wird) gilt auch hier. Wer solche Genossen. hat, kann in keiner Weise dem Herrn der Herrlichkeit gleichgestellt werden. Prof. E. W. Hengstenberg 1845.


V. 5. Dass sie immer und ewiglich nicht wankt. (Wörtl.) Die Stabilität der Erde ist von Gott so gut wie ihr Dasein. Wohl sind viele Erdbeben an manchen Orten gewesen, aber der Erdkörper als ganzer ist nie auch nur um Haaresbreite von seiner Stätte bewegt worden seit Grundlegung der Welt. Der HERR kann die Erde zittern und beben machen, er kann sie bewegen, wann und wie er will; aber er wird sie nicht aus ihrer Stelle im Weltall rücken, solange die ihr bestimmte Zeit dauert. Joseph Caryl † 1673.
  Die naturwissenschaftliche Weise, diese Wahrheit darzulegen, mag aus folgender Probe ersehen werden:
  Wie kommt es doch, dass wir, wiewohl wir durch die Umdrehung der Erde mit ungeheurer Schnelligkeit fortbewegt werden, selber unsre Bewegung nicht wahrnehmen? Es kommt daher, dass das Ganze, die Erde samt Dunstkreis und Wolken. an der Bewegung teil hat. Diese Schnelligkeit, mit welcher alle auf dem Erdball befindlichen Körper bewegt werden, würde die Ursache der schrecklichsten, alles erfassenden Katastrophe werden, die sich nur denken lässt, wenn die Umdrehung der Erde durch irgendeinen Zufall plötzlich zum Stillstand käme. Ein solches Ereignis würde der Vorläufer der völligen Vernichtung aller organischen Wesen sein. Aber die Beständigkeit der Naturgesetze erlaubt uns, über eine solche Katastrophe ohne Furcht, dass sie eintreten könnte, nachzudenken. Es ist bewiesen, dass die Lage der Umdrehungspole der Erde unveränderlich ist. Man hat auch gefragt, ob die Schnelligkeit der Umdrehung der Erde oder, was auf dasselbe hinauskommt, die Länge des siderischen Tages und des von ihm abgeleiteten Sonnentages sich im Laufe der geschichtlichen Zeit verändert habe. Laplace hat darauf geantwortet, und seine Beweisführung zeigt, dass sie während der letzten zwei Jahrtausende sich nicht um den hundertsten Teil einer Sekunde geändert hat. Amédée Guillemin 1866.


V. 7. Aber von deinem Schelten flohen sie. Bei diesen Worten kommt uns in den Sinn, wie bei Virgil Neptun die Winde strenge schilt, weil sie sich erdreisten, ohne seine Erlaubnis Himmel und Erde zu erschüttern und solch gewaltige Wogen zu erregen; dann beruhigt er, schneller als das Wort gesprochen ist, die hochgehende See, zerstreut die Ansammlung der Wolken und bringt die Sonne wieder. Joh. Lorinus † 1634.
  Aber von deinem Schelten flohen sie usw.: wie ein Diener, wenn sein Herr ihn mit strengen Blicken misst und mit gebietender, scheltender Stimme anredet, eilends von ihm geht, um zu tun, was sein Herr geboten. Mit solch gewaltiger Macht sandte Gott die Wasser der Sintflut hinweg, als sie die Erde bis zu den Spitzen der Berge bedeckten; er schalt das Schilfmeer, und es ward zu trockenem Land; er trieb die Wasser des Jordan zurück, dass die Israeliten hinübergehen konnten. So bedräuete auch Christus das galiläische Meer, als seine Jünger Not litten von den Wellen. Und mit gleicher Leichtigkeit treibt er die Fluten der Sünde und Finsternis von den Menschen hinweg bei ihrer Bekehrung, schilt den Satan und errettet uns aus seinen Versuchungen, wenn sie wie Fluten über uns kommen, und gebietet den Wassern der Trübsal, die uns zu überwältigen drohen, dass sie weichen. Diese alle sind seine Diener; sie kommen, wenn er ihnen zu kommen befiehlt, und gehen, wenn er es sie heißt. John Gill † 1771.


V. 7.8.Gott sprach: Nun sammelt euch ihr Wasser all
In einem Raum, und zeuget festes Land!
Im Nu erschienen ungeheure Berge
Und reckten ihre breiten kahlen Nacken
Zum Wolkenreich, die Gipfel stießen hoch
Am Himmel an; so hoch Gebirge sich
Erhob, so tief versank der hohle Boden
Als Bett der Wasser; dahin fluten sie
In froher Hast, wie Tropfen sich im Staube
Zusammenballen. Einige stiegen auf
Als Mauern von Kristall, als schlanke Säulen,
Denn Eile hatte das Gebot des HERRN
Den Fluten aufgedrungen; wie ein Heer
(Du hörtest ja von Heeren) auf den Ruf
Der Kriegstrompeten sich zur Fahne sammelt,
So eilt der Wasser Schwall in Wogen an,
Und Well’ auf Welle, wo sie Wege fanden.
Von Klippen stürzten rasend sie herab,
Auf ober’m Pfade glitten sie gemach.
Kein Fels und Berg bot ihnen Widerstand,
Die Wasser fanden drunter ihre Bahn.
Und schossen teils in Schlangenwindung fort,
Teils gruben Furchen sie in feuchten Schlamm,
Denn Gott ließ noch des Bodens Grund nicht trocknen,
Der innerhalb der Ufer, wo die Ströme
Fortfluten und die nassen Pfade ziehn.
Und Erde nannte Gott das trockne Land,
Und den Behälter aller Wasser: Meer!
Und sah, dass gut es war. -
  Verlorenes Paradies VII, John Milton † 1674.


V. 9. Du hast eine Grenze gesetzt usw. Das Meer hat ja zu unserer Zeit große Striche Landes überschwemmt und den Flamländern und ihren Nachbarn großen Schaden zugefügt.5 Durch solche Ereignisse werden wir gewarnt, was die Folgen davon sein würden, wenn die Beschränkung, welche der See durch Gottes Hand auferlegt ist, hinweggenommen würde. Warum anders sind nicht wir alle miteinander von ihr verschlungen worden, als weil Gott das ungestüme Element durch sein Wort im Zaume hielt? Kurz, wiewohl es die natürliche Neigung des Wassers ist, die Erde zu bedecken, wird das doch nicht geschehen, weil Gott durch sein Wort ein entgegen wirkendes Gesetz aufgerichtet hat; und da seine Wahrheit ewig ist, muss das Gesetz festbleiben. Jean Calvin † 1564.
  Manche Herrscher haben große Macht am Meer und auf dem Meere gehabt; aber nie hat es einen Fürsten gegeben, der über das Meer irgendwelche Macht besessen hätte. Das ist ein Edelstein, der keiner andern Krone als der des Himmels gehört. Joseph Caryl † 1673.
  Wenn die große Flutwoge des Ozeans, die sich rings um die Erde erhebt, nur einige wenige Fuß höher schwellen dürfte, würde sie unzählige Städte und Länder verwüsten. Aber mit welcher Genauigkeit hat Gott die Grenzen der Flut festgesetzt! Sieh dort jenen Strauch, jene Blume auf dem grünen Rande der Klippen; oder merke dir diese Kiesel hier am Ufer, du magst Sommerfäden als Zeichen darauf legen - und siehe, das unermessliche, ungestüme, unzähmbare Element wird es verstehen, mit seinem spritzenden Schaum eine Linie von Feuchtigkeit genau bis an den Rand oder bis zu dem Punkte, den du angemerkt hast, zu zeichnen und dann seine Kräfte zurückzuziehen, ohne auch nur einen Zoll oder eine Hand breit über die bestimmte Grenze zu gehen. Und wie wunderbar ist es, dieses genaue Maßhalten, diese haarscharfe Beschränkung eben an der Bewegung der See zu beobachten, jener geheimnisvollen Macht, die sich in unmessbare Tiefen des Raumes gestürzt hat und solch himmelhohe Wogen auftürmt! einer Macht, so ungeheuer und unheilschwanger, so unwiderstehlich und doch wiederum wie fein und zart in ihrem Walten, mit welch peinlicher Genauigkeit bemessen und ausgeübt! George B. Cheever 1852.


V. 10. Du lässest Brunnen quellen in den Gründen. Je mehr Demut, je mehr Gnade: wo in den Tälern tiefe Stellen sind, da sammelt sich das Wasser. Martin Luther † 1546.


V. 10. 13. 14. Du, Du, Du.
Von Ihm zeugt alles hier: von dunkeln Föhren,
Die hoch am Berge spenden ihren Schatten,
Vom Waldstrom, den entzückt wir rauschen hören
In tiefer Schlucht, bis zu den Blumenmatten,
Zum Rebengang, der führt nach dem Gestad,
Wo andachtsvoll das Wasser Ihm sich naht
Und seine Füße küsst.
  Frei nach Byron † 1824.


V. 11. Und die Wildesel ihren Durst löschen. Wiewohl die Esel sonst so stumpfe, dumme Geschöpfe sind, sagt man von den wilden Eseln, dass sie von der Vorsehung mit einem besonders scharfen Witterungsvermögen ausgerüstet sind, in den dürren, sandigen Einöden den Weg zum Wasser zu finden, und dass es für den vom Durst geplagten Wanderer keinen besseren Führer gibt, als wenn er den Herden der wilden Esel folgen kann, die zu den Flüssen hinabgehen. Thomas Fenton 1732.
  Als der Abend herankam, sahen wir nahe einem kleinen Fluss eine Gruppe, die sich wie eine Anzahl abgesessener Araber, mit ihren Pferden bei ihnen, ausnahm. Da wir dem wachsamen Auge der Beduinen nicht entgangen sein konnten, machten wir uns auf eine feindliche Begegnung mit ihnen gefasst. Vorsichtig näherten wir uns und waren sehr erstaunt, wahrzunehmen, dass die Rosse noch immer ohne Reiter waren. Als wir noch näher hinzukamen, galoppierten sie gegen die Wüste hin - es war eine Herde wilder Esel. Henry Austin Layard geb. 1817.


V. 12. Und singen unter den Zweigen. Nie werde ich meinen ersten Ritt von Riha nach Ain Sultan vergessen. Unser Weg führte uns mitten durch die vom Wasser hervorgerufene Oase. Es mag sein, dass der Gegensatz zu der dürren Wüste, die wir am vorhergehenden Tage durchquert hatten, die Freude an dem gegenwärtigen Genuss erhöhte; sicher ist jedenfalls, dass unsere Empfindungen das Echo des Ausrufs Josephus’ waren: "Eine paradiesische Gegend!" Das eine Mal wurde ich an unsre berühmten heimischen Baumgruppen und Wälder erinnert, dann wieder an einen vernachlässigten südlichen Obstgarten mit üppigst darin wucherndem Unterwuchs. Große Dornbüsche und allerlei Waldsträucher waren überall auf der Ebene verstreut. An manchen Stellen war der Boden mit Blumen wie mit einem Teppich bedeckt, und jedes Gebüsch schien lebendig von dem lebhaften Gezwitscher unzähliger Vögel. Ich sage Gezwitscher, denn ich glaube nicht, dass ich jemals während der ganzen Zeit meines Aufenthalts in Syrien einen Vogel eigentlich singen gehört habe. Coleridge († 1834) spricht von der fröhlichen Nachtigall, die ihre entzückenden Töne im lebhaften, schnellen Schlage häufe und überstürze. Der Gesang meiner kleinen syrischen Freunde dagegen bestand nur aus einer Reihe munterer Zwitscherlaute. Andere Reisende haben in diesem Stück mehr Glück gehabt. Bonar (1859) weiß vom Kuckucksruf zu berichten, Dr. Robinson (geb. 1794) von der Nachtigall. Lord Lindsay (geb. 1812) erzählt von einem herrlichen Abend, den er am Jordan verbracht habe, da der Fluss munter dahinrauschte und die Nachtigall von den Bäumen ihr Lied sang. Kanonikus Tristram (1864) sagt bei der Beschreibung der Gegend bei Tell-el-Kadi, der bulbul und die Nachtigall hätten in den Zweigen oben ein Wettsingen gehalten, das selbst den Lärm des Gießbachs unten übertönt habe, und er meint, auch an unserer Psalmstelle seien vielleicht diese beiden Singvögel gemeint, welche die Bäume am Jordanufer bevölkern und in allen bewaldeten Tälern zahlreich sind und im zeitigen Frühling die Luft mit dem herrlichen Wohlklang ihres Gesanges erfüllen. Angesichts dieser Berichte von Ohrenzeugen scheint es merkwürdig, dass die Bibel, die doch so vieles aus der Natur schildert oder anführt, den Gesang der Vögel nur Ps. 104 und Pred. 12,4 (nach einigen auch Hohelied 2,12) erwähnt. J. W. Bardsley 1876.
  Die Musik der Vögel war der erste Lobgesang, der von der neu geschaffenen Erde aus dem HERRN dargebracht wurde, ehe der Mensch gebildet ward. John Wesley † 1791.
  Wie bieten doch Amsel und Drossel mit ihren melodischen Stimmen dem freudenreichen Frühling das Willkommen und lassen immer wieder in gewissen Monaten so herrliche Liedchen hören, dass keine menschliche Kunst und keines unserer Musikinstrumente sich mit ihnen messen kann. Und gar die Nachtigall, welch weit schallende und doch süße, zarte Musik bringt sie aus dem winzigen Instrument ihrer Kehle hervor, dass es die Menschenkinder dabei dünkt, Wunder hörten nicht auf. Wer um Mitternacht, wenn sonst alles schläft, Gelegenheit hat, wie ich so oft, ihre hellen Melodien, die süßen Triller, das so natürliche Heben und Senken der Töne, das Anschwellen und Wiederanschwellen ihrer Stimme zu belauschen, der mag sich wohl der Erde entrückt glauben und ausrufen: HERR, was für Musik musst du doch erst für die Heiligen im Himmel bereit haben, wenn du schlechten Menschen auf Erden schon solche Musik gewährst! Isaak Walton † 1683.


V. 14. Du lässest Gras wachsen. Sicherlich sollte es den Menschen demütig machen, zu wissen, dass alle Menschenmacht, miteinander vereinigt, nichts, nicht einmal Gras wachsen machen kann. William Swan Plumer 1867.
  Dass du Brot aus der Erde bringest. Die Israeliten pflegten am Passahfest und vor dem Brechen des Brotes zu sprechen: "Gelobt seist du, HERR unser Gott, du König der Welt, der du unser Brot aus der Erde hervorgebracht hast," und bei jeder wiederkehrenden Ernte sollten unsere Herzen von Dank erfüllt sein, sooft wir wieder die kostbare Gabe des Brotes empfangen. Es ist das unentbehrlichste und notwendigste Nahrungsmittel, dessen wir nie überdrüssig werden, während andere Speise, je süßer sie ist, desto leichter uns übersättigt. Jedermann, Kind und Greis, Bettler und König, isst gerne Brot. Wir erinnern uns des Unglücklichen, der auf eine verlassene Insel geworfen war, wo er vor Hunger verschmachtete, und der bei dem Anblick eines Klumpens Goldes ausrief: "Ach, nur Gold!" Er würde mit tausend Freuden für ein Stück Brot diese ihm ganz unnütze Sache hingegeben haben, die nach dem Sinn der meisten Menschen über alles kostbar ist. O lasst uns nie gegen Gott uns versündigen, indem wir das Brot geringschätzen. Lasst uns den HERRN loben, wenn wir die Garben sammeln, und mit Danken die Scheune betreten, welche sie uns verwahrt, und lasst uns unsere Dankbarkeit auch darin beweisen, dass wir unser Brot dem Hungrigen brechen und dem Durstigen geben von dem, was Gott uns beschert. Lasst uns nie zu Tische sitzen, ohne Gott zu bitten, dass er die Gaben segne, welche wir von seiner gütigen Hand empfangen, und niemals Brot essen, ohne an unseren Herrn Christus zu denken, der sich das lebendige Brot nennt, das vom Himmel gekommen ist, um der Welt das Leben zu geben. Und vor allem, mögen wir nie zu des Herrn Tisch gehen, ohne in den Sinnbildern des Brotes und Weines seinen Leib und sein Blut zu genießen, durch welche wir Kraft für unser geistliches Leben erhalten. Ja, HERR, du sättigst beide, Leib und Seele, mit Brot von der Erde und Brot vom Himmel. Preis sei deinem heiligen Namen, unser Herz und Mund soll deines Lobes voll sein in Zeit und Ewigkeit. Friedr. Arndt 1851.


V. 15. Als du aus deiner Mutter Leibe genommen wardst, in welch stattlich Schloss setzte er dich doch! Du fandest diese Welt für deinen Aufenthalt wohl zubereitet und mit allem ausgerüstet, wie die Israeliten das gelobte Land; ein festes Haus, das du nicht gebaut hattest, Bäume, die du nicht gepflanzt, ja einen mit funkelnden Sternen besetzten Prachthimmel als einen Baldachin über dir ausgebreitet. Gott zündet dir ein helles Licht an, die Sonne, dabei zu arbeiten, bis du müde bist (V. 23), und dann geht es aus ohne dein Zutun, denn die Sonne weiß ihren Niedergang (V. 19); dann zieht er einen Vorhang über die halbe Welt, dass die Menschen zur Ruhe gehen mögen: Du machst Finsternis, dass es Nacht wird (V. 20). Und dieses Haus der Welt ist so merkwürdig entworfen, dass jedem Zimmer desselben, jedem noch so armen Dorf Wasser zugeleitet wird, dass der Mensch sich daran laben kann. (V. 10 f.) Auf den Fußboden dieses Hauses trittst du, und er bringt Speise für dich hervor (V. 14), Brot zur Stärkung, Wein, dein Herz zu erfreuen, und Öl, dass deine Gestalt davon glänze (V. 15), welche drei Dinge hier genannt sind für alles, was zu Kraft, Freude und Zierde dient. Thomas Goodwin † 1679.
  Ein wahrer Christ soll der Kreaturen Gottes gebrauchen zu Erkenntnis, Lob und Preis Gottes, auf dass in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Christum Jesum, unseren Herrn. Wie uns aber die Kreaturen zu Gott führen, merke also: Gott tut gleich als ein liebreicher Vater, der ein Kind zu sich ruft und gewöhnt mit süßen Worten. Will’s dann nicht bald kommen, so wirft er ihm einen Apfel oder Birne zu, oder einen schönen bunten Rock, wie Israel seinem Sohn Joseph; nicht aber darum, dass das Kind den Apfel oder das schöne Kleid soll so lieb haben, dass es an der Gabe hangen und kleben bleibe, sondern es soll an der Liebe des Vaters hangen und des Gebers. Also lässt’s unser lieber Vater im Himmel dabei nicht bleiben, dass er uns mit so holdseligen und freundlichen Worten durch die Propheten und Apostel zu sich ruft, sondern gibt und wirft uns auch noch viel guter Gaben zu, viel fruchtbare Zeiten vom Himmel, und erfüllt unsere Herzen mit Speise und Freude (Apg. 14,17), welches eitel Hände und Boten Gottes sind, die uns sollen zu Gott führen und uns seine Liebe bezeugen und einbilden, auf dass wir den Geber selbst in den Kreaturen und Gaben empfangen sollen. Johann Arnd † 1621.
  Der Wein ist eine jener Gaben, bei deren Gebrauch der Mensch stete Selbstzucht ausüben muss. Im Übermaß genommen wird er ein Fluch (1. Mose 9,21 ff; 19,33 ff. usw.); als Gabe Gottes genossen (1. Mose 14,18; Joh. 2,3 usw.) ist er ein Geschenk, für das der Mensch dankbar zu sein alle Ursache hat John Duns 1868.
  Mit Öl salbte z. B. Ruth sich (Ruth 3,3), um ihr Aussehen zu verschönern, während das Weib von Thekoa (2. Samuel 14,2), sowie Daniel (Dan. 10,3) das Salben unterließen aus dem entgegengesetzten Grunde. Ambrosius Serle † 1815.
  Und das Brot des Menschen Herz stärke. Der Hungrige hat keinen Unternehmungsgeist, keinen Eifer und keinen Mut. Aber wenn in solchem Fall nur ein wenig Brot vom Magen aufgenommen worden ist, so wird, noch ehe die Verdauungsorgane Zeit gehabt haben, das Genossene in Nährsaft umzuwandeln, die Kraft wiederhergestellt und die Lebensgeister geweckt. Das ist eine erstaunliche Wirkung, für die wir keine genügende Erklärung wissen. Adam Clarke † 1832.
  In Homer’s Odyssee begegnen wir dem Ausdruck: Brot, das Mark der Menschen.
  Des Menschen Herz. Nicht ohne Grund ist hier nicht wie V. 14 der gewöhnliche Ausdruck für Mensch (adam) gebraucht, sondern wie Ps. 103,15 das Wort enosch, welches den schwachen, hinfälligen Menschen bezeichnet. Denn es sind hier Nahrungsmittel genannt, deren der Mensch vor dem Fall nicht bedurfte. Herm. Venema † 1787.


V. 16. Die Bäume des HERRN. Der Übergang von den Menschen zu den Bäumen besagt gleichsam: Es ist nicht zu verwundern, wenn Gott die Menschen, die er nach seinem Bilde geschaffen hat, so freigebig ernährt, da er es sich nicht verdrießen lässt, seine Fürsorge sogar auf die Bäume auszudehnen. Unter den Bäumen des HERRN sind diejenigen gemeint, welche hoch und von ausnehmender Schönheit sind; an ihnen ist Gottes Segen besonders deutlich. Es scheint fast unmöglich, dass der Saft der Erde zu so großer Höhe steige; und doch erneuern sie ihr Laub jedes Jahr. Jean Calvin † 1564.
  Die Bäume des HERRN, vergl. Ps. 36,7: Gottesberge. Dies sind nicht etwa die höchsten Berge usw., weil alles Beste in der Natur oder in seiner Art durch den Beisatz "Gottes" ausgezeichnet werde. Diese Annahme der Rabbinen und anderer verträgt sich nicht mit der scharfen Unterscheidung des Natürlichen und des Göttlichen in der biblischen Weltanschauung. Dieser Beisatz steht da, wo etwas auch nicht bloß als von Gott Hervorgebrachtes, sondern als zugleich die Herrlichkeit Gottes, seine Macht, Güte, Heiligkeit Bezeugendes und seiner Offenbarung Dienendes hervorgehoben werden soll. So werden die Propheten häufig als Menschen Gottes und die Berge Sinai und Zion als Berge Gottes bezeichnet; so heißt das Paradies der Garten Gottes 1. Mose 13,10, vergl. 2,8, und der Regen im Gegensatz gegen künstliche Bewässerung der Bach Gottes Ps. 65,10. Und die Zedern Libanons heißen Gottes-Zedern Ps. 80,11 und Bäume Jehovahs Ps. 104,16 nicht bloß, weil er sie wie die Aloen (4. Mose 24,6) gepflanzt hat, sondern weil sie von seiner Schöpfermacht Zeugnis geben und zu seiner Anbetung durch Betrachtung derselben Anlass geben. Gen-Sup. K. B. Moll † 1878.


V. 17. Der Storch, dessen Haus Zypressen sind. (Grundtext) Gut bewaldete Gegenden sind meist Lieblingsplätze der Störche, da sie stets Bäume für Brutzwecke sowie als Ruhestätten für die Nacht auswählen. Einige wenige Arten derselben machen jedoch von dieser Regel eine Ausnahme, indem sie ihre Nester auf Dächern, Schornsteinen oder andern erhöhten Plätzen in der unmittelbaren Nachbarschaft der Menschen bauen. Nach Christ. L. Brehm † 1864.


V. 18. Die hohen Berge sind der Gemsen Zuflucht. Ich zweifle nicht, dass der arabische Steinbock gemeint ist. Dieses Tier ist dem wohlbekannten Steinbock der Alpen sehr nahe verwandt, kann aber von ihm an einigen kleinen Merkmalen unterschieden werden, so an dem schwarzen Bart und der leichteren Art der Hörner. Die Farbe seines Fells ist der der Felsen so ähnlich, dass ein ungeübtes Auge nichts als nackten Stein sehen würde, wo ein erfahrener Jäger eine Menge Steinböcke sähe, erkennbar an ihren wundervoll gekrümmten Hörnern. Die Beweglichkeit dieses Tieres ist erstaunlich. In den höchsten und schroffsten Teilen der Bergketten wohnend, schießt es von einem Ort zum andern mit einer Sorglosigkeit, welche jeden entsetzt, der nicht das Tier und die wunderbare Sicherheit seines Fußes genauer kennen gelernt hat. Es kann z. B. an einer senkrechten Felswand hinaufspringen, die glatt wie eine Mauer aussieht, um auf einen winzigen, kaum erkennbaren Vorsprung an dieser Wand, vielleicht fünfzehn Fuß über der Stelle, von wo aus der Sprung geschah, zu kommen. Sein Auge hat aber gewisse kleine Risse und vorstehende Punkte an der Felswand erschaut, und indem das Tier den Sprung macht, nimmt es diese kleinen vorteilhaften Punkte einen nach dem andern in schneller Folge; es berührt sie kaum, während es aufwärts eilt, und doch bewahrt es sich durch den leisen Aufschlag des Fußes die ursprüngliche Kraft des Sprunges. So kommt der Steinbock auch, gleitend und springend, schroff abstürzende Berghänge herunter; dabei hält er manchmal, mit allen vier Füßen zusammen, auf einem kleinen Vorsprung, nicht größer als eine Hand, und dann setzt er kühn über eine wilde Kluft und schwingt sich mit erstaunlicher Genauigkeit auf ein vorstehendes Felsstück, das kaum groß genug scheint, einem Murmeltier einen bequemen Ruhepunkt zu bieten. J. G. Wood 1869.
  Und die Steinklüfte der Klippdachse. (Grundtext) Als wir die Felsen in der Nachbarschaft des Klosters auskundschafteten, hatte ich die Freude, die Aufmerksamkeit meines Begleiters auf eine oder zwei Familien dieses Tieres lenken zu können, die eben ihre Luftsprünge auf den Höhen über uns machten. Herr Smith und ich beobachteten sie ganz aus der Nähe, und wir belustigten uns sehr über die Lebhaftigkeit ihrer Bewegungen und die Schnelligkeit, mit der sie sich in die Steinklüfte zurückzogen, wenn sie Gefahr witterten. Wir sind, glaube ich, die ersten europäischen Reisenden, die dieses Tier, welches jetzt allgemein als der schaphan oder das "Kaninchen" (Luther) der Bibel angenommen ist, auf dem eigentlichen Boden des Heiligen Landes beobachtet haben. Der Mann, der mir das Fell des Tiers zubereitete, hielt es fälschlich für das eines Kaninchens, wiewohl es von stärkerer Art und dunkelbrauner Färbung ist. Der Klippdachs besitzt keinen Schwanz; er hat einige Borsten an der Schnauze, über dem Kopf und an dem Rücken entlang, auf dem sich auch Striche von hellerer und dunklerer Schattierung finden. Mit seinen kurzen Ohren, den schmalen schwarzen, nackten Pfoten und der spitzen Schnauze ähnelt er dem Igel. Doch gehört er nicht zu den Insektenfressern, sondern wird von den Naturforschern den unregelmäßigen Vielhufern zugeteilt. John Wilson 1847.


V. 19. Du hast den Mond gemacht, das Jahr danach zu teilen: "Und der Mond in aller Welt muss scheinen zu seiner Zeit und die Monate unterscheiden und das Jahr einteilen. Nach dem Mond rechnet man die Feste; es ist ein Licht, das abnimmt und wieder zunimmt. Er macht den Monat; er wächst und verändert sich wunderbar." Jesus Sirach 43,6-8.


V. 20. Du machst Finsternis. Manche Ausleger bemerken mit Augustinus, in 1. Mose 1 sei wohl gesagt, dass das Licht geschaffen worden, nicht aber auch, dass die Finsternis gemacht sei, weil die Finsternis nichts ist, einfaches Nichtdasein des Lichts. An unserer Stelle aber wird auch gesagt, dass die Nacht gemacht worden, und Jes. 45,7 sagt der HERR von sich: Der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis. Joh. Lorinus † 1634.


V. 20-23. Es ist interessant, zu erwägen, wie die Länge des Tages der Gesundheit des Menschen und der Lebenskraft und den Daseinsbedingungen der Tier- und Pflanzenwelt angepasst ist. Der Lebensgenuss ist zu einem guten Teil abhängig von dem angenehmen Wechsel von Tag und Nacht. Wir finden bei den Tieren und Pflanzen Funktionen periodischer Art und können beobachten, dass diese Perioden, welche ihrer Konstitution anerschaffen sind, mit der Länge des natürlichen Tages übereinkommen. Ebenso ist es beim Menschen. Auch bei den Reisen in hohe nördliche Breitengrade, wo die Sonne Monate lang nicht aufgeht, ist das Wohlbefinden der Menschen wesentlich davon mit bedingt, ob die Ruhezeit innerhalb der vierundzwanzigstündigen Periode pünktlich eingehalten wird. Nach William Whewell † 1866.


V. 21. Die jungen Löwen usw. Gott nährt nicht nur die Schafe und Lämmer, sondern auch die Wölfe und Löwen. Der auffällige Ausdruck, dass die jungen Löwen mit ihrem Brüllen Speise suchen von Gott, schließt in sich, dass weder ihre Stärke noch ihre List ihnen Nahrung verschaffen könnte ohne die Fürsorge Gottes. Auch die stärksten Geschöpfe können, sich selbst überlassen, sich nicht helfen. Wie die Gottesfürchtigen durch besondere Fürsorge Gottes erhalten werden, so alle Kreatur durch die allgemeine göttliche Vorsehung. Wenn denn selbst der Löwe in der Vollkraft der Jugend auf Gott angewiesen ist, dann können sicherlich auch die Mächtigsten unter den Menschen nicht in eigener Kraft leben. Wie wir von Gott Leben und Odem haben, so bekommen wir auch von ihm alles, was wir zur Erhaltung dieses Lebens bedürfen. Joseph Caryl † 1673.


V. 22. Wenn aber die Sonne aufgeht usw. Da die wilden Tiere seit dem Fall des Menschen den Daseinszweck zu haben scheinen, uns zu schaden und alles, was ihnen in den Weg kommt, zu zerreißen, muss diese wilde Grausamkeit durch Gottes Vorsehung in Schranken gehalten werden. Und das einzige Mittel, welches er anwendet, um sie in ihren Schlupfwinkeln zu halten ist, ihnen Schrecken einzuflößen, und zwar einfach durch das Licht der Sonne. Dieses Beispiel der göttlichen Güte rühmt der Prophet umso mehr wegen seiner Notwendigkeit für uns; denn wenn es anders wäre, würden die Menschen keine Freiheit haben, an die Arbeiten und Geschäfte des Lebens zu gehen. Jean Calvin † 1564.


V. 23. So geht dann der Mensch aus usw. Alle Geschöpfe freuen sich ihres Daseins, verrichten ihre Geschäfte und tun, was sie müssen. Aber im Unterschied von den willenlosen Werkzeugen des Allmächtigen hat der Mensch allein unter allen Kreaturen ein eigentliches Tagewerk. Er hat und kennt eine bestimmte Lebensausgabe. Und indem er diese übernimmt, wird er ein Diener Gottes, tut, was er soll, und freut sich Gottes, der Werke Gottes, des Dienstes Gottes und gewinnt dadurch für sein Leben in der Zeit einen ewigen Inhalt. General-Sup. K. B. Moll † 1878.
  Wenn das Licht der Wahrheit und Gerechtigkeit scheint, fliehen vor ihm Irrtum und Ungerechtigkeit, und der "brüllende Löwe" selbst geht hinweg für eine Zeit lang. Dann geht der Christ aus an das Werk seines Heils und an seine Arbeit der Liebe, bis der Abend seines Lebens ihn mahnt, sich auf die letzte Ruhe zu bereiten, in fröhlicher Hoffnung der Auferstehung. Bischof G. Horne † 1792.


V. 24. HERR, wie sind deiner Werke so viel, du hast sie alle weise geordnet! Wenn die Zahl und Mannigfaltigkeit der Geschöpfe so außerordentlich groß ist, wie groß, ja, wie unermesslich muss die Macht und Weisheit dessen sein, der sie alle gebildet hat! Denn wie es soviel mehr Kunst und Geschicklichkeit bei einem Handwerker beweist, wenn er sowohl Turm- als Taschenuhren, sowohl Pumpen als Mühlen, sowohl Granaten als Raketen verfertigen kann, als wenn er nur eines von diesen Dingen machte, so offenbart der Allmächtige sonderlich seine mannigfaltige Weisheit darin, dass er eine solch ungeheure Menge verschiedener Arten von Wesen und Dingen, und jedes mit staunenswerter, untadeliger Kunst, geschaffen hat. Und wie ein geschickter Mechaniker denselben Zweck mit verschiedenen Mitteln erreichen kann (denken wir z. B. nur an die vielerlei verschiedenen Arten, wie Uhren getrieben werden), so zeigt auch der unendlich weise Schöpfer an vielen Beispielen der Natur, dass er zu der Erreichung eines Zwecks nicht auf ein Mittel angewiesen ist. (Vergl. z. B. die Flugwerkzeuge der Vögel, der Insekten, der fliegenden Fische usw.; ferner die verschiedenen Mittel zum Schwimmen und vieles andere mehr.) John Ray † 1705.
  Wie hat die Schönheit, Erhabenheit und weise Anordnung der Natur selbst Heiden wie Aristoteles, Plinius, Galenus Bewunderung und Dankeshymnen abgenötigt; wieviel mehr sollten denn unsre Herzen von Dank bewegt werden und unsere Lippen vom Preis überströmen! William Barrow † 1836.
  Ein geschickter Künstler findet, wenn er sein Werk vollendet hat und es nochmals besieht, oft den einen oder anderen Fehler darin; als aber der HERR seine Werke der Schöpfung vollendet hatte und sie betrachtete, sah er, dass alles sehr gut war. Die unendliche Weisheit selbst konnte keinen Tadel daran finden! Was für törichte Kreaturen müssen das denn sein, welche irgendeines der Werke Gottes der Torheit oder des Mangels an Weisheit bezichtigen zu können vorgeben! John Gill † 1771.
  Die Erde ist voll deiner Güter: und diese behältst du nicht für dich, sondern segnest deine Geschöpfe damit. A. R. Fasset 1866.

V. 25. Das Meer - da wimmelt’s ohne Zahl usw. Das Meer wimmelt von Leben mehr als das Land. So gleichmäßig seine Oberfläche ist, schließt das Meer doch eine Fülle von Leben ein, von der kein anderes Gebiet der Erde auch nur einen schwachen Begriff geben kann. Von den Polen bis zum Äquator, vom Osten bis zum Westen, überall ist die See bevölkert; allenthalben, bis in ihre unergründlichen Tiefen, leben und tummeln sich der betreffenden Stätte angemessene Geschöpfe. An jedem Fleckchen des unermesslichen Ozeans findet der Naturforscher Belehrung und der Philosoph Anlass zum Sinnen, und gerade die Mannigfaltigkeit der Lebensformen erweckt in unserem Gemüt ein Gefühl der Dankbarkeit gegen den Schöpfer des Weltalls. Ja, die Ufer wie die Tiefen des Ozean, seine Ebenen und seine Berge, seine Täler und seine Abgründe, sogar seine Trümmer und sein Abschaum werden von Tausenden von Wesen belebt und verschönert. Es gibt in ihm einsam und gesellschaftlich lebende Pflanzen, aufrecht stehende und hängende; die einen strecken sich zu Prärien, andere gruppieren sich in Oasen oder wachsen als ausgedehnte Wälder. Diese Pflanzen gewähren Schutz und Nahrung Millionen von Tieren und Tierchen, die kriechen, rennen, schwimmen, fliegen, sich in den Meeresboden eingraben, sich an Wurzeln hängen, in den Felsspalten wohnen oder sich selber eine Schutzhütte bauen, sich gegenseitig suchen oder fliehen, einander nachjagen oder sich bekämpfen, einander liebkosen oder ohne Erbarmen verzehren. Charles Darwin († 1882) sagt mit vollem Recht, dass die oberirdischen Wälder nicht von ferne die Zahl von Tieren bergen wie diejenigen des Meeres. Der Ozean, welcher für den Menschen ein weites Totengrab ist, ist für Myriaden von Tieren ein Heim voll Leben und Gesundheit. Freude ist in seinen Wogen, Wohlsein an seinen Ufern und Himmelsblau überall. Moquin Tandon 1869.

  Gott sprach: Das Wasser zeuge Tiere jetzt,
  Mit reicher Brut, lebendige Geschöpfe.
  Und Gott erschuf den Walfisch und die Wesen,
  Die kriechen, schwimmen, von der Wasserflut
  Nach ihren Arten häufig jetzt erzeugt.
  Er sah, wie alles gut, und segnete,
  Indem er sprach: Seid fruchtbar, mehret euch
  Und füllt die Meere, Ström’ und Wogen an.
  Es wimmelten im Nu die Sund’ und Meere,
  Die Bai’n und Buchten mit zahlloser Brut
  Von Fischen, die mit Flossen und mit Schuppen
  Die grüne Flut hingleiten und in Scharen
  Wie Dämme glänzen mitten in dem Meer.
  Die bleiben einsam, jene paaren sich,
  Ernähren sich vom Meergras treugesellig
  Und streifen durch die Wälder von Korallen.
  Noch andre spielen schimmernd und behend,
  Ihr goldgesprengtes Kleid der Sonne zeigend;
  Noch andre harren in den Perlenschalen
  Geduldig auf die feuchte Nahrung, lauern
  Im Schuppenpanzer unterem Fels auf Futter.
  Das Seekalb spielt auf glatter Meeresfläche
  Sowie der flink sich schnellende Delphin.
  Noch andre von gewalt’gem Bau bestürmen
  Langsam sich wälzend mit Geräusch das Meer.
  Dort ruht das größte der lebendigen Tiere,
  Leviatan, aufs weite Meer gestreckt
  Gleich einem Vorgebirge; wann er schwimmt,
  Scheint er ein wandelnd Land zu sein, er schlürft
  Ein Meer in seine Kiemen ein und speit
  Es wiederum mit seinem Rachen aus.
   Verlorenes Paradies VII, John Milton † 1674.


V. 26. Daselbst gehen die Schiffe. Statt dass das Meer, wie die in der Schiffahrt noch unerfahrenen Alten meinten, die Nationen der Erde voneinander trennt, ist es vielmehr die große Hauptstraße des menschlichen Geschlechts und vereinigt alle seine verschiedenen Zweige zu einer großen Familie durch die wohltätigen Bande des Handels. Zahllose Flotten durchfurchen beständig seine Wogen, um in fortwährendem Austausch alle Länder des Erdballs durch die Erzeugnisse aller Himmelsstriche zu bereichern, die Früchte der Tropen den Kindern des frostigen Nordens zu überbringen oder die Kunsterzeugnisse kälterer Länder den Bewohnern der heißen Gegenden. Mit der Zunahme des Handels breitet sich auch die Zivilisation mittelst der weiten Straße des Ozeans von Küste zu Küste aus; sie dämmerte zuerst an den Ufern des Meeres, und ihre Hauptsitze sind noch dem Rand desselben entlang zu finden. G. Hartwig 1866.
  Der Leviatan (Luther hier: Walfisch), Hiob 40,25 ff. das Krokodil, ist hier allgemeine Bezeichnung der großen Seeungeheuer. Prof. Friedrich Baethgen 1892.
  Die folgenden Worte verstehen manche mit Septuaginta und Talmud nach Hiob 40,29: um mit ihm zu spielen, was aber keine Gottes würdige Vorstellung gibt; man fasse das ObI (vergl. V. 20) als Wechselwort für M$f Hiob 40,20: um darin, im Meere nämlich, zu spielen. Nach Prof. Franz Delitzsch † 1890.
  Dass sie drinnen spielen. So schrecklich und ungestüm das Meer uns erscheint und unzähmbar in seinen Wogen und seiner Brandung, so ist es doch nur der Spiel- und Tummelplatz, der Lawn-Tennis-Platz für jene Riesengeschlechter des Ozeans. Adam Clarke † 1832.
  Die Walfische sind gemacht, im Meer zu spielen; sie haben nichts zu tun wie der Mensch, der an sein Werk ausgeht V. 23; sie haben nichts zu fürchten wie die wilden Tiere, die sich in ihre Höhlen legen (V. 22); darum spielen sie in dem Wasser. Doch ist es traurig, wenn von den Menschen, die edlere Kräfte haben und zu edleren Zwecken geschaffen sind, manche leben, als wären sie in die Welt gesetzt wie der Walfisch ins Wasser, um darinnen zu spielen, indem sie ihre ganze kostbare Zeit mit allerlei Zeitvertreib hinbringen. Matthew Henry † 1714.


V. 27 f. Fünferlei ist an Gottes Fürsorge für die Tiere zu beobachten: seine Macht, die allein für alle hinreicht: Es wartet alles auf dich; seine Weisheit, die die passende Zeit wählt: dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit; seine über alles erhabene Majestät: Du gibst ihnen, sie sammeln - gleichsam die Brosamen, die von ihres Herrn Tische fallen; eine Freigebigkeit, welche nichts zurückhält: Du öffnest deine Hand; und seine Güte, die alle zu genießen bekommen: sie werden mit Gut gesättigt, das ist, mit dem Guten, das aus deiner Güte ihnen zufließt. Thomas Le Blanc † 1669.


V. 28. Du gibst ihnen, sie sammeln. (Wörtl.) Dieser Satz enthält in erstaunlicher Einfachheit die wunderbare Lösung der Aufgabe, all die unzähligen großen und kleinen Lebewesen, welche im Meere wimmeln, die Heere von Vögeln, welche die Luft erfüllen, und die großen Mengen von Tieren, welche das Festland bewohnen, zu ernähren. Das Werk ist riesig; doch wird es mit Leichtigkeit ausgeführt, weil der Meister, der es vollführt, unendlich ist. Wenn er nicht die Sache besorgte, würde die Aufgabe nie vollbracht werden. Gott sei gelobt für das herrliche Du des Textes. In jeder Hinsicht ist es unser bester Trost, dass der lebendige Gott noch am Werk ist in der Welt. Der Leviatan im Weltmeer und der Sperling im Busch dürfen beide des froh sein, und wir, die Kinder des großen Vaters, noch viel mehr.
  Den allgemeinen Satz des Textes, dass Gott seinen Geschöpfen gibt und seine Geschöpfe sammeln, wollen wir nun auf unsere eigene Lage anwenden; denn er gilt uns sicherlich so gut wie den Fischen im Meer und dem Vieh auf den Hügeln. 1) Wir haben nur zu sammeln; Gott gibt. In zeitlichen Dingen: Gott gibt uns Tag für Tag unser täglich Brot, und unsre Aufgabe ist nur, es zu sammeln. Was das Geistliche betrifft, so ist der Grundsatz ebenfalls wahr, und zwar sehr nachdrücklich; wir haben, was unser Heil betrifft, nur zu sammeln, was Gott gibt. Der natürliche Mensch meint, er habe sich Gottes Huld zu verdienen, müsse den Segen des Himmels sich erkaufen; aber er befindet sich da in einem schweren Irrtum: die Seele hat nur zu nehmen, was Jesus gerne und umsonst gibt. 2) Wir können nur sammeln, was Gott gibt; so eifrig wir auch sein mögen, hat all unser Zusammenraffen doch da seine Grenze. Das emsige Vöglein ist nicht imstande, mehr zu sammeln, als der HERR ihm gegeben; und der gierigste und habsüchtigste Mensch vermag es ebensowenig. Ps. 127,2: Es ist umsonst usw. 3) Wir müssen sammeln, wenn Gott gibt; sonst werden wir von seinem großmütigen Geben keinen Nutzen haben. Gott ernährt all das Gewimmel der Lebewesen ohne Zahl; doch sammelt jedes dieser Geschöpfe die Nahrung sich selbst. Der gewaltige Walfisch bekommt seine Riesenportion; aber er muss dafür die endlosen Felder des Meeres durchpflügen und die Myriaden winziger Meerschnecken und anderer Tiere sammeln, welche seinen Hunger befriedigen. Der Fisch muss aufschnellen, um die Mücke zu fangen, die Schwalbe unermüdlich ausfliegen und ein Tierlein nach dem andern erschnappen, und auch der junge Löwe muss sich seine Beute erjagen. 4) Wir wenden wieder den Text und finden damit den köstlichen Gedanken, dass wir sammeln dürfen, was er gibt. Wir haben göttliche Erlaubnis, das, was der HERR darreicht, frei und freudig zu genießen. 5) Das letzte ist: Gott wird uns stets etwas geben, das wir sammeln können. Es steht geschrieben: Der HERR wird’s versehn. (1. Mose 22,14 Stier.) Ebenso ist es in den geistlichen Dingen. Wenn wir nur willig sind zu sammeln, wird der HERR stets etwas geben. C. H. Spurgeon 1878.
  Das für sammeln gebrauchte Wort bedeutet insbesondere: von der Erde auflesen, z. B. Ähren, Ruth 2,3; Steine, 1. Mose 31,46; Blumen pflücken, Hohelied 6,2. Es wird auch in der Geschichte vom Manna 2. Mose 16 gebraucht, an welche wir uns gerne hier erinnern; denn auch hier ist Voraussetzung für das Auflesen von der Erde ein Herabsenden vom Himmel, ein Geben aus der offenen Hand des HERRN. Joseph Addison Alexander † 1860.
  Wenn du deine Hand auftust: mit den gleichen Worten gebietet Gott uns Freigebigkeit gegen die Armen, siehe 5. Mose 15,11. Joh. Lorinus † 1634.


V. 29. Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie. Das Wort des Grundtextes bezeichnet die Bestürzung, welche einen erfasst, wenn man sich plötzlich aller Hilfe und alles Schutzes beraubt sieht und das unvermeidliche Verderben einem ins Angesicht starrt. So sinken sie, in ihrer Lebenskraft gebrochen, hin, fassungslos brechen sie, von Schrecken überwältigt, zusammen und müssen sterben. Albert Barnes † 1870.


V. 30. Du lässest aus deinen Odem (oder Geist), so werden sie geschaffen. Die Erhaltung der Welt ist fortgesetzte Erschaffung - nicht in dem Sinn der Erschaffung von durchaus Neuem, aber sofern alles Geschaffene schlechthin von Gottes Lebenskraft abhängig ist und bleibt. Und zwar ist es derselbe Geist Gottes, welcher am Anfang die Leben zeugende Kraft war, der bis heute noch Leben gibt und erhält. Das Werk der Schöpfung ward in den sechs Tagen vollendet, aber es wird jeden Tag erneuert und wird so fortgesetzt bis zum Ende der Welt. Und erneuerst die Gestalt der Erde. So macht Gott jedes Jahr eine neue Welt, indem er seinen Odem, seine belebende Kraft aussendet, um durch Regen und Sonnenschein die Gestalt der Erde zu erneuern. Joseph Caryl † 1673.


V. 31. Möge sich Jehovah seiner Werke freuen. Diese Beifügung des Psalmisten ist nicht überflüssig; er wünscht, dass die Ordnung, welche Gott von Anfang eingerichtet hat, fortdauern möge im rechtmäßigen Gebrauch seiner Gaben. Wie wir 1. Mose 6,6 lesen, dass es den HERRN gereut habe, die Menschen gemacht zu haben, so hört Gott auf, Lust daran zu haben, seine guten Gaben darzureichen, wenn er sieht, dass sie durch unsere bösen Neigungen entweiht werden. Und sicherlich zeugen die Verwirrung und Unordnung, welche eintreten, wenn die Elemente ihren Dienst zu tun aufhören, davon, dass Gottes Missfallen erregt und seine Geduld erschöpft ist und er darum dem regelmäßigen Lauf seiner Freigebigkeit Einhalt geboten hat; wiewohl Zorn und Ungeduld unserer Art in seinem Wesen keinen Raum haben. Was hier gelehrt ist, das ist, dass er die Gesinnung des besten Vaters hat, dem es eine Freude ist, seine Kinder mit zärtlicher Liebe zu pflegen und ihnen überschwänglich wohlzutun. Jean Calvin † 1564.


V. 32. Er rührt die Berge an usw. - Kein Maler kann diese weltverlorenen Felsen und Schluchten der Sinaiwüste mit ganzer Schärfe zeichnen. Nur der Photograph vermag die unzähligen kleinen Züge wiederzugeben, welche miteinander die frostige Öde, die Wildheit, Schrecklichkeit und schauerliche Einsamkeit dieser kaum mehr irdisch zu nennenden Wüste ausmachen. Um Mitternacht erhob ich mich und wandelte auf dem Dach des Klosters. Das Sterngefunkel über den Bergspitzen war herrlich, aber die Düsternis, welche über den ungeheuren Felshängen und den unzugänglichen Schluchten hing, drückte das Gemüt stark nieder. An die Vorgänge am Sinai dachte der Psalmist wohl bei den Worten: Er schaut die Erde an, so bebt sie; er rührt die Berge an, so rauchen sie. Dies ist der Berg, den er anrührte und der mit Feuer brannte (Hebr. 12,18); nicht: den man anrühren konnte, sondern der Berg, welchen der Finger Gottes berührte. (Vergl. Bengel, Stier) Wir vermochten uns sehr gut den schwarzen Gürtel dichter Finsternis vorzustellen, mit dem der Berg da umgeben war, und wie die Blitze ihr schnelles Feuer durch diese Hülle sandten, die Finsternis dadurch noch finsterer erscheinen lassend. Auch konnten wir uns die übernatürliche, von keiner irdischen Gewalt entzündete Feuerflamme wohl vor Augen malen, die aus dieser Umgebung aufleuchtete gleich einer lebenden Feuersäule und bei dem Schall der Posaunen der Engel und über die Kraft der Engel erhabener Donner zum Himmel aufstieg. Horatius Bonar 1858.
  Er schaut die Erde an, so bebt sie usw.: das ist die Naturanschauung der Schrift, so soll sie auch die meine sein. Gott bedarf keiner Mittel, um seine Absichten auszuführen; aber wenn er auch für gewöhnlich Mittel anwendet, so sind diese doch nur wirksam durch seine allmächtige Kraft, welche in ihnen wirkt. Wie frostig und ertötend ist der Hauch derjenigen Naturbetrachtung, welche uns davon abwendig machen will, Gott in den Werken seiner Vorsehung zu schauen. Der Christ, der in dieser Luft lebt oder an ihren Grenzen weilt, wird innerlich krank und an rechtschaffenen Werken der Gerechtigkeit unfruchtbar sein. Diese Malaria (Sumpflust) zerstört alles geistliche Leben. Alex. Carson † 1844.
  Er schaut usw. Drum ist es schlimm, in seine Hände zu fallen, der mit einem Blick und einem Anrühren seiner Hand so Schreckliches zu tun vermag. John Trapp † 1669.


V. 33.34. Nachdem er gezeigt hat, wie die ganze Natur die Herrlichkeit Gottes bezeugt, sagt der Psalmist nun, was er zu tun gedenke: Mit seiner Stimme will er den HERRN preisen, mit seiner Hand in die Saiten greifen und ihm spielen, und beides sein Leben lang; mit den Geisteskräften, die ihm gegeben, will er sinnend in Gottes Wesen eindringen, mit seinem Gemüt und Willen sich ganz in seliger Freude an Gott hingeben. Thomas Le Blanc † 1669.


V. 35. Der Sünder müsse ein Ende werden usw. Der Ton des Sängers senkt sich plötzlich V. 32 und wird ein tiefer und ernster. Warum erzittert die Erde vor dem Anblick des gütigen Gottes? Warum rauchen vor Angst die Berge, die er doch auch aus seinen Söllern tränkte (V. 13)? Die Antwort gibt V. 35. Eine Disharmonie gibt es in dieser schönen Welt die Sünde; möchte auch sie gehoben werden, indem Gott den unverbesserlichen Sündern (vergl. die Steigerungsform, nicht) ein Ende macht. - Kommentar von Prof. Friedrich Baethgen 1892.
  Vor etlichen Jahren führte mein Weg mich an einem herrlichen Sommermorgen ein außerordentlich schönes Stück der Küste entlang. Es war der Tag des Herrn, und die Worte des 104. Psalms stiegen unwillkürlich in meinem Geiste auf, während sich so ein schönes Bild nach dem andern vor meinen Augen entfaltete. Etwa halbwegs vor meinem Bestimmungsorte führte die Straße durch einen schmutzigen Flecken, und ich wurde sehr unsanft aus meinen lieblichen Betrachtungen gerissen durch das Lärmen einiger Leute, welche gerade so aussahen, als hätten sie die Nacht bei einem Trinkgelage verbracht. Da konnte ich es dem Psalmisten recht lebhaft nachfühlen, wenn er dem Wunsche Ausdruck gibt, dass die Erde doch nicht mehr durch die Gegenwart solcher Menschen entweiht werden möchte, die, statt eine heilige Priesterschaft zu sein, welche der Natur im Preise ihres Schöpfers ihre Stimme verliehe, die Schöpfung mit rauhem Misston erfüllen. Das Gebet des Psalmisten lässt sich nicht nur rechtfertigen, sondern es ist in unserer Betrachtung der Natur etwas nicht in Ordnung, wenn wir nicht geneigt sind, mit darin einzustimmen. William Binnie 1870.
  Wünscht der Psalmist, dass Gott Freude haben möge an seinen Schöpfungswerken (V. 31) und sucht er an seinem Teil Gott Freude zu machen (V. 33.34a) und an Gott seine Freude zu haben (V. 34 b), so ist er auch zu dem Wunsche berechtigt, dass, die ihre Freude am Bösen haben und, statt Gott Freude zu machen, seinen Zorn erregen, von der Erde hinweggeräumt werden mögen; denn sie sind dem Zweck der guten Schöpfung Gottes entgegen, gefährden ihren Bestand, verkümmern die Freude der Geschöpf. Es heißt nicht: mögen schwinden die Sünden, sondern: die Sünder, denn eine andere Existenz der Sünde als die persönliche gibt es nicht, obwohl es schriftgemäß ist, was Seneca sagt: res optima est non sceleratos exstirpare, sed scelera. (Das Beste ist, nicht die Frevler, sondern die Frevel auszurotten.) - Kommentar von Prof. Franz Delitzsch † 1890.
  Lobe den HERRN, meine Seele. Ein würdiger Anfang (V. 1) und ein würdiger Schluss des Psalms, sagt Cassiodorus († 560), immerdar den zu loben, der nie zu irgendwelcher Zeit verfehlt, mit den treuen Herzen zu sein. So ist auch das Ende eines gottseligen Menschen wie sein Anfang im Glaubensleben. Mit diesem Gurt des Preises Gottes gegürtet, wird er nie umkommen. Joh. Lorinus † 1634.
  Das Hallelujah kommt hier zum ersten Mal im Psalter vor. Es ist hervorgerufen durch den Rückblick auf die Schöpfung und die Betrachtung der Güte Gottes, welche sich in der Erhaltung all der Geschöpfe seiner Hand erweist, und durch den Ausblick auf den künftigen Sabbat, wenn nach der Entfernung aller Bösen aus der Vermischung mit den Guten Gott wieder so auf seine Werke wird schauen können wie am ersten Sabbat, ehe noch der Verführer sie befleckt hatte, als alles sehr gut war. Christopher Wordsworth 1868.
  Dieses erste Hallelujah erscheint bei Gelegenheit der Vertilgung der Gottlosen; und das letzte Mal, da wir ihm begegnen, steht es bei demselben Anlass: wenn das Babylon des Neuen Testaments vernichtet ist, ist der Kehrreim des himmlischen Gesanges: Hallelujah. Off. 19,1.3.4.6. Matthew Henry † 1714.


Homiletische Winke

V. 1a. Eine Ermahnung ans eigene Herz. 1) Gedenke Gottes als der letzten Ursache alles Guten. Rühme nicht Menschen oder die Gunst des Schicksals, sondern den Herrn. 2) Tue dies in liebender, dankbarer, eifriger, ihn preisender Weise: segne (wörtl.) den HERRN. 3) Tue es aufrichtig und inbrünstig: meine Seele. 4) Preise ihn jetzt - um vieler Ursachen willen und auf alle mögliche Weise.
V. 1b. u. 1c. Gottes Herrlichkeit, Ehre und Majestät in Natur, Vorsehung, Gnade und Gericht.
V. 2a. Auch die klarste Offenbarung Gottes ist immer noch eine Verhüllung seines Wesens; selbst das Licht ist für ihn ein Schleier. Gott zeigt sich uns mit Licht bekleidet in seiner Allwissenheit, seiner Heiligkeit, seiner Offenbarung im Wort, seiner Herrlichkeit im Himmel und seiner Gnade auf Erden.
V. 3c. 1) Gott hat Muße auch in seiner Eile: Er wandelt usw. 2) Gott ist schnell auch bei seinem Säumen (2. Petr. 3,8-10; Off. 1,1): Er wandelt auf den Fittichen des Windes. 3) Die praktischen Folgerungen daraus: Es ist Zeit genug da für Gottes Ratschlüsse, aber nicht für unser Tändeln; und wir sollen sowohl mit Geduld auf den Sieg seiner Sache warten als auch ihn durch heilige Tätigkeit beschleunigen (vergl. 2. Petr. 3,11 f.).
V. 7. Die Macht des göttlichen Wortes in der Natur als Abbild seiner Macht auf andern Gebieten.
V. 9. 1) Alles Geschaffene hat seine bestimmten Schranken. 2) Dies Schranken ohne besondere göttliche Erlaubnis zu überschreiten ist Übertretung. 3) Auf außerordentliche Fälle sollte Rückkehr zu den gewöhnlichen Pflichten folgen. George Rogers 1878.
V. 10. Wie Gott auf solche bedacht ist, die gleich den Tälern niedrig, verborgen und bedürftig sind. Die dauernde Art der göttlichen Versorgungsmittel und die erfreulichen Folgen seiner Fürsorge.
V. 10.11. Betrachtungen, die sich aus Gottes Fürsorge für die wilden Tiere ergeben. 1) Wird er nicht noch viel mehr für seine Kinder sorgen? 2) Wird er sich nicht auch um die Wilden und um andre in Nacht und Irrsal umherschweifende Menschen kümmern? 3) Sollten nicht auch wir für alles, was lebt, ein Herz haben?
V. 10-12. Die Fruchtbarkeit, das Leben und die Musik, welche den Lauf eines Stromes kennzeichnen, ein Bild der segensreichen Wirkungen des Evangeliums.
V. 14a. Du lässest Gras wachsen für das Vieh. Was uns das Gras lehrt. I. Das Gras ist an sich lehrreich. 1) Als Bild unserer Vergänglichkeit, Jes. 40,6. 2) Als Bild der Gottlosen, Ps. 37,2. 3) Als Bild der Auserwählten Gottes (zahlreich, rasch wachsend, ganz vom Himmel abhängig) Jes. 35,7; 44,4; Ps. 72,6.16. 4) Als Bild der Nahrung, mit welcher der HERR die Seinen versorgt, Ps. 23,2. II. Noch lehrreicher aber ist es, wenn wir Gottes Walten in dem Wachsen des Grases sehen. Gott ist darin zu ersehen 1) als Wirkender: du machst Gras wachsen. Suche Gott zu schauen in gewöhnlichen Dingen, in den kleinen Dingen des Lebens und auch da, wo er in der Stille und Verborgenheit wirkt (wie in den einsamen Tälern und Alpen). 2) Als Versorger. Schaue Gott in seiner Fürsorge. Er sorgt für das Vieh, für Geschöpfe, die sich nicht selbst helfen (weder Gras säen noch es wachsen lassen) können, für stumme, sprachlose Kreaturen (wie viel mehr für solche, die beten können), und er gibt ihnen die für sie geeignete Nahrung: Gras. Lasst uns denn allezeit seine Hand auch in unseren Führungen sehen. III. Gottes Wirken in dem Grase, das er für das Vieh wachsen lässt, gibt uns treffende Bilder für sein Wirken in der Gnade. 1) Gott sorgt für die Ochsen, und zwar in einer ihre Bedürfnisse stillenden Weise; so muss es also auch etwas geben, das die höheren Bedürfnisse von uns edleren Geschöpfen und unserer unsterblichen Seele befriedigt. 2) Wiewohl Gott das Gras für das Vieh bereitet, müssen doch die Tiere es selber essen. Der Herr Jesus ist uns bereitet als Speise für unsre Seele; wir aber müssen durch den Glauben ihn aufnehmen und uns an ihm nähren. 3) Wir mögen hier die vorlaufende Gnade im Sinnbild ersehen: Noch ehe die Tiere geschaffen waren, war schon Gras in der Welt. So war durch die ewige Liebe auch für Gottes Kinder schon Fürsorge getroffen, ehe diese in der Welt waren. 4) Wir finden hier ferner ein Bild der freien Gnade. Wenn der Ochse auf die Weide kommt, bringt er kein Geld mit. Und weshalb gibt Gott dem Vieh das Gras? a) Weil es ihm gehört, Ps. 50,10; b) weil er einen Bund mit ihm gemacht hat, es zu ernähren, 1. Mose 9,9 f. - In unserem Text wird auch der Lehre von dem freien Willen ein Schlag versetzt: Wie Gott es ist, der das Gras wachsen lässt, so wächst auch die Gnade im Herzen nicht ohne göttliches Wirken. Wenn Gott es der Mühe wert hält, Gras wachsen zu lassen, wird er auch in uns die Gnade sprossen lassen. Wiederum: Das Gras wächst nicht ohne Zweck; es ist für das Vieh, das Vieh aber wächst für den Menschen. Wozu wächst dann der Mensch? Erwäge endlich, dass das Dasein des bescheidenen Grases notwendig ist, um die Kette der Natur zu schließen. So ist auch das geringste Kind Gottes notwendig für die große Familie Gottes. Siehe Ackerpredigten S. 209 (Schwert und Kelle 1883), Bapt. Verlagshaus, Kassel, von C. H. Spurgeon.
V. 16. Die Zedern Libanons. Wir betrachten an ihnen: I. Das Fehlen alles menschlichen Zutuns. Diese Bäume sind in besonderem Sinne Bäume des HERRN. 1) Weil sie ihre Pflanzung völlig ihm verdanken. 2) Weil sie in Betreff ihrer Bewässerung nicht vom Menschen abhängen, V. 13. 3) Weil keine Macht der Sterblichen sie beschützt. 4) Auch gegen die staunenden Blicke der sie betrachtenden Menschen bewahren sie eine erhabene Gleichgültigkeit. 5) Ihre Freude ist ganz für Gott, Ps. 148,9; vergl. Ps. 29,6. 6) Es gibt nicht eine Zeder auf dem Libanon, die in ihren Erwartungen nicht vom Menschen unabhängig wäre. II. Die herrliche Erweisung der göttlichen Fürsorge. 1) In der Fülle ihrer Zuflüsse. 2) Die Zedern sind immergrün. 3) Betrachte die Höhe und den Umfang dieser Bäume. 4) Ihren Wohlgeruch. 5) Ihre Lebensdauer. 6) Ihre Ehrwürdigkeit. III. Die Fülle des in ihnen wirksamen Lebensprinzips, sie stehen voll Saftes. Diese Lebenskraft 1) ist zum Leben notwendig; 2) ist ein Geheimnis; 3) ist wurzelhaft verborgen; 4) ist beständig wirksam; 5) tritt nach außen in ihren Wirkungen hervor; 6) ist in reichem Maße begehrenswert.
V. 17.18. Lehren aus der Natur. (Die Einleitung siehe Erläuterungen S. 309.) I. Für jeden Ort hat Gott eine geeignete Form des Lebens zubereitet: für das Gezweige am Bach die Vöglein, für die hohen Berge die Gämsen usw. So auch in der geistlichen Welt 1) Jedes Zeitalter hat seine Gottesmenschen. 2) In jeder Stellung, jeder Klasse der Gesellschaft sind sie zu finden. Das wahre Christentum ist für alle Lebenslagen gleich gut geeignet. 3) In jeder Kirche ist geistliches Leben zu finden - auch in solchen, deren Irrtümer wir nicht schonen dürfen. 4) Kinder Gottes oder solche, die es werden sollen, sind in jeder Stadt zu finden. (Apg. 18,10) II. Jedes Geschöpf hat seinen geeigneten Platz. 1) So ist auch jedem Menschen durch Gottes Vorsehung eine bestimmte äußere Stellung zugewiesen. 2) Dies ist auch wahr von unserer inneren Erfahrung. 3) Das nämliche gilt von der Eigenart des Charakters. III. 1) Jedes Geschöpf Gottes ist mit einer Zufluchtsstätte versorgt. 2) Diese ist für das betreffende passend, und wird 3) von ihm benutzt. - Schwert und Kelle 4, 209 und Hauspostille S. 49 (Bapt. Verlagshaus, Kassel), von C. H. Spurgeon.
V. 19. An dem sichtbaren Himmel offenbart sich 1) die Weisheit Gottes. In dem Wechsel des Mondes, der Verschiedenheit der Tages- und Jahreszeiten usw.; 2) die Güte Gottes. In der Angemessenheit dieser Wechsel für Bedürfnis und Lebensgenuss des Menschen; 3) die Treue Gottes. Die Regelmäßigkeit der Wechsel flößt uns Vertrauen zu Gott ein. Das alles sporne uns zur Treue an.
V. 20. Geistliche Finsternis und die wilden Tiere, die sich darin regen. 1) Unwissenheit über Gott und ungezügelte Lüste, Röm. 1,18-32. 2) Die Sünden werden in ihr offenbar. Die wilden Tiere, die schon vorher, aber unbemerkt, vorhanden waren, schrecken nun den Menschen. 3) Geistliche Zaghaftigkeit, Furcht, Verzweiflung. 4) Schläfrigkeit der Kirchen. Allerlei Irrlehren und praktische Irrtümer beginnen hervorzuschlüpfen. 5) Papistischer Einfluss, Mönche, Priester usw. regen sich in diesem dunkeln Zeitalter. Archibald G. Brown 1878.
V. 20-23. Nachtgeschäfte sind für die wilden Tiere, Tagesarbeit für den Menschen. Gute Menschen tun ihre Werke im Licht, böse in der Nacht; ihre Werke sind Werke der Finsternis. Lk. 22,53; Joh. 3,19 ff.; Eph. 5,8 ff. (Und Prediger, die bei Nacht in ihre Studierstuben kriechen und dort "brüllen nach ihrer Beute", gleichen mehr Raubtieren als vernünftigen Menschen!) George Rogers 1878.
V. 21. Inartikulierte Gebete, oder: wie mangelhaft die Ausdrucksweise sein mag und doch wie echt das Gebet in der Schätzung Gottes.
V. 22. An der Wirkung des Sonnenaufgangs auf die Raubtiere stelle man den Einfluss der göttlichen Gnade auf unsere bösen Begierden dar. Charles A. Davis 1878.
V. 23. Bis an den Abend. Text einer Predigt von Dr. Hamilton, 1850 gehalten im Interesse einer Vereinigung von Kaufleuten für frühen Geschäftsschluss.
V. 24. 1) Die Sprache des Staunens: HERR, wie sind usw. Die Zahl und Mannigfaltigkeit der Werke Gottes. 2) Der Bewunderung: Du hast usw. Überall offenbart sich dieselbe Weisheit. (Gott ist ebenso groß im Kleinsten wie im Erhabenen, Th. Chalmers) Ineinandergreifen, Harmonie der Werke Gottes. 3) Der Dankbarkeit: Die Erde ist voll deiner Güter. George Rogers 1878.
  1) Die Werke des HERRN sind unzählig und mannigfaltig. 2) Sie sind so gebildet, dass sie in dem ihnen innewohnenden Plan wie in dem Zweck, zu welchem sie gemacht sind, die vollkommene Weisheit Gottes zeigen. 3) Sie sind alle Gottes Eigentum und sollten nur zu dem Zweck, zu welchem sie geschaffen sind, gebraucht werden. Aller Missbrauch und alle Verschwendung dessen, was Gott geschaffen, sind Raub und Plünderung, begangen an dem Eigentum des Schöpfers. Adam Clarke † 1832
V. 26. Daselbst gehen die Schiffe. I. Wir sehen die Schiffe fahren. 1) Sie sind dazu gemacht: "Fahret auf die Höhe." 2) Sie entschwinden dabei zuletzt den Blicken. Auch wir eilen davon. 3) Sie haben bei ihren Fahrten ein Geschäft. Was ist deines Lebens Zweck? 4) Sie segeln auf veränderlichem Meer. Ein Bild unseres Lebens. II. Wie fahren die Schiffe? 1) Sie sind vom Wind abhängig - so wir von dem Geist Gottes. 2) Doch kommt der Seemann nicht vorwärts allein vermöge des Windes ohne eigene Anstrengung; der Wind muss benutzt werden. 3) Sie müssen mit dem Steuer gelenkt werden. 4) Der, welcher das Steuer lenkt, sucht Anweisung durch Karten und Lichter. (Ein Bild des Glaubens.) 5) Die Schiffe gehen je nach ihrer Bauart besser oder schlechter. III. Lasst uns mit ihnen durch die Flaggensprache reden. 1) Wer ist euer Eigentümer? 2) Was ist eure Ladung? 3) Wohin geht ihr? - Siehe Botschaft des Heils II, 161 (Bapt. Verlagshaus, Kassel) von C. H. Spurgeon.
V. 27-30. Man verfolge die Analogien im Geistlichen. Die Gläubigen warten auf Gott, V. 27; ihre Erhaltung durch die offene Hand, V. 28; ihre Bestürzung, wenn Gott sein Angesicht verbirgt; ihr Tod, wenn der Geist sich zurückzieht, V. 29; ihre Wiederbelebung, wenn der Geist zurückkehrt, V. 30.
V. 29.30. 1) Der Anfang des Lebens ist von Gott: Du lässest aus deinen Odem usw. 2) Die Fortdauer des Lebens ist von Gott: Du erneuerst usw. 3) Der Verfall des Lebens ist von Gott: Verbirgst du usw. 4) Das Aufhören des Lebens ist von Gott: Du nimmst weg usw. 5) Die Wiedererweckung des Lebens ist von Gott: Du erneuerst usw. George Rogers 1878.
V. 30. Der Lenz in der Natur und im Geistlichen.
V. 32. 1) Was ein Blick Gottes bedeuten kann: a) ein Blick des Zornes, b) ein Blick der Liebe. Vergl. zu beidem 2. Mose 14,24 (Ägypten und Israel). 2) Was eine Berührung durch Gott bedeuten kann: sie mag eine Seele in den Himmel erheben oder in die Hölle hinunterstoßen. George Rogers 1878.
V. 33. 1) Der Sänger. 2) Der Gesang. 3) Der Zuhörer (der HERR, mein Gott). 4) Die Dauer des Gesanges. Archibald G. Brown 1878.
  Zwei Ich will. 1) Weil er mir das Leben gegeben. 2) Weil er mir gegeben, dass ich in Ihm lebe. 3) Weil er Jehovah und mein Gott. ist. 4) Weil ich immerdar im höchsten Sinne des Wortes leben werde.
V. 34. 1) Davids Sinnen. 2) Davids Freude.
V. 35. 1) Wer Gott nicht preist, ist nicht tauglich für das (bestimmungsgemäße) Leben auf Erden, 2) noch viel weniger für den Himmel. 3) Wer Gott preist, ist tauglich für beides, Erde und Himmel. Ob andere ihn hier nicht preisen, die Gläubigen sollen und wollen es: Lobe den HERRN, meine Seele; a) im Gegensatz zu andern hienieden, b) in Gemeinschaft mit andern im Himmel. Überall ist das Hallelujah der Grundton ihres Lebens. George Rogers 1878.

Fußnoten

1. Kosmos = das Weltall als wohlgeordnetes Ganzes, dann eine Beschreibung des Weltalls, nach Alex. von Humboldt’s bekanntem so genannten Werke.

2. So die engl. Übers. Wahrscheinlich ist aber V. 8a ein Zwischensatz: - Berge stiegen empor, es senkten sich Täler -, und wird erst in V. 8b der durch diese Parenthese unterbrochene Satz von V. 7 wieder aufgenommen: zum Ort, den du ihnen gegründet hast. Nur in diesem Schlussteil des Verses wären nach dieser Auffassung die Wasser wieder Subjekt.

3. Nach der Sitte der englischen Hochkirche.

4. Die meisten Neueren fassen den Vers als Wunsch auf: Möge die Herrlichkeit (oder der Ruhm) des HERRN ewig währen; möge der HERR sich seiner Werke freuen. Wir halten aber an Luthers indikativischer Übersetzung fest. Auch nach Kautzsch (siehe Gesenius, Gramm. §167; 109) steht die Jussivform hier ohne Nebenbedeutung an Stelle des Impf. Vergl. auch z. B. Ps. 72,16.

5. Gemeint ist wohl die Überschwemmung infolge Deichbruchs in den Niederlanden im Jahre 1530, bei welcher 400.000 Menschen umgekommen sein sollen.